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Zweites Kapitel

Marian Lind lebte in Westbourne Terrace in Paddington mit ihrem Vater, dem vierten Sohn eines jüngeren Bruders der Grafen von Sunbury. Mr. Reginald Harrington Lind hatte beim Beginn seiner Laufbahn nichts anderes zu tun, als so bequem wie möglich durch das Leben zu kommen. Aber er verstand das so wenig auszuführen, daß er sich, neunzehn Jahre alt, mit der Erbin eines Lancashirer Baumwollspinners verheiraten ließ. Sie gebar ihm drei Kinder und brannte dann mit einem Professor des Spiritismus durch. Dieser verließ sie kurz vor ihrer vierten Niederkunft, bei der sie dann Scharlachfieber bekam und starb. Ihr Kind blieb am Leben, wurde aber zu einer Kinderpflegerin gesandt, wo es auf die gewöhnliche Weise langsam verhungerte. Ihr Gatte empfand natürlich einen tiefen Abscheu über ihr Benehmen, denn er hatte ihr so manchen adeligen und erstadeligen Gentleman vorgestellt, alles persönliche Freunde, von denen schließlich irgendeiner bei der geringsten Ermutigung, davon war er überzeugt, den Platz des fremden Scharlatans eingenommen hätte, dem sie in schmachvoller Weise den Vorzug gegeben. Er tröstete sich über ihren schlechten Geschmack und den nachherigen Tod, indem er ihr Vermögen antrat, das eine Menge neuer Juwelen, neue Spitzen, Frauenkleider und ein Einkommen von ungefähr siebentausend Pfund im Jahr einschloß. Hierauf wurde er so geschätzt in der Gesellschaft, daß er sich am Ende der Saison mit Recht brüsten konnte, daß es wenige heiratsfähige Damen von besserer Herkunft in London gab, die man ihm nicht mit Heiratsabsichten vorgeführt hatte. Aber er fand es bequem, die Sorge für seine Kinder Schuldirektoren und gastlichen Freunden zu überlassen und kam zu dem Schluß, daß er nichts zu gewinnen, aber manche Bequemlichkeit zu verlieren hatte, wenn er eine Stiefmutter in sein Haus nahm. Und nach einiger Zeit gewöhnte man sich daran, zu sagen, Mr. Lind wolle aus Rücksicht auf seine erste Frau nicht mehr heiraten. Während so seine Söhne heranwuchsen und Eton und Cambridge besuchten, während seine Tochter auf einer fortwährenden Besuchsreise aus dem Hause eines Verwandten in das eines andern überging und den Unterricht genoß, den ihre Kusinen, bei denen sie sich zufällig befand, zufällig erhielten, lebte er in seinem Klub und genoß den gewöhnlichen Gang eines reichen Junggesellenlebens in London.

Im Laufe der Zeit trat Reginald Lind, der Älteste, in das Heer ein und ging mit seinem Regiment nach Indien. Sein Bruder George, weniger dumm, zarter und mehr zum Studium geneigt, wandte sich zur Theologie. Marian, die Jüngste, hatte, weil sie immer als Gast lebte, frühzeitig die Gewohnheiten der Selbstbeherrschung und Rücksicht auf andere erworben und entging den guten oder bösen Folgen, die die Unterwerfung unter die direkte Autorität für die Kinder mit sich bringt.

Von den zahlreichen Familienkreisen in ihres Vaters Verwandtschaft war derjenige, mit dem sie am wenigsten bekannt war, weil es der Ärmste war, durch die Heirat einer ihrer Tanten mit einem Wiltshirer Edelmann entstanden, namens Hardy McQuench, der ein kleines Besitztum hatte, wie ein Farmer lebte und die Jagd liebte. In den Augen der Bauern, die nicht Länder, Pferde und Wagen mit Geldmangel verbanden, war er ein reicher Mann. Aber Mrs. McQuench fand es hart, bei ihrem Einkommen wie eine Dame zu leben und hatte manche Falte im Gesicht bekommen durch den ewigen unerfüllten Wunsch, in jeder Saison einen Ball zu geben, einen neuen Wagen zu haben und öfter als zweimal im Jahr mit ihren Töchtern in der Kirche in neuen Kleidern zu erscheinen. Ihre beiden ältesten Töchter waren drall und hübsch, gute Reiterinnen und herzhafte Esser; und sie hatte begründete Hoffnung, sie mit wohlhabenden Landedelleuten zu verheiraten.

Elinor, die dritte und letzte, war ihr Sorgenkind. Im jungen Alter pflegte sie fast jede Woche einmal vormittags zu verschwinden. Man suchte sie voller Angst den ganzen Tag, und abends kam sie dann um sechs mit zerrissenem Kleid und schmutzigem Gesicht wieder. Sie war eigensinnig, widerspenstig und leidenschaftlich trotz aller Züchtigungen: Gouvernanten hatten ihretwegen das Haus verlassen, von einer Schule lief sie davon, aus der andern entwich sie mit einem Chorknaben, der Verse schrieb. Diesen verließ sie dann in einem Anfall von Eifersucht, eine Viertelstunde nach ihrer Flucht aus der Schule. Das einzige, was den Frieden im Hause aufrechterhalten konnte, war ihre Liebe zum Lesen, und selbst das machte die Mutter unzufrieden, denn die Bücher, die sie liebte, waren nach Mrs. McQuenchs Meinung nur für den Bücherschrank gemacht. Elinor las öffentlich alles, was sie durch Bitten bekommen konnte, wie Shakespeare, Die Pilgerreise, und nach einigem Bitten: Tausendundeine Nacht. Aber es lag auch immer eine Kollektion Bücher, die sie von Freundinnen entliehen oder aus der oberen Reihe der Bibliothek gestohlen, unter ihrer Matratze. Niemand dachte daran, dort nachzusehen; und in der Tat, die Entdeckung ihrer Sünde war eine sehr ernsthafte Sache für den Entdecker wie auch für sie selbst. Die älteste Schwester, die ihr einen kleinen Nähkasten zum elften Geburtstag geschenkt hatte, bekam das Geschenk zwei Tage später an den Kopf geworfen. Sie hatte nämlich ihren Eltern erzählt, Nelly säße nur deshalb so gerne in einem gewissen abgeschlossenen Sommerhaus, weil sie dort unbeobachtet Lord Byrons Gedichte lesen konnte. Miß Lydias Stirne war ernsthaft verletzt; aber Elinor, obgleich sie es bitter bereute, weigerte sich nicht nur, wegen ihrer Untat um Verzeihung zu bitten, sondern zerschmetterte auch in dem Zimmer, in das man sie zur Strafe für ihre Halsstarrigkeit eingesperrt hatte, jeden zerbrechlichen Gegenstand. Der Landpfarrer, den man um Rat fragte, riet, sie gehörig zu züchtigen. Dieser Vorschlag gefiel Hardy McQuench durchaus nicht, aber er gab Mrs. McQuench die Erlaubnis, sie nach Gutdünken zu schlagen. Die Mutter dachte, das Kind müßte zur Unterwerfung gebracht werden; aber sie wagte nicht, den Versuch zu machen, und stieß nur eine Drohung aus, die mit widerspenstiger Verachtung aufgenommen wurde. Alles das war am nächsten Tage vergessen, als Elinor, erschöpft durch eine Woche voll Reue, Schrecken, Wut und Ungewißheit, gefährlich krank wurde. Als sie sich wieder erholte, waren ihre Eltern nachsichtiger gegen sie und fanden zu ihrer Befriedigung, daß ihr früherer leidenschaftlicher Widerstand einem verdrießlichen Gehorsam gewichen war. Fünf Jahre verflossen, und Elinor begann Gedichte zu schreiben. Der Anfang eines Romans und viele unvollendete Gedichte, die »Lara« nachgeahmt waren, wurden von ihrer Mutter gefunden und vom Vater verbrannt. Dieses Verbrechen vergab sie niemals. Sie konnte jetzt ihren Groll nicht mehr fühlbar machen, denn sie machte sich nichts mehr daraus, Glas und Porzellan zu zerbrechen. Sie fürchtete sich sogar, Einwendungen zu machen, damit sie sich nicht etwa durch Wutausbrüche erniedrigen sollte, da sie seit ihrer Krankheit dabei beharrte, keinen Widerstand zu leisten. So bewahrte sie Stillschweigen und hörte auf, mit jemand von ihren Angehörigen zu sprechen, außer wenn man sie direkt fragte. Ihr Vater wollte sich weder darüber beklagen noch sein Bedauern äußern, das er über die vorschnelle Vernichtung der Manuskripte fühlte. Aber während er versicherte, er würde jeden Fetzen von dem Unsinn, den sie schrieb, verbrennen, wenn er in seine Hände falle, gab er sich Mühe, blind zu sein, wenn er sie mit verdächtigen Bündeln Papier überraschte, und wies seine Frau ab, wenn sie ihm mitteilte, daß Elinor ihm im geheimen ungehorsam sei. Inzwischen wurde ihr schweigender Groll niemals gemildert, und das Familienleben wurde durch dieses offenkundige Verhältnis verbittert.

