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IV.
Das Stelldichein

Am nächsten Morgen um neun Uhr hielt Gaston's Wagen vor dem Hôtel Orbesson.

Der Lakai klingelte, die kleine Thür öffnete sich, der alte Diener erschien.

Gaston und Alfred stiegen aus dem Wagen.

– Der Herr Oberst Ulrich? sagte Gaston.

Der Diener verbeugte sich, ohne zu antworten, und ging den beiden jungen Männern voran.

Nichts konnte trauriger, nichts öder sein, als das Innere dieses geräumigen Gebäudes.

Mehrere große Quadersteine, die ohne Zweifel von irgend einer Zerstörung herrührten, lagen hier und dort zwischen dem Grase, mit dem der Hof bewachsen war. Man hätte glauben können, die Grabsteine eines verlassenen Gottesackers zu sehen.

Alle Fenster waren von außen geschlossen; die Glasthür der Vorhalle kreischte in ihren verrosteten Angeln und erweckte den dumpfen Wiederhall des Gewölbes der großen Treppe.

Der Oberst wohnte in dem Erdgeschosse. Der Diener führte die beiden jungen Leute in einen großen, kaum möblirten Saal; seine hohen Fenster, ohne Gardinen und mit kleinen Scheiben, gingen auf einen Garten hinaus, der von hohen Mauern umgeben und traurig wie ein Klostergarten war.

– Der Herr Oberst wird sogleich erscheinen, sagte der Diener und verschwand.

Der Tag war trübe, der Wind pfiff traurig durch die schlecht verschlossenen Thüren. Alles in dieser Wohnung verrieth nicht Elend oder Gleichgültigkeit, sondern die vollkommenste Sorglosigkeit für das materielle Wohlbehagen.

Alfred und Gaston sahen einander einige Augenblicke schweigend an.

– Seitdem wir eingetreten sind, sagte Alfred, vor Frost zitternd, ist mir zu Muthe, als trüge ich auf den Schultern die Last von eiskaltem Blei. Nirgends ist Feuer. – Dieser Mensch ist ein wahrer Spartaner.

– Dieser Mensch! Wer ist er – wer ist er? sagte Gaston, wie mit sich selbst sprechend!

Sie allein hätte Sie aufklären können; aber sie ist diese Nacht abgereist, glaube ich.

– Diese Nacht, erwiederte Gaston.

– Ulrich? sagte Alfred; Ulrich? das muß ein russischer, preußischer, oder deutscher Name sein; ich bin gestern Abend in den Club der Union gegangen, in der Hoffnung, dort einige Mitglieder des diplomatischen Corps zu finden; ich sah in der That drei oder vier Gesandtschaftssecretaire, aber keiner von ihnen kannte den Obersten Ulrich. Wir können nur noch von dem russischen Gesandten Aufklärung erwarten, aber ich habe ihn noch nicht getroffen.

– Was kümmert mich das übrigens? sagte Gaston. Dieser Mensch besitzt mein Geheimniß, sie hat mich ohne Zweifel ihm geopfert; das ist ein abscheulicher Verrath. Ich tödte ihn, oder er mich.

– Gehen sie nicht so schnell, mein Freund; vielleicht hat der Dummkopf von gestern uns falsch berichtet. Ohne Zweifel läßt Alles vermuthen, daß sie selbst das Kästchen hergebracht hat; aber bemerken Sie wohl, daß sie nicht eingetreten ist, sondern daß Madame Blondeau es dem Bedienten übergeben hat. Uebrigens Gaston, verlasse ich mich auf Sie; Sie besitzen zu viel Kenntniß der Welt in dieser Art von Angelegenheiten, um sich wie ein Kind zu benehmen. Die Sache ist ernst; das Beste, was wir thun können, ist, uns nach den Umständen zu richten, die kommen werden.

– Was mich erbittert, rief Gaston, ist die Falschheit dieser Frau! Ich hielt sie unfähig, nicht nur einer Lüge, sondern sogar der geringsten Verstellung. Nun wohl, nie hat sie gegen mich den Namen dieses Menschen ausgesprochen, und ihm vertraut sie. – Sieh, darunter liegt ein abscheuliches Geheimniß verborgen, das ich erforschen muß.

