Ludwig Thoma
Satiren
Ludwig Thoma

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Peter Spanningers Liebesabenteuer

Die oberbayrische Stadt Dürnbuch liegt keineswegs an der Eisenbahn.

Vor etlichen fünfzig Jahren stand es der Regierung im Sinne, eine Hauptbahn an die Stadt zu legen. Aber der Brauereibesitzer Peter Spanninger, der Großvater des jetzigen Peter Spanninger, wehrte mit anderen Bürgern die Neuerung ab.

Man sagte der Regierung mit klaren Worten, dass die Dürnbucher am Alten und Hergebrachten hingen. Sie wollten mitnichten das Fuhrwesen von der Landstraße bringen und alle Wirte und Lohnkutscher schädigen. Der Weitblickende möge bedenken, dass mit ihnen die Schmiede, Sattler und Wagner Einbuße litten, die Bräuer minderen Absatz fänden und die anderen Geschäftsleute in Gefahr schwebten. Denn alle Kundschaft könne mit der Bahn schnell und mühelos die große Stadt erreichen und dort Geld ausgeben, das besser in Dürnbuch bleibe.

Die Regierung wollte die treue Bevölkerung nicht kränken und legte den Schienenstrang so weit entfernt von der Stadt, dass die Nachkommen des Peter Spanninger zwei Stunden mit dem Omnibus fahren müssen, wenn sie den Pfiff einer Lokomotive hören wollen. Heute noch rumpelt frühmorgens um sechs Uhr der Postwagen über den Stadtplatz und der Postillion Johann Glas lenkt die Pferde, wie es sein Vater tat. Zu Winterszeiten sitzt er verfroren auf dem Bock und schaut neidisch auf die dunklen Fenster, hinter denen die Bürger in warmen Betten liegen.

Wenn es aber Frühling wird und ein feiner Morgen tagt, setzt er das Posthorn an und bläst sein altes Lied. Dann kommen Leute an die Fenster und prüfen mit verschlafenen Augen das Wetter. So hat sich in Dürnbuch das gute alte Wesen erhalten.

Hierin wie überhaupt.

Dürnbuch hat 3419 Einwohner. Darunter sind vier Protestanten und ein Israelit; die übrige Bevölkerung ist römisch-katholisch.

Auch darf man nicht glauben, dass jene Andersgläubigen Eingeborene sind. Der Stadtschreiber Rellstab, der mit seiner Frau und zwei Kindern der evangelischen Konfession angehört, ist Mittelfranke. Der Israelit heißt Isidor Blumschein, stammt aus dem Schwäbischen und wurde durch den Produktenhandel in die Gegend geführt.

Im Übrigen erlitt das katholische Bekenntnis keinerlei Schaden durch die Fremdlinge. Bei den jüngsten Wahlen fielen alle Stimmen auf den ultramontanen Kandidaten, Kaufmann J. B. Irzenberger.

Der Stadtschreiber wollte die politische Überzeugung der Herren Bürger schonen und auch Blumschein heulte mit den Wölfen.

Dürnbuch ist der Sitz ansehnlicher Behörden, nämlich eines königlichen Bezirksamtes, Amtsgerichtes, Rentamtes und Notariates; es hat eine Gendarmerie-, eine Post- und Telegrafenstation. Zu den Lehranstalten gehören außer der Volksschule eine Töchterschule der armen Schulschwestern und eine Realschule. Ferner befinden sich dort sechs Kirchen, acht Bräuhäuser, eine Kunstmühle und ein herrschaftliches Schloss, welches aber nicht mehr bewohnt wird.

In früheren Zeiten gehörte es den Grafen Selz-Dürnbuch, einem alten Geschlecht.

Der letzte Dürnbuch, Johann Anton, starb unverehelicht als kurfürstlich bayrischer Kämmerer im Jahre 1764. Der Besitz ging auf die Familie der Freiherren von Selz-Gögging über, deren letzter Spross um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts das Zeitliche segnete.

Vor seinem Tod verkaufte er das Gut Dürnbuch an den Fiskus. Dieser bewirtschaftet noch heute den schönen Forst, lässt aber das Schloss verfallen, weil die Kosten der Instandhaltung zu hoch kommen. Die Säle zu ebener Erde hat Isidor Blumschein um geringen Preis gemietet; er benützt sie als Lagerräume für Landesprodukte.

Handel und Industrie stehen in Dürnbuch in gedeihlicher Blüte.

Die Landbevölkerung bringt ihre Erzeugnisse in die Stadt und deckt hier wiederum ihre Bedürfnisse. Die zwei größeren Warenhandlungen von J. B. Irzenberger und Gabriel Riedlechner haben erklecklichen Umsatz. Die Brauereien sind gut betrieben; die bedeutendste von Peter Spanninger »Zum Stern« siedet über achttausend Hektoliter Malz ein. Die Kunstmühle war bis vor wenigen Jahren im Besitz des Herrn Jakob Bonholzer, ist aber jetzt in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

Der Handel mit Getreide und Vieh ist rege; auch mit Holz werden gute Geschäfte gemacht. Das ehrsame Handwerk gedeiht. So ist im Allgemeinen die Bevölkerung wohlhabend, auch wohllebig. Die Arbeit wird mit bedachtsamer Ruhe getan und alle Feste werden gewissenhaft begangen.

