August Silberstein
Herkules Schwach. Dritter Band
August Silberstein

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Vierundsiebzigstes Capitel.

welches wir durchaus zu lesen rathen, da es wieder in die Akademie führt, mit allerlei Menschen der Welt und der Akademie bekannt macht –und da namentlich ein Herr auftritt, der dem Leser sehr fremd und doch sehr bekannt ist, und zugleich solche Erklärungen und Aufschlüsse über die ganze Geschichte gibt – daß dies Capitel die Sahne und das Butterzeug unserer ganzen Milch ist.

Die Akademie ist versammelt.

Wenn der Leser einen außerordentlichen Wissenskitzel besitzt und durchaus wissen will, wo, in welcher Stadt, sich die Akademie befindet, und ob jene literarisch-artistisch-eßthätige Gesellschaft sich wirklich »Akademie« benamse, so darf er, zur genauen Beantwortung dieser beiden Fragen, nur zweierlei Dinge thun.

Erstens: das Namensverzeichniß, mit dem dies Buch beginnt, durchsehen; und im Falle dies ihm nicht genügt, noch ein geografisch-statistisches Lexikon sämmtlicher deutscher Bundesstaten zur Hand nehmen, worauf er die Beruhigung fassen kann, bei Durchsicht aller Blätter, auf einem derselben, auch genau und deutlich den Namen des Ortes zu finden.

Zweitens: darf er in jener Stadt, welche er aufgefunden, sich nur um die ganze Quantität von »Kränzchen«, »Konkordien,« »Vereinen,« »Klubbs,« »Harmonien,« »Auroraen«, »Gesellschaften,« »Ressourçen,« Museen &c. bekümmern; und daß unsere »Akademie«, wenn auch unter andrem Namen, darunter sei, darüber kann nicht der geringste Zweifel obwalten. 266

Also die »Akademie« ist versammelt.

Kommt, gehen wir in die Akademie, wir sind so glücklich, ohne Karten, Aufnahme und besondere Vorstellungen eingelassen zu werden – wir haben heute wichtige, nothwendige Verhandlungen zu vernehmen, denn der ganze – »Herkules Schwach«, sammt seinem Autor, seinen Schwächen und Stärken, seinen Größen und Kleinheiten, seiner Länge und Breite, seiner Höhe, Fläche und Tiefe, seinem Geiste und seinen heimlichen Leberflecken, sind auf dem Tapete, und wir wollen uns, zum bessern Verfolgen der Begebenheiten, still und heimlich dahin verfügen.

Wir sind sogar schon in der Akademie!

Das geht rasch – nicht wahr? Noch rascher als Dampf, Elektrizität; es geht aber doch mit natürlichen Dingen zu und ist keine Zauberei – das kann aufrichtigst versichert werden.

Wir sehen beinahe ganz neue Gesichter? Das thut nichts! Wenn auch der frühere Präsident fehlt, wenn manches Genie, im Drange des Lebens, aus dieser liebenswürdigen Versammlung hinausgedrängt wurde; so ist ja doch Ersatz vorhanden; und einer solchen Zusammenkunft fehlen nie die Individualitäten, welche »Stein und Bein« schwören, hier sei ein großer Mittelpunkt für Kunst, Wissenschaft, Geselligkeit und Fortschritt, ja Individualitäten, welche sich eher tätowiren ließen, als die Meinung aufgeben: die Gesellschaft ziehe die Lichter für die Nacht der Gegenwart und Zukunft, und sei so der wahre Intellektual-Seifensieder des Jahrhunderts! – Ja, daß die gediegene Kritik, die wahre Meinung der Gegenwartsepoche nur im Keime und Schoße dieser Gesellschaft ruhe, das ist jedem Akademiker so klar, 267 wie dem Gärtner sein Mistbeet und die Samensorten, die er in dasselbe gelegt!

Wir genießen nun die Ehre, nebst Eingeborenen der Stadt, Persönlichkeiten aus allen Theilen Deutschlands vor uns zu sehen. Denn das Genie ist nicht an die Scholle gebunden, von allen Seiten fliegt es dem großen Zentral-Sammelpunkte zu, wie die Eisenfeilspäne dem Magnete, oder wie die Fliegen der Leimruthe.

Der Sachse Hähnichen, ein Buchhändler und Musikalienverschleißer, nimmt das Wort in einer eßthätigen Gruppe und sagt zu seinem Nachbar: »Mein lieber Brandenburch, haben Sie die sämmtlichen Theile des neiest erschienenen Roman's »Hergules Schwach« geläsen?«

»Hm, ja, allerdings!« sagt der Preuße Brandenburg, irgend eine Stelle in der Stadt inne habend, welche keinen Mann verhungern läßt; denn zum Beweise dafür schiebt er eben ein großes Stück Kalbsbraten in die Kehrseite der wohlgerundeten Backen. »Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich meine, was dähnken Sie darieber? In welcher Stadt gäht eikentlich die Handlung vor?«

»Wo? In Preußen jeht das Janze vor, in Berlün, denn wo, mein Theuerster, kann so Jroßartiges bestehen, ja kann ein Poll Hinze existiren als in Preußen?

»Entschuldigen Sie,« sagt der Baier Malzmaier, der eben von einem großen Zuge aus dem Bierglase absetzt, »die Geschichte spielt in München, dos hob ich gleich gemerkt. Denn der Agent Schnepselmann rechnet in Gulden und Thaler; wäre er in Preußen, würde er die Gulden nicht hinzusetzen; weil er aber die Gulden nicht vergißt, so ist der ganze Vorgang in München; denn das werden Sie 268 doch gewiß zugeben, München ist jetzt die Stadt, auf die olle Augen sehen!«

»Mein Veröhrtester, was das betrifft,« sagt Brandenburg rasch mit Gravität und indem er sich in die Brust wirft, »lassen Sie es jut sind; – über Berlün jeht eunmal nichts!«

»Ich tächte wieder,« sagte Hähnichen, »das Kanze kann nur in Leihpzig geschähen sein; denn Leihpzig hat eine Unifersidäd und besonders viele Fremde. Poll ist also ursprünglich nur ein Meßfremder.«

»Na!« sagt der Baier. »Kommen denn nach München keine Fremde? Nach München, wohin Olles strömt! Uebrigens sprechen die Leute jo gor keinen Dialekt, und bei uns wird das schenste Deitsch gesprochen!«

»Das ist ja eben ein Beweis für Berlün! Denn das werden Sie man zujeben,« sagt Brandenburg wieder mit Bewußtsein und sogar stolz auf seinen Berliner Anklang, »über das Hochdeutsche in Preußen und Berlün jeht nichts!«

»Ich dächte wieder,« sagt Hähnichen, schlau und siegesbewußt lächelnd, »das Reindeutsch is' wieder ein Beweis für Sachsen. In Drähsden kann die Handlung nicht spielen, denn dort is' geine Unifersidäd . . . doch . . .«

»Wenn es auf das ankommt, meine Herren,« wirft ein unparteiischer Städter ein, indem er sich bestrebt, das möglichst reine Deutsch zu sprechen – und wir ihn auch durchaus nicht lokalisiren wollen – »wenn es auf das ankommt, dann kann die Handlung in jeder halbwegs großen Stadt oder kleinen Universitätsstadt in Deutschland vorgehen. Denn ein Spital befindet sich in jeder, Kaufleute, Rentiers, Erben, Agenten, Buchhalter gibt es überall; und wo ein großes Spital ist, wird pflichtmäßig auch anatomisirt; und ob der 269 Mediziner Bolte sich in der Stadt auf Ferien befunden, ob er nicht gerade mit Aster und den Andern zusammen gekommen, während er seine Studien fortsetzte, worauf er wieder auf die Universität reiste, das . . .«

»Ich bitte   .   .   .   .   .   .   .   .«
»Entschuldigen Sie   .   .   .«
»Sie irren sich   .   .   .   .   .«

werfen alle drei streitenden einigen Deutschen ein und wollen jeder für ihre »engere« Heimat das Wort nehmen.

