August Silberstein
Herkules Schwach. Dritter Band
August Silberstein

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Vierundfünfzigstes Capitel.

Worin Madame Trullemaier die dringende Nothwendigkeit empfindet sich mitzutheilen – und wir zu einem kleinen, aber sehr reizenden Damen-Theezirkel eingeführt werden, welcher auch Poll nicht ohne bedeutsame Anregungen und Enthüllungen läßt.

Der vielfach angeregte Wechsel der Gefühle in Madame Trullemaier's Busen, Poll's Philosophie, welche ihr nicht immer bequem war, die Vorgänge im Schwach'schen Hause, das mit Akten und Gerichten auch immer mehr zu thun bekam – dieses Alles lastete zu schwer auf Herz und Seele dieser mittheilsamen Dame, daß sie ihre Wissenschaft und Ansicht hätte ganz der Welt entziehen und für sich allein behalten mögen. Es stellte sich mithin das dringende, unabweisbare Bedürfniß für sie heraus, theilweise vernachlässigte Bekanntschaft mit aller Wärme wieder aufzunehmen und derselben jenen Antheil an Rum und Thee zukommen zu lassen, der sich überhaupt an geselligen Abenden, unter Damen von Herz und Gesprächigkeit, mit gutem Anstande und gegenseitiger nie fehlender Aufmunterung. vertilgen läßt.

Madame Schlurre, die einstige Nachbarin Schwach's, von dem frühern Hause her, und die kochende Dame, deren 53 Nase Poll einst an einem vergnügten Sonntage sehr beunruhigt hatte, ohne übrigens der späteren beiderseitigen Achtung zu schaden, Madame Mogel, waren vom Schicksal und Madame Trullemaier ausersehen, den Kreis an bezeichneten Abenden zu verherrlichen, und ebenso entgegen zu nehmen, als eine Welt von Neuigkeiten, Ansichten, Familiengeheimnissen, Erstaunlichkeiten und Schnupftabak mitzubringen.

Madame Trullemaier fühlte sich in dieser Umgebung noch jung, durch ihre Stellung thronend, und es war ihr ganz behaglich dabei. – Männliche Gesellschaft war zwar nicht ausgeschlossen, aber dieselbe durchaus auf Poll beschränkt und der freiwillige Zu- und Abgang ganz besagtem Herrn überlassen. Poll fühlte sich oft hiebei sehr heiter angeregt, war aber doch nicht jederzeit gleich gut aufgelegt.

Die häufigen, fremdartigen Besuche bei Schwach, welche auch mehr oder minder mit Gerichten und Gesetzbüchern in Bezug standen, die Verbindungen mit Krimpler, dessen Hauswesen, das betrübende Unglück mit Aster, dessen Vergangenheit und Charakter, Alexius' Künste, sein Genie, sein gesegneter Appetit und seine glorreiche Zukunft, Adele's Stellung, ihre Eigenthümlichkeiten, Kleider, Gang, Haltung, Worte, Blicke – das Alles erforderte auf Seite der Madame Trullemaier sorgfältige Studien, gründliche Ansichten, erschöpfendes Darstellen und Meinungsauswechseln.

Dieses Sämmtliche wurde auch in der That von den drei verbündeten Großmächten in einer Weise geliefert, welche bei Sachverständigsten nichts zu wünschen übrig ließ. –

Madame Trullemaier saß an einem solchen Abende mit ihren beiden Busenfreundinnen um den runden Tisch, 54 in der Hinterstube, der Theekessel dampfte, die Tassen dampften ebenfalls, kompakte Lebensmittel fehlten keineswegs, und der Rest im Rum-Fläschchen glitzerte durch die Glaswand sehr lockend und verrätherisch hindurch.

Poll saß heute, die Blicke meist zu Boden gewendet, die Beine nachlässig von sich streckend, in einer Zimmerecke. Die Damen ließen ihn endlich in Ruhe, nachdem ihre besten Absichten, sein Herz durch freundliche Entgegennahme von Anliegen und Schmerzen erleichtern zu wollen, an seiner unbegreiflichen Wortkargheit und Verstocktheit gescheitert waren. –

Wer weiß was in ihm vorging! – Vielleicht machten ihn auch die Verhältnisse so. – Madame Trullemaier flüsterte, mit einem heimlichen Blicke auf ihre Verbündeten, das Wort »Philosophie« und wies sehr bedeutungsvoll nach der Stirne. – Die Damen zuckten ebenfalls mit den Augenbrauen, nickten als ob sie verstanden hätten und beruhigten sich.