Jeder Familienvater muss in pünktlicher Reihenfolge die Wirtschaften besuchen um die Beziehungen aufrecht zu erhalten.

In der behäbigen Art der Bürger liegt es begründet, dass gerade diese Seite der geschäftlichen Tüchtigkeit am besten ausgebildet ist.

Über Lage und Bau der Stadt lässt sich Rühmendes sagen. Dürnbuch liegt 480 Meter über dem Meer, in dem von Hügeln durchzogenen Alpenvorland. Die Höhen sind bewaldet; aber das dunkle Fichtenholz wechselt ab mit Wiesen und Getreidefeldern, was ein freundliches und mannigfaltiges Bild gewährt. Man erblickt in der Nähe zahlreiche Dörfer und Weiler; auch in größerer Ferne, wo sich die Häuser dem Auge verbergen, lugt da und dort ein spitzer Kirchturm über die Hügel hervor.

Der Ort Dürnbuch ist um die Mitte des elften Jahrhunderts entstanden. An die alte Zeit erinnern einige Reste der Stadtmauer und ein gut erhaltenes Tor. Man gelangt durch dasselbe auf den mäßig großen Marktplatz, dessen Mitte ein Marienbrunnen ziert.

Hier steht auch die schöne Pfarrkirche, welche im spätgotischen Stil erbaut ist.

Auf der Südseite des Platzes erheben sich die drei stattlichen Brauereien »Zum Stern«, »Zum Rappen« und »Zum goldenen Lamm«.

Sie strecken, wie einige Wirtschaften gegenüber, große schmiedeeiserne Schilder in die Luft hinaus. Die blinken freundlich in der Sonne und verheißen Eingeborenen wie Fremden behagliches Unterkommen.

Die Gassen, welche in den Marktplatz einmünden, sind krumm, eng und uneben. Die Häuser sind mannigfaltig gebaut. Viele haben nach italienischem Muster breite Fassaden, welche in geraden Maueraufsätzen die Dächer überragen.

Diese sind mit Schindeln gedeckt und stoßen hart aneinander. Nicht selten üben waghalsige Knaben auf der gefährlichen Höhe ihre Spiele, indem sie über alle Dächer klettern von einem Haus zum andern.

Und die Kater haben hier oben ein weites Feld für ihre Liebesfahrten.

Der Stolz der Stadt ist eine Lindenallee, welche am Schloss vorbei bis Holzhausen führt.

Zum Mindesten einmal im Jahr beschreibt der quieszierte Lehrer Furtner ihre Reize im »Alzboten«, gewöhnlich in den Herbsttagen, weil er an die wundervolle Färbung der Bäume und an den wehmütigen Anblick der sterbenden Natur passende Gedanken über den Allerseelentag anzuknüpfen weiß.

Dem Dürnbucher Bürger ist die Allee mit allen Erinnerungen des Lebens verwachsen.

Hier hat er als Kind gescherzt, hier schlich er in dämmernden Abendstunden an der Seite eines weiblichen Wesens und hier schreitet er jetzt, wenn die Zeit der Torheiten vorüber ist, am hellen Tag neben seiner ehrbaren Frau und neben dem Kinderwagen her.

Südlich der Allee fließt die Alz, ein stattlicher Fluss. In seinem klaren Wasser spiegeln sich die Rückseiten der Häuser, Weidenbüsche und Erlen und die Kühe, die den kleinen Leuten der Vorstadt gehören. Und manches Mal auch die Wäsche der Dürnbucher Damen, welche am Ufer zum Trocknen aufgehängt wird. Im Luftzug wiegen sich die blühweißen Geheimnisse hin und her und der Spaziergänger kann hier vieles erblicken, was er sonst nicht zu sehen kriegt.

 

Man darf es als Tatsache feststellen, dass die Spanninger in vier Geschlechtern die reichsten und damit die angesehensten Leute von Dürnbuch waren; dass auch der jetzige Besitzer der Bierbrauerei »Zum Stern« auf dieser Höhe steht. Und daran knüpft man die Hoffnung, dass sich kein Spanninger in absteigender Linie bewegen wird.

Die erblichen Eigenschaften wie die Stellung der Familie schließen Befürchtungen aus. Einem Spanninger ist der Weg geebnet und die Bahn zu allen Ehrenstellen offen. Ein Spanninger kann mit der Überzeugung ins Leben treten, dass er Distriktsrat wird und dass dermaleinst an seinem offenen Grab die sämtlichen Vereine Dürnbuchs mit umflorten Fahnen stehen werden.

Diese Laufbahn ist ihm vorgezeichnet; die Achtung der Bürger hängt an seinem Besitz.

Die Spanninger strebten nie darüber hinaus und sanken nie darunter hinab.

