Ludwig Thoma
Satiren
Ludwig Thoma

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Friedrich Wilhelm Käsebier an Herrn Rentier Adolf Krickhan, Charlottenburg, Kantstraße.

Florenz, auch Firenze genannt, den 20. Februar.

Oller Demelack!

Deinen Brief habe ich hier im Hotel vorgefunden und es ist nur gut, dass ihn meine Lärmstange nicht in die Flossen kriegte, denn deine liebenswürdige Schilderung von mir und der kleinen Tirolerin war das Menschenmeechliche.

Wer kann for de Liebe, Adolf?

Und ich sage dir nur, du hättest deine Kulleroogen aufgerissen.

In Venedig waren wir drei Tage und du kannst dir wohl vorstellen, wie miesepetrig mir war, immer neben der Ollen in Ekstase und immer Vortrag über schweigende Lagunen und tote Königin der Meere und was sich die Frauenzimmer so zusammenlesen.

Ich sage bloß, was bietet mir als Mann von heute, der mitten im Leben steht und die Ellenbogen brauchen muss, so 'n Altertum?

Alter Kese stinkt.

Aber die Olle tat natürlich immer jerührt wie Appelmus und spielte mir Bildung vor.

Da war auch so 'n Reiterdenkmal von Colleoni und du hättest mal hören sollen, was die Damenwelt da für einen Raptus kriegte oder wenigstens so tat, und die kleine Kröte fing mir zu himmeln an.

Na, so blau! Ich sagte »Ferd is Ferd«, und ob es mal das linke Bein oder das rechte Bein hochhebt, das macht doch wirklich nicht den Unterschied, dass sie tun müssen, als wären sie von der Stadtbahn überjefahren.

Na, da gab es wieder den Blick, als wenn sie Gott um Rechenschaft fragte, wie er so was wachsen lassen konnte.

Tut mal nich so, sagte ich, ich sage bloß ehrlich meine Meinung und ihr spielt Theater und das Textbuch ist der Baedeker.

Nu aber raus aus die Lagunen und rin ins Tschinquetschento!

Du sollst mal Mathilden hören, wie sie Tschinquetschento sagt, so als wenn sie's erfunden und ganz alleine hätte, und auch wieder mit 'n Vorwurf gegen mich.

Nu ja, ich sage doch nischt!

Ich bin auf den Leim gekrochen und habe diese Reise in die gebildeten Länder gemacht und muss sie aushalten und bezahlen und ich schwöre dir, Adolf, einmal und nicht wieder!

Hier ist nun ein ganzer Band Baedeker zu absolvieren und unter acht Tagen krieg ich die Olle nicht los, schon wegen die Briefe nicht, die sie schreiben muss, und weil man an ihrer Begeisterung zweifeln könnte, wenn sie zu kurz hier wäre, und so müssen wir eben unsere Zeit hier absitzen.

Hier gibt's noch mehr olle Häuser und Monumente und Kirchen und Klamotten und Kinkerlitzken und Hurrjott, erst die Bilder!

In den Restaurants sind wir nun schon ganz italienisch geworden und sie kommandiert die Ober herum, dass es ein Vergnügen is mit insalata verde und testina di vitello con salsa picante und tortellini al brodo, und sie sagt es so, als wenn sie mang die Renässanxe geboren wäre.

Und täglich seufzen sie über mir, weil ich die verfluchten Sparghetti noch nicht wie 'n italienischer Lord um den Löffel wickeln kann und weil sie mir immer links und rechts aus der Futterluke bammeln, und denn helfe ich mir, wie's jeht.

Jesus sprach zu seine Jünger, wer keen Löffel hat, esst mit de Finger.

Was mit die holde Weiblichkeit los war, fragst du mich, kleiner Schäfer?

Nischt. Und nischt is jut for de Dogen.

Ich musste doch in Venedig Mondnacht mit Familie genießen und Stimmungen empfangen. Da hatte ich keine Gelegenheit, mir die Hexen näher zu betrachten, die einem mit ihren kohlschwarzen Augen das Herz versengen.

Na, vielleicht können sie hier mal Renässanxe ohne Papa intus nehmen und denn zieh ich los und jebe meinem Herzen einen Stoß.

Grüße die Brüder von

euerm Fritze Käsebier.


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