August Silberstein
Herkules Schwach. Zweiter Band
August Silberstein

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Siebenundvierzigstes Capitel.

Welches uns wieder in die Agentur führt, worin Veränderungen vorgehen und worin eine Dame Herrn Schwach darüber aufklärt, daß er ein Türke sei.

»Madame Mutzenberg, schonen Sie meiner! Ich bitte Sie!« sagte Schnepselmann, indem er sich, in schlecht verhaltener Verzweiflung, durch die Hare fuhr und dabei auf seinem Schreibtische Beschäftigung suchte, als wolle er der Dame bedeuten, er hätte anderweitig zu thun und ihre Entfernung würde ihm sehr angenehm sein. »Ich bitte Sie . . . dringend . . . meine angegriffene Gesundheit . . .«

»Und mein angegriffener Geldbeutel?« sagte die genannte wohlgerundete Dame, welche Herrn Herkules Schwach noch immer nicht aus den Sinnen bringen konnte und, mittelst Schnepselmann'scher Vermittlung, ihren seligen Schnupftabaksdosenerzeuger ersetzen wollte. »Mein angegriffener Geldbeutel?«

»Die wenigen Taxen und Remunerationen, Geehrteste,« sagte Schnepselmann kleinlaut, im Bewußtsein, ihre kühnen Ideen nicht ganz ohne Nahrung gelassen zu haben, »die wenigen Taxen sind wirklich nicht der Erwähnung werth.«

»Wie? Was? Nicht der Erwähnung werth?« rief diese Dame sehr energisch aus und begann mit einer Aufzählung von Data und Fakta, welche sehr rühmlich für ihr Gedächtniß zeugten.

»Ich meine nicht,« sagte Schnepselmann, mit Erschöpfung andeutender Miene, »daß Ihre werthe Großmuth im Geringsten zu bezweifeln wäre, Geehrteste; – aber ich 366 beziehe das Gesagte blos auf das vor Augen gehabte Ziel. Im Verhältniß . . .«

»Das war der Mühe werth! – Den ganzen Schwach wenn Sie mir schenken, und noch sein Vermögen dazu, so dulde ich ihn nicht eine Viertelminute in meinem Hause! Das ginge mir ab, so einen Sausewind, so einen Weiberverführer und Thunichtgut in allerlei Liebschaften, bei mir zu haben! Ich danke dem Himmel, daß ich ihn kennen gelernt, bevor er mich in's Unglück gestürzt! Alle sechs Kinder bei der Lampe, oder dem Invalidenweibe in der Vorstadt, gehören ihm. Lauter unglückselige Würmer der Liebe! – Reden Sie mir nichts ein und nichts aus; ich weiß was ich sage. Die Hälfte darunter ist doch gewiß sein! – und wenn ich auch eine Zeitlang mich habe von Ihnen hinhalten lassen, so bin ich jetzt doch überzeugt! Denn er hat schon wieder ein Frauenzimmer in seinem Hause beherbergt.« Sie meinte Adele. »Und er hat dies wieder fortgeschickt, auch! – Firlefanz Alles, was Sie mir sagen; er ist und bleibt ein lockerer Weiberverführer!«

»Aber, Verehrteste, habe ich nicht schon die Irrthümlichkeit Ihrer Ansichten zu beweisen gesucht?«

»Gesucht, aber nichts ist bewiesen! Sagen läßt sich Alles; aber glauben kann wer will!«

»Und zudem, liebste Madame Mutzenberg,« suchte Schnepselmann in freundlichstem Tone einzulenken, »eine Dame Ihrer Fähigkeiten und Eigenschaften – wie kann diese wegen Eines Falles sich überhaupt . . .«

Madame Mutzenberg schwieg und sah ihm ohne Widerrede und Zorn ins Gesicht.

»Es thut mir nur leid,« fuhr Schnepselmann fort, schlau die Wirkung bemerkend, »daß ich überhaupt nicht 367 so glücklich sein werde, Sie zum Ziele einer ehelichen Verbindung mit einem Beglückten zu führen.«

»Warum? Wieso?« fragte die Dame wieder energisch.