Da erhebt sich Literat Beißer, ein gelber, schmächtiger, dünnwangiger Mann, mit großen Vatermördern, genial geknüpftem Halsbande und Schopfe von Bedeutung. Sehr zuversichtlich, fast gebieterisch nimmt er das Wort, als sei er sicher, das Orakel der Stadt habe keinen andern Namen als Beißer, und Beißer sei die gelungenste Verkörperung der maßgebenden Ideen des Jahrhunderts! –

»Meine Herren, ich höre Sie so eben streiten, über das Buch »Herkules Schwach.« Ich weiß gar nicht, wie Sie über eine solche Kleckserei das Wort nehmen können. Unter allem Schund, den die ganze Literatur der Jetztzeit zu Stande bringt, ist kein so talentloses, nichtiges Produkt aufgetaucht, als besagtes Buch. Der Verfasser ist ein Jesuite, erstens. Denn daß er keinen Ortsnamen angeben will, ist eine elende Spekulation auf das Interesse aller Städte. Dies zeigt schon keine Entschiedenheit, kein Wagen mit seiner rechten Meinung hervorzugehen und sich überhaupt an eine Orts- und Sittenschilderung zu halten, welche auch dem Verfasser nie gelungen wäre. – Es ist nicht der Mühe werth, daß Sie über den Ort streiten! – Humoristisch soll dies Werk sein? – Das ist wahrhaft zum Lachen und zum Weinen! – Die Menschen sind karrikirteste 270 Karrikaturen! Wo finden Sie solche Vorgänge, wie er sie malt? – Wo finden Sie einzelne Leute solcher Art, wie er sie schildert? – Der Kaufmann Rübe wird so dumm sein und wegen eines Frauengeschöpfes, oder wegen Konkurrenz, den Kopf verlieren! Ein Buchhalter wird Dinge wissen, die Krimpler weiß, und lange so, mir nichts dir nichts, fortleben! Ein Agent, wie Schnepselmann, soll kein abgefeimter Schurke sein und nicht Alles aus Gelddieberei in verkappter Form unternehmen, oder wenn er kein Schurke, so doch ein Tollhäusler sein, denn nur ein Tollhäusler kann solche Unternehmungen vorhaben, solche Rechnungen machen, wie Schnepselmann! – ›Literat‹ Aster ferner – Sie werden mir erlauben zu sagen, daß ich von ›Literaten‹ etwas weiß – Literat Aster ist ein Zerrbild, ein Dummkopf mit hohlen Frasen, ein Mensch, der im Grunde nicht einmal die Lokalnotizen der Stadt schreiben könnte, die Lokalnotizen, über die so manches günstige Urtheil laut wurde!«

Beißer sieht sehr lebhaft um sich, man will ihn als den Verfasser besagter Lokalnotizen kennen.

»Poll,« fährt er nach der wirkungsvollen Pause fort, »ist eine Monströsität! Wo finden Sie einen Menschen gleich ihm, der sich so dumm und so klug geberdet, und doch nur ein herumziehender, gemeiner Kerl war? Bald spricht er klug, bald dumm, und im Grunde ist er der langweiligste Geselle, den es nur geben kann! – Schwach aber, meine Herren, der Titelträger und Mittelpunkt des Ganzen, welcher mit allen Ständen, der Kaufmannschaft, der Geistlichkeit, den Beamten, dem Militär, den Advokaten, Weibern, Künstlern, Geistern in Berührung und immer in Konflikte kommt, Schwach ist eine ganz bedeutungslose Mißgeburt literarischer Fantasterei! – 271 Welcher Mensch wird sich leiten lassen wie Schwach? Ich frage Sie z. B. meine Herren – wer möchte das von Ihnen?« – –

Nach diesem großartigen Beweise sieht Beißer triumfirend um sich und steckt eine Hand würdevoll in die Westenbrust.

»Wo ist ein Advokat so schlecht wie Ziesewitz?« ruft ein Advokat mit Augengläsern sofort vom oberen Ende des Tisches.

»Und die streitenden Doktoren der Medizin sind eine solche große Unwahrheit, wie sich nur eine erfinden läßt; denn solche Doktoren kann es gar nicht geben!« ruft ein Sekundararzt des Spitales mit großer Sicherheit.

»Zunder-Element! ich habe doch dreißig Jahre in Garnison gelegen«– ruft ein Pensionirter, »aber die Off . . .«

»Meine Herren!« nimmt mit sehr heiserer Stimme ein Beamter das Wort, »der ganze Roman ist null und nichtig von aller Anfang her. Wie kann die Erbschaftsgeschichte Schwach's vor sich gehen, ohne Beisein von landesfürstlichen Beamten? – Und von landesfürstlichen Beamten ist an der Stelle kein Wort erwähnt! Landesfürstliche Beamte hat aber trotzdem der Verfasser, in seiner Weise an anderer Stelle, nicht vergessen! – Wie kann Schwach die Papiere in die Hände bekommen, ohne daß er die Stempel- und Erbschafts-Gebühren erlegt und die vorgeschriebenen Taxformen erfüllt? – Von all Dem ist aber im Buche gar nicht die Rede! Das bürgerliche Gesetzbuch verordnet in dieser Beziehung, Paragraf . . . .«

»Nebst all Diesem, meine Herren,« unterbricht Beißer stentorisch, »sage ich Ihnen, ist der Verfasser ein Mensch, der unseren Verein satirisirt, gerade unsere Versammlung! 272 Ja ich bin überzeugt, daß er einmal bei uns hier gewesen, wenn auch unbekannt und unter anderem Namen. Vielleicht ist auch sein Name nur ein pseudonimer; denn keine andere Gesellschaft meint er mit der »Akademie«, als die unsere! – Wir sind in literarischer, artistischer, wissenschaftlicher und ästhetischer Rücksicht hier versammelt. Musikalische Produktionen haben hier stattgefunden. Ueber Mechanik und Erfindungen war von manchem unserer geehrten Mitglieder die Rede. Und vielleicht könnten wir ein geehrtes Mitglied bezeichnen, welches unter der Satire eines Mechanikers Bretzel gemeint sei! Musiker, Maler, Humanisten und soziale Denker haben wir unter uns – die Satire auf unsern Verein läßt sich nicht absprechen. Ich kann demnach das Ganze von Zukunft, Genie, Gegenübertreten der wirklichen besoldeten Professoren-Akademie, was in dem betreffenden Kapitel gesagt ist, nur eine Gemeinheit, auf unseren Verein gemünzt, nennen! – Und dann, welche Niedrigkeit in der Schilderung unserer Gesänge, wenn wirklich hier Lieder gesungen wurden! – Wer jemals hier den Vorsitz geführt, that nicht, wie der Verfasser lächerlich schildert, und hat sich sicherlich noch später selbst über uns erlustigt. – Die Personen des Buches haben keine rechten Charaktere, ich sehe gar nicht den moralischen Zweck derselben, ich weiß gar nicht warum das Buch überhaupt existiren will! – Also, meine Herren, der Verfasser ist ein Jesuite, ein talentloser Mensch, und zudem ein gemeiner Verläumder und Herabwürdiger unserer Versammlung. Streiten Sie daher nicht, meine Herren, jedes fernere Wort verlohnt der Mühe nicht! –«

Somit streicht Literat Beißer seine Vatermörder, setzt sich auf seinen Stuhl, kreuzt erhaben die Arme über seine 273 Brust, und sieht mit großartigem Bewußtsein in die Gesichter um sich.

