August Silberstein
Herkules Schwach. Zweiter Band
August Silberstein

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Zweiunddreißigstes Capitel.

Ein spiritistischer Abend, voll geheimnißreichem Sicht- und Unsichtbaren.

Schwach stand im Abenddunkel, mit nicht gewöhnlichem Herzklopfen, an der Thüre einer Wohnung in einem ihm sonst ganz fremden Stadttheile, und Schnepselmann griff hinter seinem Rücken und unter seinem Arme durch, nach der Thürschnalle, als wollte er ein Zagen rasch entscheiden, oder auch gleichzeitig erfahren, ob die Geister schon an der Thürklinke etwa zerrende, schlagende Manifestationen begännen.

Das Prickeln, wie von einem leisen elektrischen Strome, 178 welches Schwach gefühlt haben wollte, mag vielleicht ein Phänomen seiner Angst gewesen sein! –

Als sie die Thüre geöffnet hatten und in das matt beleuchtete Zimmer sahen, erdröhnte ein so derber Schlag, wahrscheinlich auf einem der holen leeren Schränke, daß Schwach entsetzt zurückwich, gleichzeitig mit ihm der muthigere Agent. Dieser aber fuhr sich rasch durch die Hare, als wollte er sich elektrisch mit Muth füllen, und drängte sich und seinen Freund wieder vor.

Sofort erschien aus dem Hintergrunde ein Mann, von dem es zweifelhaft war, ob er sich durch einen Geist, oder ein Geist durch ihn sich bewege; jedenfalls mußte das Unsichtbare stärker sein als das Sichtbare. Er sah sehr mager und gelblich aus. »Professor Benjamin, Cincinnatus Riepel aus Philadelphia!« sagte Schnepselmann, ihn Herrn Schwach vorstellend. »Professor Riepel spricht sehr gut deutsch, ist von deutschen Eltern geboren und lebt bereits längere Zeit in Deutschland. Die Unterhaltung wird daher deutsch geführt und leidet für uns nicht die geringste Störung!« –

Riepel begann mit einer holen schwindsüchtigen Stimme zu sprechen, daß die Offenbarungen der Geisterwelt täglich mehr an Gläubigen und Anhängern gewinnen, er freue sich, zwei so bedeutende Männer in dem spiritistisch-vitalistischen Zirkel zu empfangen, und der gewaltige »Knock«, zu deutsch Puff, der aus dem Schrank sich hörbar machte, als sie eintraten, deutet darauf hin und läßt erwarten, daß sie den Geistern angenehm seien und geeignet, eher fördernd als störend auf die Manifestationen und Visionen einzuwirken. Die Geister, erklärte Riepel, oder der Herr Professor Riepel aus dem Paradiese Amerika, hätten unerklärlich 179 Sim- und Antipathien gegen einzelne Personen und seien nicht zu vermögen, während deren Gegenwart, in das Medium vitalistisch-phänomenal einzugreifen. Es zeige sich dies gerade gegen jene grob organisirten Naturen, welche ohne jede entgegengebrachte höhere Glaubensstimmung, Alles mit den Händen betasten, mit dem negativ-polarischen Argwohn gegen das positiv-elektrische Fluidum zutappen, und dadurch die harmonisch-spiritistischen Erscheinungen unmöglich machen! – Taschenspielerei kenne er nur dem Namen nach, und so wenig er jemals Taschenspieler gewesen, oder in seiner Würde jemals sein werde, ebensowenig bleibe ein Zweifel an dem, was hier bereits vorgegangen, oder vorgehen werde! –

»Kratke!« rief er einem ganz in Schwarz gehüllten Diener zu. »Stühle, den Herren!«

Die Herren erhielten Stühle an der Seite einiger Damen, welche theils verschleiert waren, um unerkannt Fragen an die Geister zu stellen, theils in einer Toilette, welche den Geistern die möglichste Offenheit entgegenbringen sollte. Einige Herren, welche ein ernsthaftes Schweigen beobachteten, waren zugegen, gleichzeitig ein Offizier.

Die spärlichen Lampen schienen, als wollten sie allmälig das irdische Licht ganz unscheinbar machen, dagegen dem überirdischen den möglichst freien Wirkungsraum zuvorkommendst überlassen.

Plötzlich schrie eine Dame auf, »Ha!« und sprang von ihrem Sessel. Die ganze Gesellschaft erhob sich mit Herzklopfen. Die Dame erzählte, sie habe ganz genau einen Nadelstich in dem Knöchel ihres linken Fußes verspürt.

