Carl Spitteler
Balladen
Carl Spitteler

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Cyrus' Ende.

               

Im engen Thal umgangen war Cyrus' stolzes Heer.
Und grause Lieder sangen der Scythen Pfeil und Speer.

Schon lag von seinen Streitern die Mehrzahl hingestreckt,
Kaum daß von Panzerreitern ein Rest den König deckt.

Da ritt vor den Perserhelden ein alter Offizier:
»In meinem Namen melden sich Edle vierzig und vier.

Betrachte unsre Wunden: sie sitzen sämtlich vorn,
Drum red' ich unumwunden und trotze deinem Zorn.

Wenn wir die Willkür hätten, kein Tod wär' uns zu scharf.
Allein es gilt zu retten Dich, des die Welt bedarf.

Der Sieg steht nicht mehr offen, verbraucht ist jede List.
Auf Flucht kannst Du nur hoffen, wenn Du unkenntlich bist.

Dein Antlitz ist gefürstet, es steht dem Haß im Licht;
Nach Deinem Blute dürstet der Feind, nach minderm nicht.

Sieh dies Gewölk von Pfeilen, das Deine Stirn umschwirrt;
Laß die Gefahr uns teilen, die Dir verderblich wird.

Entäußre Dich der Zeichen der königlichen Macht
Und scheine unsresgleichen an Haltung, Blick und Tracht.

Dem einen leih die Krone, dem andern das Diadem,
Den Purpur mir zum Lohne, den Gürtel außerdem.

Gib jedem von dem Glanze, der solcher Ehre wert.
Behalte nur Schild und Lanze und Dein erprobtes Schwert.

Dann auf mit Roß und Wagen aus dieser Todesschlucht;
Gott mög' uns alle schlagen, gelingt nur Dir die Flucht.«

Mit finstrer Miene hörte Cyrus den tapfern Mann.
Den Rat, der ihn empörte, nahm er gezwungen an.

Stieg nieder auf die Erde, entkrönt, des Schmuckes bar,
Und sprengt' auf schlechtem Pferde recht in der Feinde Schar.

Um ihn die Kameraden schlossen den Waffenkeil;
Sie kämpften Heldenthaten, erkämpften nicht sein Heil.

Wie mutig sie auch rangen, der Feinde waren zu viel,
Ein Dutzend ward gefangen, das andre Häuflein fiel.

*           *
*

Im Kreml der Tomyris der Scythenkönigin,
Erschien Orest der Feldherr: »Triumph Dir, Siegerin!

Im engen Paß erschlagen liegt Cyrus' prahlend Heer.
Ein winz'ger Rest gefangen und Feinde sind nicht mehr.«

»Gelobt sei Zeus der Rächer, der mir den Sieg erlaubt.
Allein,« begann sie drohend, »wo hast Du Cyrus' Haupt?«

»Er weilt,« versetzte jener, »in der Gefangnen Zahl.«
»So wartet er einstweilen auf mich am Marterpfahl?«

»Verzeih, o Herrin,« wagte der Feldherr schreckensbleich:
»Ein Dutzend Perserfürsten, an Tracht und Haltung gleich,

Verwechselten mit Cyrus die Waffen und das Kleid.
Für ihren Herrn zu sterben ist ihrer aller Neid.

Was hilft's, daß wir vermuten, der König ist dabei:
's ist keiner, der verriete, welcher der König sei.«

»Sie waren sämtlich sterblich, weswegen leben sie?«
Da fiel zu ihren Füßen Orestes auf die Knie.

»Wir Krieger, ob verwegen, ehren die Götter auch.
Gefangene zu morden, das ist nicht Mannesbrauch.

Zum blut'gen Handgemenge siehst Du uns stets vereint.
Doch ein beherzter Sieger schont den besiegten Feind.«

Da lächelte verstohlen Tomyris' ältster Sohn,
Der Scythen künft'ger König, und stellte sich vor den Thron:

»Dem Zorn, o Mutter, wehre, der Dein Gemüt erbost.
Den König zu entlarven, des fühl' ich mich getrost.«

Hierauf, mit Scythentücke, bereitet' er ein Mahl
Zu Ehren der gefangnen Kriegsobersten zumal.

Zwölf Jungfraun hold und minnig, zwölf Knaben zart und fein
Bekränzten ihre Häupter, kredenzten ihnen Wein.

Und als nun gegen Morgen, erhöht durch Speis und Trank,
Die Freude wuchs zum Jubel und jeder Argwohn sank,

Da stellte der schlaue Scythe mit hinterlist'gem Sinn
Einen gebundnen Perser vor seine Gäste hin:

»Zum Zeichen meiner Gnade,« rief er, »und meiner Huld,
Sollt Ihr die Strafe messen an dieses Frevlers Schuld.

Flink und gewandt im Schmeicheln, im Kampfe feig und faul,
Hat, meine Gunst zu stehlen, dies feile Lügenmaul

Des Cyrus Heldennamen, den selbst der Feind verehrt,
Mit eklem Wort geschändet. Was ist der Schurke wert?«

Da scholl mit wilder Stimme das grimmige Gebot
Aus Dutzend rauhen Kehlen: »Was zweifelst Du? den Tod.«

Ein einz'ger war, der ruhig und groß und herrlich blieb.
Der zuckte mit den Schultern und lächelte: »Vergib.«

Da neigte sich zur Erde der Scythe: »Majestät,
Den großen Helden preis' ich, Cyrus, der vor mir steht.

Ein Unterthan zu scheinen wird Königen nie gedeihn,
Stets kennt man unsereinen am gnädigen Verzeihn.

Die Rettung Deines Leibes steht leider nicht bei mir.
Du weißt, der Haß des Weibes beschämt das Tigertier.

Dich hat in Dein Verderben Dein Ehrgeiz hergeführt.
Doch sollst mit Pomp Du sterben, wie's Deinem Ruhm gebührt.«


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