Heinrich Sohnrey
Hütte und Schloß
Heinrich Sohnrey

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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Feierabend.

Am Ausgange der breiten Hilgenholztrift standen Arm in Arm Fritz Bonder und sein junges Weib; sie harrten des Vaters und blickten mit einem wehmütigen Sinnen um sich. Die Haselnüsse, von denen der Rand des Hilgenholzes so voll hing, fingen schon an, sich bräunlich zu färben; rote Vogelbeeren guckten hier und dort aus den Bäumen. Der letzte Kleegang auf der Breite, die sich am Walde hinzog, stand in voller Blüte; auch die drei hohen Disteln, die auf einmal da waren, als hätten sie sich dem stillen Menschenpaare ganz unbemerkt hinzugesellt, hatten blühende Köpfe, denn für solche Damen ist's immer noch Zeit.

Die Sonne ging zur Rüste, und der dunkle Streifen, der sich an den Wald und über den Klee hinlegte, wurde breiter und breiter. Da 414 und dort knarrte ein schweres Fuhrwerk zu Tale. Unten im Felde ging noch ein Pflug, und die aufgeworfenen Schollen hoben sich scharf von den weißen Haferstreifen ab, die links und rechts an den gepflügten Acker stießen. Weiter aufwärts, mitten auf dem Stoppelacker, formte sich eine runde Getreidefimme; hoch auf der Schicht und unten um sie herum zeigte sich trotz des mählich erlöschenden Lichtes noch ein emsiges Gewimmel.

Das alles sahen sie, als sähen sie es zum letzten Male. Leise stahl sich eine Träne in Christinchens Auge. Ach, sie waren ja noch einmal den Weg gekommen, um Abschied zu nehmen von Wald und Flur. Am nächsten Tage bereits sollte Fritz Bonder mit seinem Christinchen nach Ungarn übersiedeln. Wir wissen, daß der Graf auf seinem dortigen Besitztume ein treues deutsches Auge nötig brauchte.

»Christinchen!« rief der prächtige Jäger leise, ohne sonst noch etwas zu sagen. Und sie sah mit tränenvollen Augen zu ihm auf. Ihr Glück war in tiefe Wehmut getaucht.

Da scholl das Klingen hunderttöniger Kuhglocken die Trift herauf, denn das Waldweideverbot war längst wieder aufgehoben. Die Braunen und Blässen guckten das junge Paar erst stutzend an, brüllten dann freundlich wie zum Gruße und trabten vorüber. Ihnen nach 415 schlenderte der Hirt, ein hochbetagter Greis in langem, weißem Mantelrocke. Er zog den breitkrämpigen Hut herunter, grüßte und beglückwünschte das junge Paar und humpelte weiter. Eine Weile darnach schallte vielhundertstimmiges Blöken und Klingen aus der Trift her. Der Schäfer, welcher der lauten Herde voranging, schwenkte seinen »Schlickerhaken« und rief schon von weitem mit lauter Stimme seinen Gruß und Glückwunsch dem Paare zu.

Hirt und Herde waren vorüber. Der Schall verlor sich allmählich im Tale.

Da bebten die feierlichen Klänge der Abendglocke aus dem Tale heraus. Fritz und Christinchen erschauerten. »Das ist der Gruß und Glückwunsch unseres seligen Herrn Kantors!« flüsterte das junge Weib und faltete unwillkürlich die Hände.

Da kamen die Waldarbeiter unter den still wie im Traume dastehenden Bäumen her. Als sie das stille Paar erblickten, jauchzten sie, schwenkten die Mützen und riefen: »Glück auf, Glück auf in der Fremde!«

Vater Lindemann gesellte sich zu den Kindern. Sie reichten sich die Hände. »Nach Hause, Kinder, noch einmal nach Hause!« rief der Alte mit etwas gebrochener Stimme. »Die Unsern werden gewiß schon sehnsüchtig ausblicken nach euch.« 416

In einer Reihe gingen die drei zwischen den Arbeitern talab. Noch klang die Abendglocke, und die Jungen unter den Arbeitern sangen:

»Seht, wie die Sonne dort sinket
Hinter dem nächtlichen Wald!
Glöckchen schon Ruhe uns winket;
Hört nur, wie lieblich es schallt!
Trauliches Glöcklein, du läutest so schön!
Läute, mein Glöcklein, nur zu, –
Läute zur süßen Ruh'.

Hört ihr das Blöken der Lämmer?
Kühlende Lüfte schon wehn!
Sehet, es fängt an zu dämmern;
Lasset zur Hütte uns gehn!
Trauliches Glöcklein, du läutest so schön!
Läute, mein Glöcklein, nur zu, –
Läute zur süßen Ruh'.

Dörfchen, o sei uns willkommen!
Heut ist die Arbeit vollbracht;
Bald, von Sternen umschwommen,
Nahet die feiernde Nacht.
Trauliches Glöcklein, du läutest so schön!
Läute, mein Glöcklein, nur zu, –
Läute zur süßen Ruh'.«


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