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Sechstes Kapitel

Entfernt von einer hübschen Straße in West-Kensington, doch damit verbunden durch eine Anpflanzung von Buschwerk und ein Gittertor, stand damals eine freistehende Villa, die Laurel Grove genannt wurde. An der gegenüberliegenden Seite standen einzelne neugebaute Häuser, die zum größten Teil noch unbewohnt waren. Diese nahmen der Nachbarschaft nicht die einem Vorort eigene Ruhe und ließen trotzdem kein Gefühl ländlicher Einsamkeit aufkommen. Gerade deshalb gefiel es hier Susanna Conolly, die mit Marmaduke Lind in Laurel Grove lebte.

Eines Morgens im September saßen sie zusammen beim Frühstück. Jeder hatte einen Haufen Briefe neben sich liegen. Marmaduke wartete mit dem Öffnen, bis er seinen Hunger gestillt hatte; Susanna aber nahm, als sie ihm Tee eingeschüttet hatte, den obersten Brief, zwängte ihren kleinen Finger in eine Ecke und riß ihn auf.

»Hm«, sagte sie. »Erste Probe nächsten Montag. Hier drängt er mich schon wieder, das Engagement nach Weihnachten zu erneuern. Was muß er doch für ein alter Narr sein, weil er nicht errät, warum ich nächstes Frühjahr nicht engagiert werden will! Sieh doch gerade einmal in die Times, Bob, ob das Stück schon angekündigt ist.«

»Zum Teufel, ich denke doch«, sagte Marmaduke, indem er geduldig seine Mahlzeit unterbrach, um die Zeitung zu öffnen. »Hier ist eine besondere Annonce. Der neueste Pariser Erfolg. › La petite Maison du Roi.‹ Musik von M. de Jongleur. Mister Faulkner beehrt sich, mitzuteilen, daß Mister Cribbs eine Bearbeitung von M. de Jongleurs Operette › La petite Maison du Roi‹ unter dem Titel ›Der angebundene König Ludwig‹ – was zum Henker heißt das?«

»Der ungebundene natürlich.«

»Aber hier steht a–n–g. Oh! Es ist ein Witz! Welch ein verteufelt blödsinniges Stück! Dann geht es weiter wie gewöhnlich, nur daß jeder Name im Personenverzeichnis eine besondere Zeile in fettem Druck hat. Hier bist du: ›Lalage Virtue als Madame Dubarry‹ –«

»Steht es obenan?«

»Ja.«

»Vor Rose Stella?«

»Ja. Donnerwetter! – Das hatte ich ja noch gar nicht gelesen – daß du fünfzehnmal darunter stehst! Über jedem neuen Absatz steht dein Name noch einmal. Lalage Virtue als Madame Dubarry. Fred Smith als Ludwig XV. Lalage Virtue als die Dubarry. Felix Sumner als Herzog von Richelieu. Lalage Virtue als la belle Jeanneton. Übrigens ist das alles Blödsinn. Kardinal Richelieu starb vier- oder fünfhundert Jahre bevor Madame Dubarry geboren wurde.«

»Gib mir die Zeitung. Siehst du, sie haben Rose Stella in die letzte Zeile gesetzt mit einem dicken › und‹ davor. Es macht nichts. Sie kommt nur einmal darin vor und ich fünfzehnmal.«

»Ich wundere mich, woher ich alle die Briefe bekomme! Dies ist natürlich eine Rechnung. Die West-Kensington-Wein-Gesellschaft. Himmel! Wir haben jetzt einen Champagneretat von dreißig Pfund im Monat, ohne daß wir das rechnen, was wir ausgeben, wenn wir in der Stadt essen.«

»Ach, das macht nichts! Champagner schadet niemand etwas, und ich komme ohne ihn in eine gedrückte Stimmung.«

»Meinetwegen, Schatz. Solange es dir schmeckt und deiner Gesundheit nicht schadet, habe ich nichts dagegen. Hier ist ein Zirkular von dem Fachadreßbuch zur Orientierung von Theateragenten. Warum haben sie es mir geschickt? Diese Vagabonden finden doch alles aus, wenn sie Kunden erjagen wollen. Soll ich deinen Namen und Adresse hineinsetzen?«

»Diese Adresse auf keinen Fall. Sie können mir nach dem Theater schreiben.«

»Aber du willst da doch nach Weihnachten nicht mehr auftreten, und das Adreßbuch kommt erst im Januar heraus, warum nicht diese Adresse angeben? Mir ist es doch ganz gleichgültig.«