Professor Riepel erschien rasch, wahrscheinlichst vom Lärme herbeigerufen, aus der Thüre des Nebenzimmers und 180 erklärte, daß dies abermals eine sehr günstige Geistermanifestation für den Abend sei.

Schwach hob unwillkührlich abwechselnd seine Beine, als fürchtete er gleichzeitige und gleichartige Simpathiebeweise aus der Geisterwelt zu empfangen.

»Signore Professore!« sagte ein junger Mann von unverkennbarer italienischer Abstammung, in feinen Kleidern und mit fein lächelndem Ausdrucke, »ik bitte sehr um meine Hausslüssel! Als ik bin hereingekommen, habe meine Slüssel gehabt, pero bitte ik . . .«

»Wie, Cavaliere di Capelli, sind Sie dieser Beschuldigung sicher?« sagte Professor Riepel mit allem möglichen Staunen.

»Verissimo!«

»Dann, meine Herren und Damen, ist heute jener Neckgeist, jener noch in der 2. Abtheilung 3. Grades des Geisterdurchganges, oder des Besserungsstadiums, sich befindender muthwilliger Geist in unserer Nähe, welcher sich bereits hier manifestirt und als ein von Karl dem Großen davongejagter Stallknecht zu erkennen gegeben hat!«

»Aaach – aaach!« stöhnte schmerzhaft leise eine kaffeebraun gekleidete und kaffeebraun verschleierte Dame – und neigte ihr Haupt zur Seite.

»Die Dame wird ohnmächtig!« rief Schnepselmann und wollte, eilfertigst-galant, sofort von seinem Sitze hinzu.

»Bitte nur zu bleiben, wenn es weiter nichts ist!« sagte Professor Riepel lächelnd, trat zur lebendigen Kaffeebohne, streckte einige Fingerspitzen, welche er sofort zur Hand hatte, gegen ihre Nase aus, und siehe, sie erhob sich. –

Ah!« seufzte sie auf, wie erfrischt nach einem Töpfchen 181 Schlagsahne, hielt den Kopf wieder gerade aufrecht und wiederholte »Ah, danke, wie angenehm!«

»Signore Professore, bitte, meine Slüssel!« wiederholte Cavaliere Capelli.

Professor Riepel trat einen Schritt energisch zurück. »Also, Du Neckgeist,« rief er, »treibst heute wieder Deinen unreinen Spuk in unserer reinen Gesellschaft, die Dich nicht beleidiget! Hast Du den Schlüssel vitalisirt? Bist Du bereit zu antworten?«

Ein Schlag auf den Kasten ließ sich wieder vernehmen und gleichzeitig rollte es über der Zimmerdecke, als ob auf dem Boden unter dem Dache rumort würde.

»Ja, Du antwortest!« rief er dem Geiste entgegen. – Meine Herren und Damen, ich bitte, sich nur ruhig zu verhalten« – flüsterte er nun zu der geehrten Gesellschaft, welche auf ihren Stühlen sehr unruhig zu werden begann. – »Du antwortest Geist!« rief Riepel wieder. »Hast Du den Schlüssel in unserem Raume gelassen? Nein?« –

Keine Antwort.

»Ja?« – Ein Schlag auf den hohlen Kasten!

»In unserer Gesellschaft?« – Mehrere Schläge!

»Willst Du mir die Person bezeichnen, deren Geist Du, ihr unbewußt, mißbraucht hast, um sich mit dem Deinen zu verbinden und den Schlüssel unrechtmäßigerweise zu – vitalisiren?« –

Trommelei auf dem Kasten oder Schranke.

»Ist die Person in der ersten Reihe?« – Puff! – »Die erste? – Die zweite? – Die dritte?« – Puff! – Schwach sprang von seinem Stuhle auf, als suche er seinen Geist und betastete sich, denn er war die dritte Person. – 182

Professor Riepel griff in dessen Brust- und Westentasche, ohne Erfolg. Dann sagte er: »Greifen Sie gefälligst in Ihre Hintertasche!« – Und siehe da, Schwach zog entsetzt einen leibhaftigen, thatsächlichen, eisernen, ohr- und bartbesitzenden Schlüssel hervor.

Allgemeines Staunen – Schnepselmann fuhr sich durch die Hare.

Cavaliere Capelli besah den zierlich überreichten Schlüssel, mit allen Zeichen des freudigen Erkennens und des wortlos machenden Staunens.

»Meine Herren und Damen, wir werden heute einen sehr interessanten Abend haben,« sagte Riepel; »die Atmosphäre scheint mir sehr magnetisch-spiritualistisch geschwängert. – Wirst Du uns in Ruhe lassen, böser Neckgeist?« rief er. – »Ich bitte um Ihre Hand!« sagte er zu Schwach, »die animalisch-magnetische Kette wirkt dann stärker! Bitte auch um Ihre!« wendete er sich zu Schnepselmann.