Eines Morgens kündigte ein Brief aus London an, daß Mr. Lind in Westbourne Terrace ein Haus bezogen hatte und dort ständig mit seiner Tochter leben wollte. Elinor war noch nicht zum Frühstück heruntergekommen, als die Post eintraf.

»Ja,« sagte Mrs. McQuench, als sie die Neuigkeit mitgeteilt hatte, »ich wußte, daß etwas los war, als ich Reginalds Handschrift sah. Es ist achtzehn Monate her, daß ich von ihm zuletzt etwas hörte. Es freut mich sehr, daß er jetzt Marian ein eigenes Heim eingerichtet hat, statt selbst wie ein Junggeselle zu leben und sie von einem Hause zum andern zu schicken. Ich wollte, wir wären imstande gewesen, sie öfters hierher einzuladen.«

»Hier ist ein Brief von Marian an Nelly«, sagte Lydia, die den Umschlag untersucht hatte.

»An Nelly!« sagte Mrs. McQuench verdrossen. »Ich dächte, sie hätte zuerst eine von euch einladen sollen.«

»Vielleicht ist es keine Einladung«, sagte Jane.

»Was soll es sonst sein, Kind?« fragte Mrs. McQuench. Dann fiel ihr ein, wieviel angenehmer ihr Heim ohne Elinor sein würde, und sie fügte hinzu: »Schließlich wird es Nelly guttun, wenn sie von hier fortkommt. Sie braucht eine Veränderung, glaube ich. Ich wollte, sie könnte dorthin kommen. Es ist zu abscheulich von ihr, immer so spät zu kommen wie heute.«

Elinor kam gleich darauf herein und trug ein vernachlässigtes schwarzes Kleid. Ihr Gesicht war bleich, die Augen von dunklen Ringen umgeben, das schwarze Haar in Strähnen über der Stirne hängend. Ihre Schwestern, die wie Zwillinge gekleidet waren in weißem Musselin und goldenen Medaillons, machten sie noch auffälliger durch den Kontrast. Sie waren blond und gesellig und standen im Ruf, hübsch und liebevoll zu sein. Sie gediehen auf dem Boden, auf dem Elinor verhungerte.

»Da ist ein Brief für dich von Marian«, sagte Mrs. McQuench.

»Danke«, sagte Elinor gleichgültig und steckte den Brief in ihre Tasche. Sie liebte Marians Briefe und steckte sie fort, um sie in der Einsamkeit zu lesen.

»Was schreibt sie?« fragte Mrs. McQuench.

»Ich hab' es nicht gelesen«, antwortete Elinor.

»Nun,« sagte Mrs. McQuench in klagendem Ton, »ich wünsche, du möchtest es aber lesen. Ich möchte wissen, ob sie etwas über diesen Brief von Onkel Reginald sagt.«

Elinor zerrte den Brief aus ihrer Tasche, riß ihn auf und las ihn. Plötzlich verzog sie ihr Gesicht, um eine Bewegung vor ihren Angehörigen zu verbergen.

»Marian will, ich soll dorthin kommen und bei ihr bleiben«, sagte sie. »Sie haben ein Haus genommen.«

»Arme Marian!« sagte Jane. »Und du willst gehen?«

»Natürlich«, sagte Elinor. »Habt ihr was dagegen?«

»O nein, Teure«, sagte Jane freundlich.

»Ich glaube, du wirst froh sein, wenn du von Hause fortkommst«, sagte Mrs. McQuench unwillkürlich.

»Sehr froh«, antwortete Elinor. Mr. McQuench sah verletzt über seine Zeitung nach ihr hinüber. Mrs. McQuench war aufgebracht.

»Ich weiß nicht, was du dir für Kleider besorgen willst,« sagte sie, »da Lydia und Jane dieses Jahr noch einmal die Kleider vom letzten Winter tragen wollen.«

Die Gesichter der jungen Damen verlängerten sich. »Das ist Unsinn, Mama«, sagte Lydia, »wir können diese braunen Ripskleider nicht – noch einmal tragen.«

»Ihr braucht euch nicht aufzuregen«, sagte Elinor. »Ich brauche keine Kleider. Ich kann gehen, wie ich bin.«

»Du weißt nicht, was du redest, Kind«, sagte Mrs. McQuench.

»Mit diesem Kleide würdest du eine schöne Figur machen in Onkel Reginalds Salon!« sagte Lydia.

»Und dein Haar in dem Zustande!« sagte Jane hinzu.

»Du mußt bedenken, daß du noch auf andere Menschen Rücksicht nehmen mußt außer dir selbst«, sagte Lydia. »Wie würde es dir gefallen, wenn deine Gäste wie Vogelscheuchen aussähen?«

»Wie kannst du erwarten, daß Marian mit dir ausgeht oder in den Park reitet? Ich glaube –«

»Ruhig da!« sagte Mr. McQuench und legte seine Zeitung nieder. »Ich will nichts mehr davon hören. Was brauchst du im Park außer deinem Reitkleid. Das hast du schon. Deine andern Kleider kaufst du besser in London, wo du das Richtige für dein Geld findest.«

»Wahrhaftig, Hardy, sie wird doch nicht einer Londoner Putzmacherin das Vierfache bezahlen, wenn sie es hier unten geradesogut bekommen kann.«

»Ich sage, ich brauche gar nichts«, sagte Elinor ungeduldig. »Ihr habt Zeit genug, mir ein paar einfache Kleider zu mißgönnen, wenn ich darum bitte.«

»Ich mißgönne nicht –« Mrs. McQuenchs Gatte unterbrach sie.

