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Zweites Kapitel.

Mein Name ist Argyle – wohl mag es Euch wundern,
Am Hofe zu leben und sich nicht zu ändern.

Ballade.

Wenige Namen verdienen eine ehrenvollere Erwähnung in der damaligen Geschichte Schottlands, als der Herzog von Argyle. Er besaß die seltensten Fähigkeiten des Staatsmanns und Kriegers. Doch war er gänzlich frei von den Fehlern, die oft mit jenen vereinigt sind, von Falschheit und Verstellung sowohl als ausschweifender Vergrößerungssucht.

Sein Vaterland befand sich zu jener Zeit in einer sehr unsichern Lage. Die Verbindung mit England hatte noch keine Festigkeit gewonnen. Der Groll wegen früherer Beleidigungen währte fort, und oft gab es Gelegenheit zu neuem Streit. Schottlands innerer Zwiespalt mehrte die Gefahr; bittrer Haß theilte die Gemüther, und man wartete nur auf ein Zeichen zum Ausbruch.

Unter solchen Umständen würden Andere, mit dem Ansehen und den Fähigkeiten des Herzogs von Argyle, doch mit weniger gemäßigtem Sinn, versucht haben, im Wirbelwinde emporzusteigen, und dessen Wuth zu lenken. Er wählte eine Bahn, die sichrer und ehrenvoller war. Durch seine kriegerischen Gaben hatte er dem Hause Hannover bei der Empörung im Jahr 1715 wesentliche Dienste geleistet; den ihm dadurch gewordenen Einfluß wandte er dazu an, das Beste seines Vaterlandes zu befördern, und die Folgen jener unglücklichen Unruhen weniger fühlbar für dasselbe zu machen, und er genoß dessen Liebe und Achtung in einem hohen Grade.

Diese Gunst eines unzufriedenen, kriegslustigen Volks erweckte jedoch die Eifersucht der Regierung. Auch war des Herzogs freie und oft stolze Weise zu sprechen und zu handeln wenig geeignet, ihn am Hofe beliebt zu machen. Man achtete ihn, und bediente sich seiner, allein er war nicht als Günstling angesehen. Bei Gelegenheit der Porteous-Verschwörung hatte sogar sein lebhafter Widerstand gegen die gewaltsamen und erniedrigenden Maßregeln, deren man sich zur Demüthigung Edinburgs bedienen wollte, ihm den besondern Unwillen der Königin Caroline zugezogen. Es war seiner Beredtsamkeit gelungen jene Uebel größtentheils abzuwenden, so daß die Hauptstrafe nur in einer Geldbuße bestand, welche die Stadt der Wittwe des Porteous bezahlen mußte. Und Edinburgs Bewohner fühlten sich ihm aufs Höchste verpflichtet für diesen vaterländischen Eifer. Bei Hofe konnte man jedoch dem Herzog sein Benehmen in dieser Sache nicht so bald vergessen, und er ward als ein gänzlich in Ungnade Gefallener betrachtet.

Der Herzog war allein in seinem Bücherzimmer, als einer seiner Leute ihm meldete, daß ein Landmädchen aus Schottland ihn sprechen wolle.

»Ein Landmädchen, und von Schottland!« sagte der Herzog; »was kann die Thörin nach London geführt haben? Vermuthlich irgend ein Liebhaber, den man zum Matrosen gepreßt hat, oder ein Geldsümmchen, das in Südsee-Papieren steckt, oder sonst dergleichen wichtige Angelegenheiten. Und dann ist Niemand anders dazu da als Mac Callummore. – Diese Volksgunst hat ihre großen Unannehmlichkeiten. – Doch laß nur unsere Landsmännin herauf kommen, Archibald. Es ist unhöflich, sie so lange warten zu lassen.«

Ein junges Mädchen von nicht hohem Wuchse, mit einem Gesicht, das nicht schön zwar, und von der Sonne gebräunt, doch etwas sehr Angenehmes und Bescheidenes hatte, ward in das glänzende Zimmer des Herzogs geführt. Sie trug das große Manteltuch ihres Landes, so daß es ihr zum Theil den Kopf bedeckte, zum Theil über ihre Schultern zurückfiel. Eine Fülle von schönem Haar, einfach und anmuthig geordnet, zierte ihr rundes wohlwollendes Gesicht, dem das Bedeutende ihres Anliegens, und ihr Gefühl der Standeshoheit des Herzogs den Ausdruck tiefer Ehrfurcht, fern jedoch von niedriger Unterwürfigkeit oder blöder Scheu gaben. Sie war übrigens ganz nach der Weise der schottischen Mädchen ihres Standes gekleidet; doch mit jener sorgfältigen Beachtung des Anstandes und der Reinheit des Gemüths vereinigt, als deren natürliches Sinnbild sie erscheint.

