Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 6
Julius Stettenheim

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121 II.

Sansibar, den 1. Decbr. 1888.

W. Noch ist Alles in voller Schwebe, noch sieht man vor dem Schatten, den die großen Ereignisse vorauswerfen, das Licht nicht, welches die nächsten Tage bringen sollen. Mit Einem Wort: Ich bin in der peinlichen Lage, dem nach entscheidenden Thaten heißhungrigen Leser weder Fisch noch Fleisch vorsetzen zu können. Freilich kann in jedem Augenblick den herrschenden Wirren das erste Stündlein schlagen, dem mit gemischten Gefühlen entgegengelauscht wird. Die Fremden stehen am Ufer und blicken sehnsüchtig nach dem Horizont, ob daselbst nicht die vereinigte Flotte ihre Schornsteine und Drehthürme bläht, die Eingeborenen bilden sich ein, sie könnten mit ihren mangelhaften Waffen, mit Armbrüsten ohne Pulver, oder mit Pulver ohne Flinten, der deutschen und englischen Macht auch nur den kleinsten Daumen auf's Auge drücken. Freilich, der Kundige sieht schon das Nichts, in welches dieser Traum zerrinnen wird.

Selbstverständlich ist der Europäer vorläufig in einer Situation, die ich mit der eines Zündhölzchens zwischen zwei 122 Schachteln, oder, wenn dies nicht deutlich erscheint, mit einem einzigen Wilhelm zwischen zwei Lenoren vergleichen möchte. Auf der einen Seite brüllt der Ocean, auf der andern der fanatische Araber, dem nicht über den Weg zu trauen ist, wenigstens ich nicht. Kein Weißer ist vor einem Pfeil aus heiteren Wolken sicher. Ich bin daher, um den Feind zu täuschen, auf die originelle Idee gekommen, mich in einen Araber zu verwandeln. Um meine Haut nicht zu Markt zu tragen, sondern mich ihrer zu wehren, habe ich dieselbe schwarz gefärbt und mich auch im Uebrigen wie ein Araber gekleidet. Ich glaube, im allgemeinen Interesse zu handeln, wenn ich die Reproduction meiner Photographie hiermit veröffentliche. Wer jetzt Lust hat, in den Mauern der ostafrikanischen Küste zu weilen, thut gut, sich so herzurichten, wie ich auf meinem Lichtbild erscheine, um als Araber zu gelten. Als solcher kann man selbstredend oder selbstschweigend sich hier überall zeigen oder sich gar im Sande verlaufen, der Araber wird den schwarzgetünchten Weißen für seinesgleichen halten und ihm kein Haar krümmen oder gar verletzen. Es ist das zwar ein Betrug, denn man erscheint dem Urbewohner als X, obschon man ein geborenes U ist, aber die Selbsterhaltung bricht Eisen. Ich würde mich an Jupiters Stelle niemals in einen Regen oder in irgend eine andere ungünstige Witterung verwandeln, um ein unbeschirmtes Mädchen in die Traufe zu führen, aber im Kampf um's Dasein gelten nach meiner Meinung alle Masken, und man braucht in solcher Lage 124 nicht zu zögern, zu einer der vielen Mummen zu greifen und dieselbe zu schanzen.

Wie ich es vorausschrieb, ist der Sultan von Sansibar abgeneigt, seine Zustimmung zur Blockade der Küste zu ertheilen. Aber man wird das Brett, das er vor dem Kopf hat, schon kleinkriegen, und ihm die Schraube, die los ist, wieder festdrehen. Was will er auch machen? Die vereinigte Flotte wird sich von dem schwarzen Herrn nicht auf dem Deck herumtanzen lassen, und wenn, wie es ohne Zweifel geschähe, eines der Schiffe, wie demselben der Schnabel gewachsen ist, an zu schießen fängt, so wird er, ein Muselmann, schon zu Halbmond kriechen.