»Das ist jetzt genug, ihr alle. Es ist beschlossen, daß sie gehen soll, und sie ist damit einverstanden. Was sie nötig hat, werde ich besorgen. Gebt mir noch ein Ei und redet von etwas anderm.«

So kam also Elinor dazu, in Westbourne Terrace zu wohnen. Marian war als Kind einen Monat in Wiltshire gewesen und hatte sich in Elinor eine treue Freundin erworben, die stets bereit war, etwas übelzunehmen oder tagelang eifersüchtig und verdrossen zu sein, wenn eine von ihren Schwestern oder ein anderes kleines Mädchen die Aufmerksamkeit ihrer Kusine lange in Anspruch nahm. Andererseits war Elinors Ergebenheit bis zur Anbetung heftig; und da Marian weich geartet und eher imstande war, sich vor einer Mißachtung von Elinors Gefühlen zu fürchten, als ihre Launenhaftigkeit übelzunehmen, so dauerte ihre Freundschaft fort, als sie voneinander schieden. Ihre Versprechungen, sich zu schreiben, wurden von Elinor mit sehr langen Briefen in unregelmäßigen Zwischenräumen eingelöst, und von Marian mit kürzeren Mitteilungen, die ihre wichtigeren Aufenthaltsveränderungen enthielten. Marian wurde öfters angefleht, ihrer Kusine gegen den Vorwurf, etwas zänkisch zu sein, beizustehen, und kam so dazu, ihre besseren Eigenschaften zu entwickeln. Elinor fand in Marian, was sie niemals in ihrem eigenen Heim gefunden hatte, eine Freundin und in ihres Onkels Hause eine Zuflucht vor ihrem Vaterhause, das sie haßte. Sie war vier Jahre lang Marians Gefährtin gewesen, als das Konzert in Wandsworth stattfand.

Am nächsten Tage saßen sie zusammen im Salon in Westbourne Terrace: Marian schrieb, Elinor machte technische Übungen auf dem Klavier, zu denen sie durch ihre mangelhaften Leistungen am letzten Abend veranlaßt wurde. Sie hörte auf, als sie die Klingel hörte.

»Wieviel Uhr ist es?« fragte sie, nachdem sie einen Moment gelauscht hatte. »Es ist doch sicher zu früh für einen Besuch.«

»Es ist erst halb drei«, antwortete Marian. »Ich hoffe, es wird niemand gekommen sein. Ich habe meine Korrespondenz noch nicht halb beendet.«

»Gnädiges Fräulein,« sagte das Mädchen, hereintretend, »Mister Douglas wünscht Sie zu sprechen, aber er möchte nicht heraufkommen.«

»Er erwartet, glaub' ich, du würdest hinuntergehen und mit ihm auf dem Flur sprechen«, sagte Elinor.

»Er ist im Speisesaal und wünscht Sie in einer besonderen Angelegenheit zu sprechen«, bemerkte das Mädchen.

»Sagen Sie ihm, ich würde herunterkommen«, sagte Marian.

»Er hörte mich üben«, meinte Elinor. »Deshalb wollte er nicht heraufkommen. Ich bin vermutlich in Ungnade.«

»Unsinn, Nelly! Aber ich glaube wirklich, er wird sich über unser Betragen beschweren, da er mich allein sprechen will.«

Miß McQuench schaute mißtrauisch auf Marians arglose Augen, aber sie nahm ihre Fingerübungen wieder auf, ohne etwas zu sagen.

Marian ging in den Speisesaal, wo Douglas nahe beim Fenster stand. Er sah sie mit besonderem Ausdruck an, als sie näher trat und ihm guten Morgen bot.

»Guten Morgen also,« sagte er, »weil Sie es so wollen.«

»Wie, Sholto? Betrachten Sie das als einen Nachmittagsbesuch?«

»Ich bin hierhergekommen, um Ihnen etwas zu sagen, das ich jetzt nicht länger ungesagt lassen kann. Darum habe ich mir auch die Freiheit genommen, nicht zur gewöhnlichen Zeit zu kommen, weil ich so mehr Aussicht hatte, Sie allein zu sprechen.«

»Sie sind hier im Hause stets als bevorzugter Gast angesehen worden, Sholto. Aber ich glaube, Sie gefallen sich lieber in Steifheit und Zeremonien. Wollen Sie nicht heraufkommen?«

»Ich möchte Sie allein sprechen. Zunächst muß ich Sie um Verzeihung bitten wegen meines Benehmens von gestern abend.«

»Bitte, tun Sie das nicht, Sholto, es ist nicht der Mühe wert. Ich fürchte, wir waren ungezogen gegen Sie.«

»Verzeihung, ich war daran schuld. Ich habe noch nie ein menschliches Wesen um Verzeihung gebeten, und ich würde das auch jetzt nicht tun ohne die schmerzhafte Überzeugung, daß ich vergaß, was ich mir selber schuldig war.«

»Dann sollten Sie sich über sich selber schämen, ich meine, weil Sie sich niemals früher entschuldigt haben. Sie sind doch sicherlich nicht durch Ihr Leben gegangen, ohne mindestens zwei- oder dreimal etwas getan zu haben, wegen dessen Sie sich entschuldigen sollten.«

»Es tut mir leid, daß Sie diese Meinung von mir haben.«

»Wie geht es Brutus' Pfote?«

»Brutus!«

»Ja. Diese plötzliche Art, einen Gesprächsgegenstand zu wechseln, nennt Mistreß Fairfax ein Prahlen mit Taktgefühl. Ich weiß, es wirkt sehr unangenehm, und darum reden Sie nur, über was Sie wollen. Aber ich möchte wirklich gern hören, wie es dem armen Hund geht.«

»Die Pfote ist fast ganz geheilt.«

»Das freut mich – das arme, alte Tier.«

»Sie wissen, Marian, ich bin nicht hierhergekommen, um über den Hund meiner Mutter zu sprechen.«

»Das hab' ich auch nicht geglaubt«, sagte Marian lächelnd. »Aber jetzt, da Sie sich entschuldigt haben, kommen Sie doch herauf? Nelly ist da.«

»Ich habe noch etwas anderes zu sagen – zu Ihnen allein, Marian. Ich bitte Sie, mich ernsthaft anzuhören.« (Marian blickte so ernst drein, wie sie konnte.) »Ich gestehe, daß ich in mancher Beziehung über Sie nicht im klaren bin; und bevor Sie wieder in die neue Londoner Saison eintreten, durch deren Torheiten ich Sie nicht allein gehen lassen kann, möchte ich von Ihnen eine Versicherung haben, in welcher Beziehung ich zu Ihnen stehe. Ich möchte Sie nicht mit eifersüchtiger Zudringlichkeit belästigen. Sie haben mir die unzweideutigsten Zeichen gegeben, daß Sie gegen mich andere Gefühle hegen, wie sie sonst dem gewöhnlichen Verkehr zwischen einer Dame und einem Herrn in der Gesellschaft zugrunde liegen; aber neuerdings scheint es mir, als ob Sie gegen andere Männer ebensowenig Zurückhaltung bewahren wie gegen mich. Ich denke nicht an Marmaduke, er ist Ihr Vetter. Aber ich bemerkte, daß selbst der Arbeiter, der gestern abend im Konzert sang, von Ihnen – ich will nicht sagen, absichtlich – mit einer Herzlichkeit empfangen wurde, die einen weniger bescheiden veranlagten Menschen, als er es zu sein schien, vielleicht verführt hätte, zu vergessen –« Douglas hielt inne, da er sah, daß Marians Miene plötzlich wechselte. Ihre schönen grauen Augen, die immer um Frieden baten wie die eines guten Engels, waren nun voll von Entrüstung; und ihr Mund hätte auch ohne ihren Blick den Anschein erweckt, als ob sie ein durch und durch halsstarriges Weib sei.

