Carl Spitteler
Balladen
Carl Spitteler

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Der Neubau.

         

Mit dem Willen hob ich einst ein Werk.
Einsam durch die leere Vorstadt streifend
Schuf ich Bilder, die ich bange maß,
Ob sie fügten, ob sie mir genügten.
Draußen, wo die Ulmen von den Schanzen
Steigen, wölbten sie ein Fundament.
Hier, von trotzigem Willenszorn geschüttelt,
Schwur ich diese Wette: Eh vom Giebel
Prunkt der Fichtenbaum und prahlt der Wimpel,
Will ich meines Werkes Schluß und Endstrich
Stolzen Mutes ziehn mit festem Handschwung.

Täglich kehrt' ich alsdann wieder, meine
Willenskraft zu wetzen an dem Neubau.
Siehe, Tag für Tag in sicherm Fortschritt
Wuchsen in die Luft die schlanken Mauern.
War kein Hammer, der ins Leere schlug,
War kein Nagel, der nicht nietete.
Müh' und Not und Schweiß, sie nannten's Arbeit.
Längst schon atmete ein gastlich Wölklein
Durch den Schlot des Giebels. Blumen grüßten
Aus den Fenstern, Menschen lachten drinnen,
Während Nacht für Nacht mein schwach Gerüste
Kläglich scheiterte vor meinem Urteil.
Faul das Fundament und morsch die Balken,
Rost im Eisen und der Wurm im Herzen.

Aber wie ich neuerdings durch Zufall
Jenes Wegs an jenem Haus vorbeikam,
Schief die Front, die Wände grau und mürrisch,
Kalt und käuflich der verlassene Herd,
Hab' ich abermals den einen Neubau
Mit dem andern mögen sinnend messen,
Hab's gemocht und hab' es auch gedurft.


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