Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 2
Julius Stettenheim

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51 Die Pariser Weltausstellung.

IV.

Paris, den 3. Juli 1878.

W. Ich habe eine längere Pause gemacht, weil es mir unmöglich war, unter einem Winkel von 24 Grad Réaumur zu arbeiten. Selbst die Abende waren so heiß, daß Mondstiche vorgekommen sind. Denken Sie sich dazu einen Fremdenstrom, wie er seit grauem Menschengedenken nicht erlebt worden ist! Der Ausstellungspalast ist oft so brechend, daß man froh (gai) sein darf, nicht erdrückt zu werden, oder auf andere Weise in's bessere Jenseits beißen zu müssen. Die wohlhabenden Pariser selbst sind natürlich nicht in der Stadt, sondern athmen im blauen Brunnen (Fontainebleau) oder im heiligen Nagel (St. Cloud) ihr Landhaus ein, so daß eigentlich nur die Bärme des Volkes und die Fremden in Paris sind. Hielte mich nicht die Pflicht, die mich zwingt, hier an der Seine umherzubabeln, so wäre ich natürlich gleichfalls lieber in Chamounix bei Linda, in Lammermoor bei Lucia, oder selbst in Portici bei der Stummen.

Am vorigen Sonntag hatte sich das Wetter abgekühlt und das Nationalfest verlief gegen Erwarten (attendre) 52 glänzend. Nirgends ein Massacre, nirgends ein Erschießen von Geißeln, nirgends ein Niederbrennen auch nur der kleinsten Ziegelei (Tuileries). Ueberall sah man das R. F.. (Ruhe! Frieden!) Das prachtvoll in Marmor gegossene Standbild der Republik stellt eine weibliche Figur dar, die mit der Rechten, welche die Fahne, das Schwert, die Waage, die Verfassung und die Embleme der Kunst und Industrie hält, nach Osten zeigt und die phrygische Mütze schwingt.

Gestern ist Se. Durchlaucht der Schah abgereist. Einige Stunden vorher sah ich ihn noch in der Ausstellung vor einem Stück Seife (Savon) stehen. »Was kostet dieser Briefbeschwerer?« fragte er und kaufte das Stück.

Der leidigen Gewohnheit meiner Collegen, unter dem Titel »Die Pariser Weltausstellung« über diese zu schreiben, folge ich nicht. Denn ich will nicht wie diese den geehrten Lesern die Ueberraschung rauben, falls sie hierherkommen. Wenn man Susanna vorher verrathen hätte, wie die zudringlichen Männer aussahen, konnten diese Männer sie dann im Bade überraschen? Gewiß nicht!


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