Da erhebt sich plötzlich ein fremder Herr, der bisher stillschweigend und unbeachtet gesessen und als durchreisender Gast die Versammlung besucht.

»Doktor Ich bittet um das Wort!«

Doktor Ich, eigentlich im Geheimen Leib-Haus-Hof- und Nieren-Rezensent des Verfassers, nimmt das Wort.

»O, Ach und Weh!« ruft Doktor Ich aus. »O, Ach und Weh über die Kleinstädterei und Kleinkrämerei an allen Ecken und Enden! Schreibet keine Satire, schreibet keine Romane, malet keine Lächerlichkeiten und betrübende Auswüchse; jeder Gewürzkrämer, jeder Beamte, jeder Doktor, Jedermann, jeder Vetter und jede Muhme, die selbst nur einen weitläufigen Verwandten berührten Standes haben, werden Stein und Bein behaupten, die Personen und Stände seien durchaus nicht so, der Verfasser sei ein Ungeheuer, eine Mißgeburt und müsse erst verbrannt und dann vor Gericht gezogen werden! –

O, Ach und Weh ferner über die Kleinstädterei der Großstädterei, die jede vor der andern und hinter der Reihe der Tadelswerthen sein möchte! Nennt man in unserem lieben Vaterlande eine Stadt, so ist vom Thorschreiber bis zum Thurmwächter, vom Bürgermeister bis zum Ausrufer, die ewige, unlösliche Vehme und Erbfehde erklärt; nennt man jedoch keine, so ist man ein Zweideutling und Traumichnicht; – was soll der arme deutsche Schriftsteller thun? –

Ehe ein deutscher Schriftsteller zu schreiben beginnt, treten ihm, gerade als ob er den märchenhaften Schatz im Walde heben wollte, tausend Gespensterchen, Gnomen und 274 Kobolde, neckend hetzend, stichelnd, prickelnd und hemmend in den Weg.

Da sind vor Allem die dritthalb Duzend Bundesstaten, die jeder einzeln einen Mittelpunkt haben und nächst diesem Mittelpunkt noch mehrere Mittelpunkte, die in ihrem Bewußtsein den eigentlichen Mittelpunkt ausstechen!

Will man den wahren Mittelpunkt Deutschlands kennen lernen, den wahren Fokus deutscher Bestrebungen, deutscher Gesinnung, deutscher Gefühle und deutschen Zeitgeistes, den wahren deutschen Stamm vor sich haben – so darf man nur in den erst besten Ort gehen, und man ist mitten darinnen! –

Wenn in der Sage vom Kaiser und Hirt, auf die Frage vom Mittelpunkte der Welt, der Hirt gerade auf die Stelle zeigt, wo er sich befindet; so darf man, auf die Frage um den Mittelpunkt Deutschlands, eben nur ein Loch in die Sohlen seiner Stiefel machen und in Deutschland herumwandern – und man ist sicher, immer auf dem Mittelpunkte desselben zu stehen! – Das Loch ist die Spindelkapsel, durch welche die Achsenspitze des deutschen Mittelpunktes genau und sicherlich durchgeht!

Nun, meine Herren, greifen Sie gefälligst in ein Wespennest, wenn Sie Lust haben, und schildern Sie Eine Stadt! – Machen Sie sich zum Lolalkomiker oder zum Lokaltragiker der Einen! – Wollen Sie, daß alle andern Ihnen den Rücken kehren und die Eine Ihnen wol ins Gesicht sehe, nur aber um dasselbe an recht geeigneter Stelle zu zerkratzen – wie ein mißgelaunter Kater; wenn Sie unabweisbar Laune und Drang dazu haben, nun dann versuchen Sie's gefälligst! – Zudem: was da Geltung hat, ist dort unbekannt; was da als funkelnagelneu im 275 Schaukasten auftaucht, ist dort als uralt von der Rumpelkammer überwunden; was dort schon die Sperlinge auf den Dächern pfeifen, ist hier noch Geheimniß der sieben magern Weisen-Kühe; was dort gewitterhaft die Luft reinigt und erschüttert, macht hier blos die Milch sauer – einige Sauertöpfe! – O, Ach und Weh wirklich für den Verfasser, wenn er einmal das Unglück hat, einen Lokal- und Spezial-Gedanken vorzunehmen; denn da ist nicht mehr die Rede vom Verfassen, sondern – vom Vergreifen! –

Meine Herren, der Verfasser ist gar ein schlauer Vokativus und Pfiffikus, indem er ein Verzeichniß von Städten – nebstbei auch Nicht-Städten – zu Anfang seines Buches hinsetzt, und in Bezug der fehlenden auf die Lexika weist! – Sie kennen das berühmte Instrument, welches entsteht, wenn man mehrere Katzen in einen Kasten sperrt und orgelmäßig an den durch Löcher einzeln herausragenden Schwänzen zerrt. Gerade ein solcher Katzen-Schwanz-Loch-Kasten ist zu Anfang des Buches hingestellt, sämmtliche deutsche Ortsschwänze hängen heraus, und nun greift der Verfasser die empfindsamen Spitzen. »I-au! I-au!« – nach manchem Dialekt »ich auch, ich auch! – können Alle schreien! – Verstehen Sie nun, meine Hörer, den Zweck dieses verdienten Charivari? – Schreien Sie nur auch, meine werthen Hörer und Hörerinen, auch Ihre Katze steckt im Sacke, oder vielmehr im Kasten!

Der Franzmann hat sein Sodom und Eden: Paris. Der Englishman hat sein Gomorrha und Zion: London. Der französische oder englische Schriftsteller darf nur seine Dinte als Spiegelfläche hinstellen, und jeder Franzose oder Engländer wird sich und sein Heim erkennen. – Aber was soll der arme deutsche Schriftsteller thun? Wollte er 276 sämmtliche dreißig, – ich versichere, ich weiß im Augenblicke selbst nicht, wie viele es gerade sind – Bundesstaten abspiegeln, so müßte er einen mindestens dreißigfachen deutschen Romanenbund zusammenarbeiten; aus diesem dreißigfach façettirten Spiegel würde, wie bei allen façettirten, ganz Deutschland als eine ungeheure Fratze herausstarren, und das würde nur so viel Stoff zu dreißigfachen Mißvergnügungen, Entfremdungen und Kleinigkeitskrämereien geben, als in Frankfurt auf der Eschenheimer-Gasse durchaus nicht gebraucht werden, da ohnehin der Ueberfluß an diesen Artikeln dem Gebäude daselbst bis über das Dach und die Schornsteine reicht!

Kehren wir zurück zur Instrumentalmusik, so sagen wir: Paris ist eine große Orgel; alle langen, hohen und brummenden Baßpfeifen, alle dünnen, schmächtigen, zarten Flöten sind da beisammen. London hat nicht minder, und vielleicht noch mehr, die gewaltig brausende und zart singende Struktur; alle Töne auf- und abwärts, die ganzen Reihen finden sich vor, man darf nur darauf drücken – und es tönt! –

Aber wir? – –

Wir haben keine Stadt mit allen Registern.