Sie waren in vier Geschlechtern gutmütige Menschen; und jeder hatte mit fünfundzwanzig Jahren seinen Bauch, mit sechzig Jahren seinen Schlaganfall.

Was dazwischen lag, war Durst, Fröhlichkeit und Verständnis dafür, dass auch die armen Teufel leben wollen.

Die Bildung der Spanninger hielt zwar Schritt mit den Anforderungen der Zeit, aber sie blieb innerhalb der Grenzen des Notwendigen. Den älteren Geschlechtern hatten die Grundelemente, Lesen, Schreiben und Rechnen, genügt; die gewerbliche Kunst wurde daheim gelernt.

Der jetzige Inhaber der Brauerei musste schon mehrere Jahre die neu gegründete städtische Realschule, oder, wie man sie damals hieß, Gewerbeschule, besuchen. Die Neuerung wandelte den Familiencharakter nicht um; sie blieb ohne einschneidende Wirkungen. Und das war gut. Denn mancher, der eine höhere Stufe der Erkenntnis erklimmen will, gewinnt nichts als eine Verachtung der tieferen, die ihm guten Halt gegeben hätte.

Der Sternbräu geriet nicht in die Gefahren der Zwiespältigkeit von Beruf und Bildung. Er streifte die angeflogenen Kenntnisse ab und behielt als Rest nur eine Vorliebe für Fremdwörter. Durch ihren häufigen Gebrauch erhob er sich mit einiger Befriedigung über die große Menge.

Noch ein anderes kam ihm zustatten. Sein Vater hatte ihn nach Straubing geschickt; er verbrachte hier ein volles Jahr als Volontär in der Koller'schen Brauerei und galt später den Dürnbuchern als ein Mann, der sich in der Welt umgetan hatte.

Der Sternbräu zog daraus die Lehre, dass der bloße Anschein ungewöhnlicher Regsamkeit das Ansehen mehrt. Und diese Erfahrung leitete ihn wieder bei der Erziehung seines Sohnes. Er war nicht bekümmert, als der heranwachsende Peter in der Realschule sehr geringe Tüchtigkeit bewies. Es ist nicht einmal sicher, dass er die Semesterzeugnisse aufmerksam las; die Noten, welche hinter Algebra, Geschichte, Geographie, französischer Sprache standen, waren ihm herzlich gleichgültig. Das Wichtige, nicht für jetzt, sondern für alle Zeit, war, dass so bedeutend klingende Wissenschaften mit seinem Sohn überhaupt in Zusammenhang gebracht wurden. Dabei konnte er wohl die schulmeisterliche Ansicht über Fleiß und Talent eines Spanninger übersehen.

Als Peter das achtzehnte Lebensjahr erreichte, schickte er ihn nach Weihenstephan.

Darin lag ein Zugeständnis an die Forderungen des Zeitgeistes. Der Besuch der Brauerschule gewährt den allgemeinen Vorteil jeder akademischen Bildung; dazu den besonderen der scheinbaren Umwertung einer gewerblichen Tätigkeit in eine Wissenschaft.

So verbrachte also der junge Sternbräu zwei Jahre unter den Jünglingen, die in Freising ungeschlachte Fröhlichkeit zeigen. Sie bildeten einen Verein »Gambrinia« und fanden ihre Freude in der Nachahmung studentischer Manieren. Die Berufsehre bedingte, dass sie noch trinkfester waren als die Jünger der Hochschulen. Peter tat rechtschaffen mit und glaubte an das Verdienstliche und an das Bedeutende dieses Treibens. Er war von der besonderen Ehre der drei Farben Rot, Gold und Blau überzeugt, schwur ihnen Treue und vermaß sich im Gesang, für Rot, Gold und Blau in Kampf und Tod zu gehen.

Es war eigentlich nicht die Art der Spanninger, so große Dinge zu versprechen; noch weniger, sie zu erfüllen. Aber da sich Peter nicht viel dabei dachte, störte der fremde Zug den Grundton seines Wesens nicht allzu sehr. Die Flammen seiner Begeisterung schlugen nicht hoch. Und wenn er sie mit dunkeln und hellen Bieren löschte, geriet er wieder in Dürnbucher Fahrwasser.

Nach zwei Jahren kehrte er in das Elternhaus zurück und passte sich ohne Mühe dem bürgerlichen Leben an. Die äußerlichen Spuren der Weihenstephaner Zeit verwischten sich freilich nicht. Peter war dick geworden und die Augen traten noch mehr aus dem stark geröteten Gesicht hervor. Das in der Mitte gescheitelte Haar kämmte er in die Stirne.

Die Schultern zog er hoch um sie noch breiter erscheinen zu lassen. Er schloss gern den untersten Knopf seiner Jacke, damit sich die Brust bauschig wölbe. Beim Gehen ballte er die Hände zu Fäusten und hielt sie mit dem Daumen an den Hosentaschen fest.

