Carl Spitteler
Balladen
Carl Spitteler

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September.

                 

Es riß entzwei der Nebel, durchbohrt vom Sonnenstrahl –
Sieh da: des Herbstes Herold, der mutige Admiral
Der Nebelmeereswogen, ankernd im Gartengrund,
That mit den roten Wimpeln die Tagesordnung kund:
»Die Wespen an den Honig, die Amseln ans Spalier!
Von Pfirsichen und Trauben ist süße Fülle hier.
Aber die Menschenkinder, die freien Herrn der Welt,
Zu Fuß, zu Roß, zu Wagen über Gebirg und Feld!«

Auf einer Laube stehend, vernahm ich diesen Gruß.
Den Berg hinauf zu klimmen träumte bereits mein Fuß.
Da – trau ich meinen Ohren? Hab' ich mich nicht geirrt?
Ein Rößlein hör' ich schnauben, ein neckisch Lachen girrt.
Ja, das ist ihre Stimme, den Kobold kenn' ich drin.
Willkommen und gefangen, verwegne Reiterin!
Gefangen und gebändigt mit Willensübermacht.
Ei, blicke nicht so finster aus Deiner Wimpern Nacht!
Wie hart Du mir auch drohest mit Deiner Augen Joch,
Meinst Du, ich spür's nicht deutlich? Weißt Du, Du liebst mich doch.
Hörst Du die Herden läuten? Merkst Du den Taubenflug?
Und um die goldnen Reben den Silberschleierzug?
Aus! laß uns jauchzen und jagen! Schnell sattelt mir mein Pferd!
Die Welt an diesem Tage ist Deiner Schönheit wert.
Dein Haupt zu krönen funkelt der blaue Edelstein,
Doch ich an Deiner Seite will schauen Dich allein.
Und wenn wir heimwärts kehren abends beim Sternenschein,
Mit Bildern reich beladen, die Glieder müd' und schwer,
Jubel und Sang im Herzen und Schweigen um uns her,
Zufrieden mit uns selber und mit einander rein,
Dann wird Dir's Lust gewesen und Glück geworden sein.


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