Jeanie blieb am Eingang des Zimmers stehen, machte eine sehr tiefe Verbeugung, und schloß ihre Hände über der Brust zusammen, ohne eine Sylbe zu sprechen. Der Herzog trat ihr näher, und wenn sein edler feiner Anstand, seine reiche mit Orden gezierte Kleidung, das Kluge und Scharfe seines Blicks ihre Bewunderung erregte, so ward er nicht minder von der einfachen bescheidenen Ruhe dieses demüthigen Landmädchens getroffen.

»Willst Du mich sprechen, mein gutes Kind?« fragte der Herzog; »oder wünschest Du die Herzogin zu sehen?«

»Mein Geschäft ist mit Eurer Gnaden, Mylord, – ich meine Eurer Durchlaucht.«

»Und worin besteht es?« fragte er in demselben milden Ton als zuvor.

Jeanie sah nach dem anwesenden Kammerdiener.

»Verlaß uns, Archibald, und warte im Vorzimmer.«

Der Diener zog sich zurück.

»Und nun setze Dich nieder, mein Kind. Schöpfe Athem, und dann sage mir, was Du zu sagen hast. – Ich sehe aus Deiner Kleidung, daß Du so eben aus dem guten alten Schottland kommst. – Bist Du mit Deinem Manteltuch durch die Straßen gegangen?«

»Nein, Herr,« sagte Jeanie, »eine Freundin brachte mich hierher in einer der Miethkutschen, die sie hier haben. – Eine sehr anständige Frau,« fügte sie hinzu, denn ihr Muth wuchs, je vertrauter sie mit dem Ton ihrer Stimme in einer solchen Gegenwart wurde, »Eure Durchlaucht kennen sie sehr wohl, – es ist Frau Glas, die den Laden zum Dornbusch hat.«

»Ei, meine wackre Frau Glas! Ich schwatze immer ein wenig mit ihr, wenn ich meinen schottischen Schnupftaback von ihr kaufe. – Aber Dein Geschäft, mein gutes Mädchen? – Zeit, Ebbe und Fluth warten auf Niemand, wie Du weißt.«

»Euer Gnaden, ich bitte um Verzeihung, Mylord – ich will sagen Eure Durchlaucht,« – denn diese Art, den Herzog anzureden, war ihr auf das Sorgfältigste von ihrer Freundin, der Frau Glas, eingeprägt worden, der die Sache so bedeutend schien, daß sie Jeanie noch beim Aussteigen nachrief: »Vergiß nicht ihn Eure Durchlaucht zu nennen.« Und da Jeanie niemals mit irgend Jemand gesprochen der höhern Standes war als der Lord von Stummendeich, so machte es ihr einige Schwierigkeit, sich nach dieser Vorschrift zu richten.

Der Herzog sah ihre Verlegenheit, und sagte mit seiner gewohnten Leutseligkeit: »Es thut nichts, Kind; sprich nur gerade zu, und zeige, daß Du eine schottische Zunge hast.«

»Herr, ich bin Ihnen sehr dankbar, – Herr, ich bin die Schwester einer armen jammervollen Gefangenen, Effie Deans, die man in Edinburg zum Tode verurtheilt hat.«

»Ah!« sagte der Herzog, »ich habe von der unglücklichen Geschichte gehört, dünkt mich. – Wegen Kindermordes, nach einem besondern Parlamentsbeschluß. – Es wurde kürzlich bei Tische davon gesprochen.«

»Und ich bin vom Norden herunter gekommen, Herr, zu sehn, was für sie gethan werden könnte, ihr eine Begnadigung auszuwirken.«

»Ach! armes Mädchen, da hast Du eine lange traurige Reise ganz vergeblich gemacht. – Deiner Schwester Urtheil ist gesprochen.«

»Aber man hat mir gesagt, es gäbe ein Gesetz, nach welchem sie begnadigt werden kann, wenn der König es will.«

»Gewiß gibt es ein solches, allein dies Gesetz ist nirgend anders als in des Königs Brust. – Das Verbrechen ist dort zu häufig vorgekommen, man hält dafür, ein warnendes Beispiel sei nöthig. Auch haben die letzten Unruhen zu Edinburg der Regierung eine nachtheilige Meinung vom ganzen Volke gegeben, und man glaubt es nur durch Strenge zügeln zu können. Welchen Grund, als die Wärme Deiner schwesterlichen Liebe hast Du, mein armes Kind, dagegen aufzustellen? Wer bemüht sich für Dich? Welche Freunde hast Du bei Hofe?«

»Keinen, als Gott und Eure Durchlaucht,« sagte Jeanie beherzt.