»Aber mir nicht. Du mußt unsere Wohnung so geheim wie möglich halten. Du vergißt Ned.«

»Pah! Was liegt mir an Ned? Er muß es doch einmal erfahren.«

»Nein, nein. Er darf es nicht wissen. Ich habe Angst vor ihm. Du weißt nicht, wozu er imstande ist.«

»Ich weiß alles, was er tun kann, und das ist, herkommen und Lärm schlagen. Wenn er sich nicht höflich beträgt, muß er hinausgesetzt werden, das ist alles.«

»O ja, Bob, du redest ja ganz schön davon, Ned hinauszusetzen. Aber ich möchte es doch gern einmal sehen, wie du das machtest. Du gerätst schon in Zorn, wenn dich jemand schief ansieht. Ned verliert nie seine Ruhe, und er würde dich gemächlich zusammendrücken, während du vor Wut schäumtest. Nein, er darf hier nicht herkommen. Wenn er nach London zurückkehrt, werde ich es aufgeben, in einem offenen Wagen zu fahren.«

»Unsinn, Lalage! Warum? Er kann dich doch stets im Theater aufsuchen. Du mußt darüber hinwegkommen.«

»Ich glaube wohl, daß ich es muß. Aber ich werde den Augenblick des Zusammentreffens mit ihm so lange hinausschieben wie ich kann. Darum gib die Adresse keinesfalls irgendwohin, wo er sie leicht finden kann. Ich fürchte nur, deine Verwandten da unten in Sunbury erfahren von unserm Verhältnis und erzählen es ihm.«

»Pah! Sie werden Familienangelegenheiten schon nicht mit ihm besprechen, habe keine Angst. Hier ist ein langer Brief von meiner Mutter, den ich lesen will, sobald ich Zeit habe. Ich möchte gerne, wenn du meine Mutter einmal sähest, Lalage, sie würde dir gefallen. Nur kann ich den frommen Ton in ihren Briefen nicht ausstehen. Hier ist ein Brief an dich irrtümlich unter meine gekommen. Sie haben ihn dir von deiner alten Wohnung in Lambeth nachgeschickt.«

»Er ist von Ned«, sagte Susanna und wurde blaß. »Er muß auf der Heimreise sein, sonst würde er nicht schreiben. Ja, er kommt. Was soll ich anfangen?«

»Was schreibt er?« sagte Marmaduke und nahm den Brief auf. »›Mittwoch abend um sechs zurück. Halte guten Tee bereit. N. C.‹ Kurz und zärtlich. Gut, er wird auf alle Fälle nicht vor morgen herkommen, selbst wenn er die Adresse weiß, was aber gar nicht der Fall ist.«

»Er weiß gar nichts. Das geht aus seinen Zeilen hervor. Was wird er nur tun, wenn er findet, daß ich fortgegangen bin? Er kann die Adresse auf dem Postamt erfahren, wo ich bestellt habe, mir die Briefe nachzusenden. Die Wirtin hat es schon ganz durch eigene Erkundigungen erfahren. Das ist sicher,« sagte Susanna, indem sie sich erhob und nach dem Fenster ging, »ich habe eine Heidenangst vor ihm. Ich bin halb entschlossen, nach Lambeth zurückzugehen und ihn dort zu erwarten. Ich könnte ihm das Geheimnis nach und nach mitteilen oder ihn vielleicht wieder aufs Land zurückreisen lassen, ehe er etwas entdeckt.«

»Dorthin gehen! O nein, Unsinn! Schlimmstenfalls schneidet er dich – und das könnte gar nichts schaden.«

»Ich wollte, er täte es. Es würde mir jetzt eine große Last vom Herzen fallen, wenn ich sicher wüßte, daß er es täte.«

»Er kann nicht so empfindlich sein, wie du denkst. Er weiß doch, wie lange du auf dem Theater gewesen bist.«

»Es ist keine Sünde, auf dem Theater zu sein. Es ist auch trotz der Gesellschaft keine Sünde, daß ich hier bin. Übrigens, was schere ich mich um Ned oder irgend sonst jemand? Er ist immer seinen eigenen Weg gegangen, wenn es ihm so paßte, und er hat kein Recht, sich zu beklagen, wenn ich auch meinen eigenen gehe. Laß ihn kommen, wenn er Lust hat. Er wird von mir nicht sehr erbaut sein.« Susanna setzte sich hin und trank etwas Tee, halb verächtlich, halb verzweifelt.

