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Zwölftes Kapitel.

Nun schlagt die Psalmen Davids auf,
Laßt laut die Stimmen tönen,
Von Doppelversen gebt uns vier
Und laßt die Orgel dröhnen. –

Burns.

Am andern Tage, dem der Einführung Butler's, hatten Eifer und Unruh die ganze Hausgenossenschaft sehr früh geweckt. Duncan, ein wackerer Esser, berief sie zu einem tüchtigen Frühstück. Es gab hier wenigstens ein Dutzend verschiedener Milchzubereitungen, eine Fülle von kaltem Fleisch, geschmorte Meerquabben und geröstete Eier, ein großes Faß Butter, eine Anzahl Häringe, gebraten und gesotten, gesalzen und frisch, auch Thee und Kaffee für die Liebhaber dieser Getränke, von denen ihr Wirth versicherte, man bezahle wenig mehr dafür als das Heraufholen. Er deutete hierbei auf einen kleinen Kutter, der der Windseite gegenüber an der Insel herumkreuzte.

»Wird der Schleichhandel hier so offen gestattet?« fragte Butler. »Ich halte ihn sehr nachtheilig für die Sitten des Volks.«

»Der Herzog hat keine besondern Befehle deshalb gegeben,« erwiederte der Pfleger der Gerechtigkeit, und glaubte dadurch seine eigennützige Nachsicht vollkommen gerechtfertigt zu haben.

Butler war ein Mann von Verstand, und wußte, daß Ermahnungen nur Gutes bewirken, wenn sie zu rechter Zeit angewendet werden, er ließ daher den Gegenstand fallen.

Nach geendetem Mahl schlug Knockdunder der Gesellschaft vor, sich in ein Boot zu setzen, damit Deans und Butler ihre zukünftigen Wohnörter besuchen könnten.

Der Morgen war herrlich, und die gewaltigen Schatten der Berge schliefen auf dem Wasserspiegel des Meerbusens, der jetzt ruhig wie ein Landsee vor ihnen lag. Sogar Jungfer Dutton's Angst verschwand. Die Wellen waren ja so still; überdies hatte Archibald ihr gesagt nach dem Gottesdienst würde es einen Schmaus geben, und so etwas mochte sie nicht gerne versäumen. Sie fuhren in einem großen Boot, welches Duncan seine Kutsche mit Sechsen nannte, denn von sechs handfesten Ruderern ward es rasch über die Fluth geführt. Sie steuerten auf das Thürmchen der alten Kirche von Knocktarlitie zu. Indem sie sich dem Lande näherten, schienen die Höhen vor ihnen zurückzuweichen, und ein kleines Thal, von einem Bergstrom anmuthig bewässert, lud sie in seinen friedlichen Schoos.

Inwohner verschiedener Art kamen dem Hauptmann von Knockdunder ihre Ehrfurcht zu bezeigen, eine Huldigung, an der sie es nicht fehlen lassen durften. Einige von diesen waren Männer nach David Deans Herzen, eifrige Bekenner, denen der vorige Herzog von Argyle in diesem Winkel seines Gebiets eine Zuflucht angewiesen, weil sie durch die Theilnahme an der mißlungenen Unternehmung seines unglücklichen Vaters im Jahr 1686 gelitten hatten.

Außer diesen fand sich noch eine wildere Art von Pfarrkindern ein, die Bewohner des höheren Gebirges, die gälisch sprachen, Waffen trugen, und in hochländischer Tracht gingen. Der Herzog hielt aber so gute Ordnung in seinem Gebiet, daß Gälen und Sachsen in der besten Nachbarschaft mit einander lebten.

Die Gesellschaft besuchte zuerst das Pfarrhaus. Es war alt, aber in gutem Stande, und lehnte sich gar lieblich an einen kleinen Erlenwald. Vorn lag ein wohlversehener Garten, von jenem Flüßchen begränzt, das von den Fenstern aus, halb sichtbar und halb von Bäumen und Gesträuch versteckt war. Von innen war die Wohnung mit neuem saubern Hausgeräth ausgestattet, welches der Herzog auf seinem eigenen Schiff, die Caroline, hieher gesandt hatte.

Mit welchem Gefühl ruhig heitrer Freude betrachtete Butler dies abgeschiedene Thal, wo er seine künftigen Tage geehrt und in nützlicher Thätigkeit verleben sollte. Und wie oft ward ein Blick liebevollen Einverständnisses zwischen ihm und Jeanie gewechselt, deren wohlwollendes Gesicht heute wie verklärt erschien, indem sie mit sittsam bescheidener Freude die Wohnung beschaute, wo ihr bald als Gebieterin zu herrschen bestimmt war. Sie durfte ihr Entzücken und ihre Verwunderung freier aussprechen, als die Gesellschaft das Pfarrhaus verlassen hatte, und ihres Vaters künftigen Wohnort in Augenschein nahm.

Jeanie sah mit Vergnügen, daß die Meierei nicht über einen Büchsenschuß weit vom Pfarrhause entfernt lag. Das gemächliche Wohnhaus, die gut eingerichteten Wirthschaftsgebäude, der treffliche Garten gaben diesem Aufenthalt große Vorzüge vor der Hütte zu Woodend oder dem Häuschen zu St. Leonard's. Die Aussicht war entzückend. Unten sah man das Thal mit dem niedriger liegenden Pfarrhause, den Meerbusen mit allen seinen malerischen Inseln; im Hintergrunde thürmten riesenhafte Berge sich auf. Doch mehr als von allen diesen Schönheiten der Natur ward Jeanie von dem Anblick der treuen alten Marie Hettly gerührt, als diese in ihrer weißen Mütze, ihrem braunen Sonntagsrock und ihrer blauen Schürze die Thür öffnete, sie zu empfangen. Die gute Alte theilte Jeanie's Freude, und zögerte nicht, ihr die Versicherung zu geben, sie habe alle mögliche Sorgfalt für ihren Vater sowohl als für das Vieh getragen.

