August Silberstein
Herkules Schwach. Dritter Band
August Silberstein

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunundsechzigstes Capitel.

Der verlorne Sohn wird gesucht – ein altes Haus und alte Sünder werden gefunden – Verborgenes kommt an's Licht – das Schreckensende alter Sünder.

Herr Hugo Schnepselmann war sehr erstaunt über die Mittheilungen Poll's.

»Was – der Junge ist kein Genie?« fragte Schnepselmann überrascht. Denn mit derselben Heißblütigkeit, mit der er in allem Kleinen das Große gesehen, und mit aller Zuversicht, die er von jeher zu dem Außerordentlichen hegte, wurde von ihm auch Alexius, seiner Zeit, dem edlen Berufe der Roßkünstelei gewidmet.

»Wenn er die Prügel von Krulle bis heute aushielt,« sagte Poll; »so ist der Junge ein Genie in seiner Art.– Er wird gut aussehen!«

»Armer Junge!« sagte Madame Schnepselmann mitleidig, und dachte auch schon an die Wäsche, die sie ihm geben, und wie sie ihn verpflegen wolle.

Schnepselmann dachte: abermals eine Enttäuschung! Er schrieb Alexius' Geschick auf jene schwarze Tafel seiner Vergangenheit, auf der er schon alles Hingehörige verzeichnet hatte.

»Es hat ihm gar nichts geschadet!« sagte Poll. »Wenn er nur endlich zur Vernunft gekommen und wenn sein runder Gehirnkasten kein Zirkus geblieben ist. Jetzt ist er vom Roß auf den Hund gekommen, das wird ihm wohl thun. 202 Er wird endlich die natürlichen Menschen doch lieber haben, als das liebe künstliche Vieh!«

»Und wo denken Sie ihn zu finden?« fragte Schnepselmann getrösteter, indem er einsah, daß er hier zuletzt dennoch mittelbar etwas Gutes erzweckt haben konnte.

»In der Herberge, wo die verehrte Vagabundenschaft und alles streichende Gesindel sich niederläßt, dort wird auch der junge Bruder Studio zu finden sein!«

»In Vagabundenherbergen? Auch solche gibt es? – Ich habe eben nichts zu thun. Wenn Sie wollen, will ich mit Ihnen zugleich suchen gehen, und wir werden den Jungen dann ordentlich und sicher hierherbringen!«

»Ja, gehe,« sagte die Frau. »Hugo, der Junge, hatte doch kein schlechtes Gemüth; es war bei ihm Alles nur Schelmerei und kindische Ausgelassenheit. Helfe ihn aufsuchen, und bringe ihn nur hierher, ich will ihn schon pflegen.«

Schnepselmann und Poll gingen. Ersterer Herr erfuhr von seinem Begleiter, dem ehemaligen Kaninchentheater-Direktor, manchen interessanten Aufschluß über das Herumzieher-Leben.

Poll sah in der Dunkelheit stets um sich, ob er nicht von Wirthshaus zu Wirthshaus streichende Gimnastiker, oder Künstler ähnlichen Kalibers sehe, und etwa Alexi mitten unter ihnen zu entdecken. Vielleicht war von ihnen Auskunft über den Kunstreiter ohne Roß und ohne Kunst zu erhalten.

Es war bereits vollkommen Abend. Die Straßenlaternen brannten, der Nebel hing dicht und schwer hernieder, das Licht der Laternen drängte sich durch und war von einem Hof umgeben. Die Gestalten in der Nacht und der 203 sonderbaren Beleuchtung erhielten dadurch jenen eigenthümlichen Anschein, der sich weder durch Farbe, noch durch Worte wiedergeben läßt.

Poll und Schnepselmann gingen vorwärts, mit dem steten Umsehen. Zuweilen blieben sie vor dem Fenster oder der Thüre eines Vorstadtwirthshauses stehen und sahen durch die Scheiben, in den Qualm der Gaststuben, um vielleicht einige Beine und Kugeln in der Luft, oder geschminkte Köpfe mit Pappreifen wahrzunehmen.

Wenn dies hie und da wirklich der Fall war, so gehörten die Beine nicht Alexius und der Pappreif keinem Trullemaier. Auch wußten die befragten Künstler zufällig von keinem geehrten Kollegen angegebenen Namens.

Poll lenkte nun seine und Schnepselmann's Schritte in die Gassen und Gässchen, in jene schmutzigen Passagen, welche zu Adam's Haus und Herberge führten.

In den Wegen, die sie passirten, war es doppelt so neblig, doppelt so finster und laternearm, als anderswo. Schnepselmann sah eine Umgebung, in die er, als Stadtbewohner, trotz so vieler Jahre, nie gekommen war.

Mit einer Art von Bangen gewahrte er die nicht ganz deutlichen Umrisse der elenden Häuser und Hausthore.

»Da ist es!« sagte Poll und zeigte auf eine Baracke, die ganz in der Nähe war, und über die, so wie deren Eigenthümer, er Herrn Schnepselmann bereits erstaunende Aufschlüsse gegeben haben mußte.

