Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 6
Julius Stettenheim

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13 II.

Herrn Wippchen in Bernau.

Nur ungern stören wir Sie in Ihrer Erholung, obschon wir eigentlich nicht recht begreifen, was Sie denn so ungeheuer angestrengt hat. Die wenigen Berichte, die Sie uns geschickt haben, können doch unmöglich eine solche Abspannung in Ihnen hervorgebracht haben. Wir nehmen daher an, daß Sie wieder ganz gekräftigt sein und mit Vergnügen zur Arbeit zurückkehren werden.

Wir bitten Sie um einen Artikel über die Weltlage, einerlei ob derselbe friedlich oder kriegerisch laute. Es liegt uns nur daran, einen Artikel von Ihnen zu haben, – ob derselbe Krieg oder Frieden prophezeit, das wird uns dasselbe sein und mag von Ihrer Stimmung abhängen. Wir bitten nur um rasche Erledigung

ergebenst

Die Redaktion.

* * *

14 Bernau, den 6. Juli 1888.

Verschwunden war der Frühling,
Der Sommer wieder da . . . .

so weit war ich mit dem Sommerlied gekommen, welches ich meinem Pegasus entlocken wollte, da störte mich der Schritt des Briefboten, der mir Ihr geehrtes Schreiben überbrachte. Meine Leier verstummte plötzlich, als wäre sie ein Fisch, und welche Mühe ich mir auch gab, einen Reim auf »Frühling« zu finden, es gelang ihr nicht. Es ist aber auch ganz unmöglich, die Sprache zu binden, oder, wie es Goethe sehr richtig bezeichnet, Fensterscheiben zu malen, wenn wir ahnungslos die Hippokrene von unserm Munde fortgerissen und uns wieder in das Treiben der Journalistik hineingestoßen sehen. Da steht man wie ein Ochs am Parnaß, an jenem heiligen Berge also, dessen mit ewigen Musen bedecktes Haupt sich nur dem Dichter neigt, und man hört kommandiren: »Lyra in Ruh!«

Nun verlangen Sie einen Artikel, durch welchen ich den Frieden, oder den Krieg prophezeihe. Da kann ich nur – verzeihen Sie das harte Wort! – lächeln. Sie verwechseln mich mit dem Tenor Johann von Leyden, welcher allerdings Prophet war. Ich stehe nicht wie die Pythia mit einem Dreifuß in der Zukunft, ich bin trotz meiner Augengläser kein Seher und sage weder weis, noch wahr, oder voraus. Ich habe noch nie, obschon man das Gegentheil glauben sollte, 15 Nachts ein Gesicht gehabt, wie es kleine, große und Mittel-Propheten zu haben behaupten. Wenn ein Krieg erklärt ist, so kann ich ihn voraussehen, und ebenso geht es mir mit dem Frieden, wenn er geschlossen ist. Das ist alles. Wenn Moltke seine Karten in der Hand hat, so erlaubt er keinem Kiebitz, den Schnabel hineinzustecken.

Indeß glaube ich dennoch, Ihnen helfen zu können, indem ich Ihren werthen Lesern in einem Artikel den Krieg und in einem zweiten den Frieden in Aussicht stelle. Sie brauchen nur heute den Krieg und morgen den Frieden zum Abdruck zu bringen. Das ist den Tagesblättern seit Jahren zur Gewohnheit geworden, welche Amme ja leicht zur zweiten Natur wird.

In diesem Augenblick lacht etwas in mein Zimmer. Am Lachen erkennt man die Sonne. Nun habe ich nichts, was gleichfalls lacht. Da baar Geld das thut, so bitte ich Sie um einen Vorschuß von 50 Mk.

* * *

Krieg in Sicht.

W. Nichts in der Politik ist schädlicher als der Optimismus, denn er wiegt den Gewiegtesten in eine gewisse Sicherheit und lenkt das Auge von den schwarzen Punkten ab, die im Grase verborgen liegen. Vor lauter abwiegelnden 16 Blättern sieht er den Wald von Generalstäben aller Nationen nicht, wie sie die Pläne schmieden, so lange sie heiß sind. Wer aber die Augen auf dem rechten und linken Fleck hat, der verschließt sie weder vor den Lenden, welche gegürtet sind, noch vor den Zähnen, bis an welche die Völker in Waffen starren.

Ich aber sage es dem Mars auf den Kopf zu, daß er unvermeidlich ist, und wenn er tausendmal sich den Anschein gäbe, als könne er keinem Wässerchen ein Haar krümmen. In Frankreich ist die Kriegsfurie längst reif, und jetzt, wo unser Kaiser die deutsche Reichshauptstadt die schönste Stadt der Erde genannt hat, wird Paris vom Neidhammel verzehrt werden, und die Eifersucht – das lehrt uns Othello – erblickt bekanntlich in jedem harmlosen Taschentuch die Nase eines Rivalen. Ebenso sieht Rußland das deutsch-österreichische Bündniß nur durch die scheele Brille an und glaubt durch dasselbe den Thon seiner Füße in's Wanken gebracht. Bedarf es da mehr als eines Tropfens, um das Pulverfaß zum Ueberlaufen zu bringen?

Diese Frage gilt doch wahrlich mehr als alle Schalmeidinger, welche in den Friedensartikeln der Presse auf's Tapet gebracht werden.

* * *

17 Frieden in Sicht.

W. Nichts in der Politik ist schädlicher als der Pessimismus, denn er wiegt den Gewiegtesten wie einen Säugling in eine gewisse Unsicherheit und lenkt das Ohr von dem Rauschen der Friedenspalme ab, welches überall laut wird. Wer aber die Ohren auf dem rechten und linken Fleck hat, der verschließt sie weder vor den beruhigenden Noten, noch vor dem Klappern der Zähne, bis an welche die Nachbarvölker in Waffen starren.

Ich aber sage es dem Frieden auf den Kopf zu, daß er gesichert ist, und wenn er tausendmal sich den Anschein gäbe, als zeigte ihm der Zimmermann das letzte Loch, aus welchem er pfeifen solle. In Frankreich denkt man gar nicht an Abenteuer, im Gegentheil sagt man sich, daß das Heer nach Berlin schief gehen könnte und daß dann dem Lande nichts bliebe als der Rest, den ihm Deutschland vielleicht nicht einmal geben würde. Ebenso sieht Rußland ein, daß es keinen Weg giebt, auf welchem das deutsch-österreichische Bündniß zu räumen sein wird. Bedarf es da noch der weiteren Beweise, daß der am ruhigen Bach gelagerte liebliche Knabe ein sehr langer werden wird?


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