Schwach reichte schüchtern die Hand, Schnepselmann fügte sich entschlossen an, sie zogen sie aber sofort, wie gebrannt, zurück, jeder hatte einen Schlag, wie von einer Elektrisirmaschine erhalten. Gleichzeitig rollte und polterte es, wie vorhin, über Schrankthüre und Zimmerdecke.

»Der unsaubere Neckgeist ist mit seiner letzten muthwilligen Manifestation gewichen, und ich hoffe, wir werden Ruhe haben!« sagte der Geist-Riepel. – »Ich werde nun die Ehre haben, zu den magneto-sensitiv-visionär-gnostisch-phänomenalen Manifestationen überzugehen und Ihnen ein Medium ausgezeichnetster Begabung vorzuführen. Der Rapport mit dem unenthüllten Jenseits dieses Mediums, den ich in den amerikanischen »Spirit Unionist« gesendet, hat daselbst das größte Aufsehen gemacht. – Ich bitte, 183 meine Dame,« wendete er sich an die Kaffeebraunverschleierte, »mir auch heute Ihren gütigen Beistand nicht zu versagen. Ich weis, daß Sie willig sind; wenn Sie es aber nicht wären – einmal in meiner Nähe, ist meine magnetische Gewalt über Sie unhemmbar und ich könnte Sie vitalistisch zwingen!«

Nach dieser Ansprache erhob sich, aus der Mitte der sitzenden Zuschauer, die braune hagere Gestalt, verließ die Reihe und begab sich zu einem Lehnsessel, welcher an einem runden Tische stand. Die Pump-Lampen brannten immer düsterer.

Die kristallisirte Tasse Kaffee setzte sich – der Magnet- und Geist-Riepel warf ihr sanft den Schleier zurück – sie hielt noch ein weißes Taschentuch vor der unteren Gesichtshälfte – auch diese fiel – Madame Bockbein saß mit sehr schwärmerischen Augen vor Schwach und der übrigen Gesellschaft!

Die Situation war sehr interessant, und hätte Schwach nur einigen Magnetospiritismus gehabt – er hätte den tiefst-simpathetischen Eindruck für Zeitlebens erhalten müssen. Es hätten auch gleiche Eindrücke und Empfindungen bei irgend einem zartgearteten Männerherzen hervorgebracht werden können!

Madame Bockbein saß und beschrieb sehr schwärmerisch mit ihrem Blicke einen Kreis, so umfangreich, als er sich zwischen Zimmerdecke und Fußboden nur denken ließ. Der genaueste Mittelpunkt war ihr Augapfel. Der zarte schwärmerische Hang dieses schwachen Herzens, welcher ihm lange und sehr innewohnte, schien sich nun in's Aetherischste ausgebildet zu haben. Riepel legte ihre Hände sehr zart in den Schoß – die sensitive Witwe athmete sehr tief. Der 184 Magnetiseur trat einen Schritt zurück, streckte seine sämmtlichen vorräthigen Finger gegen sie aus, und kratzte mit diesen Scharrwerkzeugen die Luft auf und ab. Die Bockbein sah ihr sehr stark an, so daß es kein Wunder war, wenn ihr die Augen über- und allmälig langsam zugingen, wie einem Schoßhund, der in die Sonne oder seiner Herrschaft in die anstarrenden Augen sieht. Riepel schnellte ihr nach der Nase, ohne sie zu berühren, machte alle Anstalt ihr mit einigen Fingern die Wange direkt durchzustoßen, schreckte aber jedesmal einen halben Zoll breit vor dem Ziele zurück, nasenstöberte wiederholt, that zuweilen, als wollte er auf ihrem rechten oder linken Nasenflügel Klavier spielen, spritzte mit seinen dürren Fingern gegen sie Unsichtbares aus – die Bockbein seufzte aus der tiefsten Tiefe ihrer magneto-elektrischen Tiefe auf, die Hände sanken, der Kopf ihnen nach einer Seite nach – Riepel machte noch einen zaghaften Bohrversuch, mit allen zehn Spitzbohrern, gegen ihren Magen – er lispelte geheimnißvoll, damit es ja nicht weiter gesagt würde und der Geist in ihr es nicht erfahre: . . . »Sie schläft!«

Schwach seufzte beklemmt und tief auf, er wäre bald, hinter dem Rücken des Magnetiseurs, simpathetisch und allen Magnet-Gesetzen zuwider, eingeschlafen.

Schnepselmann fuhr sich durch die Hare, auch seine Knöchel schlotterten geheimnißvoll.