»Mir ist so sonderbar,« sagte Schnepselmann, »als ginge ich an einen verbotenen Ort, und mein Herz pocht, als hätte ich ein Großes, Gutes oder Schlimmes hier zu erwarten. Was Menschen doch für sonderbare Handtirungen 204 und Schlupfwinkel haben! Hätte in meinem Leben nicht daran gedacht!«

Poll schlug nicht an das Thor, um Einlaß zu verlangen. Er wollte Alexi, wenn derselbe hier wäre, überraschen und unvermuthet, mit dessen ehemaligem Gebieter, vor ihm erscheinen. Die Reue, die Schande, sollten den Jungen überwältigen.

»Wenn man zuvor pocht, verbirgt sich Mancher, aus Furcht, die Polizei komme. Vielleicht können wir, ohne daß er es im Geringsten ahnt, dem Burschen vor die Augen treten,« sagte Poll und lugte an dem Thore herum, ob es noch das alte, von ihm wohlgekannte, wäre. Das Thor war dasselbe, nur war es morscher, gebrechlicher geworden, als es die lange Zeit vorher gewesen, seit der er es nimmer gesehen.

»Da muß der Riegel des Pförtchens sein,« sagte Poll, und preßte sein Auge an einen Bretterspalt. – »Hoh, da droben ist ein Loch, an der Seite eines morschen Brettes. Da lange ich gut zum Riegel hindurch.« Er stieg auf eine Querleiste, langte richtig seinen Arm durch und schob von innen den Riegel auf.

Schnepselmann ging zitternd mit Poll in den Hofraum des unheimlichen Ortes.

Dort nahm Poll Herrn Schnepselmann an der Hand und zog ihn, über den finstern Hof und die morastige Umgebung eines Ziehbrunnens, nach der elenden Scheune, die nun noch elender als früher war.

Schnepselmann folgte höchst beklemmt und lugte dann, mit Poll, durch die Spalten der Bretterthüre.

Die elende Laterne brannte wie einstmals, es war noch nicht die Zeit des Auslöschens, und die sonderbaren 205 Gestalten lagen an der Wand, in der eigenthümlichsten Beleuchtung und der erbarmungswürdigsten Art.

»Ich sehe ihn von da nicht,« sagte Poll. »Vielleicht ist er doch d'rin, treten wir ein.«

»Haben wir nichts zu fürchten?«

»Zu fürchten? Nicht das Geringste. Die Leute glauben wahrscheinlich, wir seien von der Polizei, und legen die Köpfe so demüthig als möglich.«

Wie Poll gesagt, so war es. Er machte mit Schnepselmann die Runde an den Strohlagern, und die Bewohner rührten sich nicht. Ja, Mancher, der nicht schlief, that mit bebendem Herzen, als ob es der Fall wäre.

Schnepselmann, selbst bebend im Innern, suchte sich den selbstbewußtesten Anschein zu geben.

Ein Weib mit einem Wickelkinde, das sie fest an den magern Busen drückte, war wach und die Einzige, die ihr Wachen zu zeigen wagte. Sie war eine Taglöhnerin und mußte ihres Passes und ihrer Redlichkeit sicher sein.

»Ist nicht ein Bursche im Hause,« fragte Poll, »der bei Kunstreitern war, und dieser Tage zugewandert ist?«

»Der magere Junge mit den vielen blauen Flecken und Striemen?«

»Ja!« sagte Poll rasch.

»Wo ist er denn? Liegt er nicht dort oben im Winkel?« sagte das Weib. »Er hat lange mein Kind getragen, und ich hab ihm ein Stück Brod dafür gegeben; denn er hat nichts zu essen. Hätt's ihm auch ohnedies gegeben,« sagte das arme Weib gesprächig, »es ist gar ein armer Junge und weiß sich nicht zu helfen. Liegt er nicht dort?«

»Nein.« 206

»So muß er draußen im Hofe sein; ich war ein Bischen eingenickt, und indeß wird er wol hinaus sein.«

Poll entnahm freudig aus dem Gesagten, daß Alexius gegenwärtig sein müsse, und er zog Schnepselmann wieder hinaus.

»Der Junge hat wol auch mit der Polizei zu thun,« sagte sich das Weib, und dachte an Taschendiebstahl und derlei; legte aber sich und ihren Säugling auf dem Stroh wieder zurecht, mit einer Art Gewohnheit an Polizei und Arretirungen um sie her.

Und sie war schuldlos, wie ihr Kind – aber arm!

Poll flüsterte, im Hofe, Herrn Schnepselmann seine Freude über das Auffinden zu, und harrte, in die Finsterniß vor sich forschend, auf den erhofften Ankömmling.

Alexius ließ länger warten, als es zu vermuthen war. Poll strich endlich hin und her im Hofe, ob er ihn nicht bemerke.

