Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 6
Julius Stettenheim

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37 IV.

W. So sitze ich denn wieder an meinem Laren- und Penaten-Heerd, den ich vor etlichen Wochen verlassen hatte. Während dieser Zeit habe ich drei Residenzen besucht und drei Monarchenpaare gesehen: einen Zaren und eine Zariza, einen Konung und eine Drottning und einen Kong und eine Dronning.

Natürlich haben sich bei diesen Zusammenkünften viele Anekdoten ereignet, die ganz geeignet waren, dem Zwerchfell ein Lächeln abzugewinnen. Wenn sich die Großen dieser Erde festlich zusammenfinden, so darf man nicht annehmen, daß sie ausschließlich regieren. Im Gegentheil pflegen sie dann das Scepter an den Nagel zu hängen, sich für Augenblicke die Krone aus dem Kopf zu schlagen und den Purpur Purpur sein zu lassen. Nichts ist natürlicher. Wer jahrein jahraus auf dem Thronsessel geruhen muß, freut sich doppelt, dann und wann frei sich bewegen und den Pluralis majestatis abschütteln zu können. Selbstredend kann ich nicht alle Anekdoten mittheilen, einigen gegenüber muß ich mindestens 38 sieben Siegel auf den Zähnen haben, etliche aber will ich meinen Lesern nicht vorenthalten.

* * *

Bei dem prunkvollen Diner brachte bekanntlich der Zar das Hoch seines kaiserlichen Gastes aus, und als er mit Adin, dwa, tri geendet hatte und das ura verklungen war, machte man ihm von allen Seiten Complimente wegen seiner schönen Stimme. »Es ist Uns sehr lieb«, sagte er geschmeichelt, »daß Wir Sie erbaut haben, aber man sagt ja nicht ohne Grund: »Zar und Zimmermann

Da vereinigten sich der Beifall und die Heiterkeit und pflanzten sich über die Mauern des Schlosses fort.

* * *

Nachdem die Galatafel von der zahlreichen Dienerschaft aufgehoben war, begann eine sehr lebhafte Plauderei der erhabenen Runde. So sprach man auch über die Coursschwankungen des russischen Mammon, und da sagte der russische Finanzminister: »Den Unterschied zwischen der deutschen Krone und dem russischen Rubel hat schon Ihr Goethe festgestellt, indem er sagte:

»Krone des Lebens,
Glück ohne Ru-
bel
, das bist Du«.

39 Zehn Minuten später saß er schon im Schlitten nach Sibirien.

* * *

Als der Name Goethe genannt worden war, sagte der berühmte General Dibitsch: »Ich bin stolz darauf, daß Goethe ein Kosak gewesen ist.« Als der Graf Bismarck dagegen einwarf, Goethe sei ein geborener Frankfurter am Main, lächelte Dibitsch, er wisse das besser, weil sonst Goethe wohl nicht mehr Licht verlangt hätte, das ja alle Kosaken gerne essen.

»Dann allerdings« sagte Graf Bismarck und nahm, vielsagend schweigend, ein Stück Sterlet, der in Strömen floß.

* * *

»Wissen Sie, was das Merkwürdigste in Rußland ist?« fragte ich einen Knjasj (lies: Fürst). Dieser vernjetete (verneinte). Nun, sagte ich, das Merkwürdigste scheint mir, daß der Zar verheirathet und doch Selbstherrscher ist.

Der Knjasj hatte keine Silbe verstanden und lachte derart, daß ihm sein Sluga (lies: Diener) den hochgeborenen Bauch halten mußte.

* * *

In Rußland giebt es bekanntlich großartige Jagden. In erster Linie jagt man den Hermelin, den Marder, den 40 Zobel, wie überhaupt alle Pelze, welche gegen die strenge Kälte des Winters schützen. Der Zobel wird in Sibirien ausschließlich von den unglücklichen Deportirten gejagt.

Einmal sprach ich mit einem russischen Staatsanwalt, der schon mehrere Tausend Nihilisten hatte zu lebenslänglicher Waidmannslust nach Sibirien transportiren lassen, über die inneren Revolutionäre Rußlands und gab meinem Bedauern lebhaften Ausdruck. Da kam ich aber schöner an, als ich je im Leben gewesen zu sein mir schmeicheln durfte. »Sind Sie besumno (verrückt)?« rief er, indem er mir die Knute anbot. »Wenn wir die Nihilisten nicht hätten, dann müßten wir ja im Sima (Winter) wie ein Portnoj (Schneider) frieren!«

Ich drückte ihm die Hand und dann mich.

* * *

Der König von Schweden ist bekanntlich ein hervorragender Dichter. Wenn Schiller in seiner Jungfrau sagt:

»Drum soll der Sänger mit dem König gehn«,

so ist der schwedische Monarch ein König, der mit sich selbst Arm in Arm gehen kann. Wie andere Dichter will aber auch dieser nicht nur gelesen, sondern auch gekauft sein. An der Hoftafel nun sagte ein Cavalier zu ihm, er habe gehört, der König habe allergnädigst geruht, wieder ein Bändchen Gedichte herauszugeben, er möge ihm doch ein Exemplar 41 leihen. Da sagte der Dichterfürst: »Ich verleihe nur solche Bändchen!« und überreichte ihm den Wasa-Orden.

Auf das Tiefste beschämt, steckte der Cavalier, den ich nicht nennen will, den Orden in das Knopfloch. Er wird sich nie wieder ein Buch von dessen Autor borgen wollen!

* * *

Bekanntlich befanden sich unter dem Publikum, das dem Einzug in Kopenhagen jubelnd beiwohnte, einige Zischer. Ein hohes Mitglied des deutschen Gefolges erkundigte sich, weshalb die Leute zischten. Polonius, ein alter Hofherr, antwortete: Die Leute wollen ein Stück von Schleswig wiederhaben.

Das ist komisch, erwiderte das hohe Mitglied des deutschen Gefolges, sehr komisch, denn hier ist von einem sehr guten Stück die Rede, und da sollten doch die Leute nicht zischen, sondern applaudiren.

Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode, warf Polonius in der Schlegelschen Uebersetzung ein.

* * *

Der Kronprinz von Dänemark ist ein verschlossener, düsterer, ernster Mann, der gerne seinen Gedanken nachhängt. Er geht schwarz gekleidet und unterscheidet sich dadurch von Ferdinand in Kabale und Liebe, daß ihm das Flötenspiel niemals eingefallen ist. Lange schon hatte es ihn geärgert, 42 daß die Hofleute ihn nach ihrem Kopf lenken wollten, und es war gerade an einem der Festtage, als ihm die Geduld riß. Er ergriff also mit nerviger Faust eine Flöte, schwang sie drohend und bat einen Hofherrn, auf ihr zu spielen. »Ich kann nicht«, versicherte dieser. »Nun« sagte der Dänenprinz, »wenn Ihr die Flöte nicht spielen könnt, wie soll ich nach Eurer Pfeife tanzen?«

Man kann sich den Fuß denken, auf welchem diesen Worten Sr. königlichen Hoheit das Gelächter folgte.


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