Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 2
Julius Stettenheim

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130 IV.

Herrn Wippchen in Bernau.

Wir waren nicht wenig erfreut, als Sie uns Ende vorigen Monats telegraphirten, wir sollten Ihnen einen Raum von drei Spalten im Mittwochsblatte offen halten, am Dienstag würde uns eine Völkerschlacht aus Ihrer Feder zugehen, mit welcher Sie, wie Sie sich ausdrückten, dem Kaffernkrieg den Lebensfaden ausblasen wollten. Ahnungslos erfüllten wir Ihren Wunsch; da traf am Dienstag eine Postkarte von Ihnen ein, welche Nichts als die Worte: April! April! enthielt. Sie hatten uns angeführt, der Dienstag war der erste April.

Wir erlauben uns, Sie auf das Ungeziemende dieses wohl mehr in die Knabenschule, als in ein Redaktionsbureau passenden Scherzes aufmerksam zu machen, und uns derlei für die Zukunft ernstlich zu verbitten. Sie haben uns im 131 unverantwortlichsten Leichtsinn in die peinlichste Verlegenheit versetzt, und die Mitglieder der Redaktion haben Ihre Handlungsweise mit Worten bezeichnet, welche wir nicht zu wiederholen wagen.

Ergebenst

Die Redaktion.

* * *

Bernau, den 3. April 1879.

Das konnte ich nicht erwarten! Ich glaubte, Sie würden, anstatt sich am ersten April als die Geschickten zu betrachten, vielmehr meine Postkarte als den Ausdruck der Frühlingsseligkeit hinnehmen, die ich eben zu empfinden mir erlaubte. Ich war so glücklich! Der Winter hatte lange gelebt, nun biß er endlich in's Gras. Eine laue Windsbraut erhob sich, und der Schnee verschwand von der tabula rasa. Die Vöglein im Walde schlugen aus und legten den Grundstein zu neuen Nestern. Jupiter hatte seinen strömenden Pluvius eingestellt, die Heerden zogen wieder unter dem Geläute der Schneeglöckchen auf die Weide, die Fliegen rieben sich den Winterschlaf aus den Beinen, und auf dem nahen Weiher zog der Schwan seine circulos meos. O köstliche Zeit! Ich hing die dumpfe Stube an den Nagel, eilte hinaus, wo die Gegend zu Hause ist, und träumte mich zurück in die Tage, wo ich, ein Kind, noch nicht die Grazien 132 zählen konnte. Ich wurde – verzeihen Sie das harte Wort! – weich, und in dieser poetischen Stimmung meinte ich, wie ein Kind einen Aprilscherz machen zu müssen.

Nun wissen Sie Alles, und nun falle ich hoffentlich wieder bei Ihnen in Gnade. Wir sind Journalisten unter uns, und ein clericus hackt dem andern keine Krähe aus. Es ist ja doch in jedem Frühling nur einmal Lenz, das sollten Sie bedenken und mir nicht gram sein, wenn in einem poetisch bewegten Moment mein Herz rascher als gewöhnlich über die Stränge schlägt. Ich fühle ohnedies, daß ich für derlei schon zu alt bin. Ach, ich habe meine Kinderschuhe mit Siebenmeilenstiefeln vertreten, meine Haare werden kahl, und einige Falten haben die Stirn, sich auf dieser zu zeigen. Die Jugend ist dahin und der Uebermuth, und ich verspreche Ihnen, Sie niemals wieder in irgend einen Monat zu schicken. Selten im Leben habe ich wie heute die Wahrheit des Satzes eingesehen: Wer hoch steigt, fällt selbst hinein.

Nun aber, da ich, wenn auch nicht klein, so doch auch nicht groß beigegeben habe, sei die Streitaxt zwischen uns verewigt. Ich sende Ihnen heute die besprochene Völkerschlacht, mit welcher ich den Zulukrieg vorläufig derart abschließe, daß beide Armeen wenigstens ein Jahr brauchen, um sich wieder zu sammeln. Die Idee ist fertig aus meinem Haupte hervorgegangen wie Minerva, welche der Storch einst aus dem Kopfe des Zeus geharnischt holte, und darum möchte ich sie nicht fallen lassen. Es kann auch den Lesern 133 nicht passen, daß die Waffenruhe so lange dauert. Auf die Engländer läßt sich das Wort Franz I. anwenden: Tout est perdu, hors le genre ennuyeux. Da liegen sie und vertrödeln die Horen, und ein Helios folgt dem andern, und es geschieht Nichts. Das kann nicht länger so fortgehen.

Wo waren wir doch schon stehen geblieben? Richtig, ich brauche Geld. Sie werden nicht bestreiten, daß ich große Ausgaben zu bestreiten habe. Der Sommer heischt allerlei neue Bekleidungsgegenstände, so z. B. möchte ich einen Pfandschein, den ich den ganzen Winter getragen habe, erneuern lassen, auch brauche ich eine andere Venus von Milos, da ich mich an der, welche ich besitze, satt gesehen habe. Ich bitte Sie also um einen Vorschuß. Wir schreiben heute den 3., schicken Sie mir also so viele Sovereigns (à 20,44), als das Datum ist, an welchem Sie sie abschicken. Aber schicken Sie nicht vor dem 5. ab. Ich bin darin abergläubisch.

* * *

Durbar, den 15. März 1879.

W. Ich muß mich lapidar fassen. Es hat ein entscheidender Zusammenstoß stattgefunden. Cetewayos Friedensanerbietungen waren eine Kriegslist, sie sollten die Engländer einlullen. Aber sie erreichten nur das Gegentheil, sie lullten die Engländer aus, und die Zulus fielen selbst in die Schlinge, die sie andern gegraben hatten.

134 Kaum graute es heute 4 Uhr, als die Zulus über die Engländer herfielen und ein furchtbares Feuer – sie schossen wie die Pilze aus ihren Kanonen – eröffneten. Aber in ihrem Eifer hatten sie nicht bemerkt, daß die Engländer, den Angriff erwartend, mehrere Regimenter hinter ihnen aufgestellt hatten, die sich ihnen nun auf die Hacken setzten, Alles vom Erdboden rasirend, was einen Bart hatte. Eine ungeheure Verwirrung entstand, vergrößert noch durch den colossalen Elephantenpark, den die Zulus mitführten. Die Engländer gingen wie Männer drauf, welche sich sagten: Mit der Zeit pflückt man Hühnchen. Allerdings wehrten sich die Zulus ihrer schwarzen Haut wie die Löwen, aber es nützte nichts, und bald suchten und fanden sie das Weite. Cetewayo selbst rettete kaum das nackte Hasenpanier, indem er sich in den Buckel eines Kameels schwang und zwar mit dem Gesicht nach hinten, damit man nicht sage, er habe den Engländern den Rücken gekehrt. Ein stolzer Mann!

Während der ganzen Action war der Prinz Napoleon nicht erwacht. Wie beneidenswerth ist die Jugend! Während rings um ihn die Schlacht tobte, lag er im festen Morpheus.

Unter den Zulus sah ich viele BoersSollte ich mich hier irren, so streichen Sie diesen Satz gefälligst. Ich nehme nämlich an, daß die Boers mit den Zulus unter Einer Decke befreundet sind., mit denen nun wohl die Engländer gleichfalls abrechnen werden.


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