Die Thüre, die in den vorderen Theil des Hauses führte, stand, wider Erwarten und Gewohnheit Poll's, von früher, halb offen.

»Ist er vielleicht dort bei dem Alten? Das wäre sonderbar!«

Poll wollte eben in die Thüre lugen, da kam ein lang aufgeschossener Junge aus derselben heraus.

An der Scheune ging zu gleicher Zeit die Thüre auf, und das Taglöhnerweib, mit der Laterne in der Hand, zeigte sich in derselben. Wahrscheinlich war sie von den Andern, als die einzig Sichere, angeeifert nachzusehen, ob der Junge vorhanden oder von der Polizei mitgenommen sei. Sie hielt ober ihrem Kopfe die Laterne und lugte in die Dunkelheit hinaus, vor sich. 207

Das Licht fiel auf Alexi und die Beiden, die ihn suchten.

Alexi war lang, hager aufgeschossen, und er bot einen erbärmlichen, zerlumpten Anblick.

Er war eben aus der Thüre getreten und lugte um sich, als forsche er verstohlen nach Jemandem.

Da fiel der Schein der Laterne hervor.

Alexi erkannte Poll und seinen gewesenen Herrn. – Er zitterte einen Augenblick, wie ein Verbrecher mit bösem Gewissen. Dann aber, statt allen Sprechens, knickten seine spitzen Gelenke ein wenig ein, und er faltete die Hände, wie ein Junge, der, Strafe erwartend, um Verzeihung bittet.

Das Weib mit der Laterne verschwand rasch, sie sah Alexi vor den Beiden zittern und bitten. »Die Polizei hat ihn schon!« dachte sie – und gab wahrscheinlich drinnen die gleiche Auskunft.

Alle Drei blieben nun im finstern Hofe.

Anstatt aber eine lange Klage und Bitte hören zu lassen, faßte Alexi sich sogleich wieder, und flüsterte, obwol mit weinerlichem Tone: »Pst, ich bitte, seien Sie stille, da d'rin sind Zwei, den Adam und den Tiger heißen sie die Beiden, ich bitte, hören Sie da zu – seien Sie nur stille – das ist merkwürdig!«

»Was?« fragte Poll lange und gedehnt, da ihn dieser plötzliche Wechsel überraschte.

»Gehen Sie nur hin,« flüsterte Alexi, »aber stille.– Hören Sie? – Ich stehe schon lange und gucke durch's Schlüsselloch und eine Spalte in der Thüre – es geht nicht richtig zu – stille – hören Sie!« 208

Schnepselmann bebte bei dieser Heimlichkeit. Poll faßte aber mehr Muth, er kannte Adam und den Tiger, und er ging leise vorwärts in die Thüre.

Alexi war, Abends, aus Langeweile herumstreichend, auch an die Wohnungsthüre Adam's gekommen. Da diese nicht fest zu war, und er des Tigers röchelnde Stimme ein Lied brüllen hörte, so öffnete er die Thüre, schlich in die Küche – aus alter Neugier, die von jeher überall hingucken gemußt – und von da an die Zimmerthüre, deren Schlüsselloch, heimliches Lugen gestattend, von innen heraus roth beleuchtet war.

Dort befand sich Alexi bereits eine geraume Weile horchend, und er war eben im Begriffe, zu der interessanten Szene einen Zweiten zu holen, als Poll und Schnepselmann anlangten.

»Gehen Sie nur hin,« flüsterte Alexi nochmals, dringend, und ging leise in die finstere Küche voran. Schnepselmann schlich ihm eben so vorsichtig, als bebend nach.

Im Augenblicke war Alexis' Lage ganz vergessen. Der rasche Szenenwechsel nahm den Geist der Ankömmlinge in Anspruch. Was mußte da zu sehen und zu hören sein, wenn Alexi im Augenblicke Alles vergessen und sie nur zur Thüre drängen wollte?

Poll hielt sein Auge an das Schlüsselloch, und Schnepselmann preßte sein Gesicht an die Thürspalte. Alexi horchte nur im Dunkeln mit dem Ohre hin.

Adam's Stube war ein niedriges, räucheriges Gemach, zur Noth mit alten Möbeln eingerichtet. Von der niedrigen braungelben Balkendecke hingen allerlei Lumpen und Viktualien der gemeinsten Sorte, Knoblauch und Zwiebel, wie sie dem stumpfen Geschmacke thierischer Leute nie fehlen und sie 209 dieselben gewöhnlich in die Löcher zwischen Balken und Bretter drängen. Links in dem obern Ende des Zimmers, im Fensterwinkel, stand schauerlich grinsend, ein vollständig aufgerichtetes Gerippe, und auf dem Tische lagen, in Unordnung durcheinander, weiße Knochen und Todtenschädel, die von dem Geschäftsmanne wahrscheinlich erst kürzlich gebleicht worden sein mußten. – Auf verschiedenen Möbelstücken, auf den Fensterbrettern standen umfangreiche Gläser mit Spiritus gefüllt, in denen Theile menschlichen Eingeweides, Mißgeburten und ähnliche Wunder, als sonderbare, wirre, grausige Knäuel schwammen. Rechts, an dem untern Winkel der Stube, schräg der Thür gegenüber, trat ein alter, umfangreicher, viereckiger Thon-Ofen mit grünen Platten plump aus der Wand hervor, und an dessen Seite stand ein alter Rohrsessel mit hoher Rückenlehne, auf dem Adam eben saß.