»Denke nicht mehr daran«, sagte Marmaduke. »Er wird gar nicht kommen.«

»Oh, laß ihn, wenn er es will«, sagte Susanna ungeduldig. Marmaduke stimmte nicht ganz mit ihrer plötzlichen Unbekümmertheit überein. Er hoffte, Conolly würde so vernünftig sein und fernbleiben.

»Weißt du, Bob,« sagte sie, als sie ihr Frühstück beendet hatten, »wir wollen heute einen Ausflug machen. Ich bin so schrecklich niedergeschlagen, wir wollen den Fluß hinauffahren.«

»Bravo«, sagte Marmaduke freudig. »Ganz wie es dir gefällt. Wie sollen wir fahren?«

»Das ist mir gleich. Vielleicht mit dem Zug bis Hampton. Wenn wir dort sind, können wir weiter beschließen. Kannst du jetzt mitkommen?«

»Ja, sobald du fertig bist.«

»Dann will ich hinauflaufen und mich anziehen. Geh schon hinaus und amüsiere dich mit dem lieben alten Rasenmäher, bis ich komme.«

»Ja, das tu' ich auch«, sagte Marmaduke ernsthaft. »Die Ecke neben dem Tor muß wirklich dringend gemäht werden.«

»Welch ein verrückter alter Bursche bist du doch, Bob!« sagte sie und hielt inne, um ihn auf beide Wangen zu küssen, bevor sie das Zimmer verließ. Marmaduke hatte sich seit seiner Niederlassung an die Gartenarbeit gewöhnt. Er setzte seinen Hut auf, ging hinaus und fing an, in der Ecke neben dem Tor zu arbeiten. Die Sonne schien grell, und als er ein paar Touren mit der Maschine gemacht hatte, erhob er sein Gesicht wegen eines Geräuschs und sah Conolly so dicht bei ihm stehen, daß er zurückfuhr und eine unbestimmte Bewegung machte, wie um sich gegen einen Stoß zu schützen. Conolly, der sich über diese Bewegung zu amüsieren schien, sagte ruhig: »Diese Maschine muß geölt werden; wegen des Klapperns hörten Sie mich nicht kommen. Ich bin gerade von Sunbury Park zurückgekommen. Miß Lind ist dort auf Besuch und hat mich gebeten, Ihnen eine Botschaft auszurichten. Entschuldigen Sie mein Eindringen – wenn diese Bezeichnung keine Beleidigung Ihrer Gastfreundlichkeit ist.«

Seine Anrede verwirrte Marmaduke. Er schloß daraus, daß Conolly von Susannas Schritt nichts wußte, aber er hatte nicht genügend Frechheit, ihn auf einmal gleichgültig zu begrüßen. So stand er da und starrte ihn an.

»Es tut mir leid, daß ich Sie gestört habe«, fuhr Conolly höflich fort. »Ich habe mir vielleicht eine Freiheit erlaubt, indem ich hereintrat, ohne zu klingeln. Aber da das Tor nicht verschlossen war, hielt ich es für unnötige Zeitverschwendung, an der Klingel zu ziehen. Sie haben ein reizendes, kleines Haus hier.«

»Ja, es ist ein hübsches, kleines Haus«, sagte Marmaduke. »Ein – wollen Sie nicht hereinkommen und einen – entschuldigen Sie, wenn ich Sie diesen Weg führe. Mein Zimmer ist an der Rückseite des Hauses.«

»Danke sehr, ich möchte lieber nicht hereinkommen. Ich muß heute noch viel in der Stadt besorgen, darum will ich nur meinen Auftrag erledigen und gehen.«

»Jedenfalls kommen Sie in den Schatten«, sagte Marmaduke und schaute unruhig nach den Fenstern des Hauses, »hier in der Sonne kann man sich einen Hitzschlag holen.«

Conolly folgte ihm in einen abgetrennten Raum der Veranda, wo sie sich auf eine Bank setzten.