Die Dürnbucher bemerkten das studentische Gebaren sehr wohl und waren geneigt darin die Kennzeichen eines reizvollen Lebenswandels zu erblicken. Denn weil sie keine Erfahrung in akademischen Dingen besaßen, bildeten sie ihre Meinung darüber aus den abenteuerlichen Vorstellungen ihrer geheimen Sehnsucht. Sie wollten es nicht anders gelten lassen, als dass der Sohn ihres reichsten Mitbürgers zwei Jahre mit seltsamen Liebeshändeln hinter sich gebracht habe. Wer in solchem Ruf steht, ist gut dran, wenn ihn das bürgerliche Gewissen im Besitz der nötigen Mittel glaubt. Und darum zog Peter ohne sein Zutun Nutzen aus dem, was eigentlich ein Vorwurf war.

Nun lebte damals in der Kreuzgasse ein Mann, der vielen unheimlich war, weil die Art seines Erwerbes nicht klar zutage lag.

Er hieß Korbinian Fröschl und trieb weder Handel noch Handwerk. Er hatte aber nicht etwa die Mittel, welche ihm das Leben eines Privatmannes möglich machten, sondern er stand in offenkundiger Dürftigkeit. Seinen Unterhalt verdiente er durch leichte Geschicklichkeiten, die auf geheimes Wissen begründet waren und schon darum den Verdacht der sesshaften Bürger erregten.

So war er ein Quellenfinder. Wenn er mit einem Gabelzweig in der Hand über die Hügel schritt, konnte er mit untrüglicher Sicherheit bestimmen, wo man nach Wasser graben könne. Überdies besaß er gute Mittel gegen landestypische Krankheiten, so dass er den Bauern als schätzbarer Heilkünstler galt.

Weil er aber viele Kenntnisse nur mit Heimlichkeit verwerten durfte, hatte er ein schweigsames Wesen angenommen, welches das Vertrauen verscheuchte. Überdies war er nach seinem Äußeren eine düstere Erscheinung und manche seltsame Nachrede hängte sich an seinen Namen.

Dieser Korbinian Fröschl besaß eine zwanzigjährige Tochter mit Namen Anna; sie war eine schön gewachsene Person, von angenehmen Zügen, jedoch ohne rechte weibliche Tugend.

Ihre Kindheit war nicht behütet gewesen. Die Mutter war früh dem Tod verfallen und der Vater, den seine Geschäfte oft vom Hause fernhielten, kümmerte sich wenig um die Erziehung. So gewöhnte sich Anna nicht an Pflichterfüllung und entbehrte der tröstlichen Grundsätze, dass Arbeit das Leben versüßt und Armut nicht schändet.

Vielmehr hängte sie ihr Herz an vergängliche Dinge und hegte den Wunsch, ihre Schönheit, die ihr wohl bekannt war, mit nichtigem Putz zu heben.

Dieses Frauenzimmer lernte der junge Spanninger durch einen gewöhnlichen Zufall kennen. Es war gegen Ende April und die Dürnbucher Welt hatte ein frühlinghaftes Aussehen. Die Stare pfiffen in allen Gärten, die Schlehdornhecken waren mit weißen Blüten bedeckt und Gabriel Riedlechner und J. B. Irzenberger hatten ihre Neuheiten in Frühlingsstoffen ausgelegt.

Da ging Anna Fröschl über den Stadtplatz und blieb vor den Ladenfenstern stehen. Sie betrachtete Zephir und blau gemusterte Baumwollstoffe, Musselin und Mull. Sie fertigte sich in Gedanken von jedem Zeug eine Bluse an und suchte sich bunte Gürtel aus, die dazu passen konnten, und drehte sich vor den Spiegelscheiben, als hätte sie nun die ganze Pracht zu probieren.

Peter, der vor seinem Haus stand, sah die gefällige Person von weitem und ging wie von ungefähr über den Platz. Er spazierte einige Male mit hochgezogenen Schultern an dem Laden vorüber und bemerkte unterweilen die Vorzüge des Frauenzimmers.

Auch dieses übersah seine Aufmerksamkeit nicht, und als es sich zum Gehen schickte, warf es ihm einen brennenden Blick zu.

Peter überlegte, ob er darin eine Aufmunterung erblicken dürfe, aber da trat Kaufmann Irzenberger aus dem Laden und begann ein Gespräch mit ihm. Peter fragte gleichgültig und nebenher, wer die Person gewesen sei, die so lange die Auslage betrachtet habe.

Irzenberger gab genauere Auskunft und so erfuhr der junge Spanninger, dass die Tochter des anrüchigen Fröschl seine Beachtung gefunden hatte. Das kühlte ihn ab.

Die natürliche Scheu, welche gut situierte Leute von zweifelhaften Elementen ferne hält, war in ihm stark entwickelt. Nicht weniger das dunkle Gefühl, dass arme Leute immer bestrebt sind, die Wohlhäbigkeit auszunützen.

So war er abgeneigt sich in ein unrühmliches Abenteuer einzulassen und schon wenige Tage später bestärkte ihm eine zufällige Begegnung diesen Vorsatz.