Adam war bekleidet mit seinen schwarzen Kniebeinkleidern und den Strümpfen gleicher Farbe. Das schwarze Sammtkäppchen saß auf seinem grauen, borstigen Kopfe; aber Rock und Halstuch fehlten. Wie ein Mann, der eben zu Hause ist, saß er in Hemdärmeln, und die schwarze Weste hing geöffnet, lose um seinen Leib. Unter seinem Stuhle, wie unter einem Baldachine, stand eine mächtige Branntweinflasche, und ein halbgefülltes Glas hielt er in der Hand. Sein thierisches Gesicht, mit den kleinen, stechenden Augen, glühte mehr als sonst; er mußte das Glas schon mehrmals geleert haben.

Ihm gegenüber befand sich der Tiger. Dieser stand nicht, saß auf keinem Stuhle, sondern auf der Erde saß er, mit aufgerichtetem Leibe und vor sich ausgestreckten Beinen. Zwischen ihm und Adam, an der Wand, nahe dem Ofen, stand ein kleines, brüchiges Handkästchen, und darauf war 210 die rothleuchtende, unsicher flackernde, bald aufzuckende und bald dämmernde Oellampe postirt. Sie warf ihren matten und bald grellen Schein auf die Wände des düstern Zimmers, und gab den unheimlichen Gegenständen rings umher einen noch unheimlichern, zurückschreckendern Anblick. In die Gesichter der beiden sich gegenüber Befindenden leuchtete sie zuerst, und doppelt erschrecklich war der Tiger anzusehen, den sie von oben mit ihrem rothen Schein beleuchtete und dessen Schatten sich, neben ihm, schwarz auf dem Boden zeichnete.

Er war blos mit Beinkleidern und elendem, plumpen Schuhwerk bekleidet. Den Oberkörper umfing ein schmutziges Hemd, das auf der Brust offen gelassen war, und durch das sich die harige, schlappe Brust drängte. Die Aermel des Hemdes waren halb aufgeschürzt, halb in Fetzen und voll Löcher. Er hob ein Glas in der rechten Hand, und wie er es hob, flogen die Lappen des zerrissenen und durchlöcherten Hemdärmels um seinen sehnigen, schmutzigen Arm. Sein Gesicht war aufgedunsen, schwammig, seine Augen glotzten und stierten noch mehr als sonst aus den Höhlen heraus, wie Halbkugeln, seinen dicken, aufgedunsenen Kopf umhingen die wirren, zottigen, halbgrauen Hare.

Schnepselmann zitterte fast, sein Herz pochte gewaltig bei dem unheimlichen Anblicke. Auch Poll war nicht unbewegt, obwol ihm Personen und Dinge nicht ganz neu waren. Er hatte sie aber seit lange nicht mehr gesehen – und der Anblick mußte Jeden ergreifen.

»Ich gehe meinen Schlendrian
Und trinke meinen Schnaps!«

brüllte der Tiger, der schon vorhin durch die Thüre mit seiner röchelnden Stimme hörbar war. Dabei schleuderte er 211 wild den nackten, fetzenumhangenen Arm zur Höhe und schwenkte das Glas in seiner Hand.

»Klaus, willst Du noch nicht still sein! Verdammter Hund! Höre doch!« knirschte Adam und unterbrach damit das Lied. Er ballte dabei die Faust gegen den auf dem Boden Sitzenden.

Dieser aber schwang neuerdings sein Glas und brüllte trotzdem weiter, wenn auch wieder eine andere Melodie.

»Höre doch!« sagte Adam sanfter, als er merkte, er richte mit seinem Grimme nichts aus. »Geh' doch zur Ruhe, morgen kriegst Du mehr!«

»Ei was, morgen! Schnaps, Schnaps! Morgen können sie uns Beide in's Loch stecken, oder ich verende. – Schnaps, Schnaps! – Trink zu, Bruder, stoß an, sauf aus!«

Adam kniff die schmalen Lippen zusammen; die schiefen, funkelnden Augen hinter den spitzen Backenknochen schleuderten einen stechenden Blick auf die Gestalt am Boden, und seine Finger klammerten krampfhaft das Glas in der Hand, als ob er es ihr in's Gesicht schlagen wollte.