»Sie müssen verstehen, Mister Lind, daß ich im Laufe meines Aufenthalts in Sunbury Park mit Dingen bekannt geworden bin, die mich sonst gewöhnlich nichts angehen. Miß Lind wußte das, und da sie außerdem glaubte, zwischen Ihnen und mir bestände eine gewisse Intimität, so bat sie mich, Ihnen einen Wink zu geben, den sie Ihnen nicht selbst geben wollte, da sie fürchtete, durch ihr Sichhineinmischen Unheil anzurichten. Vielleicht war es auch, weil sie Ihre augenblickliche Adresse nicht kannte. Der Wink soll daher ganz von mir aus kommen. Da ich aber nicht die Ehre habe, mit Ihnen auf einem so vertrauten Fuße zu stehen, als sie annahm, werden Sie ihn jedenfalls höher schätzen, wenn ich Ihnen sage, daß er tatsächlich von ihr kommt.«

»Ist da etwas Schlimmes geschehen?« sagte Marmaduke, durch diese Vorrede beunruhigt.

»Entschuldigen Sie, wenn ich ohne weitere Umstände von Ihren privaten Angelegenheiten rede, soweit sie mir bekannt sind?«

»O gewiß. Schießen Sie los.«

»Ich danke Ihnen. Dann muß ich Ihnen sagen, daß die Verbindung zwischen Ihnen und Lady Constance ihrem Bruder viele Sorgen macht. Sie werden verstehen, daß Männer wegen der Zukunft ihrer Schwestern etwas Besorgnis fühlen. Sie haben, glaube ich, selbst Schwestern?«

Marmaduke nickte und warf einen ängstlichen Blick auf Conollys Gesicht.

»Es scheint, daß Lord Sunbury im Laufe der Zeit zu der Ansicht gekommen ist, Ihre Werbung sei zu kühl, um ernsthaft zu sein. Ich bin tatsächlich der Meinung, daß er vollständig den Glauben an Ihre beabsichtigte Werbung verloren hat. In dieser Ansicht stand er aber ganz allein, da die Gräfin fest an Sie glaubt und die junge Dame Sie anbetet.«

»Ja, ich wußte das wohl. Wenigstens vermutete ich es. Was ist aber jetzt geschehen?«

»Dieses. Die Tatsache, daß Sie diese Villa gemietet haben, ist der Familie in Sunbury zu Ohren gekommen. Sie möchten natürlich wissen, zu welchem Zweck ein Junggeselle ein solches Haus hält.«

»Aber ich habe ja noch meine Zimmer in Clarges Street. Dies ist mein Haus, Mister Conolly. Es ist für jemand anders genommen worden.«

»Das scheinen sie auch anzunehmen. Aber um es kurz auszurichten, Miß Lind glaubt, wenn Sie nicht mit dem Grafen brechen und mit Ihrer Familie in Streit geraten wollen, dann sollen Sie sofort nach Sunbury Park hinunterkommen.«

»Aber ich kann gerade jetzt nicht fortgehen. Ich habe meine Gründe.«

»Miß Lind kennt Ihre Gründe ganz genau. Es sind dieselben Gründe, warum sie wünscht, daß Sie sofort London verlassen sollen. Und jetzt, da ich meinen Auftrag ausgeführt habe, muß ich Sie um Entschuldigung bitten. Meine Zeit ist sehr in Anspruch genommen.«

»Ich bin Ihnen außerordentlich verbunden, weil Sie den weiten Weg hier herausgekommen sind, um mir offen Ihren Rat zu geben«, sagte Marmaduke und fühlte sich sehr erleichtert durch die Aussicht, seinen Besucher los zu werden, ohne daß auf Susanna angespielt wurde. »Es ist sehr gütig von Ihnen und macht mir Freude, Sie wieder einmal zu sehen. Hübscher Aufenthalt, Sunbury Place, was? Wie steht es mit der Jagd?«

»Sie soll brillant werden, sagt man. Ich selbst versteh' nicht viel davon.« Sie waren aufgebrochen und schlenderten den Weg hinunter nach dem Tor.

»Werde ich Sie dort unten treffen – wenn ich hingehe?«

»Möglich. Ich muß zum mindesten einen Tag hingehen, um mein Gepäck abzuholen, im Falle ich mich entscheide, mein Verhältnis zu Lord Jasper nicht wieder zu erneuern.«

»Ich hoffe also«, sagte Marmaduke. Als sie dann das Tor erreicht hatten, streckte er trotz innerem Widerstreben seine Hand hin und sagte herzlich: »Adieu, alter Junge. Sie sehen ganz brillant aus.«

Conolly nahm seine Hand und hielt sie fest, während er sagte: »Adieu, Mister Lind. Es geht mir ganz gut, danke sehr. Wenn ich fragen darf – wie geht es Susanna?«

Marmaduke bekam einen Krampf in der Kehle und konnte nichts erwidern. Bevor er sich erholte, kam Susanna selbst, fertig angezogen für den beabsichtigten Ausflug nach Hampton, aus dem Wohnzimmer und stand verwirrt vor ihnen. Conolly hatte noch den herzlichen Ausdruck im Gesicht, mit dem er Marmaduke die Hände geschüttelt hatte, und sah erst sie, dann ihren Beschützer und dann sie wieder an.