Er ging um die Mittagszeit das Alzufer entlang und sah nahe der Brücke einen Menschen, der mit nackten Beinen im Fluss stand und ein Netz aus dem Wasser hob. Zwei kleine Fische zappelten darin. Der Mann fasste sie mit der Hand und warf sie in eine rostige Gießkanne.

Es war Korbinian Fröschl. Peter erkannte ihn und sah auch, dass er ein schmutziges Hemd auf dem Leib trug und eine Hose, die an vielen Stellen nicht geflickt war. Da fühlte Peter mit Macht, wie gut er getan hatte solche Leute selbst auf verbotenen Wegen zu meiden.

Allein Anna hatte die Blicke des jungen Spanninger nicht vergessen. Im Gegenteil dachte sie häufig daran und brachte sie in Zusammenhang mit ihren heimlichen Wünschen nach hellen Blusen und gelben Ledergürteln. Sie ging jetzt häufig auf den Stadtplatz, und immer so, dass sie an der Brauerei »Zum Stern« vorüberkam. Doch traf es sich nie mehr, dass sie dem Peter in die Hände laufen konnte.

Ein oder das andere Mal stand er im Kreis der Honoratioren, welche sich allabendlich auf dem Bürgersteig vor Sonnenuntergang zusammenfanden. Aber er war durch die dicken Bäuche und breiten Rücken so versteckt, dass sie ihm keine Blicke zuwerfen konnte. Da fasste sie einen raschen Entschluss und schrieb einen Brief an den Jüngling, der sein Glück nicht verstand. Sie wählte ein überaus zierliches Papier, das mit Spitzen umrändert und auf der ersten Seite mit einem schnäbelnden Taubenpaar geschmückt war. Darunter setzte sie den Vers:

Kein Feuer, keine Kohle
kann brennen so heiß
Wie heimliche Liebe,
von der niemand nichts weiß.

Und weil sie die Anrede nicht zu kalt und nicht zu warm wählen mochte, half sie sich, indem sie ein Fragezeichen und zwei Ausrufezeichen über den Text schrieb. Dann sagte sie, es sei vielleicht ein gewisser Jemand, dem man kürzlich begegnete, erstaunt über diese Kühnheit und vielleicht denke er sich gar etwas Schlechtes. Sie habe lange gezweifelt, ob es sich schicke, einem fremden und doch nicht fremden jungen Herrn zu schreiben, und sie wisse, es schicke sich eigentlich nicht. Denn besonders in Dürnbuch seien die Leute gleich bereit ein Mädchen schlecht zu machen, aber sie hoffe, dass ein gewisser Jemand nicht so sei. Und wenn sie das nicht dächte und wenn sie glauben müsste, er könne etwas Schlechtes meinen, dann würde sie überhaupt nicht schreiben. Aber sie müsse doch schreiben, weil sie ihm sagen wolle, dass sie gerne den gewissen Jemand wiedersehen möchte, und wenn er deswegen nichts Schlechtes denke, dann solle er am Mittwochabend in die Kreuzgasse kommen, weil ihr Vater nicht daheim sei. Jedoch, wenn er etwas Schlechtes denke, dann solle er um Gottes willen nur ja nicht kommen. Und er solle nicht vor der Dunkelheit kommen, weil neidische Augen wachten. Darunter schrieb sie: »Ungenannt und doch bekannt – A. F.« Und sie setzte wiederum ein Fragezeichen und zwei Ausrufezeichen hinter die Buchstaben.

Der Brief stürzte Peter in Ratlosigkeit. Er sah das frische Mädchen vor sich mit allen runden Heimlichkeiten, die sein Blick begehrlich gestreift hatte, aber als Spanninger konnte er nicht blind in den Strudel der Leidenschaft tauchen. Denn, wie gesagt, er war von Kind auf mit großem Misstrauen gegen das andere und ärmliche Menschentum angefüllt worden. Und dachte er auch zu manchen Stunden, dass er wohl verstohlen in den Liebesgarten schleichen könne, so überlegte er baldigst wieder, dass solche Leute wie Fröschl Geheimnisse gern zu Geld machen. Stündlich wechselte er mit seinem Entschluss seine Stimmung.

Jedes Mal, wenn er sich vornahm zu entsagen, wurde sein Gemüt leicht und froh und jedes Mal, wenn er der Lockung folgen wollte, fühlte er sich bedrückt. Die helle Stube, der sauber gedeckte Tisch, alle Behäbigkeiten des Elternhauses mahnten ihn die bürgerliche Ehrsamkeit zu wahren, aber wieder winkten ihm die lebhaften Gedanken an beachtenswerte Reize.

Denn trotz aller Meinungen, die in Dürnbuch feststanden, war es sein erstes Abenteuer.

Und weil sich seine Tugend nicht auf gefestigte Grundsätze, sondern auf äußerliche Bedenken stützte, musste sie immer wieder ins Wanken geraten.

Am Tage des Stelldicheins spazierte Peter gleich nach dem Mittagessen durch die Kreuzgasse. Er wollte unauffällig die Örtlichkeit erkunden und darum hatte er sich zur Jagd gerüstet. Vielleicht dachte er nebenbei, dass er so das Wohlgefallen an seinem Äußeren heben könne, denn er war mit Joppe und Gewehr gewalttätig anzusehen.

