Ludwig Thoma
Satiren
Ludwig Thoma

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Friedrich Wilhelm Käsebier an Herrn Rentier Adolf Krickhan, Charlottenburg, Kantstraße.

Venedig, oder Venezia,
wie meine Olle zu sagen pflegt, 15. Februar.

Oller Bouillonkopp!

Meine fidele Karte aus München wirst du erhalten haben. Ich war nämlich mit dem jungen Krause noch auf einer Karnevalsbierreise, nachdem ich die Damenwelt ins Bett geschickt hatte. Junge, ich sage dir!

Ein paar Nachtbetriebe mit Bier und Weißwürsten und Mädels!

Hollolo juhu! Wir zogen noch mit 'n paar Dominos und einer Sennerin los in so eine Kutscherbude am Marienplatz. Fein mit Ei!

Die Sennerin hatte 'n Ausschnitt und Vorjebirge! Ei wei, Backe!

Du kannst dir denken, wie ich da in meinem Element war, und die Kleine war direkt in mich verschossen. Nu lach nich so dreckig!

Sie sagte fortwährend: »Sie sin oder sein aber schlimm«, und Augen machte sie! Na, Junge, ich sage dir, nich zu knapp! Eigentlich schade, dass man weg musste und nu hier sitzt. Bleibe im Lande und nähre dich redlich – vastehste?

Die Reise war bis jetzt so lila. In Verona bekiekten wir eine olle Ruine, die früher mal ein Zirkus oder Theater war. Ich sagte, Theaterruinen haben wir nu auch in Berlin genug, wo jede Saison 'n paar verkrachen, aber da kriegte ich's nich schlecht ab. Bildung – Junge!

Hierzulande sin die ollen Klamotten Heiligtümer und meine Mathilde sieht fortwährend den Geist der Geschichte herumschweben.

Ich sage bloß, 'ne ordentliche Portlandzementfabrik her und rin mit die Ruinen. Dafor können se uns noch dienen, die ollen Ruinen.

Aber sag das mal zu diese Jüngerinnen Baedekers, und dann ein Blick, vastehste, der durch Weste und Hemd geht.

Am Grabe Romios bemühte sich die Gattin eine Träne rinnen zu lassen un natürlich hat sie's auch fertig gebracht. Dabei soll der Kerl schon über hundert Jahre tot sein! Haste Worte?

Nu sind wir also glücklich hier in der Stadt, wo man in Gondeln gondelt. Du sollst mal sehen, wie verzückt die Damenwelt ins Wasser kiekt, bloß weil's Lagune heißt. Es spiegelt sich aber nischt darin, dazu ist es viel zu dreckig.

Am Markusplatz erzählte uns der Fremdenführer, dass vor ein paar Jahren der Turm eingestürzt ist. Na, was ich sage! Die Trümmer haben sie wieder zusammengekleistert statt mal ordentlich mit Eisenbeton ranzugehen.

Alles wegen die Fremden un damit Baedeker Recht hat.

Sie leben hierzulande von der Vergangenheit un Jeschichte, damit sie nicht zu arbeiten brauchen. Das is die Jeschichte.

Eine Gesellschaft, sage ich dir! Schieba!

An der Grenze haben sie mir meine Kiste Bremer Zigarren gemaust oder konfisziert, wie man hier sagt. Und nu soll einer die Stinkadores italienos rauchen! Nee! Schön is anders.

Nu lebe wohl! Ihr sitzt wohl bei Stahlmann und spielt den deutschen Dreimännerskat? Der vierte Mann schwimmt in Wonne und Renässanxe und freut sich, wenn er wieder mal 'n ordentlichen Grand mit vieren aus der Hand kriegt.

Grüße Schmidtke und Krüger und sage ihnen, ich kann's nicht erwarten, dass ich wieder mal unter vernünftigen Menschen bin.

Was soll mir der Molo? Ich spiel lieber 'n Solo! Au!

Euer Fritze Käsebier.


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