»Ich habe die Villa bewundert, Susanna«, sagte er nach einem ausdrucksvollen Stillschweigen. »Es freut mich, daß du von allem umgeben bist, was du gern hast. Adieu. Adieu, Mister Lind.«

Susanna murmelte etwas. Marmaduke gab sich Mühe, seinem Gast ein fröhliches Adieu zu bieten, und öffnete das Tor, worauf er ihm noch eine Minute nachsah, als er wegging.

»Was liegt ihm daran, was aus mir wird, diesem selbstsüchtigen Tier!« schrie Susanna leidenschaftlich.

»Ich sehe nicht ein, worüber er, zum Teufel, sich beklagen soll«, sagte Marmaduke brütend. »Warum blieb er nicht zu Hause und gab auf dich acht. Geschieht ihm ganz recht. Beim Himmel, Susanna, er ist die kühlste Kratzbürste, die mir jemals in den Weg gekommen.«

»Warum kam er?« fragte sie heftig.

»Das erinnert mich. Es tut mir leid, ich muß auf einige Tage nach Sunbury hinuntergehen.«

»Und was soll ich hier allein tun? Willst du mich auch verlassen?« fragte sie in wachsender Erregung.

»Nun, ich kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Ich denke, du kannst es auch ein paar Tage ohne mich aushalten.«

»Ich will wieder nach Hause gehen. Ich kann es überhaupt ohne dich aushalten. Ich will wieder nach Hause gehen.«

»Still, Susanna! Was hat das jetzt für einen Zweck, diesen Streit anzufangen? Ich kann es nicht durchsetzen, mich mit allen meinen Angehörigen zu überwerfen, nur weil du keine Vernunft annehmen willst.«

»Was kümmern mich deine Angehörigen oder du selbst?«

»Also gut,« sagte Marmaduke beleidigt, »du kannst nach Hause gehen, wenn es dir paßt. Vielleicht erwirbst du dir damit die Wertschätzung deines Bruders, meine nicht.«

»Ach, du Feigling! Du spottest meiner, weil du denkst, ich hätte kein Heim. Du bildest dir wohl ein, ich wäre abhängig von dir?«

»Halte deinen Mund«, sagte Marmaduke grimmig. »Komm mir nur ja nicht in dieser Weise. Mäßige dich, wenn du willst, daß ich mich mäßigen soll.«

»Du hast mich zugrunde gerichtet«, sagte Susanna. Sie setzte sich aufs Gras hin und fing an zu weinen.

»Oh, bei meiner Seele, das ist zu viel«, sagte Marmaduke voll Verachtung. »Gib das auf und mach' dich nicht lächerlich. Wahrhaftig, zugrunde gerichtet! Willst du aufstehn?«

»Nein!« schluchzte Susanna.

»Dann bleibe, wo du bist, und fahr zur Hölle«, erwiderte Marmaduke, drehte sich auf dem Absatz herum und ging ins Haus hinein. Auf dem Flur traf er ein Mädchen, das eine leere Champagnerflasche und ein Glas trug.

»Missis sucht Sie, Herr«, sagte das Mädchen. »Sie fand Sie nicht im Zimmer, und ich sah sie nach vorne hinausgehen –«

»Schon gut,« sagte Marmaduke, »ich habe sie bereits gesprochen. Hören Sie, was ich sage. Mein Diener Mason wird heute herkommen, um meine Sachen einzupacken und sie mir nachzubringen. Es ist am besten, wenn Sie sich meine Adresse notieren. Sie steht auf einer Karte an dem Lederstreifen meines Koffers.«

»Ja, Herr«, sagte das Mädchen. »Soll ich noch etwas an Missis bestellen?«

»Nein«, sagte Marmaduke. Er nahm einen andern Rock und Hut und ging wieder fort. Als er sich dem Tor näherte, traf er Susanna, die sich erhoben hatte und auf das Haus zukam.

»Ich gehe nach Sunbury«, sagte er. »Ich weiß noch nicht, wann ich zurückkomme.«

Sie ging mit verächtlicher Miene an ihm vorüber, als ob sie ihn gar nicht gehört hätte.


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