»Ach!« sprach der Herzog, »ich möchte beinahe sagen es gäbe keine, deren Einfluß bei Königin und Staatsverwesern geringer wäre. Es gehört zu den Unannehmlichkeiten unsers Standes, mein Kind, – ich meine zu denen der Leute in meiner Lage, daß man ihnen eine Gewalt zuschreibt, die sie nicht besitzen, und einen Beistand von ihnen erwartet, den sie nicht zu leisten vermögen. Doch ehrlich und offen zu Werke zu gehen, steht in der Macht eines Jeden. Ich will nicht, daß Du Dich mit Hoffnungen auf meinen Einfluß täuschest, und dann Deinen Kummer um desto schmerzlicher fühlst. – Ich kann Deiner Schwester Schicksal nicht abwenden. – Sie muß sterben.«

»Wir müssen Alle sterben, Herr, es ist unser allgemeines Loos, um der Uebertretung unsers Vaters willen. Allein wir sollten nicht Einer des Andern Tod beschleunigen, wie Euer Gnaden wohl besser wissen als ich.«

»Mein liebes gutes Kind,« sagte der Herzog mild, »wir sind alle sehr geneigt, das zu tadeln, unter dem wir gegenwärtig leiden. Du scheinst aber wohl erzogen für Deinen Stand, und wirst wissen, daß es das Gesetz Gottes und der Menschen ist, den Mörder mit dem Tode zu bestrafen.«

»Aber, Herr, Effie, – meine arme Schwester, Herr, – ist keine erwiesene Mörderin. Und wenn sie es nicht ist, und das Gesetz dennoch ihr Leben hinwegnimmt, wer ist denn der Mörder?«

»Ich bin kein Rechtsgelehrter,« sagte der Herzog; »und ich gestehe, daß mir die Verordnung eine sehr strenge scheint.«

»Sie sind ein Gesetzgeber, Herr; und darum haben Sie Macht über das Gesetz.«

»Nicht als Einzelner,« sagte der Herzog, »obgleich ich als Mitglied einer großen gesetzgebenden Versammlung eine Stimme unter vielen habe. Allein dies kann Dir nicht helfen. Auch ist gegenwärtig – wisse es meinetwegen wer da wolle – mein besonderer Einfluß bei dem Landesherrn nicht von der Art, daß ich mich berechtigt fühlen dürfte, nur die kleinste Gunst von ihm zu fordern. Was und wer bewog Dich, mit diesem Anliegen zu mir zu kommen?«

»Sie selbst, Herr.«

»Ich selbst?« sagte er; – »ich bin überzeugt, Du hast mich nie zuvor gesehen.«

»Nein, Herr. Allein die ganze Welt weiß, daß der Herzog von Argyle seines Landes Freund ist; und daß er für das Recht kämpft, und für das Recht spricht; und daß keiner ist in unserem jetzigen Israel, der ihm gleiche. Und so kommen die, denen Unrecht geschieht, Zuflucht zu suchen unter Ihrem Schatten; und wenn Sie keinen Schritt thun wollen, das Leben Ihrer unschuldigen Landsmännin zu retten, was können wir von Fremden und Ausländern erwarten? – Und dann hat mich wohl auch ein anderer Grund hingeführt, Euer Gnaden zu belästigen.«

»Und der ist?«

»Mein Vater erzählte oft, daß Euer Gnaden Angehörige, in den Zeiten der Verfolgung, ihr Leben auf dem Hochgericht geopfert. Und mein Vater genoß die Ehre, ebenfalls Vieles zu dulden für die gute Sache, wie in Peter Malkers des Krämers Buch geschrieben steht. Euer Gnaden werden es wohl wissen, da Sie so gut in Schottland bekannt sind. – Und, Herr, Einer der Antheil an mir nimmt, sagte, ich sollte zu Euer Gnaden gehen, denn sein Großvater habe Ihrem gnädigen Großvater einen guten Dienst geleistet, wie aus diesen Papieren zu ersehen ist.«

Bei diesen Worten übergab sie dem Herzog das Päckchen Schriften, welches sie von Butler empfangen.