– Alles, was der Schwätzer uns gestern von dem Leben des Obersten erzählt hat, ist ziemlich seltsam, sage Alfred; es geht daraus wenigstens hervor, daß er ein außerordentlich verschrobenes Wesen ist. Das verfallene Innere dieses Hauses läßt ebenfalls auf keinen sehr freundlichen Character schließen; ohne ihre trüben Gedanken würde ich entzückt sein, mich diesem Robin des Bois, diesem Vampyr, wie die guten Leute ihn nennen, gegenüber zu sehen. – Aber was für eine Kälte! Was für eine Kälte! Wenn es der Teufel ist, so sollte er aus Rücksicht für die, welche ihn besuchen, über sie einen Strahl seines höllischen Bratfeuers verbreiten.

In diesem Augenblicke öffnete der Diener eine Thür, und der Oberst trat ein.

Es war ein Mann von hohem Wuchse, sehr einfach gekleidet. Er schien 36 Jahr alt zu sein, obgleich seine braunen Haare an den Schläfen grau zu werden begannen.

Sein Gesicht war gebräunt; die tiefe Furche, welche seine schwarzen geraden und scharfgezeichneten Augenbrauen trennte, verlieh seinem Gesichte einen harten, hochmüthigen Ausdruck, obgleich seine übrigen Züge zu anderer Zeit vielleicht mildere Gefühle ausgedrückt haben konnten. Er hielt Gaston's Karte in der Hand, richtete die Augen darauf und sagte dann mit fester Stimme, kurzem Tone und ohne allen fremdartigen Accent, indem er die beiden jungen Leute zu gleicher Zeit befragte:

– Der Herr Graf Gaston von Senneville?

– Das bin ich, mein Herr, sagte Gaston. Dann auf seinen Freund deutend, fügte er hinzu: Der Herr Marquis von Baudricourt.

Der Oberst neigte, wie zum Gruße, leise den Kopf.

Gaston gerade in das Gesicht sehend, die Hände auf dem Rücken kreuzend, erwartete er dann die Erklärung des Zweckes dieses Besuches.

Trotz seiner Zuversicht, trotz seiner Weltklugheit blieb Gaston einen Augenblick verlegen stehen.

Die harten, wie in Erz gegrabenen Züge des Obersten waren regungslos! man hätte glauben können, eine eherne Larve zu sehen. Seine großen grauen Augen hatten einen scharfen, festen, durchbohrenden Blick, der auf die Länge unerträglich wurde.

Nichts ist schwieriger, als ein gewisses Schweigen zu brechen. Sei es nun, daß Alfred erwartete, Gaston würde das Wort nehmen, sei es, daß dieser glaubte, der Oberst würde sprechen, genug, alle Drei blieben einige Minuten stumm.

Nun erst fühlte Gaston, daß es ihm schwer genug werden würde, die Ursache seines Besuches zu erklären, ohne die Frau zu compromittiren, über die er sich beklagen zu dürfen glaubte.

Wie dies häufig zu geschehen pflegt, wurde Gaston im Augenblick der verlangten Erklärung von tausend Betrachtungen bestürmt, die er freilich hätte anstellen sollen, ehe er bei dem Obersten erschien.

Die Verlegenheit, der Unwille, der Zorn trieben ihm die Röthe auf die Stirn. Alfred, der diesem Auftritt ein Ende machen wollte, sagte zu dem Obersten:

– Mein Herr, Sie kennen ohne Zweifel den Grund, der uns zu Ihnen führt?

– Nein, mein Herr, sagte Ulrich.

– Es handelt sich um ein Kästchen, mein Herr, das mir gehört, rief Gaston, und das Ihnen gestern durch eine Frau überbracht wurde, die Sie kennen müssen – denn sie ist der Bote einer andern Frau, die Ihnen ohne Zweifel nicht unbekannt ist.

– Ich weiß nicht, was Sie sagen wollen, mein Herr, antwortete der Oberst.

– Mein Herr! sagte Gaston lebhaft.

– Mein Herr? sagte der Oberst, ohne die Stimme zu erheben.

Es entstand ein neues Stillschweigen; Gaston biß vor Unwillen sich auf die Lippen.