»Weil die Stiftungen von gesegneten ehelichen Verbindungen, sowie Alles was mit Herzensempfindungen zusammen hängt, in kürzester Zeit, ja vom Letzten Dieses, nicht mehr zu meinen Geschäften gehören wird.«

»Nicht . . . mehr . . .« Und die Dame entfärbte sich ein wenig.

»Wie gesagt, ich habe mein Augenmerk mehr auf das rein Kommerzielle gerichtet. Auch verschiedenes Andere wird weichen müssen. Börse und Bank, Umsatz in Kapitalien und Papieren, Waren im großen Maßstabe . . . darin liegt fortan mein Beruf! – Ohne Zweifel kennen Sie,« erhob Schnepselmann nun mit Würde seine Stimme und fuhr abermals dabei in die Hare, »das Haus Rübe & Comp. Wenn Sie Ihre Kapitalien gediegen placiren wollen, so würde ich rathen . . .«

Die Dame, welche bei Schnepselmann's Auseinandersetzungen erst eine Weile stumm und starr vor Staunen gestanden, fand endlich ihre Sprache wieder.

»Scheren Sie sich um den Geier mehr, und nicht um mein Geld!« fuhr sie los. »Wenn Sie kein Heiratsbureau mehr haben, und auch mit dem pensionirten Oberlieutenant . . . so, so . . .« sagte sie, von dem beregten Gegenstand plötzlich verschämt ablenkend, denn der Pensionirte war eine zweite schöne Aussicht, »so kann Sie und Ihren Kram der Gei . . .«

»Ich bitte, Geehrteste,« unterbrach Schnepselmann 368 mit Engelsgeduld, »können wir nicht dennoch Freunde bleiben?«

»Sie und Schwach, das sind mir Freunde! Passen zusammen!« rief die Dame heftig und war eben daran eine große Beredsamkeit zu entwickeln, als die Klingel an Schnepselmann's Thüre tönte – und ein Herr trat ein.

Niemand Anderer als Schwach.

»Ah, guten Tag geehrtester Herr Schwach!« rief der Agent freundlichst.

Die Mutzenberg stand einen Augenblick mit hochwogendem Busen, und ihre Finger hielten sehr unruhig das weiße Schnupftuch.

Schwach grüßte höflichst im Allgemeinen und – zum zweitenmale die Dame besonders.

»Wie befinden Sie sich?« fragte er dieselbe, in seinem freundlichsten Tone.

Die Mutzenberg athmete stark und kurz und schwieg noch. –

»Schon einige Zeit nicht das Vergnügen gehabt,« fuhr Schwach wieder in sanftester, wohlwollendster Freundlichkeit fort. –

»Bedauere ich gar nicht!« platzte endlich energisch die Mutzenberg los, in welcher der Entschluß nun vollends gereift war.

Schwach trat überrascht und erschreckt einen Schritt zurück. Ehe er aber einen forschenden Blick thun und eine fragende Miene annehmen konnte, fuhr die Dame schon wieder fort. »Sechs Kinder haben Sie? Und wer weiß wie viele unglückselige Weiber! Und mich wollen Sie auch noch in's Unglück stürzen!?«

»Ich?!« 369

»Ja Sie, mit Ihren sanften, heuchlerischen Tigerblicken, die schon so viele Weiber unglücklich gemacht! – Aber ich bin nicht länger Ihr Opfer! Ich will mich nicht mehr zum Besten halten lassen! Locken Sie nur weiter Andere ins Haus, und versorgen Sie sie nur dann wieder anderswo! Sie Blaubart! Sie Türke! Sie heidnischer Ketzer! Sie, sammt Schnepselmann und seiner Serailwirthschaft! Empfehle mich . . . die Welt soll's schon erfahren!«

Damit war die Dame mit einem Knix, der alle Tanzmeister in nicht geringe Verwunderung gesetzt hätte, nach der Thüre geeilt, und die Schelle sprach nun so energisch von ihrem Abgange, daß die beiden erstaunten Herren noch eine Weile nicht zu Worte zu kommen vermochten.



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