Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 2
Julius Stettenheim

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157 IX.

Herrn Wippchen in Bernau.

In einem Augenblick, wo der Kaffernkrieg als beendet betrachtet wird und in der That wohl auch sein Ende erreicht hat, senden Sie uns die Schilderung einer Schlacht, welche Sie allerdings als derart vernichtend darstellen, daß, da Sie auch nicht einen einzigen Zulu übrig lassen, der Krieg aufhören muß. Indeß ist dieser Bericht aus diesem Grunde um so weniger zum Abdruck zu bringen. Dazu kommt noch, daß Sie nicht nur Cetewayo von den Engländern gefangen nehmen, sondern ihn auch alsbald einen Selbstmord begehen lassen, worauf Sie eine absolut unmögliche Scene schildern: die Besteigung des erledigten Throns durch 22 Söhne des Verewigten. Sie motiviren diesen allerdings merkwürdigen Regierungsakt damit, daß Sie behaupten, Cetewayo habe 22 Frauen gehabt, deren jede ihm einen Sohn geboren, und 158 nun halte sich jeder der 22 Söhne für den einzig berechtigten Thronfolger. Damit nicht zufrieden, schildern Sie dann noch die eigentliche Thronbesteigung, das Gedränge, welches die 22 Jünglinge auf den Stufen des Thrones verursachen, das Stoßen und Schreien, welches bei dieser Gelegenheit stattfindet. Wir wiederholen dies Alles nur, um Ihnen die Unmöglichkeit des Abdrucks Ihres Berichts recht klar zu machen, falls Sie bereits vergessen haben sollten, welche Ungeheuerlichkeiten zu glauben Sie unseren Lesern zumuthen.

Ihre gestrige Postkarte, durch welche Sie uns den Beginn eines Krieges zwischen Deutschland und Rußland ankündigen und sich bereit erklären, die Berichterstattung sofort zu übernehmen, übergehen wir mit Stillschweigen.

Senden Sie uns einen Schlußartikel vom Zulukriege und seien Sie gegrüßt

ergebenst

Die Redaktion.

* * *

Bernau, den 14. August 1879.

Dachte ich's doch! Als ich meinen jüngsten Bericht in den neulichen Briefkasten steckte, sagte ich mir gleich, daß ich 159 meine Feder einmal wieder in den Caviar für's Volk getaucht hatte, und so erwartete ich denn einen Brief von Ihnen, der wie die Faust auf den Argus paßte. Es fällt mir nicht im entferntesten Sirius ein, mich darüber zu beklagen. Große Seelen, sagt Posa, sind tief, und still ertrage ich bereits das Unbillste und habe längst die Hoffnung aufgegeben, jemals bei Ihnen in Gnade zu fallen, oder mich in etwas Anderem, als in Ihrer Ungunst zu sonnen. Immerhin aber ist die Beurtheilung, deren Opfer mein jüngster Bericht geworden ist, das nonpluste Ultra, das ich bis heute von Ihnen erlebt habe!

Ich ließ die Zulus mit Mann und Maus untergehen, habe keinen Kraal auf dem andern gelassen, machte dem Assegaigerassel ein Ende und überlieferte Cetewayo mit Stumpf und Stiel der wohlverdienten Nemesis. Weshalb? Weil ich wußte, daß dies mit allgemeiner Befriedigung aufgenommen worden wäre. Jeder Leser hätte sich wie Se. Majestät ein Schneekönig gefreut und wie ein Pfau vor Vergnügen ein Rad geschlagen. Die Engländer würden ohne Zweifel ein wahres Traubenblutbad angerichtet haben, und auch in anderen Leserkreisen hätte man mancher Wittwe Clicquot den Kork aus dem Halse gezogen. Fragt alle Welt nicht schon: Wie lange, Catilina, soll dies Quousque tandem noch dauern? Wahrlich, am liebsten hätte ich ihn an Stelle der ehrenvollen Gefangenschaft die »Katze mit neun Musen« fühlen lassen, obschon ich dieser am liebsten – verzeihen Sie das harte Wort! – den Rücken kehre.

160 Sie wollen keine Gerechtigkeit, und ich thue Ihnen den Willen: Cetewayo wird sich also nicht in's Fäustchen weinen. Einliegend der Friedensschluß. Damit existirt das Kapland nicht mehr für mich.

Nun will ich, so strenge dieser Sommer auch sein mag, in ein Bad, in den kühlen Wogen holder Nixen die Kraft wiedergewinnen, die ich in schwerer Arbeit eingebüßt. Schon höre ich die Tritonen in die Muschel stoßen, schon sehe ich mich im Schooß schäumender Nymphen auf dem Rücken dahinschwimmen. Im Geiste grüße ich das salzige Thalatta, stürze ich in die Therme, überlasse ich mein Haar dem Spiel der Windhose. Leider ist das Meer ein so theures Pflaster, als wäre es Asphalt. Bitte, senden Sie mir einen wohlgezielten Vorschuß von 100 Mark oder mehr, wenn Sie meinen, daß diese Summe nicht mit mir auskommen kann.

* * *

Englisches Hauptquartier, den 1. August1879.

W. Frieden! Es wird die Königin Victoria geschossen. Vor etwa zwei Stunden erschien Cetewayo in der ersten Etage des Wolseley'schen Zelts, um die Friedenspfeife zu unterzeichnen. Es war ein feierlicher Moment. Der englische Oberbefehlshaber trug die große Uniform, der schwarze König war festtäglich entkleidet.

Die Bedingungen sind für die Kaffern ziemlich harte. Dieselben verpflichten sich, niemals wieder die Engländer zu schlagen und auch nicht nochmals irgend eine französische 161 Dynastie auszurotten. Ferner haben sie den Engländern zu gestatten, unbelästigt das Kap zu verlassen. Die Contribution muß in klingenden Ochsen bezahlt werden, Kupfer- oder gar Papier-Rinder werden nicht angenommen. Auch verzichten die Zulus auf jede Einmischung in die Deckung der Anleihen, welche England für den Krieg gemacht hat.

Als der historische Akt vollzogen war, umarmte der schwarze König die Hand Sir Wolseley's derart, daß dieser: It is good! It is good! rief. So trennten sie sich.

Heute Nachmittag wird die englische Armee Gott danken, daß sie davonkommt.

Morgen verlasse ich dies harte Eiland.


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