Alfred fuhr mit Kaltblütigkeit fort:

– Es ist für den Grafen von Senneville von der größten Wichtigkeit, zu wissen, ob ein Kästchen, welches ihm gehört und sehr wichtige Papiere enthält, Ihnen gestern Nachmittag übergeben worden ist. Wenn Sie, mein Herr, die Güte haben wollen, bei Ihrem Ehrenworte zu erklären, daß dieses Kästchen in Ihrem Besitze weder war, noch ist, so wird Herr von Senneville sich dadurch für befriedigt erklären.

– Ich werde mich erst dann für befriedigt erklären, wenn –

– Mein Freund, sagte Alfred, Sie haben die Güte gehabt, mich zu Ihrem Vertrauten zu machen, erlauben Sie mir daher, mich mit dem Herrn zu verständigen.

– Die Verständigung wird sehr leicht sein, sagte der Oberst, indem er einige Schritte gegen die Thür that, um dadurch anzudeuten, daß jede andere Frage vergebens sein würde. Ich habe Ihnen keine andere Antwort zu geben.

– Also, mein Herr, rief Gaston, weigern Sie sich, Ihr Ehrenwort zu geben, daß –

– Ich weigere mich, mein Herr, auf Fragen zu antworten, die ich nicht für schicklich erkenne, sagte der Oberst und that wieder einige Schritte gegen die Thür.

Gaston und Alfred blieben in der Nähe des Fensters stehen.

– Mein Herr, sagte Alfred, der sich kaum noch hielt, soll Ihre Bewegung gegen die Thür bedeuten, daß dieses Gespräch zu lange gewährt hat?

– Zu lange? Vielleicht, mein Herr, sagte der Oberst, indem er die Hand auf die Thürklinke legte. Ganz gewiß aber lange genug. – Ich habe weder etwas zu sagen, noch zu hören.

– Und ich erkläre Ihnen, mein Herr, daß ich nicht von hier weichen werde, bis Sie mir geantwortet haben! rief Gaston. Ist das Kästchen hier? ja oder nein!

– Noch ein Wort, wenn ich bitten darf, mein Herr, sagte Alfred, welcher alle Wege der Güte erschöpfen zu wollen schien. Sie sind ein Mann von Welt und wir haben uns an Sie als Leute von Welt gewendet; wir haben uns dazu erst nach sicheren Nachrichten entschlossen; diese Nachrichten geben uns die Gewißheit, daß das Kästchen, von welchem die Rede ist, gestern übergeben wurde, wenn nicht Ihnen selbst, doch wenigstens einem Ihrer Leute. Ist dieser Umstand Ihnen unbekannt, so haben Sie die Güte, Ihren Diener zu befragen.

– Das ist unnöthig mein Herr.

– Dann aber, rief Gaston, indem er heftig mit dem Fuße stampfte, müssen –

– Gaston, noch ein Wort, sagte Alfred und fügte hinzu:

– Da Sie die Aufklärung verweigern, mein Herr, bleiben Sie allein verantwortlich für die Thatsache. Wir wenden uns zum letzten Male an Ihre Ehre, um eine bestimmte Erklärung von Ihnen zu erlangen. Herr von Senneville würde es sehr leid thun, die Grenzen der Mäßigung zu überschreiten, und Sie, mein Herr, gehören zu sehr der vornehmen Welt an, um nicht mit Höflichkeit eine Frage aufzunehmen, die mit Höflichkeit gethan wird.

– Ich habe schon die Ehre gehabt, Ihnen zwei Mal zu sagen, meine Herren, daß ich in dieser Beziehung keine Antwort zu geben habe, wiederholte der Oberst, immer noch kalt und ruhig.

Alfred und Gaston blickten einander unwillig an.

– Es ist augenscheinlich mein Herr! sagte Alfred, daß wir Sie zum Sprechen und zu einer Erklärung nicht zwingen können, aber –

– Es ist unnöthig, die Unterhaltung zu verlängern, mein Herr, sagte Gaston; die Antwort verweigern, heißt gestehen, daß Sie das Kästchen besitzen; ich habe Gründe, diesen Besitz als eine mir angethane Beleidigung zu betrachten, und ich fordere daher Genugtuung von Ihnen.

– Es sei, mein Herr, sagte der Oberst, indem er die Thür des Salons – der beschriebene Raum hat damit jedoch kaum Ähnlichkeit – öffnete.