Darum haben wir alle möglichen vereinzelten Pfeifereien – Trübsalblasereien und Schnurrpfeifereien – Lokaltragik, Lokalspässe – Lokal-Humöre!

Darum können die einzelnen Stämme bei dem Einen nicht traurig und bei dem Andern nicht lustig sein – so wenig wie bei dem Dudelsack, der die Wallachen beseligt, oder bei dem Gongong, das die Chineser durchgeistigt.

Darum haben wir in das deutschen Literatur Alles und noch Einiges mehr – aber Mangel an humoristischen Romanen. 277

Darum baut man bei uns Ideal-Städte ohne Grund und Boden, Allegorie-Reiche und Simbolik-Bezirke, Michelheime, Wolkenkuckukheime, Krähwinkel, Kuhschnappel, Flachsenfingen, Sonnen-, Mond-, und Sternen-Städte, und läßt darin das Sonderbarlichste, Fabuloseste vorgehen.

Darum entbietet man Don-Ouixote aus Spanien, Figaro aus Italien, Fallstaff aus England, selbst Konfutse aus China – andere nie gelebt Habende und doch ewig Lebende!

Darum laufen die Reinecke und die Frosch-Mäusler stets aufs Neue in die Parzellen der Gegenwart. –

Ja der Humor soll die Riesen-Orgel ersetzen – soll selbst eine sein! Der Humor als umfassende Orgel bedarf daher des steten Hauches und gleichen Druckes der Gestalten – sie dürfen daher weder auf Zeiten absetzen, noch ganz verschwinden, noch schwächer werden!

Der Wind bläst bei uns jedoch jeden Augenblick aus einem anderen Blasebalge und Loche, und das deutsche Volks-Leben, die deutsche Volks-Stimmung hat jeden Augenblick neue Balgtreter.

Der Humor, wie alle Töne, bedarf festen Schallboden – keinen wankenden; ohne stetige Grundlage keine Deutlichkeit, keine Wirkung.

Es gehört daher eine entsetzliche Schlauheit dazu, solche Orgelpfeifen, oder Menschen hinzustellen, die immer und unter allen Verhältnissen mit gleichem Lebensodem versehen werden und den Klangboden haben, der sie allgemein deutlich und wirksam macht.

Der Verfasser, Herkules-Schwach-Orgelbauer und Organist, sammelt aus dem ganzen deutschen Vaterlande das Einzelne zur Harmonie. Daß er eben Niemandem sagt, 278 woher Dieses und woher jener einzelne Ton stamme, das muß gerade Jeden herausfordern zu denken: stammt Dieses oder Jenes nicht aus meiner Heimat, ist diese oder jene Person nicht mein Orts-Genosse, und findet sich dieser oder jener Charakter nicht in meinen Nachbargassen?

Und wahrhaftig, die Einzelnen werden sich, annähernd oder ganz, überall finden, den Tipus, die Race hat er aufgestellt, die einzelnen Individuen gilt es nun einzureihen. – Das ist es, was der schlau zwinkernde Verfasser gewollt! – Menschen überhaupt – Menschen in großen und ganzen Zügen – und nicht Lokalmenschen, nicht Eintags-, Semester- oder Einjahrs-Geschöpfe, Menschen der Zeit und des Vaterlandes, wie sie sich in Beiden finden, mit Vorfällen, wie sie möglich sind oder geschehen. Und wir werden die einzelnen Individuen bei den Röcken fassen, um ihnen gehörig und unbeirrt ins Gesicht zu sehen.

O, Ach und Weh aber noch einmal über die Kleinlichkeitskrämerei bei jedem Buche und jeder Erzählung!

Der Franzose und Engländer glauben ihren Schriftstellern, sie wollen ihnen glauben, weil nicht nur der Glaube himmelsselig, sondern auch leseselig und schreibselig macht. Aber sämmtliche deutsche Kritiker – und es gibt nicht weniger als 40 Millionen, denn jedes deutsche Kind bringt heimlich eine kritische Brille mit auf die Welt und rezensirt sofort die Milch seiner Amme, so wie die Form seiner Windeln – sämmtliche deutsche Kritiker nehmen ihre Brillen heraus und fragen, als literarisch-artistische Gendarmerie – mit und ohne Kommandanten – sofort jede Romanperson: woher, wohin, weswegen, wodurch, womit, worauf, wonach, und wie die tausend Weh-Fragen heißen. – 279

Es wäre nöthig, man gäbe jeder deutschen Person, wie im wirklichen Leben, Geburts-, Reise-, Heimat-, Gewerbe-, Tauf-, Impf-, Schul- und Aufenthalts-Scheine mit, damit Jedermann ihrer zuverläßig sicher sei und über die Richtigkeit, so wie die Berechtigung ihrer Existenz, außer Zweifel sich befinde.

Es ist Schade, daß es bisher nicht Gebrauch gewesen, in deutschen Romanen, Datum, Stunde, Minute und Sekunde des Geschehnisses anzugeben und bürgermeisterliche Testimonia beizulegen. – Jedoch – was nicht ist, kann noch werden; denn dem Bedürfnisse eines großen Publikums entspricht es gewiß, und es könnte sogar endlich einmal buchhändlerisch wirklich einem lange gefühlten Bedürfnisse abgeholfen werden! – Leider ist es jetzt zu spät in dem in Frage stehenden Buche diese vortheilhaften Andeutungen zu machen und so den Ruhm der Erstlings-Idee zu ernten. Hätte aber der Verfasser früher daran gedacht, so würde er wahrscheinlichst, zur größeren realistischen Glaubwürdigkeit, für sämmtliche Deutsche: Stunde, Polizeiviertel, Haus-, Quartier- und Thür-Nummer nebst Steuerbogen angegeben haben! –

Wenn Sie die Paragrafe des bürgerlichen Gesetzbuches, die städtische Polizeiordnung, den Stempeltarif zur Hand nehmen; wenn Sie die Geschehnisse bei Nachbar Müller und Nachbar Schulze, oder unter Ihrer eigenen Schlafhaube, als Maßstab bei einem Romane anlegen, dann, meine Herren . . . . haben Müller und Schulze immer Recht! Real-Müller und Real-Schulze. Aber die Verfasser können die eigenen Schlafhauben für immer und ewig über die Ohren ziehen, ihre deutschen Romane zum Papiermüller tragen und jeden 280 Dorfschulzen um Verzeihung für ihre unterthänigst-vergebliche Existenz bitten.

Der Mahomedanismus verbietet Bilder zu malen, weil die gemalten Personen eine Seele fordern könnten; und ich glaube, die Imams und Ulemas haben den Malern gottgefälligst die Nasen abgeschnitten. – Das deutsche Publikum, und besonders die deutschen Rezensions-Türken, wenn man ihnen nicht zu jeder Person die Hausnummer und den Gewerbeschein gibt, erklären dieselbe als seelenlosen Vaganten gefährlich, und es gibt heidnische Beißer genug, welche sofort den Verfassern die Nase abbeißen mögen!« –

Beißer schnappt grimmig in die Luft.

»Aber man kann noch aus einem andern Grunde um seine Verfassungs-Nase kommen. – Die Imams und Ulemas begnügen sich nicht nur dort, wo ein Mensch abgebildet sein sollte, mit dem Turban; – nein, der Turban ist ihnen poetisch – der Mensch prosaisch – und wer dagegen handelt, verliert abermals seine Nase.