Überdem hatte er seine Waden mit ledernen Gamaschen umkleidet, obschon die Sonne leuchtend am Himmel stand und alle Wege in Trockenheit lagen. So stieg er mit langen Schritten durch die Gasse.

Die Häuser waren unbehaglich anzuschauen; es fehlte ihnen die rechte Breite. Sie standen eng aneinander gepresst und ragten steil in die Höhe, damit sie oben Luft schöpfen konnten. Kleine Fenster saßen unregelmäßig neben- und übereinander, die Scheiben waren trüb und viele gähnten schmucklos in die Gasse herunter. Nur wenige waren mit dunkel gefärbten Vorhängen geschmückt.

Was Peter sah, wirkte erkältend auf seine Gefühle und er wünschte jetzt unbemerkt zu entkommen. Aber die stille Gasse war an hallende Tritte und knarrendes Leder so wenig gewohnt, dass sie erwachen musste.

Der Flickschneider Söllbeck, der mit untergeschlagenen Beinen in seiner Werkstätte saß, erhob sich rasch um dem jungen Manne mit den prall sitzenden Beinkleidern nachzusehen.

Gegenüber trat die Frau Buchbinder Gnadl unter die Türe und schüttete schmutzige Brühe auf das Pflaster. So hatte sie ein Recht, im Freien zu weilen und zu ergründen, was den Sohn des Sternbräu in die Gegend führen könnte.

Nebenan trug die Schusterin Brummer ihr Knäblein auf dem Arm heraus und dieses begann sogleich zu schreien. Da öffneten sich herüben und drüben die Fenster und alle neugierigen Augen folgten dem blanken Jägersmann.

Peter trachtete vorwärts, aber in der Mitte der Gasse stutzte er, denn er sah Anna Fröschl, die freundlich auf ihn herablächelte. Weil ihr Jäckchen nicht völlig geschlossen war, sah man den Ansatz der runden Brust. Peter fasste sich ein Herz und grüßte. Er merkte, dass das Mädchen zweimal nickte.

Das gab ihm und den andern zu denken. Dem Flickschneider Söllbeck blieb es für den Nachmittag ein Gegenstand innerlicher Betrachtung und die Gnadlin erschien von da ab bis zum Abend jede halbe Stunde vor ihrem Haus um Spülwasser auszuschütten und Rundschau zu halten.

Peter verließ die Stadt und schritt über Felder und Wiesen. Er hatte Gefahr und Glück des Abenteuers dicht beieinander gesehen und war in neue Zweifel verstrickt. Aber als nun die Bäume lange Schatten warfen, hatte die Tugend einen großen Sieg errungen und die Schar der Guten war um einen vermehrt. Der junge Spanninger war entschlossen auf Liebe und schlimme Nachrede zu verzichten. Und er machte sich auf den Heimweg.

In Dürnbuch läutete man den Englischen Gruß. Die hellen und tiefen Töne der Glocken klangen mit gemessener Feierlichkeit in den Abend, und wäre Peter eine stimmungsvolle Natur gewesen, so hätte er empfinden mögen, dass seine reinliche Seele sich in diesem Augenblick aufwärts erhob, bis zu den rosaroten Wolken des Frühlingshimmels. Jedoch auch sein gröberes Gemüt kam in Schwingung, freundliche Heimatsgefühle fassten ihn an. Er sah im Geiste ungestörte Behaglichkeit, reichlich gedeckte Tische und Ordnung.

Und so sicher wusste er sich, dass er den Rückweg wiederum durch die Kreuzgasse wählte. Sie lag schon im Dunkeln, als er sie betrat. Am Eingang brannte ein trübes Licht; der Schein der Laterne reichte kaum bis zum zweiten Haus. Peter wollte seinen Gang beschleunigen, als eine vermummte Gestalt ihm entgegentrat.

»Herr Spanninger!«

Er blieb stehen und erkannte Anna, die sich in ein Tuch gehüllt hatte. Sie sagte mit leiser Stimme, dass sie an sein Kommen nicht mehr geglaubt habe, und bei diesen Worten zog sie ihn sanft in den Schatten der Mauer. Peter folgte mit halbem Widerstreben und antwortete, dass er gleich wieder gehen müsse, weil man ihn daheim erwarte. Er horchte dabei ängstlich in die Gasse hinaus. Es war tiefe Stille und nichts zu vernehmen als die Atemzüge des Mädchens.

Das flüsterte, der Herr Spanninger könne doch ein wenig verweilen.

Ein anderes Mal gerne, sagte Peter, aber nur heute gehe es nicht, weil er Besuch habe von einem Freisinger Freund.

Der würde sicherlich warten, meinte Anna, und der Herr Spanninger könne sagen, dass er sich auf der Jagd verspätet habe. Und der Herr Spanninger dürfe nicht glauben, dass sie ihn lange aufhalten wolle, denn sie wisse wohl, dass es für sie nicht schicklich sei, bei einem Herrn zu stehen, obgleich sie gewiss niemand erblicken könne.