»Schweig, streck Dich nieder, Hund! In die Scheune kommst Du mir heute nicht – Du verdammtes, versoffenes Mühlrad von einem Maul Du! – Streck Dich nieder!«

»Hahaha!« kreischte und röchelte wild lachend der Tiger auf. »Besser da, als in der Feste, mit Ketten, oder auf dem Galgen! – Sauf Bruder, sauf, es geht mir wie Dir!«

»Und mußt Du denn so brüllen?«

»Bin ich nicht Dein Tiger? Hahaha! Ein Tiger muß brüllen! Für was habe ich mit Dir die Särge durchwühlt? Stoß an!« Und er warf so wild und ungestüm seine Hand mit dem Glase zur Höhe, nach Adam's Glas, daß dieser, trotz seinem Grimme, anzustoßen sich gezwungen sah. 212

»Alter Knochen!« röchelte scherzend der Tiger, »glaubst Du, es geht ewig so fort? Du wirst mit Deinen Thalern und Deiner Flasche begraben? Ausgesoffen, ausgesoffen Alles!« Und er stürzte wieder einen erschrecklich starken Guß Branntwein in die Kehle.

»Morgen ist ja wieder ein Tag!«

»Was morgen! Morgen Du und der Teufel! Steigt Dir das vorige Verhör und die neue Vorladung zu Gericht nicht in den Schädel? Sie sind endlich fest hinter uns her. Der zerbrochene Axtstiel, den wir damals im Kirchhof gelassen, in Eile über den alten, schlagbrüchigen Kerl; der gebrochene Axtstiel, den sie neuerdings vorgesucht, bricht uns zuletzt doch noch den Hals. Haha! Und wenn auf den Galgen – nicht nüchtern!« Und er stürzte den großen Rest des Glases hinab.

»Schweig, schweig! Wenn sie Dich im Rausche verhören, ist Alles verloren! – Hast Du keinen Respekt mehr vor mir?«

»Vor Dir?« brüllte und hohnlachte der Tiger. »Warum? – Jetzt, Kerl, geht's zu Ende. Bist Du mehr als ich?«

»Ich schlage Dir das Hirn ein!« Und Adam zuckte die Hand wild mit dem Glase zur Höhe. Er hatte selbst getrunken, um seine ängstigenden Ideen niederzuhalten.

»Schlag' zu! Ich zerreiß' Dich mit den Zähnen, wenn Du Dich rührst! – Respekt, warum? Weil Du Korporal warst und ich Gemeiner bei der Kompagnie? – Stille, oder . . .!« brüllte wild der Tiger.

»Habe ich Dich nicht genährt und Dir Verdienst gegeben?« 213

»Du mein Herr? Wenn ich lange genug ein dummes Thier gewesen für Dein Gesöffe, so geht das nicht ewig so fort! Ah, stoß mit mir an, Du Herr Du!«– Der Tiger reckte wild das Glas vor, Adam nahm, zähneknirschend und gleichsam Pfeile blickend, die große Flasche hinter dem Stuhle hervor und schenkte neuerdings ein.

»Mit Dir!« brüllte der Tiger und schlug sein Glas an das Adam's, daß es klirrte. Adam goß, aus Zorn, ebenfalls einen tüchtigen Schluck hinunter.

»Habe ich Dir nicht, die ganze Zeit über, Verdienst gegeben, seit wir vom Militär weg sind, unter der Bedingung, daß Du mich als Herrn behandelst und mir gehorchst?« sagte Adam, etwas gelassener, seinen Grimm hinabwürgend.

»Gehorche Deinem filzigen Schädel immer, wer mag! Ich habe von Dir nie was bekommen, wenn ich nicht recht aufgetrumpft. – Haha, Brüderchen, ich bin auch Herr, wie Du! Du bist nicht mehr! Nur wie ich will!«

»Du willst nicht mehr?«

»Ich will, so, stoß an! Haha, stoß an!« Und der Tiger wankte mit dem Oberkörper hin und her, Adam's Glas mit dem seinen anzustoßen suchend.

Adam sprang vom Sessel auf. »Ich zertrete Dich, wenn Du nicht Ruhe gibst!«

»Trete zu, Jochert! Trete!« rief der Tiger und stützte, indem er sich höhnend und herausfordernd nach rücklings auf den Boden lehnte, den schweren Leib auf einem Arm.

Adam ballte die Fäuste und streckte den Fuß aus. Den Zusehern pochte das Herz. – – Ein Tritt mit den schweren Schuhen – und das Gehirn müßte in Trümmer gehen! – Aber Adam stellte den Fuß nieder und ging wieder zurück. 214

»So brenn' Dir Deinen Höllenmagen endlich ganz durch, daß ich Ruhe habe!« grollte er in alter Weise.

»Ruhe? Hättest mich gern zur Ruhe! Ja, wenn Du einen Andern gewußt hättest, oder ich nicht so vorsichtig gewesen wäre! Haha, ein Bischen Gift in den Schnaps, das gibt Ruhe! Aber, Wolf Jochert, ich hab mich immer, ich hab mich immer in die Nähe des Spitalhofes gelegt, wenn ich Unrath verspürte. Haha, die Anatomie macht Angst!«

Poll und Schnepselmann zuckten bei dem Namen Wolf Jochert zusammen und preßten nur noch fester, mit bangen, zitternden Herzen, die Stirnen an die Oeffnungen.