Was sie unter Philosophie verstanden, wird wol am jüngsten Tage klar werden.

Poll's Düsterkeit gab Anlaß über ein unerschöpfliches Thema zu sprechen, namentlich über Männer und Frauen. Von Männer und Frauen im Allgemeinen leitete das Gespräch auf Männer und Frauen im Besondern, von diesen Besondern auf besondere Besondere, und jedes Herz erleichterte sich sehr. Keines aber fühlte das Bedürfniß dies zu thun in lebhafterer Weise, als das Herz unserer Madame.

Adele war Witwe . . . Schwach war ledig . . . die Trullemaier war auch Witwe . . . Adele war jung . . . die Trullemaier war es einst in ganz gleichem Maße . . . Schwach besaß Vermögen . . . Adele und Trullemaier 55 besaßen gleichartig keines . . . Adele und Trullemaier waren von Schwach gekannt . . . Beide sah er sehr oft . . . . schwere, gewichtvolle Lasten auf dem Herzen einer Trullemaier!

»Und ich sage alleweile und habe es alleweile gesagt,« sagte Madame Mogel sehr energisch – und ihre scharfe dünne Nase bewegte sich sammt dem Kinne wenn sie sprach – »das Alleinleben thut den Männern nicht gut!« – Ihr Mann war pensionirter Amtsdiener, mit sehr schwachen Beinen, spitzig vorgestreckten Knien, und mußte seine meiste Zeit, Gesundheitshalber, auf dem Lande zubringen.

»Nicht die Probe!« sagte Madame Schlurre, warf sehr energisch das Haupt und goß den Rest ihrer Schale hinab, mit einem Ausdrucke, als sollte dies eine unwiderlegbare Bekräftigung sein. »Darum sind sie so düster, heutzutage, die Männer, weil sie gar zu lange Zeit Hagestolze sind. – Das ist die Folge!« sagte sie, indem sie ihre Worte besonders betonte. »Ist die Welt nicht gemacht, daß sich das schwache und das starke Geschlecht zusammen verbinden? Könnte die Welt bestehen, wenn das nicht wäre? – Und wenn Einer gar die Kräfte oder das Vermögen hat, um eine Frau zu ernähren; so ist das eine Sünde, wenn er ledig bleibt; Gott verzeih mir's, es ist eine heidnische, schreckliche Sünde!«

»Das ist es!« sagte die Mogel und befreite ihre Schale von allem Inhalte.

»Wie Sie eine Frau sind, Madame Trullemaier,« sagte die Schlurre; »so könnten Sie noch einen Mann beglücken.« – Sie sah sehr scharf seitwärts, nach dem theilnahmslosen Poll. – »Was sage ich Einen Mann? Mehr noch! . . . Doch,« korrigirte sie sich rasch, »ich meine nur, wenn es 56 das Unglück so wollte. Aber Sie könnten treu sein und rührig und klug, und wirthsam im Hause, wie keine Zweite!«

»Oh!« sagte die Trullemaier geschmeichelt, schüttelte dabei aber ungläubig den Kopf und frug mit sehr gut ausgedrückter Verschämtheit: »Meinen Sie?«

»Ob ich meine!« sagte die Schlurre. »Ich könnte es mit einem Eid vor allen Gerichten der Welt beschwören!«

»Oh!« rief Madame Mogel zustimmend dazwischen und nickte zustimmend mit dem Haupte, als hätte Madame Schlurre die Tiefen ihres geheimsten Innern plötzlich, zu ihrer Ueberraschung, klar zu Tage gelegt.

»Keine Zweite! – Wie Sie sind, habe ich keine Zweite gesehen!« Dabei schielte sie sehr scharf nach Poll. »Und sie sollen die ganze Stadt von einem Ende zum andern durchsuchen, keine Trullemaier finden sie doch nimmer nicht!«

Madame Trullemaier lächelte verschämt und füllte die Tassen neuerdings mit dem Inhalte des dampfenden Theekessels, nicht ohne Zusatz aus dem Fläschchen.

