Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 6
Julius Stettenheim

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127 III.

Herrn Wippchen in Bernau.

Wir sind sehr erfreut durch Ihren Eifer, mit welchem Sie sich der ostafrikanischen Affaire annehmen, denn wir erhielten für jede Nummer einen Bericht. Wenn Sie nun von Ihrem oft mit so großer Energie vertretenen Princip abgehen, dann und wann durch einen entscheidenden Schlag einen Schluß herbeizuführen, um plötzlich die Arbeit bei Seite legen zu können, so versprechen wir uns noch eine Reihe von interessanten Artikeln aus Ihrer Feder.

Wenn Sie nur die Abschweifungen unterlassen und sich ganz Ihrem Thema widmen wollten! Das Feuilleton, welches Sie uns heute nebst Ihrem dritten Bericht senden, ist wirklich überflüssig. Dasselbe bildet die Darstellung der Eigenthümlichkeiten der ostafrikanischen Küste, aber sie 128 ist so abenteuerlich, so nach jeder Richtung hin übertrieben, daß wir sie unmöglich dem Publikum, auch nicht dem gläubigsten, zu bieten wagen können. Alles, was bei den Weißen schwarz ist, sagen Sie, ist natürlich (?) bei den Schwarzen weiß, und zum Beweise senden Sie uns Ihre Silhouette, aus weißem Papier geschnitten. Wir senden sie Ihnen hiermit zurück, – wer soll denn dergleichen nicht für einen Scherz halten, den Sie sich mit dem Leser erlauben? Und das ist doch mindestens sehr gewagt.

Wir grüßen Sie

ergebenst

Die Redaktion.

* * *

129 Bernau, den 14. December 1888.

Sehr gewagt? Wahrlich, ich würde etwas Kurzbeiniges sagen, wenn ich behauptete, daß ich irgend anderes erwartet hätte. Natürlich ist eine neue Idee gewagt. Als Pythagoras mit seinem Lehrsatz die bekannte Quadratur des Dreiecks fand, als Kolumbus beeidete, da und da läge Amerika, als Guttenberg in seinem Kopf den Druck spürte, der die Welt umgestalten sollte, als Watt mit Dampf den Bau der ersten Locomotive betrieb, da sagte die Welt, das sei gewagt, und am liebsten hätte man sie alle zu langwierigen Autodafehaufen verurtheilt. Aehnlich geht es meiner Wenigkeit mit Ihnen. Meine neue Idee besteht darin, Afrika dem Verständniß näher zu bringen, es ist im Allgemeinen doch noch eine unbekannte terra incognita. Der Opernkenner weiß, daß die Geliebte Vasco da Gama's, welcher singend Afrika umsegelt hatte, an dem Einathmen eines Giftbaumes starb, oder daß die Südspitze dieses schwarzen Welttheils das Cap – verzeihen Sie das harte Wort! – der guten Hoffnung heißt. Da charakterisirte ich denn den Unterschied zwischen Europa und Afrika. Wir sind, sagte ich, weiß, die Afrikaner sind schwarz, daraus folgt wie das Phabet dem Al oder wie die Eins dem Einmaleins, daß in Afrika alles weiß ist, was wir schwarz sehen, und umgekehrt. Unser Weißbier ist ihnen 130 also Schwarzbier, während die Schiefertafel, mit denen die Araberkinder die Bänke in den Schulzelten drücken, weiß ist. Am deutlichsten aber tritt der Unterschied zwischen den Weißen und Schwarzen in Figuren auf, die wir nur weiß, oder nur schwarz kennen, und um dies wenigstens Ihnen ganz klar zu machen, sende ich Ihnen einliegend ein Pro- und ein Konterfei, nämlich: 131


einen afrikanischen Schornsteinfeger und


einen afrikanischen Schneemann.

132 Als feuriger Kohlensammler frage ich Sie nun, ob es nicht etwas übereilt von Ihnen gewesen ist, daß Sie nicht nur Ihre Rümpfnase, sondern auch Ihren alles nivellirenden Papierkorb in meine Studien gesteckt haben.

Doch ich will versöhnlich sein, und ich vergebe mir wohl nichts, wenn ich Ihnen alles vergebe. Das liebliche Weihnachtsfest naht, der Knecht Ruprecht wird der Herr der Situation. Was ich von Ihnen geschenkt haben will? Schenken Sie mir einen Autographen von Ihrer Hand und zwar der Originellität wegen auf der Rückseite des Abschnitts einer Post-Anweisung. Diese mögen Sie gleichzeitig zu einer Vorschußsendung von nicht über 50 Mark benutzen.

* * *

Sansibar, den 9. December 1888.

W. Der erste eiserne Würfelbecher ist geleert. Noch ein solcher Wurf, und die Schwarzen werden erbleichen. Es ist ein Beweis für den Holzweg, aus dem sich die Aufständischen befinden, daß sie glaubten, gegen die Flotten der vereinigten europäischen Reiche, deren Grundsatz »Getrennt segeln, vereint bombardiren« ist, einen Erfolg erringen zu können. Bevor die Schiffe Ernst machten, hatten die Aufständischen im tiefsten Bramarbaß Spottlieder gesungen; kaum aber öffneten die Schiffe ihre ehernen Luken und zeigten ihnen die Zähne ihrer Kanonen, da floh diese schwarze Schaar 133 wie die löwenbeladene Giraffe in die Wüste, wo sie am tiefsten ist.

An der Spitze der Aufständischen steht der Araber Buschiri (sprich: Buschiri), welcher ihnen weiß macht, daß er ein schwarzer Moltke sei. Ich brauche nicht zu sagen, daß er in seinem ganzen Leben noch keine Schlachten gedacht hat und nicht im stande ist, auch nur eine Stunde lang einen Plan zu schweigen, um wie viel weniger zu entwerfen. Er hat höchstens eine Dorfkriegsschule besucht und kann kaum ein Quarré auswendig bilden. Von einer Pike, von der aus er gedient haben könnte, kann also garnicht die Rede sein, er war, bis er zum Kommando griff, ein junger beschäftigungsloser Mensch, ein gommeux arabicum, der eines Tages auf den Gedanken kam, der Hin- und Heerführer seiner Landsleute zu werden. Man kann sich nun vorstellen, wie schlecht einem solchen Kommandanten der Handschuh paßte, den er den vereinigten Flotten hinwarf.

Buschiri hatte um Bagamoyo etwa 2500 Mann so zusammen wie möglich gerottet, die mit Hinterladern und fast drei Feuerschlünden bewaffnet waren, und bedrohte die deutsche Station. Vorsicht ist nicht die Mutter der Schwarzheit, denn die Aufständischen reizten dadurch das vor Bagamoyo anwesende Kriegsschiff »Leipzig«, das von der großen sächsischen Stadt den Namen hat, zu einem Bombardement, durch welches alle Küstendörfer von der Asche verzehrt wurden. Auch in Bagamoyo blieb kein Strohdach auf dem anderen. 134 Als Buschiri sah, daß die Deutschen den kurzen Prozeß, den sie machten, nur noch kürzten, ergriff er, da es hier keine Hasen giebt, das Panier irgend eines andern scheuen Thiers, gefolgt von den unglücklichen arabischen Rebellen, welche geschworen hatten, ihn nicht zu verlassen.

Die deutschen Marinesoldaten, welche gelandet waren, machten viele Gefangene, welche man wahrscheinlich nach Deutschland transportiren wird. Man schwankt noch zwischen Schwarzburg und Schwarzenberg. Freilich müssen sie erst angezogen werden.

Sollte noch etwas Wichtiges vorfallen, so werde ich zum Draht greifen.


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