Peter wurde allmählich sicher und fragte, warum ihm das Fräulein geschrieben habe.

Nur so und überhaupt, erwiderte Anna, und dann habe sie sich gedacht, dass der Herr Spanninger sie vielleicht noch kenne, denn sie sei ihm in früheren Jahren öfter begegnet.

Daran könne er sich nicht erinnern, sagte Peter.

Sie glaube es wohl, antwortete Anna, denn ein so vornehmer Mann gebe kaum Acht auf ihresgleichen.

Das Gespräch stockte, indem Peter nichts zu erwidern wusste.

Anna knüpfte den Faden auf ein Neues an. Sie habe gemeint, der Herr Spanninger kenne sie noch, denn er habe ihr neulich nachgeschaut.

Das sei nicht darum gewesen, sagte Peter, sondern weil ihm das hübsche Fräulein aufgefallen sei.

Das könne sie aber gewiss nicht glauben, erwiderte Anna, und sie sehe deutlich, dass der Herr Spanninger sie verspotte. Denn es gebe schönere als sie in Dürnbuch.

Es sei keine so hübsch, versicherte Peter.

O, da müsse sie lachen, sagte Anna, denn er sei ein galanter Herr, der solche Dinge allen Mädchen sage. Aber sie wisse recht gut, dass vornehme Leute gerne ihren Scherz trieben.

Peter schwieg und horchte mit Unbehagen auf Schritte, die vom untern Ende der Gasse her klangen.

Das sei der Schuhmacher Brummer, flüsterte Anna, und Herr Spanninger möge in das Haus eintreten. Sie nahm ihn bei der Hand und schlich auf den Zehenspitzen voran.

Peter konnte nicht widerstreben, da die Schritte näher kamen. Es war ihm jedoch in dem engen Hausgang keineswegs wohl zumute und er beschloss baldigst Abschied zu nehmen.

Anna lehnte die Türe zu und lugte durch die Spalte hinaus. Der nächtliche Spaziergänger kam vorbei und es war wiederum still.

Jetzt gab Peter kund, dass er nicht mehr länger bleiben könne; aber das Mädchen ließ ihn nicht ziehen. Er müsse noch warten, denn der Schuhmacher Brummer könne umkehren. Bei den Worten schmiegte es sich an den jungen Mann; er fühlte ihre Schulter und roch den Duft ihrer Haare, aber er rührte sich nicht.

Anna seufzte.

Was sich der Herr Spanninger denken müsse, dass sie jetzt so mutterseelenallein im Dunkeln bei ihm stehe?

Peter sagte, sie könne nichts dafür, dass sie sich verbergen müssten, und es dauere nicht mehr lange.

Nein, nein!, erwiderte Anna, so leicht sei es nicht zu nehmen, alle Welt sei dabei, von einem Mädchen immer das Schlechteste zu denken, und der Herr Spanninger habe gewiss eine schlimme Meinung von ihr.

Er habe eine gute Meinung von ihr, sagte Peter.

Anna seufzte wieder.

Das hoffe sie fest. Denn sonst müsse es sie bitter gereuen, dass sie den Brief geschrieben habe. Und eigentlich, sie könne es nicht begreifen, wie sie den Mut gefunden habe.

Es sei nichts weiter dabei, sagte Peter.

Für ihn nicht, erwiderte Anna. Aber was würden die Leute von ihr sagen, wenn sie es erführen? Sie könnte sich nicht mehr auf der Straße blicken lassen, so würden alle über sie herfallen.

Das erfahre niemand, sagte Peter.

Ja, das müsse der Herr Spanninger versprechen, das Geheimnis müsse er wahren. Er dürfe nicht sagen, dass sie ihm geschrieben habe, und er dürfe nicht sagen, dass er in ihrem Hause gewesen sei in der stockfinsteren Nacht und ganz allein.

Er werde nie davon sprechen, sagte Peter.

Sie habe jedoch davon gehört, erwiderte Anna, dass die Vornehmen sich darüber lustig machen, wenn sie einem Mädchen den Kopf verdrehen. Und der Herr Spanninger habe gewiss viele Abenteuer gehabt und lache über die Mädchen, die ihm Glauben schenkten.

Er werde gewiss nichts verraten, versicherte Peter, und überdem, jetzt wolle er gehen.

Anna öffnete zögernd die Tür und schloss sie hastig wieder.

Denn auf ein Neues klangen Schritte in der engen Gasse.

Es waren feste, grob aufgesetzte Tritte. Eilige Tritte.

Das Mädchen fuhr erschrocken zusammen. »Jesus! Der Vater!«, flüsterte sie.

Peter fühlte sein Herz stillstehen. Er wollte hinaus in das Freie.

»Um Gottes willen, nicht!«, flüsterte das aufgeregte Mädchen. »Es ist zu spät! Da hinein! Sie müssen da hinein!«

Hastig zog sie ihren Besucher in den Gang zurück, bis sie an eine Türe kam, die sie aufriss. Ein dumpfer Kellergeruch schlug Peter entgegen, aber Anna ließ ihm keine Zeit zur Besinnung. Sie gab ihm einen heftigen Ruck, so dass er stolpernd nachfolgen musste.