Er öffnete es, und las mit einiger Verwunderung auf dem Umschlag: »Musterrolle der unter dem frommen Hauptmann Salathiel Schnelltext dienenden.« Eine Reihe wunderlicher Namen folgte. »Aber was soll das heißen, liebes Kind?«

»Es ist das andre Papier, Herr,« sagte Jeanie, ein wenig beschämt über den Irrthum.

 

»O wahrlich, dies ist meines unglücklichen Großvaters Hand. – ›Allen, die dem Hause Argyle wohlwollen, bezeuge dies, daß Benjamin Butler von Monk's Dragonern, mit Gotteshülfe das Werkzeug gewesen, mein Leben aus den Händen von vier englischen Reitern zu erretten, welche im Begriff waren, mich zu tödten. Da ich nun jetzt kein anderes Mittel habe, ihm meine Dankbarkeit zu beweisen, gebe ich ihm dies Zeugniß, in der Hoffnung, es könne ihm in diesen unruhigen Zeiten nützlich sein. Und ich beschwöre meine Freunde, Pächter, Verwandte, und alle, die etwas für mich thun wollen, besagtem Benjamin Butler und seinen Freunden und Angehörigen in allen rechtmäßigen Dingen beizustehen und Schutz zu verleihen, um den Dienst zu vergelten, den er mir geleistet. Welches ich mit meiner Namensunterschrift bekräftige –

Lorne.‹

 

»Dies ist eine mächtige Beschwörung. – Benjamin Butler war wohl Dein Großvater? Du scheinst zu jung, seine Tochter zu sein.«

»Es war kein Verwandter von mir, Herr. Er war der Großvater eines – eines jungen Mannes aus der Nachbarschaft – der es sehr gut mit mir meint, Herr.« Sie machte eine kleine Verbeugung, indem sie dies sagte.

»O, ich verstehe, eine Herzensangelegenheit. Es war der Großvater eines Mannes, mit dem Du versprochen bist?«

»Mit dem ich versprochen war, Herr,« sagte Jeanie seufzend; »aber die unglückliche Geschichte mit meiner armen Schwester« –

»Was!« fiel der Herzog hastig ein, »er hat Dich doch nicht verlassen deswegen? Hat er?«

»Nein, Herr. Er wäre wohl der Letzte, einen Freund in der Noth zu verlassen. Aber ich muß an sein Bestes denken so gut als an das meine. Er ist ein Geistlicher, Herr, und es würde nicht schicklich für ihn sein, mich zu heirathen, nun solch eine Schmach über mich und die Meinigen gekommen.«

»Du bist ein wunderliches Mädchen,« sagte der Herzog. »Du scheinst an alle Andre eher als an Dich zu denken. – Und bist Du wirklich zu Fuß von Edinburg hierhergekommen, diese hoffnungslosen Bitten zur Rettung Deiner Schwester zu versuchen?«

»Nicht ganz und gar zu Fuß, Herr. Ich bekam zuweilen einen Platz auf einem Frachtwagen, und von Ferrybrydge hatte ich ein Pferd, und dann in der Landkutsche« –

»Laß das gut sein,« unterbrach sie der Herzog. – »Welchen Grund hast Du, Deine Schwester unschuldig zu glauben?«

»Daß sie der Schuld nicht überwiesen worden, wie aus diesen Papieren hervorgeht.«

Sie übergab ihm die Papiere mit den Aussagen der Zeugen und der Erklärung ihrer Schwester. Butler hatte sich sogleich nach Jeanie's Abreise eine Abschrift davon zu verschaffen gesucht, und sie durch Sattelbaum nach London an Frau Glas befördern lassen, so daß Jeanie diese für ihr Anliegen so nothwendigen Schriften bei ihrer Ankunft bereits vorfand.