»Sholto,« sagte sie, »ich weiß nicht, was ich Ihnen antworten soll. Wenn das Eifersucht ist, mag sie ja sehr schmeichelhaft sein, aber sie ist lächerlich. Wenn es eine ernsthaft beabsichtigte Belehrung ist, dann ist sie – ist sie wirklich außerordentlich beleidigend. Was soll das heißen: ich hätte Ihnen unzweideutige Zeichen der Zuneigung gegeben? Natürlich gelten Sie mir was anderes als die zufälligen Bekanntschaften, die ich in der Gesellschaft mache. Es würde auch seltsam sein, wenn es anders wäre, da ich Sie schon so lange kenne und so oft Ihrer Mutter Gast gewesen bin. Aber Sie tun fast so, als ob ich mit Ihnen geliebäugelt hätte.«

»Nein«, sagte Douglas, indem er seine zeremoniöse Art vergaß und mißlaunisch und natürlich sprach; »aber Sie tun so, als ob ich Ihnen nicht meine Liebe gezeigt hätte.«

»Wenn Sie das taten, ich habe es nicht gewußt. Ich habe es nicht einmal geahnt.«

»Dann müssen Sie, da Sie nicht die dümmste Dame meiner Bekanntschaft sind, die unschuldigste sein.«

»Erzählen Sie mir von einer einzigen Gelegenheit, bei der etwas zwischen uns beiden vorgekommen ist, das Sie berechtigt, so zu mir zu sprechen, wie Sie es jetzt tun.«

»Unzählige Gelegenheiten. Aber da ich Sie nicht dazu zwingen kann, sie zuzugestehen, so hat es keinen Zweck, sie aufzuführen.«

»Ich kann nur sagen, daß wir uns gegenseitig im höchsten Grade mißverstanden haben«, sagte sie nach einer Pause.

Er antwortete nichts, sondern nahm seinen Hut und sah mit ärgerlicher Entschlossenheit auf ihn herab. Marian, zu ängstlich, um das Stillschweigen zu ertragen, fügte hinzu:

»Aber ich werde es in Zukunft besser wissen.«

»Gewiß«, sagte Douglas, indem er hastig seinen Hut hinlegte und einen Schritt vortrat. »Sie können jetzt nicht mehr Mißverstehen vorschützen. Können Sie mir also die Versicherung geben, die ich haben möchte.«

»Welche Versicherung?«

Douglas zuckte ungeduldig mit den Schultern.

»Sie setzen von mir voraus, daß ich alles durch Eingebung weiß«, sagte sie.

»Gut, meine Erklärung soll deutlich genug sein, selbst für Sie. Lieben Sie mich?«

»Nein, ich denke nicht daran. Ich bin wirklich ganz sicher, daß ich es nicht tue – wenigstens nicht auf die Art, die Sie meinen. Ich wollte, Sie würden nicht so zu mir reden, Sholto. Wir sind immer so hübsch miteinander ausgekommen: Sie und ich, und Nelly, und Marmaduke und mein Vater. Und jetzt machen Sie mir Liebeserklärungen und dergleichen dummes Zeug. Lassen Sie uns, bitte, übereinkommen, alles das zu vergessen und Freunde zu bleiben wie früher.«

»Sie brauchen keine Sorge zu haben wegen unserer zukünftigen Beziehungen. Ich werde Sie nicht wieder mit meiner Gesellschaft belästigen. Ich hoffte in Ihnen eine Frau zu finden, die imstande war, die Liebe eines Mannes zu begreifen, selbst wenn sie sie nicht ebenso erwidern konnte. Aber ich sehe jetzt, daß Sie nur ein junges Mädchen sind, welches nichts von dem tieferen Leben versteht, das unter dem Eis der Oberfläche sich verbirgt.«

»Dieses Bild paßt sehr gut auf Sie selbst«, sagte Marian, indem sie ihn unterbrach. »Für gewöhnlich sind Ihre Manieren alle eisig, hart und schneidend. Man mag annehmen, daß es noch Tiefen darunter gibt, aber das ist nur ein Grund mehr, sich an der Oberfläche zu halten.«

»Dann ist selbst Ihre Freundlichkeit eine Täuschung. Oder sind Sie freundlich gegen alle andern und haben für mich nur spöttische Kälte und Falschheit.«

»Nein, nein«, sagte sie, wieder ganz sanft. »Sie haben mich falsch verstanden. Ich beabsichtigte Sie nicht zu verspotten.«

»Sie verbergen Ihre Ansicht ebenso kunstfertig, wie ich – nach Ihrer Meinung – meine verborgen habe. Guten Morgen.«

»Wollen Sie schon gehen?«

»Machen Sie sich auch nur eine Kleinigkeit aus mir, Marian?«

»Ganz gewiß. Glauben Sie mir, Sie sind einer meiner besten Freunde.«

»Ich will nicht einer Ihrer Freunde sein. Wollen Sie meine Frau werden?«

»Sholto!«

»Wollen Sie meine Frau werden?«

»Nein, ich –«

»Verzeihung, das genügt mir vollständig. Guten Morgen.«

Als er gegangen war, rannte Marian hinauf in den Salon, in dem Miß McQuench noch immer übte.

»Oh, Nelly«, schrie sie, indem sie sich in einen leichten Stuhl warf und ihr Gesicht mit den Händen bedeckte.

»Oh! oh! oh! oh! oh!« Sie öffnete ihre Finger und schaute mutwillig nach ihrer Kusine, die solches Theaterwesen verachtete und ungeduldig fragte:

»Nun?«

»Weißt du, was Sholto wollte?«

»Um deine Hand bitten.«

»Halt, Nelly. Du weißt nicht, was für schreckliche Dinge man im Spaß sagt. Er hat wirklich angehalten.«

»Wann soll die Hochzeit sein?«

»Mach' keine Witze darüber, bitte. Ich weiß kaum, wie ich mich benommen habe oder was die ganze Szene bedeuten sollte. Hör' einmal. Hast du jemals den Verdacht gehabt, er – wie soll ich mich ausdrücken – er mache mir den Hof?«

»Ich sah, daß er versuchte, in seiner eigenen, verschrobenen Weise sanftmütig zu sein. Ich habe sicher angenommen, daß er eines Tages anhalten würde, wenn er sich nur einer Frau fügen könnte, die keine Angst vor ihm hat.«

»Und du hast mir nie etwas gesagt.«

»Ich vermutete, du sähest das selbst; besonders, da du ihn ermutigt hast.«

»Da hast du es! Genau dasselbe warf er mir auch vor. Er sagte, ich hätte ihm unzweideutige Zeichen – ja, unzweideutige Zeichen – gegeben, daß ich ihn liebte.«