Wer, in Deutschland, zuweilen nicht blos einen hohen poetisch-idealen Turban, sondern einen leibhaftigen Menschen malt – auch für den sind im Namen Allahs die Hatscherifs und Yatagans da!«

Beißer spielt mit Messer und Gabel.

»Ich denke aber, des Verfassers Nase ist gütigst noch eine Weile zu schonen. – Bedenken Sie nur, meine Hörer, der Verfasser hat einen Helden zu seinem Romane genommen, dessen ganze romantisch-komische Geschichte nicht auf Liebe gebaut ist. – Denken Sie, ein Romanheld ohne Liebe, – welches Wunderexemplar!

Die komischen und traurigen Wirrsale des Helden, gehen aus dem Leben mit und in der Welt, sage aus dem 281 sittlichen Leben, aus den ihn umgebenden Charakteren, den nicht mit Erröthen zu nennenden Handlungen von Herren und Damen hervor. – Das Ganze soll moralische Endzwecke haben, und hat sie wirklich. Ich denke also, meine Hörer, es wäre dem Verfasser, aus Mitleid, seine Nase noch zu belassen, damit er noch ferner Zeit gewinne, dieselbige Nase real und ideal in die Literatur hinein zu stecken!

Soll des Verfassers Nase aber wirklich geschont werden, so müssen, bei den Eigenschaften seiner Personen, die er tadelnd hinstellt, sich auch Andere bei der Nase nehmen können; so muß man ferner seinen Personen, die er lieblich und löblich zeichnet, von der Nase absehen, daß sie andern rings um uns im Leben gleichen. Würde dies etwa nicht bewiesen – so soll er nicht, nach morgenländischer Sitte, um seine Nase gebracht werden, sondern nach abendländischer, im Gegentheile noch eine tüchtige Nase dazu bekommen!

Vierfach sind die Elemente der Welt, welche die Chemiker nicht als Elemente mehr gelten lassen, vierfach sind die Himmelsgegenden, vierfach sind die Tages- und Jahreszeiten, vierfach sind die Bewegungsglieder unseres Körpers, vierfach sind die Herzens- und Gehirnkammern – vierfach sind die Elemente, die Wendungen, die hellen und lichten Partien, die Herz- und Gehirntheile des vorhabenden Romanes. Schwach – Rübe – Schnepselmann – Aster – sind die vier Haupträder des Salonwagens; und da die neueste Zeit das fünfte Rad am Wagen zur Lüge gemacht und man mit sechsen und achten nur noch besser vorwärts kommt: so hat der Verfasser auch noch mehrere Räder seinem Fahrzeuge angehängt, die wir gelegentlich an Nabe und Speiche besser besehen wollen. 282

Schwach, Rübe, Schnepselmann, Aster. Welche Gegensätze! Gerade so entgegengesetzt wie Ost und West, wie Süd und Nord.

Sehen Sie dieses eiskalte Gemüth Rübe's, das starr und zackig wie der ewig frostige Nordpol. – Horchen Sie auf die glühenden Worte Aster's, blicken Sie in das südliche Gemüth voll üppiger, schwellender Blumen, durch das aber auch der Samum zieht und es vertrocknet, auf Zeit zu Grunde richtet. – Der geschwätzige, belebte, fantastische, spekulirende Orient, ist Schnepselmann. – Der sanft säuselnde West, der selbst dem Kleinsten in der Schöpfung wohlthut, die Milde im Sein, Wesen und Gemüth: Herkules Schwach!

Wer hat nicht schon die schönen Zöpfe der reizenden blauäugigen Schwäbinen gesehen, durch die ein hellfarbiges Band sich schlängelt? Es ist dies ein reizendes, vaterländisches Bild. Es wird mithin der Würde keines Autors etwas vergeben, wenn man seinen Roman einen Zopf nennt, umsomehr, da man die neuzeitigen Romane ganz und gar Zöpfe nennen könnte, in die man jeden Augenblick was Neues eingeflochten und wenn das alte ursprüngliche Material ausgegangen, stets neues angestückelt und fortgesetzt findet. Im vorliegenden Falle ist der Zopf, der dem Autor vom Gehirne hängt, vierflechtig, und Poll Hinze ist das bunte oder lebhaft-färbige Band, welches sich durch alle Flechten schlängelt, bis ans Ende.

Damit man aber den besagten Romanzopf keinen chinesischen nennen könne, oder gar einen Weichselzopf – wolan, greifen wir der Muse des Verfassers in die vollen Flechten, lösen wir in Theilen das Har und lassen wir die Strähne durch unsere fühligen Finger gleiten. 283

Rübe! Wirklich ein recht hariger Charakter! Trocken und widerstrebend, von der Wurzel bis zur Spitze ungesund! Gibt es Wenige, die ihm, in unserer Zeit des Materialismus, innerlich gleichen? Das Kapital ist der Mensch – ist Rübe's Devise, sein Machtspruch und Lebensprinzip. Die Worte stehen nicht auf seiner Firma, nicht auf seinen Wechseln und Büchern: aber sie sind tief eingegraben in seinem Herzen. Und Rübe – abgesehen von seinen Verbrechen – hat nicht nur einen stillen Compagnon, der ihn schalten und walten läßt nach seiner Weise, Rübe hat eine große, unendliche Compagnie – in der Welt! –

Was sind ihm Laster, Verführung, Druck, Entwürdigung der Andern? – Haben diese Geld, haben sie einen Platz auf der Börse, ein Folio in der Bank, eine Bedeutung auf dem Geldmarkte? – Nur Bank und Börse bilden, für Geldmenschen, gleich Rübe, das Forum, den Höhepunkt des gesammten Seins und Denkens – was nicht hinauf kann, ist kriechendes Gewürm, Nichts! – Wenn sich das Gewürm prostituirt, hingibt, in jeder Weise treten oder streicheln läßt, nach Belieben, was liegt daran? Es bekommt Fütterung, reichlich oder spärlich, in Geldform; – für Geld erhält man Alles, meinen Rübe & Comp., und das Geld, das Kapital ist der Mensch!

Wenn ein Aristokrat gesagt hat: »Der Mensch fängt erst beim Baron an;« so ist dieser offene Ausspruch bei Weitem annehmbarer, als die geheime Devise der heutigen Geldmarktmenschen, welche sie alle im Herzen tragen. – Der Aristokrat wird erzogen, gebildet, von Jugend auf zu einem gewissen Sein und Denken hinaufgehoben; aber die Menschen des Kapitales werden zufällig von dem blinden Glückssturme heute oder morgen aus der Pfütze des 284 kapitallos kriechenden Gewürmes emporgerissen und zur Menschenhöhe hinaufgehoben. Jedoch: gestern Pfützenwurm und heute ausschließlicher Mensch auf dem Gipfel der Gesellschaft – das ist ein Bischen gar zu arg!

Diese Rübe müssen gepeitscht, gehetzt, verachtet, in ihrer nackten Gier, die nur Alles für sich will, müssen sie zum Spiegelbild hingestellt, zum abschreckenden Exempel ausgewiesen werden! – Sie wollen Geist, Wissen, Geselligkeitsverband, Erfindungskraft, Herzensadel, Alles unter sich haben, ihnen dienstbar sehen. Erfindung, Geist, Wissen, sind ihnen nur die Bequemlichkeits- und Erlustigungswerkzeuge ihres »gerecht auserlesenen« Daseins. Die ganze Menschheit soll für sie ein zusammenschleppender Ameisenhaufen sein, sie wollen hineingreifen und die mühevoll gesammelten Duftkörner für sich behalten. Sie wollen alle andern Menschen zu einem sumsenden Bienenschwarme: sammelt, arbeitet, plagt euch, baut – wir, Rübe& Comp., die Kapitalmenschen werden endlich durch einen Griff den Honig bergen!