Es versteht sich wohl auch am Rande dieser Insel, daß an einem raschen Sieg nicht zu zweifeln ist. Wenn die deutschen und englischen Feuerschlünde erst einmal eine Salve gegähnt haben, werden diese dunklen Horden Allah danken, wenn sie das nächste beste Weite ergreifen und mit dem landesüblichen nackten Leben davonkommen können. In diesem Augenblick freilich schreien sie in ihrer Muttersprache noch immer: Nach Berlin! und: Nach London! und singen die Wacht am Meer, aber das Schreien und Singen wird ihnen schon vergehen, wenn von der ersten Fregatte ein Schuß und damit ein Araber gefallen sein wird.

Was aber wird geschehen, wenn der Aufstand unterdrückt ist? Es sind wohl Araber einzuziehen, aber keine Kontribution. Geld haben diese Inseln nicht. Es war das Gerücht verbreitet, man habe hier Gold gefunden, aber es 125 war, wie Meyerbeer singt,. qu'une (sprich: kühne) chimère. Was man fand, konnte die Katze auf einem hohlen Zahn forttragen, jedes Zwanzigmarkstück verursachte sechzig Mark Kosten, so daß vierzig Mark rein verdient waren, wenn man nicht danach grub. Ich habe Araber gesprochen, welche reich dadurch wurden, daß sie nicht mitgruben, während die Andern, die Tag und Nacht den Spaten schwangen, verarmten. Also, wie gesagt, Geld ist hier nicht zu holen, wenn baar Geld lacht, so steht dem Araber das Weinen näher. Was also wollen Deutschland und England, deren Flotten doch sehr in's Geld laufen, hier holen? Den meisten Werth hat das Elephantengebiß. Man wird wissen, daß der männliche Elephant, obschon Vierhufer, zwei Elfenbeine im Munde hat, diese bilden den einzigen Werth des Elephanten, da bekanntlich die Elephantenlaus keinen nennenswerthen Werth repräsentirt. Aber angenommen, Deutschland und England forderten eine Million Zähne, wie sollen 500,000 Elephanten männlichen Geschlechts gefangen werden, um ihnen je zwei Zähne zu ziehen? Der Elephant ist auch nicht so leicht zu fangen. Ich bin tagelang im Freien gewesen, ohne auch nur einen einzigen Stoßzahn erblickt zu haben, und der Elephant ist auch bekanntlich ein blitzkluges Thier, denn wenn er merkt, daß man ihn verfolgt, so zeigt er dem Jäger die Zähne, um sie zu vertheidigen. Nun könnten die Verbündeten ja hunderttausende von Löwen und Tigern fordern, aber was mit solcher Kriegskontribution anfangen? Zu verkaufen sind sie schwer, denn 126 jeder zoologische Garten hat etliche Paare, und es würden sich nur wenige Privatleute finden, welche sich solche Bestien anschaffen, die kostspielig zu ernähren sind, einen Wärter brauchen und nicht angenehm riechen. Von den Kameelen und Affen läßt sich fast dasselbe sagen. Ferner bringt dies Ostafrika Cocosnüsse hervor, aber es würde schwer sein, sie an den Mann zu bringen, da sie doch nur von Knaben gekauft würden, die ja ein kaum nennenswerthes Taschengeld haben. Es blieben also noch die Palmen, aber auch diese würden, besonders wenn die beiden siegreichen Mächte eine Kontribution von mehreren Millionen ausschrieben, ein fraglicher Besitz sein, da sie wohl von Afrika, aber nicht in Europa fortkommen würden, und als Brennholz hätten sie wenig Werth. Nun könnten sich die Mächte an einigen hunderttausend Arabern beiderlei Geschlechts schadlos halten, aber es früge sich denn doch, ob die Deutschen und Engländer Lust hätten, schwarze Diener zu kaufen, selbst wenn dies erlaubt wäre. Ich wenigstens möchte kein schwarzes Dienstmädchen im Hause haben, schon deshalb nicht, weil es aussähe, als hätte ich Trauer, und auch soll nur höchst selten eine Inodoris darunter zu finden sein. Man sieht also, daß die Frage wegen der Kriegskosten nicht so einfach zu lösen sein wird.

Wir sind ja indeß noch nicht so weit. Hoffen wir vorläufig, das alles gut abläuft und die Finis coronat auch diesem opus nicht fehlen möge.


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