»Was war das Ende seines Besuches – wenn ich fragen darf?«

»Ich versuchte, ihm die Sache zu erklären; aber er bestand auf seiner Frage, ob ich seine Frau werden wollte, und als ich das ablehnte, wollte er auf nichts anderes mehr hören und ging wütend fort.«

»Ja, ich kann mir Sholtos Gefühle vorstellen, als er entdeckte, daß er sich umsonst erniedrigt hatte. Warum hast du ihm einen Korb gegeben?«

»Warum. Stell' dir vor, Sholtos Weib zu sein! Ich würde ebenso leicht daran denken, Marmaduke zu heiraten. Es will mir nicht aus dem Kopf, daß er sagte, ich hätte mit ihm geflirtet. Nelly, willst du mir versprechen, es mir zu sagen, wenn ich mich nach deiner Ansicht so benehme, daß dadurch jemand irregeführt werden könnte – wie Sholto, weißt du?«

»Unsinn. Wenn die Männer sich selbst zu Narren machen wollen, kann man sie nicht daran hindern. Ist es nicht ein Elend, zu sehen, wenn ein Mann wie Sholto Douglas eine so traurige Figur schneidet?«

Marian, die immer bestrebt war, zu verstehen und mitzufühlen, sah sie verwirrt an. Da ihre Kusine ihr keine Aufklärung geben wollte, sagte sie: »Angenommen, er hätte dir denselben Antrag gemacht, was würdest du ihm geantwortet haben?«

»Ich brauche nicht nachzudenken, was ich gesagt haben würde. Kein Mensch wird sich in mich verlieben, solange du an meiner Seite bist.«

»Unsinn! Bist du ganz sicher, daß du nicht in Sholto verliebt bist? Nach seiner Erklärung bin ich gegen jedermann mißtrauisch.«

»Wie kann ich in einen Menschen verliebt sein, der nicht zwei Minuten sprechend oder auch schweigend in meiner Nähe verweilen kann, ohne daß er in mir ein vollkommenes Gefühl der Verachtung erzeugt.«

»Aber warum denn? Sholto ist zweifellos sehr tüchtig – eine Art Held. Er ist ein Athlet; er hat die goldene Medaille oder so was auf der Universität bekommen, und er ist der Newdigate-Dichter.«

»Newdigate-Dichter! Er wird niemals irgendeine Art Dichter sein. Nein, er ist kein Held. Ich wollte, er wäre es.«

»Warum?«

»Weil ich mich dann in ihn verlieben könnte, ohne mich selbst verachten zu müssen.«

»Nelly!«

»Rege dich nicht auf, Marian. Da steckt nur ein großes Wenn zwischen der Hälfte der Männer, die ich kenne, und meinem innersten Herzen.«

»Und du möchtest dich verlieben?«

»Liebste, ich würde dann die Befriedigung haben, sicher zu wissen, daß es solch ein Gefühl gibt. Still! Es kommt jemand die Treppe herauf. Das ist, glaube ich, Marmaduke.«

»Marmaduke würde nie so langsam heraufkommen. Er nimmt immer drei Stufen auf einmal.«

»Trotzdem ist es sein Tritt. Paß auf, er wird nicht mit mir sprechen.«

Marmaduke trat teilnahmslos herein. »Guten Morgen, Nell.«

Elinor, erstaunt über seine Höflichkeit, blickte auf und begrüßte ihn schnippisch.

»Was ist dir, Duke?« fragte Marian. »Bist du krank?«

»Nein, mir geht es gut. Viel zu tun, das ist alles.«

»Zu tun!« sagte Elinor. »Da muß es doch etwas Ungewöhnlicheres geben als das, wenn du zu niedergeschlagen bist, dich mit mir zu zanken. Warum setzest du dich nicht in einen bequemen Sessel oder wirfst dich, wie du es gewöhnlich tust, auf die Ottomane?«

»Alles um des lieben Friedens willen«, antwortete er und ging zur Ottomane.

»Du mußt Hunger haben,« sagte Marian, erstaunt über seine Nachgiebigkeit, »ich werde dir etwas holen.«

»Nein, danke sehr«, sagte Marmaduke. »Ich könnte nicht essen. Ich habe gerade meinen Lunch gehabt. Ich will nur die Sachen holen, die ihr von mir hier habt.«

»Wir haben dein Banjo.«

»Oh, das will ich nicht. Du kannst es verwahren oder ins Feuer werfen, das ist mir ganz egal. Ich will nur die Kleider, die ich hier ließ, als wir Theater spielten.«

»Willst du von London weggehen?«

»Ja. Ich habe es satt, müßig zu sein. Ich denke, ich werde wieder nach Cambridge hinuntergehen und etwas studieren. Ich habe Lust, in den indischen Staatsdienst einzutreten, oder zum Unterrichten von Studenten, oder Dolmetscher zu sein oder sonst etwas.«

»Unglücklicherweise kann man solche Posten nicht in einer Woche finden,« sagte Miß McQuench, »und du wirst das Studieren in spätestens vier Tagen satt haben. Ich glaube, du hast etwas gegessen, was dir nicht bekommen ist.«

»Das glaube ich auch!« sagte Marian. »Komm, Duke, ich habe eine Menge guter Neuigkeiten für dich. Nelly und ich sind zum Herbst nach Sunbury Park eingeladen, außer uns drei werden keine Besucher da sein. Wir haben das ganze Haus für uns allein.«

»Wir haben noch lange Zeit genug, an den Herbst zu denken«, sagte Marmaduke schwermütig.

»Nun,« sagte Miß McQuench, »dann ist hier noch eine bessere Neuigkeit für dich. Constance – Lady Constance – kommt nächste Woche in die Stadt.«

Marmaduke murmelte etwas.

»Was meintest du?« fragte Elinor schnell.

»Nichts. Nichts.«

»Ich kann mich täuschen; aber ich verstand: ›Zum Teufel mit Lady Constance!‹«

»Oh, Marmaduke!« rief Marian. »Wie kannst du so von deiner Braut reden, mein Herr?«

»Wer sagt, sie ist meine Braut?« fragte er und wandte sich ärgerlich nach ihr hin.

»Nun ja, jeder. Selbst Constance gibt das zu.«

»Sie sollte soviel Geschmack haben, damit zu warten, bis ich um sie angehalten«, sagte er, von ihrem Blick besänftigt. »Ich bin nicht mit ihr verlobt, und ich denke, ich werde es auch nicht so schnell, wenn ich es verhindern kann. Aber du brauchst deinem Vater nicht zu erzählen, daß ich das gesagt habe. Schließlich erfährt es mein Alter, und dann gibt es einen Streit.«

»Du weißt doch, daß du sie einmal heiraten mußt«, sagte Elinor boshaft.