Es ist ein Glück, daß Kapitalmenschen so häufig, wenn sie noch so lange kalt berechnen, der wilde Jäger beim Nacken faßt und endlich auf die wilde, rastlose Hetze um den Millionen-Eber mitnimmt, wobei sie endlich – den Hals brechen. – Wie viele von ihnen könnten ruhig, herrlich genießen und mit dem Ihren Gutes thun; aber, »Mehr Mehr!« ruft es in ihnen, »Genug niemals!« – Wählen Sie Freunde, so müssen die Freunde Kapitalmenschen sein; wählen sie zur Ehe, so muß die zweite Hälfte von der Kapitalmenschheit sein; sie versauern, verkrüppeln, vertrocknen, vereinzeln lieber; die ganze andere Welt ist für sie geschlossen! 285

Würden sie in ihrem Streben stets siegreich sein; würden sie von Nachkommenschaft zu Nachkommenschaft stets aufhäufen; – so würde dies im Leben versauernde, verkrüppelnde, sich selbst verzehrende Geschlecht sich in Ewigkeit fortpflanzen – eine weit ärgere, die unvergleichlich ärgste Hochkaste, kein erbliches Mensch-Baronenthum, eine ausschließlich fortpflanzende Kapital-Menschen-Race würde dann die Welt beherrschen, bedrücken, verächtlich machen! – Daß täglich aus ihrer Mitte einige stürzen, ist eine gerechte Erfüllung! –

Doch werden die Entlarvungen, die abschreckenden Opfer genug sein? – Genug niemals! –

Diesem abstoßenden, kalten, eisig hauchenden Charakter eines Rübe entgegengesetzt, ist Aster, der unglückliche Aster; denn das Leben stellt die Gestalten in der Gegenwart sich gegenüber. – Dort: kein Glaube an die Menschheit von aller Anfang, kein Suchen in ihr um Liebe, Freundschaft, um etwas was Herz und Seele erhebt – nur um Geld, Geld! – Hier: glühender Glaube an alles Schöne, heißes Begehren nach Allem was groß und herrlich lautet und das Leben des Menschen-Lebens würdig macht! – Dort Metallklang, hier Seelenklang; dort ein kniffiges Meinen die Grundsätze der Menschheit richtig erkannt zu haben und in dieser schlau betrügenden Menschheit der rechteste betrügende Betrogene zu sein – hier ein blind-vertrauensvolles Hingeben und Ausschütten aller innern Schätze eines reichen, jugendlichen Herzens vor der ganzen Welt! – Dort ein Uebermaß an Kälte, hier ein Uebermaß an Gluth – das Verderben faßt Beide!

O, meine Hörer, die schöne Mitte der alten Weisen klingt gut; aber sie treffen, sie treffen ist unendlich 286 schwierig auf den Wegen des Lebens! Bis ein Menschenherz, wankend in Haß und Liebe, die rechte Bahn gefunden, fährt es gar oft auf der Straße zum Kirchhofe, oder halten die sechs Schuhe Tiefe der Erde so stark auf, daß es weder rechts noch links, weder vorwärts noch rückwärts kann! –

Aster ist der schwärmerische, glühende, idealistische Charakter, welcher der Jugend unserer Nation eigen ist. Die stille Sehnsucht der Herzen, die in uns Allen geboren wird, sie wird geweckt durch den Geist des Wissens und die tiefsinnige Spekulation, die dem gern lernenden Deutschen werth ist. O, da schwellen sie dann auf die Knospen der Sehnsucht, der Wünsche, der Herzensträume für Vaterland und Menschheit! Die rothe Rose bricht die grüne Knospenhülle auseinander, aber die grünenden Keime in jenen Innern, brechen oft die rothe Hülle – die Herzgebrochenen sind in unserem Volke und der Neuzeit nicht selten gewesen!

O, es hat Aster gegeben und gibt noch solche – es gibt Zeiten, die sie stets neu gebären – und die Geschichte unseres Volkes ist ein reicher, dunkler, üppiger Humus-Boden, aus dem sie keimen! –

Wer trägt nicht Wünsche wie Aster im Herzen? Doch nicht Jeder hat sein Leben daran gebunden, nicht Jedes Beruf ist es, sie zu seinem Lebensziele zu machen, nicht Jeder hegt sie so stark wie er. Ja es gibt Menschen gleich ihm; sie strömen wie ein überschäumender Becher die Perlen ihres geistigen Gehaltes in das Innere des Freundes aus; sie gehen auch schweigsam und düster sinnend ihre einsamen Wege; es bargen sie zuletzt auch schon viele dunkle Zellen 287 des Gefängnisses, des Siechenhauses für Irre und Schwermüthige, des Grabes, hüben und drüben vom Meere!

Der Wahn, durch Meeresfluthen Alles aus dem Herzen waschen zu wollen, hat neuerlich schon Viele, gleich ihm, erfaßt. Viele sind auch schon ans jenseitige Gestade gedrängt worden. O, in die salzige Fluth des großen Ozeans ist schon mancher Tropfen, ein noch inhaltreicheres Weltmeer des Schmerzes gefallen; unter den wehenden Wimpeln hat manches deutsche wehende Herz gezuckt; – und sie haben schwer, schwer gebüßt! –

Thränen, Mitleid ihnen; sie, die Aster, die echten und nicht äffenden, rohen und unwissenden, sind edel und gut; sie böten sich gerne zu Opfern, ja meinen oft Gottversöhnend sich hinzugeben; – aber der Altar ist oft nicht der rechte, auch die Opfer sind es nicht und – vergebens?

Die Geschichte bewahrt nur die Helden, die Großes vollbracht! –

Rinnen die Thränen von Aster's Mannen auf fremde, enttäuschende Erde, rinnen sie in der Heimat – Mitleid, Vergebung und Versöhnung ihnen, sie haben schwer gebüßt – Aster hat viel geliebt, ihm muß auch viel vergeben werden! –

Die Tausende aber, die leichtsinnig den Gedanken im Herzen tragen, das Vaterland von sich zu schütteln, leicht wie den Staub von ihren Füßen, mögen an Aster's Geschick drüben über dem Meere, ein trübes aber wahres Bild sehen. Seine Worte, Gedicht oder Prosa, sind nicht mehr schwärmerisch und ideal, hier sprechen die Gedanken des im Schmerz gereiften Mannes. O, möchten sie nicht ungehört und 288 ungefühlt an den Tausenden, denen sie gemeint, vorübergehen – und ein edler Zweck wäre erfüllt! –

Schnepselmann, meine Hörer! – Schnepselmann ist ganz eine eigenthümliche Strähne, eingeflochten in den großen Weltzopf als glitzernde, durchlaufende, gewichste Partikel. Die Schnepselmänner laufen in den Straßen aller Geschäftsstädte herum, ja die ganze heutige Welt ist etwas schnepselmännisch, und fast Jeder der Neuzeit trägt ein Stück Schnepselmann in seinem Innern.