»Und wenn ich jetzt Unrath verspüre, so brülle ich, wie ein rechter Tiger, daß alle Nachbarschaft zusammen läuft; und sie hängen Dich endlich doch!«

»Schweig', schweig'!« rief Adam, nachdem er bei dem Worte »hängen« sichtbar gezuckt hatte. »Sauf, aber gebe Ruhe!« – Und Adam war daran, das Glas neuerdings vollzuschenken. Plötzlich zog er jedoch die Hand mit der Flasche zurück. »Kerl, was wirst Du morgen schwätzen, wenn Du so voll bist?«

»Bin ich nicht immer so?«

»Heute bist Du noch mehr betrunken! Es ist genug!«

»Gib her!« brüllte der Tiger auf und streckte wild den Oberkörper zur Höhe.

»Genug!«

»Gib her!« Und der Tiger richtete sich wankend auf. »Trau' mir nicht! Mich bringst Du nicht zur Ruhe, wie Deinen Lieutenant!«

Adam zuckte bei diesen Worten neuerdings zusammen und stand einen Augenblick bebend. 215

»Ha, ich bin in Todesangst, und Du gönnst mir nicht einmal die Flasche!« rief der Erste voll Wuth weiter.

»Sei nur vernünftig!« bat Adam zähneknirschend, als er wieder Worte gefunden.

»Vernünftig! Mit Deiner Katzenvernunft! – Wenn ich mich auf's Stroh strecke und knurre – das ist Vernunft bei Dir! Gib her!« Er riß ihm die Flasche weg, goß, rechts und links daneben schüttend, das Glas voll und trank wieder. Adam nahm die Flasche und setzte sie auf den Stuhl.

»Das ist Vernunft!« brüllte der Tiger, nach einem tüchtigen Guß, und schmatzte. »Scharre Du zu; ich habe nimmer lange zu leben! Scharre zu, aber mir gebe! – Ich habe so gut Theil an des Lieutenants Geld als Du!«

»Schweig! schweig!« knirschte Adam und wollte ihm die Hand vor den Mund bringen.

»Rührst Du mich an,« brüllte, vor Furcht zurücktaumelnd, der Tiger, »so geht's ans Leben und Tod! – Willst Du mich umbringen, wie Du den Lieutenant umgebracht hast?«

»Klaus, Klaus, Du schwätzest noch Alles aus!« gurgelte und röchelte Adam, worauf er, aus eigener Verzweiflung, ein Glas Branntwein hinabstürzte.

Poll und Schnepselmann tappten im Dunkeln mit den Händen nach einander, um sich aufmerksam zu machen.

»Wenn ich einmal an den Strang muß, so mußt Du vor mir! Die Gräber und der Lieutenant, das ist Eines und Dasselbe!« – Der Tiger ließ sich abermals auf den Boden fallen, halb gezwungen, halb freiwillig, und setzte sich wankend wieder daselbst auf. 216

Klaus, schweig! – Beim Teufel, ich trete Dich nieder und mache dann mir selbst ein Ende!«

»Mache mit Dir ein Ende; aber von Deiner Hand und Deinem Fuß will ich nicht sterben! – Ich bin nicht der Lieutenant und von mir kannst Du nichts bekommen!«

»Was geht Dich jetzt die alte Geschichte an. – Was willst Du jetzt damit?«

»Fünf und dreißig Jahre! Hahaha! Schöne Zeit, viel Schnaps versoffen! Aber jetzt wollen sie uns doch die Kehle schnüren!«

»Sie werden nicht! – Schweig, oder ich erwürge Dich!«

»Würg', Hund!« rief der Tiger grimmig und schleuderte das Glas nach Adam, daß es, an ihm knapp vorüber, an die Wand flog und in hundert Scherben klirrend von dort zurückprallte.

Adam bebte am ganzen Körper. Er hatte den Tiger schon wild gesehen und manchmal Aehnliches mit ihm erlebt; aber so war er nie! – Adam fühlte sein verbrecherisches Leben in Gefahr. – Er stand einen Augenblick zitternd, dann ging er, mit gebogenen Knien, zur Seite, holte ein neues Glas, schenkte es voll, reichte es dem am Boden Sitzenden und nahm wieder auf dem Lehnstuhle Platz.

»Stoß an, ich trinke ja; geh' Bruder!« sagte Adam, nun möglichst milde, und hielt sein eigen Glas hin.

Der Tiger grinste. »Haha! siehst Du, wie Du kirre bist! Haha! Gerade so kirre, wie Du Lieutenant Warburg von rücklings in den Abgrund gestoßen hattest! – Haha, gerade so wie damals! Es ist fünf und dreißig Jahre. Wolf Jochert, ich sehe Dich wie damals; – warst ein feiner Kerl!«

»Trink, trink!« 217

»Du auch mit mir! – So stoß an! – Bist ein braver Junge! Haha, das Wasser im Abgrund macht Dich trinken!« hohnlächelte der Tiger. »Ich sehe Dich wie damals – das hast Du nicht gewußt, daß ich gerade hinter der Felsbiegung hervorkommen und sehen werde. Ich auch nicht!« – Er trank.