»Ich muß? Ich werde überhaupt nicht heiraten. Ich habe genug von den Weibern bekommen.«

»Wirklich? Vielleicht haben sie genug von dir bekommen.« Marmaduke errötete. »Du scheinst die Freuden dieser Welt seit dem Konzert gestern abend genossen zu haben. Bist du eifersüchtig auf Mister Conollys Erfolg?«

»Deine Nebenbemerkung, als du fandest, wie früh es noch war am Ende des Konzertes, haben wir wohl gehört«, sagte Marian zimperlich. »Du bist noch irgendwohin gegangen, nicht wahr?«

»Weil ihr so hübsch neugierig seid,« sagte Marmaduke, ohne Grund verdrossen, »ich ging mit Conolly zum Theater; und meine Nebenbemerkung, wie du das nennst, besagte einfach, daß ich entzückt war, euch so zeitig loszuwerden, um noch den Abend zu genießen.«

»Mit Conolly!« sagte Marian interessiert. »Was ist er eigentlich für ein Mensch?«

»Er ist gar nichts Besonderes. Ihr habt ihn doch selbst gesehen.«

»Ja. Aber ist er gut erzogen und so weiter?«

»Weiß ich nicht, ich glaube sicher. Wir sprachen nicht über Mathematik und die Klassiker.«

»Gut, aber – gefällt er dir?«

»Ich sage dir, ich mache mir verdammt gar nichts aus ihm, weder in der einen noch in der andern Hinsicht«, sagte Marmaduke, indem er sich erhob und nach dem Fenster zu fortging. Seine Kusinen wechselten erstaunt einen Blick.

»Nun schön, Marmaduke,« sagte Marian sanft nach einer Pause, »ich will dich nicht mehr plagen. Sei nicht böse.«

»Du hast mich nicht geplagt«, sagte er und kam mit etwas verschämtem Gesicht vom Fenster zurück. »Ich bin wütend heute, obgleich es keinen Grund gibt, warum ich nicht so lustig wie ein Fisch sein sollte, vielleicht wird Nelly etwas Chopin spielen, nur um mich zu besänftigen. Ich möchte gern die Polonäse wieder hören.«

»Es würde mir nichts lieber sein, als dich beim Wort zu nehmen«, sagte Elinor. »Aber ich hörte vor einem Augenblick Mister Lind ins Haus kommen, und er ist nicht so besessen auf Chopin als du und ich.«

Während ihrer Worte trat Mr. Lind herein. Er war ein würdevoller Herr mit feingeschnittenen Gesichtszügen und stattlicher Figur. Sein seidenweiches, hellbraunes Haar fiel in natürlichen Locken über seine Stirne und gab ihr ein imposantes Aussehen. Seine Hände waren weiß und klein mit spitz zulaufenden Fingern und kleinen Daumen.

»Wie geht es Ihnen?« sagte Marmaduke errötend.

»Danke sehr: es geht mir besser als wie früher.«

Marmaduke murmelte einen Glückwunsch und sah auf seine Uhr, als ob er wenig Zeit habe. »Ich muß jetzt gehen«, sagte er und erhob sich. »Ich wollte gerade aufbrechen, als Sie hereinkamen.«

»So bald! Ich darf dich nicht zurückhalten, Marmaduke. Ich hörte diesen Morgen von deinem Vater. Er macht sich viele Sorge, dich seßhaft zu sehen.«

»Ich denke, ich werde mich schon eines Tages einrichten.«

»Du hast eine sehr gute Gelegenheit – eine wirklich außergewöhnliche Gelegenheit. Hat Marian dir erzählt, daß man Lady Constance nächste Woche in der Stadt erwartet?«

»Ja, wir haben es ihm erzählt«, sagte Marian.

»Er dachte, es wäre zu schön, um wahr zu sein, und wollte es kaum glauben«, fügte Elinor hinzu.

Mr. Lind lächelte seinem Neffen zu. »Es ist wirklich wahr, mein Junge«, sagte er gütig. »Aber bevor sie ankommt, möchte ich gerne eine Unterredung mit dir haben. Wann kannst du mit mir frühstücken?«

»Jeden Tag, den Sie mir nennen. Es wird mich sehr freuen.«

»Also sagen wir morgen früh. Ist das zu bald?«

»Nein, durchaus nicht. Es paßt mir ganz gut. Guten Abend.«

»Guten Abend.«

Als Marmaduke sich auf der Straße befand, blieb er eine Weile stehen und überlegte, welchen Weg er wählen sollte. Vor der Ankunft seines Onkels hatte er vorgehabt, den Nachmittag mit seinen Kusinen zu verbringen. Er wußte jetzt nicht, wie er die Zeit totschlagen sollte. Über eins war er sich klar. Es fand heute im Bijou-Theater eine Probe statt, und dahin wollte er auf keinen Fall gehen. Er fuhr nach Charing Croß und bummelte zurück nach Leicester Square. Er wandte sich vom Theater ab und wanderte den Piccadilly hinunter. Dann beschloß er, bis zum Criterion zurückzukehren und etwas zu trinken. Schließlich endigte er am Bühneneingang des Bijou-Theaters und fragte, wann die Probe vorbei sei.

»Die spielen schon seit elf, das wird hübsch dauern bis sechs«, sagte der Türschließer. »Sie brauchen das ganze Personal für die neuen Stücke. Aber es werden gleich einige herunterkommen, die essen gehen. Lieber ist es mir schon, Sie warten hier unten, wenn es Ihnen recht ist, Herr! Der Direktor ist oben, er hat schlechte Laune.«

Marmaduke sah sich unentschlossen um. Ein starkes Geräusch, ein Trampeln und Singen begann jetzt über ihm.

»Sie sind bei dem Aufzug«, fuhr der Türhüter fort. »Es ist die französische Jagd, Gott steh' uns bei. Sechzehn Neue sind dafür genommen worden.«

Jetzt kam ein schnelles Füßetrappeln die Treppe herab. Marmaduke fuhr auf und stand da, sich in die Lippen beißend, als Mademoiselle Lalage geschäftig, hungrig und schnell nach der Tür zustürmte.

»Kommen Sie mit«, sagte sie ungeduldig zu ihm, als sie hinausging. Er eilte ihr nach und fand sie auf dem Trottoir stehen, wie sie die Straße hinauf und hinunter blickte. »Holen Sie einen Wagen, ja? Ich muß etwas zu essen haben und schnell wieder zurück sein. Schnell – da kommt ein Hansom. Hi!« Sie machte einen schrillen Pfiff und schwenkte ihren Schirm. Der Wagen kam, und Marmaduke nannte ein Restaurant in Regent Street.

»Ich bin vollständig am Verhungern«, sagte sie, als sie abfuhren. »Seit zehn Uhr heute morgen bin ich schon im Theater, und sie begannen natürlich erst um halb zwölf. Es sind so verdammte Narren, sie machen mich noch toll.«

»Warum haben Sie denn das Theater nicht verlassen und ihnen gesagt, sie möchten es am nächsten Tage richtig arrangieren?«

»O ja! Und den ganzen Tag noch außer dem halben fortwerfen und die Probe verlieren. Es ist schlimm genug, wenn ich meine Laune verliere. Ich habe geflucht, sage ich Ihnen.«

»Daran zweifle ich nicht.«

»Das Pferd glaubt, es zöge einen Leichenwagen. Wieviel Uhr ist es?«

»Erst acht Minuten nach vier. Sie haben noch genügend Zeit.«

Als sie ausstiegen, eilte Lalage in das Restaurant, sah nach den Tischen und wählte den mit der besten Beleuchtung aus. Der Kellner, ein würdiger älterer Mann, näherte sich mit einem etwas ernsten Benehmen und händigte Marmaduke eine Speisekarte aus. Sie entriß sie ihm, warf einen Blick darauf und wandte sich in scharfem Ton an den Kellner.