Sie trennten sich dann auf einige Zeit von den Uebrigen, und Marie eilte mit ihrer jungen Gebieterin zu dem Stall, um sie von dem Gedeihen des ihr anvertrauten Guts zu überzeugen. In der Einfalt ihres Herzens hatte Jeanie eine rechte Freude daran, ihre Pflegebefohlnen wiederzusehn; und ihre sprachlosen Günstlinge verriethen durch Brüllen, Umwenden ihrer breiten Stirnen, als Jeanie sie bei Namen rief, und andre Zeichen, nur denen bekannt, welche die Art der Thiere beobachtet haben, daß sie sich ihrer Gegenwart bewußt waren, und sich ihrer Liebkosungen freuten.

»Das unvernünftige Vieh sogar freut sich, Euch wiederzusehen,« sagte Marie, »aber es ist auch kein Wunder, Jeanie, denn Ihr seid gut gegen Thiere und Menschen. Und ich darf Euch wohl gar nicht mehr Jeanie schlechtweg nennen, nun Ihr in London gewesen seid und den Herzog gesehen habt, und den König und all die vornehmen Leute. Aber wer weiß,« fügte sie schlau hinzu, »wer weiß, was für einen andern Titel man Euch bald zu geben hat, denn Deans werdet Ihr wohl nicht lange mehr heißen.«

»Nenne mich nur Deine Jeanie, Marie, dann gibst Du mir immer den rechten Namen.«

Es war eine Kuh im Stall, auf welche Jeanie lange still hinblickte, bis ihr Thränen in die Augen traten. Marie hatte sie mit theilnehmendem Gefühl beobachtet, und mit leisem Ton sagte sie jetzt: »Unser Alter verpflegt das Thier selbst, und er hat es viel lieber als irgend ein anderes im Stall; auch als er am ärgerlichsten war, und am meisten Ursach dazu hatte, änderte er sich darin nicht. Ach, Du lieber Gott, ein Vaterherz ist ein wunderlich Ding! So viel Kummer ihm auch das unglückliche Kind gemacht hat, so glaube ich doch er betet mehr für sie, als für Euch, Jeanie; denn was braucht er vom lieben Gott für Euch zu erbitten, als den Segen, den Ihr verdient? Und als wir zuerst hieherkamen, und ich hinter der Bretterwand schlief, war er oft die ganze Nacht wach, und ich hörte ihn wiederholt rufen: ›Effie, armes verführtes Kind!‹ und immer ›Effie!‹ und ›Effie!‹ – Wenn das arme verirrte Schaf nicht zur Heerde zurückkehrt, hat es gewiß und wahrhaftig nicht an seinem Gebet gefehlt.« – Nach einigen weitern Worten über diesen Gegenstand, ging sie mit der ihrem Alter und Stande eigenen Geschwätzigkeit zu wirthschaftlichen Angelegenheiten über.

Nachdem Jeanie Stall und Milchkammer besichtigt, und der alten Hettly ihre Zufriedenheit über ihre Verwaltung bezeigt hatte, gingen sie wieder zu den Uebrigen, welche jetzt das Innere des Hauses besahen. In Jeanie's Schlafzimmer fand sich ein Koffer, dessen Aufschrift ihn als ihr Eigenthum bezeichnete. Marie Hettly brachte ein versiegeltes Papier, das gleichfalls an Jeanie gerichtet war. Der Schlüssel zu dem Koffer war darin, überdies enthielt es die Worte; »Andenken für Jeanie Deans von ihren Freundinnen der Herzogin von Argyle und ihren Töchtern.« Der Koffer wurde hastig geöffnet. Er war voll von sehr guten, aber Jeanie's Stande angemessenen Kleidungsstücken. Den meisten war der Name der Geberin beigefügt, um ihr zu beweisen, welchen Antheil jedes einzelne Mitglied dieses edlen Hauses an ihr nehme. Stück für Stück wurde herausgenommen, ausgebreitet, gelobt und vorzüglich von Marie Hettly bewundert, welche erklärte, sie glaube nicht, daß die Königin mehr und bessere Kleider habe. Ein Gefühl verschiedener Art regte sich im Herzen der Jungfer Dutton beim Anblick dieser Kleiderpracht. Ihr Neid äußerte sich anfangs nur durch einigen sehr ungegründeten Tadel; zeigte sich aber bald in einer entschiedenern Gestalt, als auf dem Boden des Koffers ein Kleid von weißer Seide gefunden wurde, mit einem Zettel daran, welcher besagte, es sei ein Geschenk des Herzogs an seine Reisegefährtin, und sie solle es am Tage ihres Namenswechsels tragen.

Hier konnte Jungfer Dutton sich nicht länger halten und raunte Archibald in's Ohr, es sei doch eine hübsche Sache eine Schottin zu sein; sie glaube, alle ihre Schwestern, und es wären ihrer ein halbes Dutzend, hätten gehängt werden können, ohne daß ihr ein Mensch nur ein Taschentuch geschenkt hätte.

»Oder ohne daß Ihr Euch sonderlich bemüht hättet, sie zu retten,« entgegnete Archibald trocken.

Die Gesellschaft begab sich hierauf in die Kirche, wo Knockdunder, zu großem Aergerniß des alten Deans, während der Predigt Tabak rauchte, nach Beendigung derselben aber sehr gemächlich die Asche aus der Pfeife klopfte, und dann mit Ernst und Ruhe Theil an dem Gebet nahm.


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