»Das habe ich schon lange gesagt!« sagte die Mogel. »Wer weiß solche Saucischen zu machen. Wer kann Alles so rein halten, und weiß so billig einzukaufen als Sie?«

»Ich habe schon zu meiner Nachbarin, der Kravattenhändlerin, wie oft gesagt: ich begreife gar nicht wo die Trullemaier Alles so wohlfeil einkauft. Unsereins muß Alles theuer bezahlen. – Wir haben das Geschick gar nicht, so Alles herauszufinden! – Und komme ich zu ihr und esse ein Stückchen Kalbsbraten – es sieht schon ganz anders aus. als bei uns, es müssen ganz andere Kälber sein! – Und kommt frische Butter, oder kommen Eier auf den 57 Tisch, oder was immer, es sieht größer, schöner aus, es ist Alles frischer als bei uns; es ist, als ob sie hätte Alles eigens nur für sich machen lassen! – Ich begreife es nicht, sagte ich; aber es liegt doch in der Person, sagte ich; es muß in der Person liegen, sagte ich!«

Madame Trullemaier schüttelte ungläubig den Kopf und beschäftigte sich immer mit der Gasterei für die Damen.

»Wenn es auf mich ankommt und ich soll meine Meinung aufrichtig sagen,« nahm Mogel's Nase das Wort; »so ist der Mann, der um die Trullemaier herum ist, und sie sieht, und ihre Wirthschaft kennt, gar kein Mann, wenn er nicht . . . na, ich sage nur, er ist ein Tirann, ein Wütherich!«

»Ein verstockter Mensch ist er jedenfalls!« sagte Nachbarin Schlurre. »Und daß er sein Lebetag von seiner Mutter ein Herz mit in die Welt bekommen, das lasse ich mir nimmermehr einreden; mit einer solchen Geschichte komme mir Niemand!«

Hätte Poll einige zarte Fühlung besessen, er hätte durch die Hare des vorwärts nach dem Boden gebeugten Kopfes hindurch, die bohrenden Blicke der Sprechenden spüren müssen; jedoch blieb er verstockt und in sich verschlossen, ohne aufzublicken – ein wahrer, unverbesserlicher Sünder!

»Was kostet so ein Weib?« frug die Mogel wieder, indem sie ihre mageren Arme sehr herausfordernd in die Hüften stemmte. »Was kostet so ein Weib einem Manne? – Gar nichts, noch weniger als nichts! Denn so oft sie vom Markte nach Hause kommt, und er rechnet das Eingekaufte zusammen, so erspart er, und er kann das Ersparte allemal in den Kasten legen!« 58

»Verschwenderisch bin ich nicht,« sagte die Trullemaier, »das kann ich, Gottlob, wirklich sagen.«

»Und erspart haben Sie sich auch etwas. Das kann jeder Mensch wissen; denn ehrlich Gut, bleibt ehrlich Gut!«

»Und wenn ein Mann auch nicht mein Geld braucht,« sagte die Trullemaier; »so kann es ihm doch nicht unlieb sein, daß ich es gerade habe, und redlich und fleißig verdient!«

»Genau so ist es!«

»Aber, wenn ich mich ganz äußern soll,« sagte Mogel, »so wüßte ich wirklich nicht einmal einen Mann, der Ihnen verdienen thäte, meine liebe Trullemaier, wirklich keinen Mann nicht!«

»So leicht sicher keiner; und es ist immer etwas Besonderes, etwas Außerordentliches, wenn Sie Einen wählen; sei er wer er sei!« – Poll kam nicht ohne Schlurre'schen Blick davon.

»Wie? Sie nicken den Kopf, meine Gute, meine beste Trullemaier? . . . Vielleicht halten Sie Einen werth? . . . Sie verdienen's nicht, die Mannsbilder, gewiß nicht!«

»Ist es ein Mann?« frug die Schlurre verständigend und zuckte mit den Augenbrauen sehr bedeutungsvoll; denn nirgends ist das weibliche Geschlecht so neugierig und gerne behilflich, als bei Heiratsbeziehungen.