»Bringen Sie mir eine dünne Suppe und lassen Sie darauf ein Steak kommen. Es muß vollsaftig sein. Wenn es roh und blutig ist, will ich es nicht; und wenn es verbrannt ist, will ich es auch nicht, es muß rot sein. Und bringen Sie mir frischen Kohl und Kartoffeln und eine Karaffe trockenen Champagner, die kleinste, die Sie haben. Und vor allem machen Sie schnell.«

»Und was soll ich Ihnen bringen, Herr?« fragte der Kellner, sich an Marmaduke wendend.

»Bekümmern Sie sich nicht um ihn«, unterbrach ihn Susanna. »Gehen Sie und bedienen Sie mich.«

Der Kellner verneigte sich und ging.

»Alter Einfaltspinsel!« brummte Miß Lalage. »Ist es schon halb?«

»Nein. Es ist erst ein Viertel nach, wir haben Zeit mehr wie zu viel. Da ist Ihre Suppe.«

Mademoiselle Lalage aß, bis die Suppe, eine Menge Brot, das Steak, das Gemüse und die Karaffe Champagner verschwunden waren – kaum daß ihr Begleiter ein Glas voll mitgetrunken hatte. Marmaduke beobachtete sie inzwischen und aß zwei Portionen Eis.

»Iß etwas Eis zum Nachtisch!« sagte er.

»Nein, Süßigkeiten bekommen mir nicht«, antwortete sie. »Aber ich fange jetzt an, mich wieder als Mensch zu fühlen. Wieviel Uhr ist es?«

»Zum Teufel mit der Uhr!« sagte Marmaduke. »Es ist zwanzig nach vier.«

»Schön, ich will zurückfahren zum Theater. Ich brauche erst in einer Viertelstunde aufzubrechen.«

»Gott sei Dank!« sagte Marmaduke. »Ich fürchtete schon, ich hätte überhaupt kein Wort mit Ihnen sprechen können.«

»Das erinnert mich daran, daß ich noch mit Ihnen ein Hühnchen zu rupfen habe, Mister Marmaduke Lind. Wie kamen Sie dazu, mir zu sagen, Sie hießen Sharp?«

»Es ist der Name einer meiner Kusinen«, sagte Marmaduke und versuchte mit einem Lachen über die Sache fortzukommen.

»Es mag sein, daß es der Name Ihrer Kusine ist. Aber es ist nicht der Ihrige. Übrigens ist das die Kusine, mit der Sie verlobt sind?«

»Welche Kusine? Ich bin mit niemand verlobt.«

»Das ist eine Lüge, genau wie der falsche Name. Ach was, Master Marmaduke, mich können Sie nicht beschwindeln. Sie sind zu jung. Nanu! Was wollen Sie?«

»Erlauben Sie, Madame!« sagte der Kellner, der einige Teller wegnahm und die Rechnung hinlegte. Marmaduke steckte die Hand in die Tasche.

»Warten Sie noch einen Augenblick, bitte«, sagte Susanna. Der Kellner zog sich zurück.

»Und jetzt,« schloß sie und legte ihre Ellenbogen auf den Tisch, »wollen wir keinen Unsinn mehr reden. Wie steht es mit Ihnen? Wollen Sie die Rechnung bezahlen oder soll ich es?«

»Ich natürlich.«

»Dabei gibt es kein Natürlich – wenigstens jetzt noch nicht. Warum laufen Sie mir im Theater nach? Sagen Sie mir das. Fallen Sie nicht aus den Wolken.«

Marmaduke sah sie erst verblüfft, dann verdrießlich an. Schließlich erhellten sich seine Züge und er sagte: »Sehen Sie. Sie sind mir böse, weil ich gestern abend Ihren Bruder mitbrachte. Aber bei meiner Seele, er täuschte mich, ich hatte keine Ahnung –«

»Daran habe ich gar nicht gedacht. Sie weichen meiner offenen Frage aus. Als Sie zum Theater kamen, glaubte ich, Sie seien ein guter Junge und schloß mit Ihnen Freundschaft. Jetzt finde ich, daß Sie mich über sich belogen und ein falsches Spiel mit mir gespielt haben. Entweder geben Sie das auf oder geben mich auf. Ich will nicht, daß Sie die Bühnentüre noch einmal betreten, wenn Sie sich nur amüsieren wollen wie die andern herumlungernden Lebemänner.«

»Was wollen Sie sagen mit falschem Spiel treiben und Lebemann?« sagte Marmaduke erzürnt. »Ich hoffe, Sie wollen hier nicht vor der Öffentlichkeit einen Streit anfangen.«

»Nein, aber ich habe Sie jetzt bei einem Punkte, bei dem Sie nicht streiten können. Ich will Ihnen die Sache ein für allemal klarmachen. Wenn Sie jetzt zanken, werde ich, so wahr mir der Himmel helfe, niemals wieder mit Ihnen sprechen.«

»Sie zanken!«

»Nun gut«, sagte Susanna und öffnete ihre Börse, als ob die Sache erledigt wäre. »Kellner.«

»Ich bezahle schon.«

»Das können Sie tun – für das, was Sie selbst gehabt haben. Ich lasse mir von Fremden kein Diner bezahlen, bezahle aber auch für sie kein Eis.«

Marmaduke gab keine Antwort. Er zog entschlossen sein Portemonnaie heraus, sah sie ärgerlich an und murmelte: »Ich hätte nie gedacht, daß Sie solch eine Art von Weib wären.«

»Was für eine Art von Weib?« fragte Susanna in einem Tone, daß die andern Gäste in dem Zimmer sich herumwandten und sie anstarrten.

»Bitte, sei still«, bat Marmaduke. Sie wollte ihm gerade antworten, als sie sah, daß er mit einem Ausdruck der Bestürzung in sein Portemonnaie blickte. Der Kellner kam. Susanna, statt daß sie versuchte, ihm vorauszukommen, indem sie das Geld hinreichte, änderte ihre Absicht und wartete. Marmaduke suchte in seinen Taschen. Da er nichts fand, fluchte er vor sich hin und blickte, indem er seine Uhrkette löste, ungewiß auf den Kellner, der einfältig auf das Tischtuch starrte.

»Da!« sagte Susanna und legte einen Sovereign hin.

Marmaduke sah sie hilflos an, während der Kellner herausgab und Susanna für das Trinkgeld dankte. Dann sagte er: »Sie müssen mir erlauben, daß ich das heute abend in Ordnung bringe. Ich habe fast all mein Geld in einer andern Weste stecken lassen.«

»Sie werden weder heute abend noch an einem andern Abend Gelegenheit haben, das in Ordnung zu bringen. Ich bin mit Ihnen fertig.« Und sie erhob sich und verließ das Restaurant. Marmaduke saß verbissen eine Viertelminute da. Dann ging er hinaus und rannte die Regent Street herunter, indem er ängstlich von einem zum andern Gesicht blickte, um sie zu finden. Zuletzt sah er sie in großer Eile kurz vor ihm gehen. Er rannte vorwärts und holte sie ein.

»Hören Sie, Lalage«, sagte er und ging neben ihr her: »Das ist alles Unsinn. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich weiß nicht, was Sie meinen oder was Sie von mir wollen. Seien Sie nicht unvernünftig.«

Keine Antwort.

