Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 2
Julius Stettenheim

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47 V.

Herrn Wippchen in Bernau.

Ihre Lieblingsidee, im Congreßsaal das Alphabet durch Hinzuziehung von 19 kleinen Staaten und Nationen zu vervollständigen, halten wir für keine glückliche, wenn Sie sie auch in Ihrem jüngsten Bericht mit großem Fleiß und vieler Geschicklichkeit ausgeführt haben. Die Lücke zwischen A (Autriche) und F (France) auszufüllen, gewähren Sie Belgique, Chine, Danemark und Espagne Zutritt, ferner schieben Sie zwischen G (Grande Bretagne) und I (Italie) Hanovre ein, placiren zwischen I und R (Russie), damit selbst das Jot nicht fehle, les Juifs, dann les Kamtchadales, Luxembourg, Macédonie, Norwège, Ostrogothie, Perse und Québec, setzen zwischen R und T (Turquie) Suisse und vollenden dann mit Ukraine, Vandales, Wallons, Xalisco, Yocatan und Zanzibar das ABC, 48 indem Sie mit stolzer Freude ausrufen: »Das ist eine Alphabêtise, auf die ich mir etwas einbilde!«

Thun Sie dies nicht und verzeihen Sie, wenn wir diesen Ihren Bericht nicht zum Abdruck bringen. Es geht nicht. Das Publikum ist zwar nicht im Stande, durch den den Congreß umgebenden Schleier die Wahrheit irgend einer Nachricht aus dem Berathungssaal zu prüfen, aber man darf es eben darum nicht auf zu harte Proben stellen.

Daß Sie Ihren Bericht mit einer ziemlich eingehenden Beschreibung des Congreß-Bildes schließen, welches der Berliner Magistrat von Herrn von Werner malen läßt, ist dankenswerth, aber etwas verfrüht: der genannte Künstler skizzirt erst jetzt die Portraits der Bevollmächtigten. Sie wollen aber schon das Bild gesehen haben und loben die nackten Gestalten, denn Sie nehmen an, daß Werner die Staatsmänner in dieser Weise zu idealisiren gedenkt. Das Beste ist jedenfalls, daß Sie warten, bis wenigstens die Skizze vollendet sein wird.

Von Ihrem freundlichen Anerbieten, auch über die bei der Wiedererrichtung des jüdischen 49 Reichs stattfindenden Feierlichkeiten berichten zu wollen, können wir natürlich keinen Gebrauch machen.

Ergebenst

Die Redaktion.

* * *

Bernau, den 4. Juli 1878.

Soll ich meiner Leber freien Lauf lassen, oder auch heute wieder bonne mine à mauvais sujet machen? Ich wähle von zwei Heubündeln das kleinste, ich will offen sein. Meine Geduld ist zu Ende. Keiner meiner Schuhe ist sicher, von Ihnen geriegelt zu werden, und wo Sie mir einen Schaber nacken können, da thun Sie es sicher. Kaum erfreue ich mich noch eines Haares, welches Sie mir nicht gespalten hätten, kaum kann ich noch ein Wort schreiben, ohne daß Sie es klauben. Das kann selbst der pachidermste Dickhäuter auf die Dauer nicht aushalten. Ich bin ein harmloser Mensch, ich habe es fingerdünn hinter den Ohren, nichtsdestomehr will ich aber auch, daß man meine Kräfte nicht mißbraucht und mit meinen Arbeiten nicht umgeht, als sei ich – verzeihen Sie das harte Wort! – ein Heinzelmännchen.

Das Manuscript, welches ich Ihnen geschickt und nun so recht tauben Ohren geschrieben habe, war einer meiner besten Berichte. Ich stellte einen ganz neuen Congreß auf! Der bisherige hatte nur sieben Nationen aufzuweisen, es 50 fehlten also an dem Alphabet, wenn ich dieses zu nur 26 Buchstaben rechne, 19. Ich füllte die Lücken aus, und jetzt erst war das Fait ein abgerundetes Accompli. Kaum sehen Sie dies, so stürzen Sie, wie eine gestochene Tarantel, von allen Seiten herbei und wünschen mich zum Apage. Dieser Oerindur ist mir ganz unerklärlich, und wüßte ich nicht, daß Sie nur eine rauhe Außenschale sind, während Ihr Pudel ein guter ist, so würde ich mir einfach den Stuhl an die Luft setzen. Und was dann? Sie würden doch nur die mea culpa in Ihre eigenen Schuhe schieben können, während ich Ihnen einen unversöhnlichen George Dandin zurufe.

Für heute haben Sie mir einen Tropfen in den Wermuth des Congresses gethan, über den ich daher auch nicht zu berichten vermag. Nehmen Sie dafür einen Bericht aus der Pariser Ausstellung. »Mein Paris lobe ich mir, es ist ein großes Leipzig«. Ueber den nöthigen Vorschuß keine Silbe. Senden Sie mir einen solchen von 40 Mark zum Course von 16,24.


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