Ludwig Thoma
Satiren
Ludwig Thoma

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Frau Mathilde Käsebier an Frau Kommerzienrat Wilhelmine Liekefett in Neukölln.

Firenze, 21 febbraio.

My Darling!

Nun sind wir schon den vierten Tag hier und ich kann mich nicht erholen vor Bewunderung über diese unsagbare Kunst und Kultur, welche hier einmal geherrscht hat.

Man fragt sich doch unwillkürlich, wie es möglich war, dass im finstern Mittelalter doch auch eine gewisse Bildung vorhanden war. Ich denke es mir so, dass sie damals natürlich selten war und nicht allgemein, wie jetzt unter uns, und dass sie dann aber sehr stark bei einzelnen Leuten war und sie zu solch herrlichen Leistungen befähigte.

Du siehst, Darling, man wird hier ganz von selbst auf Schritt und Tritt zum Nachdenken angeregt und man befasst sich hier mit Problemen, zu denen man daheim im Hasten und Treiben des gesellschaftlichen Lebens leider nur allzu selten kommt.

Freilich haben wir ja bei Schulte oder Cassierer häufig Anregung und wir können sogar, was mir hier sehr fehlt, durch Aussprache mit bedeutenden Geistern oder bekannten Kunstkritikern unser eigenes Fühlen und Denken ergänzen, aber ich fühle doch hier, dass uns auch die Vergangenheit unsagbar vieles zu bieten vermag.

Oft wünsche ich mir hier eine starke Hand, die mich durch die Renaissance hindurchleitet wie unsere Kritiker zu Hause durch die moderne Kunst, aber das ist nun mal ein unerfüllbarer Wunsch.

Ja, ich finde sogar für mein inneres Erleben so gar keine gleich gestimmte Seele, denn Lilly, so sehr sie sich bemüht, ist eben doch zu jung und mein Mann . . .

Dearest Wilhelmine, oft frage ich mich, wie eigentlich das Leben zwei so widerstrebende Naturen zusammenführen konnte und wie ich meine Ideale in einer solchen nüchternen Umgebung unberührt bewahren konnte. Zu Hause fühlte ich das ja nicht so sehr, wo ich dich und einen Kreis von Gebildeten habe, aber hier befällt mich doch oft die schreckliche Gewissheit, dass ich nie, nie verstanden worden bin!!

Doch ich will nicht klagen, sondern dankbar sein, dass ich wenigstens all dieses Schöne und Interessante in mich aufnehmen kann. Wir haben schon gleich in den ersten zwei Tagen die Gemäldesammlungen Uffizien, Pitti und Accademia und das Barcello und auch die wichtigsten Kirchen erledigt, aber ich sehe aus Baedeker, dass wir noch sehr viel zu absolvieren haben.

Da ist es doch auch wieder eine Erholung, dass ich mit Lilly zum Five o'clock gehe, wo wir entzückende Musik hören und die elegante Welt sehen können.

Denke dir nur, ein sehr schicker Herr hat sich uns vorgestellt, ein Conte Bonciani, welcher dem italienischen Uradel angehört, so etwas ganz Vornehmes, weißt du, wie bei uns der schlesische Adel, den man in der Hedwigskirche sieht.

Er verwechselte mich mit einer Gräfin Schlieffen, die er in der deutschen Gesandtschaft kennen gelernt hat und der ich außerordentlich ähnlich sehe, wie er sagt. Er war Attaché in Wien und München und spricht sehr gut Deutsch, nur mit italienischem Akzent, was ganz entzückend ist.

Er macht mir ein bisschen den Hof, aber ganz in den Grenzen eines Grandseigneur von der alten Schule, und hat so chevalereske Manieren, wie man sie eben doch nur bei so echten, alten Familien findet. Wenn er hier von einem Palazzo Strozzi oder so spricht und so ganz nonchalant sagt, dass er seinem Onkel gehört, fühlt man doch, welcher vornehmen Tradition man hier begegnet, und ich sagte ihm auch, wenn er je einmal nach Berlin kommt, muss er uns besuchen und ich gebe dann einen großen Abend.

Morgen ist ein concours hippique in den Cascinen und Bonciani will mich und Lilly dorthin führen; Fritz wird uns nicht begleiten. Er hat hier ein Bierrestaurant gefunden und das, was er gemütlich nennt und er will sich in diesen Seligkeiten nicht stören lassen. Ich bin auch wirklich nicht unglücklich, wenn er wegbleibt, denn wenn wir voraussichtlich mit einigen ersten Familien von Florenz Bekanntschaft schließen – du verstehst mich.

Aber nun addio, Darling! Addio! Tausend Grüße und Küsse

von deiner
dich liebenden Mathilde.

Ich habe mir hier ein Kostüm bestellt, da wir nun doch öfter mit dem Conte die passeggiata in den Cascinen mitmachen und mit der first class bekannt werden sollen. Es ist ein französisches Jackenkostüm mit Hüftgürtel. Weißt du, futterloser Dreibahnenrock zu Sackrockfalten gelegt, die Jacke seidengefüttert, an den vorderen Rändern zusammenhängend mit dem Kragen, mit dem gleichen Stoff besetzt.

Dazu ein Hütchen, Darling! Ein Gedicht! Schwarzen, gefalteten Samtkopf mit schwarzen Reihern. Er sieht fast so aus wie ein Samtbarett und man kann sich Michelangelo vorstellen, der, ein solches Barett keck aufgestülpt, durch die Straßen von Firenze wandelt.

Der Conte findet das auch.

Addio! Addio!


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