– Dieser Herr wird die Güte haben, sich im Laufe dieses Tages mit Ihren Zeugen zu verständigen, sagte Gaston, indem er auf Alfred deutete.

– Das ist unnöthig, mein Herr, wir können sogleich Ort, Stunde und Waffen wählen, sagte der Oberst.

– Nun wohl, mein Herr – die Stunde – morgen Vormittag um 10 Uhr, sagte Gaston.

– Um 10 Uhr, erwiederte der Oberst.

– Im Vincenner Gehölz, neben der Fasanerie.

– Im Vincennner Gehölz, sagte der Oberst.

– Was die Waffen betrifft, sagte Gaston, so wählen Sie, mein Herr.

– Das ist mir gleichgültig, mein Herr.

– Der Degen denn, mein Herr.

– Der Degen denn! wiederholte der Oberst, indem er hinter den beiden jungen Leuten die Thür zumachte, ohne daß sein Gesicht die geringste Leidenschaft verrieth.

Der alte Diener führte die beiden jungen Männer wieder zurück, und das Hôtel Orbesson wurde wieder schweigend und einsam.

Die Gäste des Café Lebœuf, welche seit dem Morgen auf der Lauer lagen, hatten die beiden jungen Leute eintreten sehen.

Als diese wieder herauskamen, um in ihren Wagen zu steigen, öffnete Herr Godet, durch seine unbesiegliche Neugier getrieben, die Thür des Kaffeehauses, streckte sein unbedecktes Haupt hervor und sagte mit geheimnißvollem und vertraulichem Tone zu Gaston:

– Nun, junger Mann, wie weit sind wir? Sie, der Sie in das Capernaum des Vampyr eingedrungen sind, Sie können uns sagen, wie das Innere seiner Höhle geschaffen ist. Hat er Ihnen das Kästchen der hübschen Dame zurückgegeben? Sie haben ihm hoffentlich tüchtig den Text gelesen, ihn gehörig zugestutzt.

Alfred und Gaston stiegen in den Wagen, ohne ein Wort auf die Fragen des Herrn Godet zu antworten.

Der Bediente schloß die Thür, rief dem Kutscher zu: Nach dem Hôtel! – und der Stammgast blieb angeführt stehen.

– Unverschämter Stutzer! sagte Herr Godet, Du warst gestern viel höflicher, als es sich darum handelte, mir mein Geheimniß zu entlocken, doch das gilt gleich; sie waren blaß – sie sahen ärgerlich aus; das ist immer so.

Als Herr Godet in das Kaffeehaus zurückkehrte, wurde er mit Fragen bestürmt. Er nahm ein wichtiges Wesen an und antwortete: Die Herren haben nur eben so viel Zeit gehabt, mir einige Worte zu sagen und mir für meine Gefälligkeit zu danken. Morgen früh soll sich Alles aufklären.

Diese Nachricht, welche zufällig mit der Wahrheit übereinstimmte, wurde von den Gästen sehr gut aufgenommen und sie erwarteten mit Ungeduld den nächsten Tag.

Dieser Tag sollte in der That ein großer Tag für die Gäste des Café Lebœuf sein.

Um acht Uhr ging der Bediente des Obersten allein aus; ungefähr in einer Stunde kam er in einem Miethwagen mit zwei Soldaten der Infanterie zurück.

– Seht, rief Herr Godet, der schon an seinem Beobachtungsposten stand, er ist ausgegangen, um die Wache zu holen! Vielleicht um seinen Herrn gegen die beiden jungen Leute zu vertheidigen? Wie es scheint, ist der Vampyr eben kein Hitzkopf.

– Wenn es die Wache wäre, bemerkte Einer, so hätten die Soldaten ihre Gewehre und ihre Patrontaschen, während sie nur ihre Säbel haben.

– Das ist richtig; aber wozu die Soldaten, wenn nicht, um den Vampyr zu unterstützen?

So weit war der Streit gediehen, als die Thür des Hôtel Orbesson sich öffnete; der Oberst trat heraus, in einen großen Mantel gehüllt, und setzte sich in den Miethwagen zu den beiden Soldaten.

Als der Wagen abgefahren war, blieb der alte Diener, statt nach seiner Gewohnheit in das Haus zurückzukehren, einige Augenblicke auf der Thürschwelle stehen und schickte dem Wagen einen besorgten Blick nach; dann zog er sich zurück und warf die Thür heftig zu.