»Wenn Sie so gut, so nachsichtig und so aufopfernd sind, ich sage aufopfernd, wirklich, und nicht anders ist es; – nennen Sie den Mann! Ich wäre neugierig, ihn kennen zu lernen; denn ich wüßte keinen, der's verdiente, keinen nimmer nicht!«

O Poll! wenn Dein Herz nicht von Marbel und undurchdringlichem Privilegiums-Zement gewesen wäre – es hätte etwas hinein müssen in Dein Inneres! 59

»Ist er jung?« frug die Nase.

Madame Trullemaier schüttelte das Haupt und sah nach der Decke, die gegen das splendide Weiß in ihren Augen schrecklich grau erschien.

»Das kann ich mir leicht denken. An so einen jungen Grünling wird sich die Trullemaier nicht wegwerfen Es muß ein gesetzter Mann sein – in seinen besten Jahren.«

»Ist er das?« frug die Dame Mogel und besah Poll, den sie, zu ihrer Zufriedenheit, in seinen Jahren erkannte. –

»Er hat was erfahren in der Welt – sicherlich.« –

Madame Trullemaier seufzte und legte die Hand an's Herz. –

»Ein Witwer ist er wol nicht,« sagte die Mogel, halb errathend.

Leises, verschämtes und verneinendes Kopfschütteln von Seite der Befragten.

»Und weiß er Ihre Verhältnisse? Daß Sie nur ein Kind, einen lieben Jungen haben, der ein beriemter Mann werden wird?«

»Er weiß . . .« hauchte die Betreffende mit einem gepreßten Seufzer.

»Und er kann thun was er will?« frug die andere Dame. »Und braucht Niemanden nicht zu fragen?« –

»Er steht ganz allein?« warf die erste ein. »Und wenn er eine Frau nehmen und sich's anders einrichten will, heut' oder morgen, darf er keine Verwandtschaft fragen, die etwas d'reinzureden hätte?«

»Ach, wenn er nur wollte!« seufzte die Erregte.

»Sie wollten ihm gerne Alles geben, was Sie besitzen?« 60

»Alles . . . vom Herzen . . .« Und die Trullemaier griff sehr erschüttert nach jener Gegend.

»Und kann er eine Frau ernähren?«

»Meine liebe Mogel, wie Sie nur so fragen können! Glauben Sie denn, die Trullemaier ist so eine Sausewindin, daß sie auf dies nicht sähe? Da kennen Sie sie schlecht, meine Gute!«

»Meine Gute,« antwortete die Mogel mit sehr scharfen Blicken nach der Schlurre und etwas schneidender Stimme, »mir lernen Sie das nicht kennen! Ich weiß, was ich weiß, und Unsereins hat Erfahrungen und Menschenkenntniß, mehr als Manche glauben sollte. – Manche, meine Gute!« Und sie führte die Tasse an den Mund, sah aber sehr scharf über den Rand hinüber. – Als sie während dieser Redepause zu bemerken glaubte, daß die Schlurre das Wort nehmen wolle, setzte sie die Tasse rasch wieder nieder und fuhr fort. »Die Trullemaier ist eine kluge, für ihre Jugend merkwürdig erfahrene Frau; aber unsere schwachen Herzen, meine Gute, unsere schwache Herzen, sind manchmal kurios. – Kuriooos! sage ich Ihnen!« wiederholte sie in die Tonleiter hinauf klimmend, und dabei warf sie so energisch den Kopf, daß er vielleicht über das Ziel hinausgekommen wäre, wenn der Mund nicht rasch wieder Stützpunkt an der Theetasse genommen hätte.

Die Schlurre fühlte, daß die Mogel mit ihrem letzten Zusatze wieder in den Ton freundschaftlicher Kapitulation eingelenkt habe, und sie fuhr daher, weniger schneidend, fort. »Doch die Trullemaier, meine Beste, hat ihr Herz am rechten Flecke, das weiß ich, so wie ich weiß . . . das ist eine Tasse!« – Dabei hob sie ihre Tasse, die leer war, ziemlich in die Höhe und nach dem Gesichte der Trullemaier. 61

Diese konnte sehr gut bemerken, daß der Inhalt fehle, und sofort ward er ersetzt.