»Setze Dich unterdessen dorthin, mein Kind,« sagte der Herzog, »ich will dies durchsehen.«

Sie gehorchte, und spähte mit der höchsten Angst nach jedem Wechsel seiner Miene, während er die Papiere schnell, aber mit Aufmerksamkeit durchging, und einige Stellen anstrich. Nachdem er gelesen, blickte er auf, und war im Begriff, etwas zu sagen. Er änderte jedoch seinen Vorsatz, als befürchte er seine Meinung allzu rasch auszusprechen, und überlas einige Stellen noch einmal, welche er als die wichtigsten bezeichnet. Alles dies geschah in sehr kurzer Zeit; denn er besaß jenen scharfen geistigen Blick, der mit dem leuchtenden Blitz innerer Anschauung sogleich das Wesentliche des Gegenstandes der Betrachtung entdeckt. Nach einigen Minuten tiefen Sinnens stand er auf –: »Mein Kind,« sagte er, »es ist in der That ein hartes Urtheil, das Deiner Schwester gesprochen worden.«

»Gott segne Sie, Herr, für dies Wort!« sagte Jeanie.

»Es scheint dem Geist des britischen Gesetzes zuwider,« fuhr der Herzog fort, »als wahr anzunehmen, was nicht erwiesen ist, oder ein Verbrechen mit dem Tode zu strafen, welches vielleicht nicht begangen worden.«

»Gott segne Sie dafür, Herr,« wiederholte Jeanie. Sie war von ihrem Sitz aufgestanden, und mit fest zusammengeschlossenen Händen, ängstlich bebenden Lippen, und Augen die in Thränen glänzten, haschte sie begierig nach jedem Wort des Herzogs.

»Aber ach, mein gutes Mädchen,« fuhr er fort, »was hilft Dir meine Ansicht der Sache, wenn nicht jene sie mit mir theilen, in deren Händen Deiner Schwester Leben ist? Ueberdies bin ich kein Rechtskundiger; und ich muß erst mit einigen unsrer schottischen Rechtsbeflissenen darüber sprechen.«

»O, Herr, was Euer Gnaden recht und billig scheint, wird es ihnen gewiß auch sein.«

»Wer weiß! Jeder knöpft seinen Gürtel nach seiner Art, Du kennst unser schottisches Sprichwort? – Doch Du sollst mir dies Zutrauen nicht vergebens bewiesen haben. Laß mir diese Papiere. Du wirst morgen oder übermorgen von mir hören. Sei bereit, dann augenblicklich zu mir zu kommen. Es ist unnöthig, daß Frau Glas Dich begleite; und höre – es wäre mir lieb, wenn Du so gekleidet wärest wie Du jetzt bist.«

»Ich würde einen Hut aufgesetzt haben, Herr,« sagte Jeanie, »aber Euer Gnaden weiß, daß es bei uns nicht Sitte ist für die Unverheiratheten. Und ich dachte,« sie sah nach dem Zipfel ihres Tuchs, »so viele hundert Meilen weit von der Heimath würde der schottische Schleier Euer Gnaden Herz erwärmen.«

»Du irrtest nicht,« erwiederte der Herzog. »Ich kenne den vollen Werth des jungfräulichen Haarschmucks; und Mac Callummore's Herz muß erst so kalt sein als der Tod es machen kann, wenn der Anblick des schottischen Schleiers es nicht mehr erwärmt. – Geh nun, und sorge dafür, Dich zu Hause finden zu lassen, wenn ich nach Dir sende.«

»O gewiß, Herr,« sagte sie; »ich habe auch ganz und gar keine Lust in dieser großen Wildniß von schwarzen Häusern umherzulaufen, und mich nach Neuigkeiten umzusehen. – Sollten aber Euer Gnaden so gütig sein, meinetwegen mit einem Vornehmern als Sie selbst zu sprechen, – es ist vielleicht unhöflich von mir, dies zu sagen, – so bitte ich Euer Gnaden nur zu bedenken, daß das doch nimmermehr ein so großer Unterschied sein kann, als zwischen der armen Jeanie Deans von St. Leonard's und dem Herzog von Argyle, und sich deshalb nicht von der ersten harten Antwort zurückschrecken zu lassen.«

»Ich pflege mir eben nicht viel aus harten Antworten zu machen,« sagte der Herzog lachend. – »Hoffe jedoch nicht zu viel von dem, was ich versprochen. Ich werde mein bestes thun, allein die Herzen der Könige sind in Gottes Hand.«

Nach einer ehrerbietigen Verbeugung zog Jeanie sich zurück; und der Kammerdiener des Herzogs führte sie zu ihrer Miethkutsche mit einer Ehrfurcht, die vermutlich weniger ihrer demütigen Erscheinung, als der langen Unterredung galt, mit welcher sein Herr sie beehrt hatte.


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