Dann stand er schwer atmend in einem moderigen Gewölbe und horchte. Die Haustüre wurde geöffnet. Eine raue Stimme fluchte über die Nachlässigkeit, dass um diese Stunde nicht abgesperrt sei. Dann rief die Stimme Anna beim Namen, mehrmals und mit jedem Mal lauter. Dann klangen schwer genagelte Stiefel gegen die Treppenstufen. Fröschl wollte über die Stiege hinaufgehen um seine faule Tochter zu wecken. In diesem Augenblicke machte Peter in seiner Angst eine Bewegung und schlug mit dem Gewehrkolben heftig gegen die Gießkanne, die hinter ihm stand. Der Schlag tönte laut durch den Gang und Fröschl schrie, was das sei? Hallo, was das sei?

Anna kam hervor und sagte, dass sie es wäre, und was der Vater wolle.

Fröschl herrschte sie an, was sie in der Kammer um diese Zeit zu tun habe, und das wolle er gleich sehen.

Peter hörte, wie der grimmige Mensch mit einer Zündholzschachtel hantierte, und dann sah er Licht aufblitzen.

Schreckliche Gedanken bestürmten ihn. Erinnerungen an teuflische Geschichten von Menschen, die in verborgenen Kellern umgebracht wurden, von Totengerippen, die erst nach vielen Jahren bei baulichen Veränderungen gefunden wurden; von jungen Männern, die spurlos verschwanden.

Er warf sein Gewehr von sich, denn er dachte, dass der Anblick der Waffe die Rohheit seines Feindes steigern würde. Und er schrie mit heiserer Stimme: »Schonen Sie mich! Ich bin der Sohn achtbarer Bürgersleute!«

»Was und wie?«, grollte Fröschl.

Und Peter wiederholte es: »Halten Sie ein! Hier steht der Sohn ehrbarer Leute!«

»So, so, der Herr Spanninger!«, höhnte Fröschl, indem er den todbleichen Jüngling beleuchtete. Dann wandte er sich um gegen seine Tochter, und als er merkte, dass sie über die Stiege eilte, folgte er ihr mit schrecklichen Worten.

Peter tastete sich die Mauer entlang bis zur Haustüre. Er riss sie auf, stürmte hinaus und lief mit tollen Sprüngen durch die Kreuzgasse. Er lief bis in die Mitte des Stadtplatzes und machte erst am Marienbrunnen Halt um Atem zu schöpfen. Als er wieder zu sich kam, hielt er Umschau.

Von drüben, wenige Schritte entfernt, blinkte das Licht über dem goldenen Stern, dem ehrenvollen Wahrzeichen seines Hauses. Nie hatte es ihm freundlicher gelacht.

Es überkam ihn wie Dankbarkeit gegen den Schöpfer, der es nicht zugelassen hatte, dass ein Spanninger sein junges Leben verlor in den schmutzigen Kellern des Fröschlhauses.

Dann ging Peter heim. Er wartete die Gelegenheit ab, dass er unbemerkt auf sein Zimmer schleichen konnte, und kleidete sich um. Seine Joppe und den Hut mit der verwegenen Feder warf er beiseite, und als er gleich darauf in der väterlichen Wirtsstube saß, fühlte er kräftiges Wohlbehagen und herzliche Freude an der bürgerlichen Ehrbarkeit.

Er hoffte zuversichtlich, dass sein Abenteuer geheim bleiben würde. Fröschl hatte guten Grund über seine Mordpläne zu schweigen, und das Mädchen nicht weniger. Denn sicherlich war das ein abgemachtes Spiel gewesen.

Die Nacht schlief Peter unruhig. Arge Träume quälten ihn. Er sah einen wilden Menschen und eine üppige Weibsperson in einem Keller schwere Verbrechen begehen. Sie pökelten einen Leichnam in das riesige Krautfass ein; und der Tote trug die Züge des Peter Spanninger.

Schweißtriefend erwachte er. Es pochte heftig an die Türe; der Hausknecht trat ein und brachte ein Gewehr. Der Fröschl habe es abgegeben, sagte er und drückte sein linkes Auge bedeutsam zu und lächelte.

Und dieses Gehaben musste Peter durch mehrere Wochen sehen. Alle Bräuburschen nämlich und alle Dienstboten und die Kellnerinnen und die Gäste und der alte Sternbräu selber hatten es angenommen, mit den Augen zu blinzeln, wenn sie Peter sahen.

Und noch viele Jahre später, als Herr Spanninger senior schon längst von sämtlichen Vereinen zu Grabe geleitet war und Herr Spanninger junior hinwiederum einen Sohn und künftigen Sternbräu erzeugt hatte, erzählten sich die Dürnbucher, dass Peter gar seltsam hinter den schönen Mädchen her gewesen sei.

Und auch dieses mehrte sein Ansehen.


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