Sie mögen nicht nur belächeln, meine Hörer, sie mögen sogar lachen über seine Berechnungen, Projekte, Aussichten, seinen zentralistisch-elektrischen Stiefelputzer, seine Kraut-National-Bank oder National-Kraut-Bank – die würdige Seitenstücke haben – über sein Aufgreifen des Kleinlichen, Herausputzen und Aufbauschen desselben zum Wichtigen und Großartigen! – Wenn Sie hier, wie bei Manchem den Maßstab der Wirklichkeit anlegen, und Sie finden, daß Schnepselmann's Fußzehen unten, oder einige Spitzen seiner verwirbelten Hare oben, ein Bischen über das Rekrutenmaß des Alltagsmenschen hinausragen, so werden Sie gar nicht Unrecht haben.

Aber die Satire hat ein Recht die Nasenspitze ihrer spitznasigen Personen noch etwas spitzer zu zeichnen, ihren Wangen hie und da ein großes Pflästerchen aufzukleben, wo sie ein kleineres tragen, und für die Laterna magica der besagten Satire, die Bilderfarben etwas heller aufzutragen, damit sie aus dem Dunkel des Lebens, aus dem man auf sie guckt, für jedes Auge desto deutlicher und klarer und erkennbarer erscheinen!

Schnepselmann mit seinen Rechnungen und Millionen, mit seinen Spekulationen und Aussichten, ist nur ein 289 einzelnes Exemplar aus jener großen Welt von Aktiengesellschaften, welche täglich auftauchen und verschwinden, welche im Sandkorn Goldbergwerke, in jedem Wassertropfen schiffbare Kanäle, und in jeder Seifenblase steuerbare Lustfahrzeuge entdecken, die sie dann der Menschheit, zur gewinnreichen Ausbeute, mittelst Aktien, anempfehlen und feilbieten! – Oft sind sie ebenso Selbstbetrogene aus eigener Hingebung, als oft auch Betrügende aus Absicht! – Was haben Gesellschaften neuester Zeit nicht schon auf Aktien gegründet; und unergründlich sind die Gründe, warum die Leute nicht endlich den Grund einsehen, wodurch sie ehestens – zu Grunde gehen! –

Schnepselmann, meine Hörer, ist kein schlechter Mensch, wirklich nicht; Schnepselmann ist ein Sohn der Zeit. Rasch, rasch, schnellstens – nichts Langsames, bedacht Vorschreitendes – nein, Geschrei auf dem lauten Markte, Lärm, Aufregung in allen Gassen und Enden! Der Wunderglaube an alle Erfindungen, die Hoffnung auf noch nicht Dagewesenes beseelt die Schnepselmänner, reißt ihnen die Augen auf, treibt sie rastlos von einem Ende zum andern!

Schnepselmann mit seinem Wirbeln, Sprudeln, Eilen und Greifen nach dem Seltsamsten, repräsentirt er nicht eine Krankheit der Zeit, die zweibeinig herumwandelt und Schwindel heißt? Schwindel, manchmal mit Bosheit gemengt, bald ohne dieselbe, blos in der Zeit und durch die Zeit des Dampfes angeregt? Ist Schnepselmann nicht das zweibeinige, personifizirte Lokomotive, das mit dem kleinen Geistesfunken auf der Bahn des Lebens vorwärts brausen will, mindestens so rasch als mit dem Dampfe, oder noch rascher, telegrafisch-blitzschnell? – Nur vorwärts, vorwärts, Vertrauen in den blinden Zufall, in das »Es-wird-schon-gehen«, in das 290 Nochniedagewesene, Ueberraschende, Selbstkitzelnde, Selbstbefriedigende, Unzubegreifende, aber darum Anziehende, stets Lockende, und endlich . . . . Verderbende! – Da steht er dann und schauert, wie der vom Zügel losgerissene Renner, an dem Abgrund, dem er wild zugesprungen – Mancher sinkt vor demselben erschöpft, bebend nieder und wird hübsch gezähmt, mit hängendem Kopfe davongebracht; Manchem nützen Gebiß und Zaum nichts mehr; er möchte gerne aus dem Futterkorbe des ruhigen Stalles sein tägliches Heu essen; aber der Abgrund ist tief, die Felsenzacken sind zerschmetternd – sein Zähnklappern zermalmt gar nichts mehr! –

Ehe wir zu dem letzten Hauptgeflechtsstücke unseres Roman-Zopfes gelangen, besehen wir uns das lichte, hellfarbige, heiterkeitsgebende Band, das sich überall durchschlängelt, unseren Poll Hinze.

Wenn Poll ein Philosoph ist, so können Sie vermuthen, daß er am ehesten ein Deutscher sei; und wenn seine Philosophie praktisch ist, so ist dies wirklich eine so deutsche Seltenheit, daß es schon der Mühe werth war, ihn in einem Romane vorzuführen! –

Poll ist ein echter Sohn unseres Volkes, ein Kiesel, wie er sich in dem Strome des Lebens, am Grunde fortrollend, befindet; aber das Fortrollen hat ihn abgeschliffen, und sein Inneres hat den tüchtigsten, festesten Kern! Kein Volk der Welt hat so viele Schalke von Herz und Gemüth aus seiner Mitte erfunden, oder eingebürgert aufzuweisen, als wir. Der Pfaffe Amis, Eulenspiegel, Morols, der Kalenberger Abt, sie sind germanische Erzeugnisse, sie sind der Auszug und das Mundmehl des Kernes, der in unserem niedern Volke wächst. Poll ist der welterfahrene, pilgernde gemeine Mann aus allen Ecken und Enden des 291 Vaterlandes, dessen gesunder Mutterwitz gegen die studirten Ziesewitze und Käsemenger in Bausch und Bogen auslangt, der ein treues, dankbares Herz, eine ehrlich fühlende Seele, Muth in Schicksalsstürmen und eine hilfreich zugreifende Hand bei Noth und Gefahren hat – immer eine Thräne und immer ein großartiges Gelächter! Das ist die echte Philosophie, wie sie in untern Schichten steckt, und wenn die Philosophie hoch oben verphilosophirt wird, so ist das eben – Studium!

Buchhalter Krimpler, Laufbursche Alexi, Anatomie-Saldiener Jochert, Wirthschafterin Trullemaier, Kunstreiter Solger, Advokat Ziesewitz, Chokolade-Fabrikant Fliege, bedürfen keiner weiteren Erklärung, es heißt nur echt deutsche Gründlichkeit entwickeln, wenn man sie hinterher ausklopft und, mit der ernstesten Predigermiene, den moralischen Staub aufweist, der aus ihnen aufgeflogen.

Nun denn, so wissen Sie, meine Gründlichen:

Krimpler zeigt die Treue, die Redlichkeit, die Tugend, Bescheidenheit und den Widerstand gegen das Verderbniß des Geldes, selbst in der Noth und unter der Bedrückung desselben. –

Im armen Solger sehe ich nebenbei ein Beispiel bedauernswerther, verloren gegangener Jugend, wie sie Aussichtslosigkeit noch jährlich Gauklern, Kinderballeten und Künsteleien aller Sorten opfert. –

Alexi erfährt, zur Belehrung, die Leiden eines Hinausspringens aus bürgerlichen Bahnen, um künstlerisch-komödiantischen Chimären ohne Werth für die Menschheit nachzujagen und ohne auf den Rath Besserwissender zu hören.