»Nimm 'mal Dein schwarzes Käppchen ab,« röchelte boshaft spaßend der Tiger weiter, »und laß mich den Säbelhieb sehen! – Ich will ihn sehen, hab ihn schon lange nicht gesehen, und habe doch gesagt, ich hätte Dir ihn gemacht! – Wie Du ehrbar aussiehst mit dem Käppchen, haha! – Ich sagte damals, wir hätten gebalgt. – Haha, war das Alles nicht schön?«

Adam setzte fast unwillkührlich sein Käppchen auf dem Kopfe fester.

»Waren wir nicht seit der Zeit beisammen,« sagte er, kleinlaut schmeichelnd; »und haben wir nicht treu aneinander gehalten?«

»Treu? Verteufeltes Lügenmaul! Wenn Du das Geld verscharrst und mir nicht genug Branntwein gibst, ist das treu?«

»Ich gebe Dir ja, Bruder, trink, trink!« sagte Adam ganz demüthig und dachte: vielleicht sauft er so, daß er tagelang röchelnd, ohne Bewußtsein liegt, und es kann noch besser gehen.

»Trink Du auch Brüderchen!« höhnte wankend der Tiger. »Mich allein machst Du nicht stumm, wenn Du's nicht selbst mit bist!«

Trotz allen Trinkens hatte der Tiger, der nie ohne einen Grad von Trunkenheit war, doch einen gewissen Rest 218 von Vernunft. Der Rausch eines Andern war erst die Gewohnheitsstufe, von der er ausging.

»Und geht die ganze Welt in Trümmer!« brüllte der Tiger, sein Glas hebend und das Lied anstimmend. Dann brach er wieder ab. »Mich allein machst Du nicht besinnungslos! – Ich verende auch nicht vom Schnaps – haha, mich beerbst Du nicht!«

»Ich will ja nicht!«

»Du willst nicht! Kerl! Lüge!« Der Tiger hob sein Glas, als wolle er es wieder nach Adam schleudern. – »Du willst die ganze Welt beerben!« Katharina Schwach, Katharina Schwach!« schrie der Tiger. – »Ich bin kein Mädchen!«

»Schweig!« knirschte Adam.

»Ich bin kein Mädchen und heimlich verliebt mit dem Lieutenant.«

»Schweig!« knirschte Adam, mit noch gesteigertem grimmig-bösem Nachdrucke.

»Ich habe kein Kind vor den Eltern zu verheimlichen.«

»Schweigst Du noch nicht?«

»Ich lasse mir keine Schriften über mein Vermögen aufdringen!«

»Schweig, Klaus schweig, oder!« – Adam warf, vom Branntwein selbst erhitzt, sein Glas zur Erde, daß es in Scherben ging, und ballte die Fäuste in Wuth.

»Ich drohe Dir auch nicht, wie Du Kath'rinchen, auf sie die Schuld des Mordes zu schieben. Mich willst Du auch nicht heiraten wie Kath'rinchen!«

»Klaus!« kreischte Adam, fast erstickend in Wuth und streckte, vorgehend, seine Hände gegen den Tiger!

»Ha, willst Du eine Schrift von mir, daß Du mich 219 beerbst – wie von ihr? Hoho, Der Prozeß ist nicht gewonnen! Sie sollen mich hängen! Sie sollen! – Aber herab Dein schwarzes Käppchen, daß sie den Säbelhieb kennen und Dich auch! – Herab! Mir den Tod, aber Dir auch!« Und der Tiger schleuderte das Glas nach Adam's Kopf und dessen Gesicht.

Adam, getroffen von dem schweren Wurfe, konnte endlich seine Wuth und Verzweiflung nicht mehr verhalten. Er stürzte über seinen Gesellen und würgte ihn. Dieser, trotz aller Trunkenheit, raffte sich zusammen und packte Adam krampfhaft. – Sie wälzten sich wie ein Knäuel auf dem Boden. Sie stießen an dem morschen Kästchen an, auf dem das Licht stand. Das Licht fiel auf den Boden und brannte fort. Die Flamme ergriff den verspritzten Branntwein – die Beiden wälzten, sich würgend, in den blauen Flammen.

»Feuer! Feuer!«

Adam schnellte entsetzt, loslassend, seinen Körper zurück wie ein Wurm, und suchte seine brennenden Kleiderlappen im Wälzen zu löschen. – Der durch die Erschütterung nunmehr ganz seiner Sinne unmächtige Tiger, wälzte sich, im wirren Rettungstriebe, noch mehr in die Flammen hinein – ein entsetzlicher, markdurchdringender Schrei – der Athem des durch und durch Verfuselten hatte endlich auch Feuer gefangen. Eine Flammensäule schlug über ihm zusammen, er brannte ganz!» –

Poll und Schnepselmann stießen die Thüre auf. – Adam brannte noch an den Kleidern – er stürzte sich neuerdings zu Boden und wollte im Wälzen den Brand löschen – er wälzte sich in den Winkel wo das Gerippe stand – dies fiel auf ihn, gerade in seine Arme, als er auf dem 220 Rücken lag. – »Der Lieutenant, der Lieutenant!« schrie Adam auf, und blieb starr, zuckend, fast verendend auf der Stelle liegen.