»Haben Sie heute Ihr zweites Gesicht?« frug Riepel.

»J–a.« hauchte die Dame.

Schwach sah sie sehr genau an, es war immer dasselbe Gesicht, das er längst kannte. Begierig behielt er nun dasselbe im Auge.

»Was sehen Sie?« 185

»Licht, sehr viel Licht, sonniges Licht!« hauchte die Schlummer-Bockbein.

Riepel blickte sehr siegreich um sich, besonders nach der Gesellschaft; es war klar, hier in dieser Düsterkeit konnte sie kein Licht, am wenigsten sehr viel Licht sehen. Die »Clairvoyance« oder Hellseherei, war also eine festgestellte Thatsache!

»Sehen Sie klar, um auf gestellte Fragen zu antworten?«

»J – a.« Es war der Bockbein klar, sie werde antworten.

»Also, ich bitte, meine Herren und Damen, beliebige Fragen zu stellen. Nur muß ich darauf aufmerksam machen, möglichst kurz und nicht viel zu fragen, die magnetische Kraft wirkt sonst zu zerstörend, oder schwächt sich ab.«

Schnepselmann, der sah, daß nun für seinen Zweck, und in Rücksicht des voraus gespendeten Betrages, keine Zeit zu verlieren sei, trat sofort rasch hervor. Er machte dem magnetischen Geist-Riepel durch Zeichen erklärlich, er wolle fragen.

»Bitte!« war die einladende Antwort mit sehr zierlicher Handbewegung.

»Können Sie uns über das Geheimniß der Geburt eines Herrn Aufklärung geben?«

»J–a.« Die Bockbein wußte über die Geheimnisse der Geburt.

»Wollen Sie uns den Namen der Mutter dieses Herrn nennen?« frug Schnepselmann. Schwach wischte sich den Schweiß von der Stirne. 186

Die Bockbein schwieg. – Riepel wurde unruhig. Schnepselmann war aber sehr befriedigt, sein Vertrauen wuchs, denn die Bockbein hatte gerade den ihr wohl bekannten Namen von Schwach's Mutter nicht genannt! Schnepselmann nickte sehr zufrieden nach allen Seiten, und fuhr sich selbst, geistmagnetisch, durch die Hare.

»Haben Sie eine Vision über diese Mutter?« zischelte er Riepel ins Ohr, und dieser wiederholte die Frage laut.

»J–a.« Die Bockbein konnte eine Mutter sehen.

»Wie sieht sie aus? Beschreiben Sie dieselbe!« gebot Riepel mit großer Zuversicht; er hoffte keinen Widerspruch vom geist-magnetisch-polizeilichen Paßbureau.

Bockbein gab keine Antwort. Riepel nasenstöberte, wangenbohrte, lufttrillerte und schläfenkrabbelte sie figürlich wieder. – »Wollen Sie schreiben?« Und er drückte ihr einen bereiten Bleistift in die Finger. – Keine Antwort. – »Wollen Sie Ihre lichtvolle Vision zeichnen?«

Die Bockbein-Hand bewegte sich, die vitalistischen Geister haben, auf einer überweltlichen Kunst-Akademie, Zeichen-Unterricht genossen.

Riepel hob ihr sanft die eine Hand mit dem Bleistifte zur Tischhöhe, auf ein bereitgehaltenes großes Papier. Alle, namentlich Schwach und Schnepselmann, steckten begierig die Hälse vor.

»Zeichnen Sie die Erscheinung!« gebot Riepel und quirlte mit der Hand um die ihre. – Die Bockbein bewegte die Hand – ein Strich – ein Stirn-Profil – Schwach bebte – eine auf Schönheit gerade keinen Anspruch machende Nase – – auf einmal donnerte ein Schlag auf dem bewährten Schranke! gleichzeitig rumpelte der Tisch 187 von der Stelle, und die Hand der Bockbein machte einen unvorgesehenen Strich.

Alle sprangen zurück. Riepel machte rasch einen langen geistmagnetischen Strich, mit beiden flachen Händen, über die ganze Bockbein von oben herab, sie preßte einen Erleichterungsseufzer aus, sie schlug die Augen auf und war wirklich wach. Unläugbare Thatsache!

»Meine Herren und Damen!« sagte der Geister-Professor, »dies ist wieder eine jener boshaften Manifestationen, welchen jede spiritistisch-magnetische Gesellschaft ausgesetzt ist. Die bösen Geister umschweben, umnecken jede Phänomenognostik! Der fortgejagte Stallknecht Karl des Großen ist hier sicher wieder im Spiele. Bist Du's?« rief er.