»Ich lasse mir von Ihnen manches gefallen; aber das ist zuviel, hinter Ihnen herlaufen zu müssen, als ob ich ein Bettler oder ein lästiger Hund sei. Lalage.« Sie beachtete ihn nicht; und er blieb stehen und versuchte sein Aussehen in Ordnung zu bringen, das durch die Aufregung entstellt war. Sie ging weiter. Als sie zwanzig Meter gegangen war, hörte sie ihn eilig hinter sich herkommen.

»Wenn Sie nicht stehenbleiben und mit mir sprechen,« sagte er, »werde ich Sie dazu zwingen. Und wenn mir jemand dazwischenkommt, werde ich ihn zu Brei zerquetschen. Es würde Ihnen ganz gut tun, wenn ich dasselbige mit Ihnen täte.«

Dies geschah mitten auf einer Straßenkreuzung. Susanna blickte um sich und sah ihn erregt, gerötet und fast in Tränen. Einige Leute hatten schon haltgemacht und sahen hin, was es gäbe.

»Komm«, sagte sie, indem sie ihre Hand unter seinen Arm legte und sanft ihre Schulter an seine preßte. »Seien Sie ein guter Junge; und Sie dürfen soviel reden wie Sie wollen. Laß uns nach Golden Square gehen und über diese Straße wegkommen.«

Marmaduke, gebeugt, entzückt und beschämt von ihrer Heftigkeit, gehorchte schweigend. Dann fragte sie ihn, ob er es liebte, wenn sie so gingen.

»Ich würde mir nichts daraus machen, fünfzig Meilen so zu gehen«, antwortete er. »Lalage, Sie müssen nicht denken, ich triebe es nur zum Spaß, wie Sie vorhin zu denken schienen. Ich bin wirklich sehr verliebt in Sie. Ich kann es nicht ändern, es schneidet mir ins Herz, wenn Sie unfreundlich zu mir sind. Vielleicht ist es Ihnen einerlei, ob sich das so verhält?«

»Mir ist niemand so teuer wie meine Freunde.«

»Aber ich – sehen Sie, Lalage. Ich weiß, ich gebe zu, es war töricht von mir, Ihnen einen falschen Namen anzugeben; aber damals hielt ich das noch alles für Spaß. Und dann hatte ich auch Angst, mein alter Herr würde was davon erfahren, denn der hält es für Sünde, zum Theater zu gehen. Ich kann mich nun einmal nicht mit ihm zanken.«

»Auch nicht mit Ihrer Kusine Constance?«

»Wer hat Ihnen von ihr erzählt?«

»Das ist gleichgültig. Sie sind mit ihr verlobt. Nun, wollen Sie das leugnen? Sagen Sie die Wahrheit wie ein Mann!«

»Ich bin es nicht: ich schwöre es, daß ich es nicht bin, Lalage. Zu Hause reden sie immer von einer Ehe zwischen uns, als ob die Sache schon abgeschlossen sei, und ich darf ihnen nicht offen widersprechen. Aber sie sollen mich nicht so schnell in den Sack stecken wie sie denken.«

»Wenn Sie ein zartfühlender Mann wären, würden Sie sie heiraten.«

»Ich sage Ihnen doch, ich will sie gar nicht heiraten. Ich mache mir nichts aus ihr. Es scheint Ihnen ja ziemlich gleichgültig zu sein, wen ich heirate; mir aber nicht.«

»Warum haben Sie mir das nicht alles selbst erzählt? Wenn Sie mir fremd bleiben wollen, nun, tun Sie es. Aber wenn wir Freunde werden sollen, müssen wir auch wie Freunde miteinander stehen. Was ich daran auszusetzen habe, ist, daß Sie erst eine halbe Stunde mit mir plaudern und dann zu andern gehen und mich verachten, wie es die Leute tun. Das Publikum bezahlt, um mich zu sehen, aber es darf nicht hinter die Bühne kommen; sie geben ihr Geld für eine Darbietung meines Berufes und dann gehen sie wieder. Sie sehen es sich auch an, aber Sie gehen nicht fort. Aber wenn Sie nur bleiben, um Ihre Zeit totzuschlagen, ich hasse die Bummler, dann halten Sie sich lieber fern. Wenn Sie mich zum Freund haben wollen, müssen Sie mich auch als solchen behandeln.«

»Sehen Sie, wie die Umstände liegen –«

»Oh, fort mit Ihren Umständen! Ich will gar nicht, daß Sie mich Ihren vornehmen Verwandten vorstellen: es ist mir gar nicht der Mühe wert, meine Zeit an Leute zu verlieren, die sich nicht einmal selbst ernähren können. Ich will nur, daß Sie mir Ihre Sorgen anvertrauen, wenn Sie welche haben; und sich nicht immer herumdrücken.«

»Das ist es ja gerade, wonach ich immer verlangt habe; aber ich wagte es nicht.«

»Wagen! Dabei war etwas zu wagen. Sie dürfen mir alles anvertrauen: seien Sie nicht so zurückhaltend. Und bekümmern Sie sich nicht um Ihren Alten: wir können ohne ihn fertig werden. Wenn Sie in Geldverlegenheit sind und er will nichts herausrücken, dann können Sie es ebensogut von mir bekommen wie von den Juden.«

»Nein, das darf ich nicht«, sagte Marmaduke. »Mir fehlt tatsächlich nichts. Übrigens, ich muß Ihnen das noch für das Diner zurückzahlen. Aber wenn es mir wirklich einmal schlecht geht, will ich zu Ihnen kommen. Genügt Ihnen das?«

»Natürlich, so meinte ich es. Endlich sind wir da. Sie dürfen nicht mit hereinkommen: Sie würden nur im Wege stehen. Kommen Sie heute abend nach der Burleske, wenn es Ihnen recht ist.«

»Freunde, die einen Streit beendet, küssen sich gewöhnlich, Lalage.«

»Aber nicht auf der Straße, Sie Kind. Himmel! Es ist viertel nach fünf.«

»Nein, erst zwölf Minuten nach. Bleiben Sie noch bis viertel. Sehen Sie, Lalage, ganz ehrlich gesprochen: wenn ich Sie offen heirate, bin ich ruiniert. Wir wollen uns im stillen verheiraten und es geheimhalten, bis ich unabhängig geworden.«

»Verheiraten! Versuchen Sie es einmal, mich dazu zu bringen. Nein, mein lieber Junge: Ich habe Sie sehr gern; und Sie wären auch schließlich derjenige, der mir das anbieten dürfte; aber ich will mir von Ihnen kein Halsband umlegen lassen. Verheiratet sein ist ganz gut für Frauen, die sich nicht allein ernähren können; aber mir würde das nicht passen. Sehen Sie mich nicht so dumm an. Welchen Unterschied macht das für Sie?«

»Aber –.« Er schwieg und stand verwirrt da, indem er sie anstarrte.

»Gehen Sie, Sie großes Schaf«, sagte sie und eilte schnell ins Theater, indem sie ihn beim Forteilen leicht anstieß, daß er fast hinfiel. Verliebt, wie er war, fühlte er ein unbestimmtes Mißtrauen in sich aufsteigen, als er sein Gleichgewicht wieder gefunden, und ging langsam fort.


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