»Habe ich Recht?« sagte die Schlurre, nachdem sie wiederholt gegen das Eingießen und das »so viel« sich gewehrt hatte – vergebens. – »Habe ich Recht, daß der Mann, den Sie meinen, seine Frau gut zu ernähren im Stande wäre?«

»Jedenfalls,« sagte die Trullemaier.

»Nun, meine beste Mogel, was sagen Sie zu mir?«

»Sie kennen unsere Freundin, und ich kenne sie auch; es war nur so eine Frage; und ich könnte Ihnen Fälle erzählen . . .«

»Wollen Sie Rum?« frug rasch die Trullemaier, die fürchtete, durch reiche Erinnerungen und Lebenserfahrungen ganz von ihrem erwünschten Thema abzukommen. Sie goß daher der Mogel, die sich sofort schwach sträubte, Rum in den Thee.

»Ist es eine ganz neue Bekanntschaft?« frug die Schlurre.

Die Trullemaier verneinte.

»Wir kennen ihn also?« Dabei sah die Mogel nach Poll. –

Die Trullemaier bejahte.

»Aber er thut gar nichts dergleichen. – Wie?«

»Er zeigt es vielleicht nur nicht.«

Madame Trullemaier schwieg und nahm eine Miene an, als würde sie sagen: ihr seid ganz auf der Fährte.

»Aber er hat doch schon wenigstens ein oder das anderemal ein Wort fallen lassen . . . so gewisse Reden . . . nicht? Ich täusche mich gewiß nicht!« sagte die Schlurre siegesgewiß und schlau, wobei es zweifelhaft blieb, ob sie 62 nach Thatsachen urtheile. »Hat er das gethan? Denn wer könnte mit der Trullemaier beisammen sein, nur kurze Zeit, nur sehr kurze Zeit, und gar nichts von Gefühlen merken lassen, wenn sie ihn wirklich in einer christlichen Kirche getauft und nach einem Heiligen im Kalender genannt haben?! O! Nein! O, das rede mir Keiner ein – ohne gewisse Worte ist es sicherlich nicht abgegangen! Ist es? Hat er?«

Die Trullemaier entlud einen Seufzer, wie ein ventilirter Dampfkessel, und hauchte: »O Männer!«

»O Männer!« nahm die Mogel das Wort und klopfte mit ihrem Zeigefingerknöchel so hartnäckig auf den Tisch, als wollte sie innerhalb der Schieblade eingelassen werden und erwarte von da heraus einen Ruf. – »Ich lasse mir es nicht nehmen,« sagte sie dabei sehr kreischend, »er hat sich in Ihrer Begleitung schon gezeigt. – O, der Mogel sagen Sie so etwas nicht! Wenn's auf die Gefühlen ankommt, sehe ich durch dicke Wände, durch dicke Wände, sage ich Ihnen!« Und sie trank mit sehr triumfirender Miene Thee und kaute energisch ein kaltes Bratenstückchen dazu.

Die Trullemaier seufzte wieder: »O Mannsbilder!«

»Wenn er keine Kourage hat,« nahm die Schlurre wieder das Wort, »wenn er selbst nicht reden will, und er kennt uns, so könnte er auch mit Einer von uns sprechen! Denn, ich glaube, bessere Freundinen als wir sind, hat die Trullemaier nimmer nicht. Und wir wissen auch was von der Welt, wir!«

»Er kennt uns?« nahm die Mogel-Nase wieder das Wort.

»Sicherlich!« sagte die Schlurre siegesgewiß.

»Er sieht Sie vielleicht alle Tage . . .«

Die Trullemaier zwinkerte mit den Augen. 63

»Und, soll ich gerade heraus sprechen, so weiß er auch wie Sie wirthschaften, und was Sie kochen können!«

Die Trullemaier nickte mit dem Kopfe.

»Und Sie wollten Ihren schönen Witwenstand aufgeben, wenn er ehrlich mit Ihnen sprechen würde, und sich ein Herz faßte, und Ihnen sagte . . .«

»Oder sagen ließe . . .« warf die Mogel ein.

»Daß er es ehrlich meine?«

Die Trullemaier seufzte sehr stark, sah sehr bitterlich umher, man will sogar leise das Wort »Verräther« gehört haben.