Die Leute aus der Scheune eilten herbei.

Alexi hatte das Licht sogleich beim Eintreten vom Boden aufgegriffen und hielt es nun, bebend, angstentsetzt, vor sich.

Rettungsversuche konnten da wenig, theils gar nicht gemacht werden.

Schnepselmann stand bald, mitten der Herbeigeeilten aus der Herberge, an dem brodelnden, von Flämmchen überzuckten, entsetzlichen Klumpen – der ein Mensch gewesen! Entsetzensrufe durchschauerten die widerliche Luft.

Poll war zu Adam geeilt, um dessen Kleider zu löschen. Sie rauchten nun nur mehr.

Unter Brandwunden ächzend, mit kahlem Schädel, der von vorne nach hinten einen tiefen Säbelhieb zeigte, lag der schwerbelastete Verbrecher Adam, welcher fünf und dreißig Jahre lang seine ruchlosen Thaten verborgen hatte, zu Boden und ächzte und wand sich.

Von dem grinsenden Gerippe glaubte er sich festgehalten und schrie auf: »Warburg! der Lieutenant!«

Wolf Jochert war der Mann, der Schwach's rechtmäßige Geburt, dessen Namen Herkules Schwach, gerichtlich angegriffen und Papiere auf das Erbrecht an Katharina Schwach, mit Hülfe Ziesewitz's, vorgebracht hatte.

Wolf Jochert war es, der den Namen Adam angenommen, um nicht die Blicke der Leute, die ihn früher gekannt, auf sich zu ziehen. – Wolf Jochert war es, der herzlos die Dienste der Anatomie freiwillig übernommen hatte und Meister Urian geheißen wurde. – Wolf Jochert 221 war es, der Katharina Schwach ein ganzes Leben lang in Angst gehalten. – Wolf Jochert war es, der dieser Bedauernswerthen, welcher er aus Gier schon die Jugend vergiftet, auch noch das ganze Leben verbittert hatte; denn die arme geängstigte Frau, ursprünglich schüchtern und zart im Gemüthe, scheute den Skandal der Gerichte und fürchtete zudem die endlose Bosheit ihres Verfolgers. – Wolf Jochert war es, der sie Armuth heucheln gemacht, weil er Papiere von ihr zu günstiger Stunde in die Hände bekommen, Papiere, mit denen der herzlos Drohende doch nie wagte, ihr im Leben gerichtlich gegenüber zu treten. – Wolf Jochert war es, der gut gewußt, daß jenes Kind der so jammervoll geendeten Jugendliebe Katharina's mit dem Lieutenant Warburg noch im ersten Jahre begraben wurde. – Wolf Jochert war es, der nur durch Schnepselmann's allgemeinen Allarm und dessen abenteuerliche Zuversicht auf ein Geheimniß, das bei der Geburt Schwach's durchaus nicht vorhanden war, die Frechheit gewonnen, in neu aufgestachelter Gier, den armen, unschuldigen Schwach als untergeschoben, erbunfähig zu erklären und ihm das rechtmäßige Erbe entreißen zu wollen. – Wolf Jochert war es, der nun mit Brandwunden, das Gerippe im Arme, zu Boden lag, und sich krümmend unter dem Knochenmanne, vom todten, gemordeten Lieutenant sich erfaßt glaubte. – Wolf Jochert war es, der dem Gerichte verdächtig geworden, endlich morgen durch Poll und Schnepselmann, als endgiltige, beschworene Zeugen – und durch Alexius, als über zwölf Jahre alt, bezüglich giltig – überwiesen werden sollte: des Mordes, der Grabschändung und Ausübung von Gewaltthaten, Erpressungen durch Androhung der entsetzlichsten Beschuldigungen. – Wolf Jochert war es, den die Gerechtigkeit des 222 Schicksales, wenn auch nach langer Zeit, doch noch auf Erden erreichte!

Wie die Bewohner der Scheune so standen und auf das seltsam Ergreifende glotzten, in der Nacht, zerlumpt, halb nackt, mit wirren Haren, entsetzten Gesichtern – waren sie selbst ein Gegenstand des Entsetzens.

Das Licht stand auf dem Tische, mitten unter den Todtenschädeln und Knochen, und beleuchtete seltsam alle Gruppen.

Die bewaffnete Runde, welche die Straßen durchschreitend, durch den Lärm und dies grelle Licht herbeigezogen ward, griff zu Ende handelnd ein.



 << zurück weiter >>