Diese Bewegungen entgingen den Spionen des Café Lebœuf nicht; sie begriffen das Benehmen des Obersten nicht. Wohin konnte er in Gesellschaft dieser beiden Soldaten gehen?

Die Wittwe machte die Bemerkung, daß sie so etwas wie eine Degenscheide unter dem Mantel des Obersten hatte herschauen sehen, allein sie wagte nicht, es zu behaupten.

– Was, ein Degen? – Hören Sie – hören Sie – sagte Herr Godet, indem er zufrieden sich die Hände rieb. Sie könnten doch Recht haben; es handelt sich vielleicht um ein Duell mit den beiden Gelbschnäbeln von gestern. – Aber das wird sehr amüsant. – Wir werden genug für unser Geld bekommen! Bravo!

– Wenn es ein Duell gäbe, rief die rachsüchtige Wittwe, so würde ich aus meiner Tasche noch Etwas darum geben, wenn der große Spötter, der wegen einer erbärmlichen Spinne so viel Aufsehens machte, einen tüchtigen Stoß – – gleichviel, mit was, bekäme.

– Da ich die Höflichkeit und Dankbarkeit dieser Stutzer auch nicht sehr zu rühmen habe, schließe ich mich Ihnen an, um diesen Menschen etwas sehr Unangenehmes zu wünschen, meine liebe Madame Lebœuf. Wenn aber die Rede von einem Duell wäre, so müßten Zeugen sein.

– Nun – die Soldaten?

– Ei, meine liebe Madame Lebœuf, der Vampyr ist Oberst und würde nicht zwei gemeine Voltigeurs zu Zeugen nehmen. Das wäre gegen alle Regeln der Disciplin. Zum Teufel, was macht denn der Bediente schon wieder auf der Thürschwelle? fügte Herr Godet hinzu, indem er durch das Fenster sah. Seitdem sein Herr fort ist, hat er sich nun schon dreimal dahin gepflanzt, steif wie ein Eckpfahl. Das ist nicht natürlich; es geht Etwas vor; er scheint unruhig zu sein. – Wenn ich ihn befragte?

– Der Augenblick wäre schlecht gewählt, Herr Godet, sagte die Wittwe; setzen Sie sich der Roheit dieses alten Schurken nicht aus.

– Still – still – ich höre das Rollen eines Wagens, sagte Herr Godet, indem er sein Gesicht abermals gegen die Scheiben preßte.

In der That kehrte der Miethwagen mit den beiden Soldaten und dem Obersten zurück.

Dieser sprang gleich aus dem Wagen, sagte einige Worte zu den Soldaten, drückte ihnen die Hand und entließ sie.

Madame Lebœuf versicherte später, sie hätte eine Thräne über die Wangen des alten Dieners rinnen sehen, als er hinter seinem Herrn die kleine Thüre des Hôtels wieder verschloß.

Zum Unglück für die Gäste des Café Lebœuf folgten diesen beiden an Ereignissen so fruchtbaren Tagen andere von verzweiflungsvoller Monotonie.

Sie sahen keine Briefe mehr ankommen, keine Kästchen, keine Wagen; jeden Morgen brachte der Lieferant die gewöhnlichen Lebensvorräthe, doch dies war Alles.

Die Probe mit der Asche, die in dem Gäßchen oft erneuert wurde, bewies, daß der Vampyr seine nächtlichen Spaziergänge fortsetzte.

Obgleich Herr Godet keinen Geschmack mehr daran fand, sie zu theilen, zweifelte er doch nicht, das sie noch immer nach dem Kirchhofe des Pater La Chaise gerichtet wären. Das einzige Ereigniß, welches im Vorübergehen die Neugier der Gäste des Kaffeehauses erweckte, war die Erscheinung der alten Frau, welche das Kästchen überbracht hatte. Zwei Monate ungefähr waren seit dem Duell des Obersten verflossen, da kam diese Frau wieder an das Hôtel Orbesson zurück, und übergab dem Bedienten des Obersten ein ziemlich umfangreiches Päckchen. Seitdem erschien sie nicht wieder.

Wir wollen also diesen letzten Besuch der Madame Blondeau bei dem Obersten erzählen.



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