»Aber, meine liebe Schlurre, sehen Sie denn nicht, daß das die Gefühle von unserer Freundin sehr stark angreift?«

»Ach!« seufzte die Trullemaier.

»Und ich sage Ihnen,« sagte mit Stimmaufwand die Mogel, die vernichtend Poll ansah, »er ist ein Ungeheuer, er ist ein Tirann! Und der Erdboden unter ihm sollte eher durchbrechen, als daß er mit der Ruhe eines solchen Herzens Spiel treibe!«

»Männer! Männer!« rief die Schlurre. »Wenn sich Unsereins zu Tode grämt, so machen sie sich nicht so viel d'raus, nicht so viel!« Und sie nahm einen Klumpen Butterbrödchen vom Teller und verschlang sie en passant, zur Beweisführung.

»Weiberherzen brechen, das ist ihnen Zeitvertreib, Spiel. – Mir sollte Einer kommen!« rief die Mogel, die diese Drohung sehr vergeblich ausstieß. – »Aber das muß ein erschrecklicher Bösewicht sein,« setzte sie hinzu, als sähe sie selbst ein, die frühere Drohung gehöre nicht zur Sache. – »Ein schrecklicher . . .« und den »Bösewicht« hauchte sie in die 64 Tasse hinein, die sie ausstürzte, als müsse diese den Ton brüllend wie ein Sprachrohr verstärken.

»Ich möchte ihn kennen!« rief die Schlurre zugleich und ballte die Fäuste nach Poll. »Entweder er macht dem herzzerreißenden Spiel bald ein Ende, oder er ist vor mir nicht sicher!«

»Oh!« rief die Trullemaier, in vollester, wehmüthiger Erregtheit ihrer Gefühle und ergriff fast furchtsam die Hand der Schlurre.

»Nun, ich meine es nicht so arg,« besänftigte die Droherin und nippte zum Beweise wieder an der Tasse; »aber, wenn man eine Freundin, ein so gutes liebes Herz leiden sieht . . . da möchte man lieber gleich . . .«

»Ich weiß aber auch nicht . . . wenn er kein übler Mann ist . . . hübsch gesetzt . . . das ist er? . . . ist's nicht wahr? . . . wenn er nun schon gemerkt hat, daß Sie ihm nicht schlecht wollen . . . Sie haben ihm es doch merken lassen? . . . warum er nicht spricht!?«

»Ja, das meine ich auch,« sagte die Schlurre.

Die Trullemaier wischte die Augen.

»Warum er seinen Mund nicht aufthut und auch ein Wort dazu redet!« riet die Schlurre und schlug mit der Hand auf den Tisch, daß die Tassen und Gläser klirrten und damit Poll sicher erwache, wenn er etwa schlafen und nicht hören sollte.

Poll sprang auf, nicht etwa wie ein Erwachender, sondern ganz gefaßt und sah vorwärts nach der Trullemaier.

»Wollen Sie mich?« rief er und stürzte, nachdem er zu ihr hineilte, zu ihren Füßen, auf seine Knie.

Die beiden Freundinen waren im Begriffe, selig zu werden. 65

Als aber Poll vor der Trullemaier angelangt war, stieß diese einen hellen Schrei aus – drängte ihn mit einer Hand von sich – und fiel ohnmächtig nach der Lehne ihres Sessels zurück.

Die Damen eilten zum Beistande und lüfteten.

Die Schlurre rief: »Das ist nun die Folge von der langen Tirannei! Sie stirbt vor der Kopulation!« – Und sie sah Poll vernichtend an.

Die Mogel rief der Hingeschwundenen, hart vor der Nase: »Da ist er ja – da ist er ja!«

Die Trullemaier schüttelte aber, trotz aller Todesohnmacht, das Haupt und schluchzte fragend: »Wer? Wer? . . . Schwa–a–ach?!«

Die Damen hörten erblassend den Namen.

In der Schlurre erstickte derselbe noch den Ruf »Poll!«

Der Mogel entfuhr er aber dennoch gleichzeitig.

Der Letztgenannte stand langsam auf – bewegte sinnend den Kopf – und ging ruhig zur Thüre hinaus. –



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