Der Kasten that seine Schuldigkeit.

»Hier haben Sie es!« setzte er fort. »In den wichtigsten, entscheidendsten Augenblicken kommt derlei häufig, in allen Welttheilen, ohne Unterschied vor. Diese Uebereinstimmung ist merkwürdig und großartig! – Wie bedauernswerth!« rief er und hob das Papier.

Schwach's visionistisch-geistmagnetische Rapport-Mutter hatte, durch den unwillkürlichen Strich unter der Nase, einen Schnurbart bekommen und war daher für diese reale Welt gänzlich unbrauchbar.

Schnepselmann bedauerte sehr – erbat sich jedoch das Original, welches großmüthig ihm gewährt wurde.

»Wollen Sie, meine Herren und Damen, das Tischrücken und dann auf diesem vitalisirten Tische die geistmagnetische Wirkungskraft des Psichographen erproben?« frug Riepel.

Die ganze Gesellschaft stimmte lebhaftest und mit ebenso gierigem als gepreßtem Herzen zu. 188

»Ich bitte ringsum Platz zu nehmen und die geistmagnetische Kette, nach den bekannten Gesetzen, zu schließen, gleichzeitig bitte ich aber auch, sich durch keine Neck- und Klopfgeister stören zu lassen – die einmal unterbrochene Kette setzt uns, für lange, oder für heute, ganz außer Stande!«

Die Stühle wurden um den runden Tisch gerückt, Herren und Damen nahmen Platz, Schwach's kleiner Finger kam an den geistmagnetischen Daumen der Bockbein, und über seine ganze Körperhälfte lief ein Krabbeln wie von Ameisen. – Die Geister begannen von allen Seiten zu klopfen. Die Bockbein erklärte, an ihrem Zopfe gezerrt worden zu sein, und da er für ihr Alter erstaunlich vollwichtig war, ist nicht daran zu zweifeln. Die Gesellschaft hielt die Kette sehr tapfer, trotz allen muthwilligen Versuchen der Jenseits-Necker; besonders ließ es der überall energisch ein- und vordringende Schnepselmann an ermunternden Zurufen nicht fehlen.

»Meine Herren und Damen!« sagte Riepel wieder: »Die böswilligen Geister haben heute bereits eine Störung in dem odisch-chiro-elektro-magnetischen Fluidum hervorgebracht. Wir wollen es mit Verstärkung versuchen. Wolle jeder Herr und jede Dame gütigst Metallisches – vor die ganze Breite die sie einnehmen, auf den Tisch hinlegen. Am besten sind Silberstücke. Goldstücke sind kein Hinderniß, ja wirken sehr fördernd. Sollte Jemand in seiner Börse nicht vorgesehen sein, so bin ich sehr gerne bereit . . . .«

Alles war vorgesehen. Schwach legte sehr zierliche blanke Silberstücke, seiner ganzen Breite nach, auf den 189 Tisch, und reichte auch noch größtentheils in Schnepselmann's magnetisch-tellurisch-vitalistisches Gebiet hinein.

Man fingerte und kettengliederte sich an, Riepel wiederholte seine Warnung und seine Aufmunterung gegen die bösen Geister.

Es trat die vollste gespannteste Stille ein, man hätte eine Nadel fallen, nahezu die bewegten Herzen klopfen hören können.

Nach einigen Minuten flüsterte Cavaliere Capelli, er verspüre etwas – Schwach schien es, als nahe die Spur eines Verspürens, und Schnepselmann nickte, als ob . . . da, mitten in der Geisterstille . . . riß sich plötzlich die Thüre gewaltsam auf, Kratke stürzte entsetzt herein und schrie: »Die Polizei kommt!« Gleichzeitig stürzte er das Licht um – alle Gäste sprangen verwirrt auf, der Tisch fiel klirrend und polternd.

»Nur hieher, hieher meine Herren und Damen!« rief trostvoll kühn Riepel – er öffnete die zweite Thüre, welche nach einer Hintertreppe führte, diese war matt beleuchtet, und die ganze spiritistisch-odognostisch-magnetisch-vitalistisch- psichographisch-emanuelektorale Gesellschaft holperte und stolperte, in Gottes- und Polizei-Furcht, die schmale Hintertreppe hinab.

Hüte, Röcke und Tücher wurden, wie von Geisterhänden nachgeschleudert.

Eine Polizei jedoch ward weder oben noch unten gesehen.

Visionen, Vitalismus, Spiritismus, Geistrapport!

Der reichhaltige Abend wird allen Theilnehmern, Riepel und Geistgenossen nicht ausgenommen, unvergänglich im Gedächtnisse bleiben! 190



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