Fliege ist die im Grunde immer gemeine Spießbürgerlichkeit, die mit Grundsätzen prahlt und sie jederzeit 292 nicht besitzt, wenn sie zu bewahrheiten sind, etcätera. –

Jochert ist ein düster ergreifendes Bild, wie es die Menschheit, wie es die Gerichtsstube zuweilen aufweist, und wenn man aus Romanen das Sonderbarliche, das Seltene und Seltsame verbannen wollte, so müßte man es vorerst aus dem Leben bannen. Es gibt, den hellen Lichtpunkten gegenüber, die jedes Auge sieht, verborgene Bilder und Geschehnisse der Nacht; – der Roman darf sie beide nebeneinander, oder vielmehr sich gegenüber setzen – wenn nur das Gute weit überwiegt und den Schreck des einen Momentes ausgleicht. –

Vielleicht auch wollte der Verfasser gewissem Publikum einen Gefallen erweisen, ein Opfer bringen. Die zimperlichen ästhetischen Konstruktionen wirken wenig; und wenn fromme Gesellschaften ihre Traktätlein mit Wein- und Seifen-Etiketten verbinden, um sie an Mann und Weib zu bringen – wenn die Aerzte Wurmsamen mit Lebkuchen reichen müssen – warum soll ein moderner Autor nicht kunstvoll und wirksam einiges Gänsehäutliche mit all dem Elfen-, Duft- und Herzens-Gewebe seines Werkes verbinden?

O, meine Hörer, ist Adele nicht ein feines, holdes, liebreizendes Wesen, das tausend Böse aufwiegt? Adele übergehen, hieße eine Perle fallen lassen und einen Stein aufnehmen. Welchem Manne wallt nicht sehnsüchtig das Herz bei dem Gedanken eines solchen Weib-Wesens, und welcher ihrer Schwestern in der Welt ist es nicht ein freudig-wohlthuendes Bewußtsein, sich ihre Schwester nennen zu dürfen? – Adele ist das süße, liebe Weibe, wie es jede Nation kennt, wie es, als unumstößlicher Beweis der Familieneinheit aller Menschen, als sich stets erneuerndes 293 Zeugniß für die selige Verwandtschaft zwischen Irdischem und Himmlischem, über die ganze Wett verbreitet ist. Daß aber unserer Heimat dieser Segen und diese Seligkeit im vorzüglichsten Maße zugetheilt, darüber sind alle, selbst die Stimmen der fernsten Nationen einig! – O, wäre es Sitte, den Frauen in öffentlichen Geprängen Huldigungen darzubringen, und wäre der Verfasser ein Ritter im Turniere, Adele's Name als geistiger Repräsentant des ganzen Seins und Wesens wäre würdig, auf sammtenem Kissen, kniend als »Huldigung allen Frauen« dargebracht zu werden. Die Turniere sind abgekommen, die Bücher sind dagegen aufgekommen – wirklich kein Verlust – die Stahlfeder ersetzt die Eisenlanze – und so möge die Damenwelt diese Huldigung aus den Blättern des Buches heben, die Trompeten schmettern nicht und der Verfasser kniet vor keiner Lieblichen – welches letztere er sicher weit mehr als das erstere bedauern kann!

Und nun, meine Hörer, nachdem wir mit echt deutscher, professorischer Breite und Gründlichkeit über einen Roman abgehandelt; nachdem wir mit großem Aufwande von Athem und Geduld nachgewiesen, daß, nebst dem Zwecke der Unterhaltung, im »Herkules Schwach« die Thatsachen möglich, sittliche Tendenzen verfolgt, Fehler der Zeit und Menschen in heimischen Gauen, Ausschreitungen der Kunst, Technik, Geldmacherei, Humanistik, Geisterforscherei, Gesundheitsvermittlerei gegeißelt, Treue und Liebe zu dem Vaterlande, &c. gezeigt sind; ja nachdem ich Sie sogar aufmerksam mache, daß der humoristische Roman, welcher Bilder des Lebens liefern soll und nicht Simbolik und Allegorien – sehr spärlich, ja am spärlichsten in unserer sonst so 294 großen und reichen Literatur angebaut ist; – nachdem ich Ihnen darthue, daß in diesem humoristischen Romane die Schwierigkeit vorhanden war, bedeutungsvoll – wie Sie bald sehen werden – durch fast alle Stände durchzukommen, ohne die Absicht merken zu lassen, ohne simbolisch-allegorische Handlungen und Personen; – nach diesem satirisch humoristischen Romane voll bunten, zeitgeistig-nationalen Lebens – wäre ich wirklich der bescheidenen Meinung, es möge nicht so summarisch verfahren, und von den Türken mit den kritischen Handschars im Vaterlande, gütigst, aus mitleidsvoller Rücksicht, dem Verfasser die bisher ehrenvollst getragene Nase noch auf einige Zeit belassen werden!«

Einige Stimmen murmeln zustimmend.

»Aber noch Eines bleibt uns übrig, die Hauptsache – die Bedeutung des Ganzen – das Front- und Schlußfeuerwerk, der Held des Ganzen, der den Titel verleiht:

Herkules Schwach!

Kennen Sie keinen Herkules Schwach? Er, der wol Manchen seines Gleichen im Leben findet, muß nicht gerade auch einköpfig und zweibeinig sein, er kann viele Millionen Köpfe und doppelt so viele Beine haben.

Kennen Sie noch nicht den eigentlichen Herkules, der schwach ist?

Kennen Sie nicht den Herkules mit den blauen Augen, so sanft, so gut im Gemüthe?

Kennen Sie noch nicht den Herkules, der seine Keule heben und seine Widersacher, seine Verführer zerschmettern könnte mit einem Schlage, der aber gutmüthig zusieht, verhandelt, es geduldig erträgt, daß Andere in seiner Wirthschaft ordnen, Einfluß nehmen, verfügen, sein Besitzthum verwenden und darüber schalten, daß sie ihm tausend und 295 tausenderlei Täuschungen, Mißgeschick und Elend herbeiführen? –

Kennen Sie den Herkules Schwach noch nicht, der statt unbekümmert sein rechtmäßiges gutes Erbe anzutreten, sich über Geheimnisse des Seins und Entstehens den Kopf zerbricht, die keinen festen Grund haben, mit Untersuchungen beschäftigt, die, statt praktische Zwecke, nur Leiden zur Folge bringen?

Kennen Sie den Herkules Schwach noch nicht?

Vielleicht hat er bisher andere, aber nicht den rechten Namen erhalten, und hätte dieser Name eine allgemeine Zukunft.

Kennen Sie den Herkules Schwach noch nicht?

Kommen Sie Alle, Alle herbei, stecken Sie gefälligst die Köpfe zusammen . . . . ich hege Vermuthungen . . . . daß man uns nicht draußen höre . . . . leise, leise! . . . ich halte den Verfasser für einen Schlaukopf und fein Anspielenden . . . . Herkules Schwach, mit seinen Kraftmuskeln, mit seinen blauen Augen und seinem blonden, unpraktischen Gemüthe; Herkules Schwach, der umschwindelt wird und häufig auf schwindelnde Rathgeber hört; Herkules Schwach, der mit Pfarrern, Bureaukraten, Soldaten, Advokaten und so weiter seine Leiden hat und immer die unrechtesten Mittel ergreift, um ein ruhiges, ordentliches und genießendes Leben in seiner Kraft und in der Fülle seines Besitzthumes zu führen; Herkules Schwach, der durch ein kräftiges Emporraffen Alles ändern und zum Guten führen könnte, aber hinter dem Ofen harrt bis ihm eben das Glück hier und als Zufall kommt; Herkules Schwach ist . . . . . . . . . . . . . . .

Deutsches Volk – nehme dich bei der Nase!« 296

Plötzliches Auseinanderfahren, Hurrah! Doktor Ich – der Verfasser lebe hoch! – Zischen – Beifallklatschen – Poltern – Hochs – Alles durcheinander . . . . . . . . was wird das Ende sein?



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