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Elftes Kapitel.

»Ich komm,« sagt er, »mein Lieb', mein Leben,
Den Namen Weib will ich Dir geben;
Gib Vaters Haus und Freunde auf
Und nimm die meinen in den Kauf.«

Logan.

Das Zusammentreffen Butler's und Jeanie's unter Umständen, die endlich eine so lang geprüfte Neigung zu krönen versprachen, war eher durch das Einfache und Aufrichtige ihrer Gefühle rührend, als durch die ungewöhnliche Lebhaftigkeit derselben. Im Anfange schüchterte der alte Deans sie ein, indem er viele weise Bemerkungen über die Gefahren und Nachtheile der Ehe machte. Dennoch, schloß er seine Rede etwas plötzlich, denn Butler und Jeanie standen mit hochglühenden Gesichtern da, sei es unter gewissen Bedingungen ein ehrenvoller Stand, und sie möchten daher nur mit einander besprechen, was sie zu sprechen hätten.

Nachdem sie in dieser einsamen Unterredung sich von ihren Gefühlen Rechenschaft gegeben, einander ihre Hoffnungen und Aussichten mitgetheilt, führte Jeanie das Gespräch auf einen minder freudigen Gegenstand, die Entweichung ihrer Schwester.

Sie erfuhr von Butler, daß Effie, nachdem sie der Haft entlassen worden, noch drei Tage zu St. Leonard's bei ihrem Vater gewohnt, dann aber plötzlich verschwunden sei.

Durch viele Bemühungen hatte Butler ihre Spur bis zu einer kleinen versteckten Seebucht zwischen Dalkeith und Edinburg aufgefunden, wo nur Fischerböte, und zuweilen Schleichhändlerschiffe landeten. Butler erfuhr, daß in der letzten Zeit ein Fahrzeug dieser Art in der Gegend gesehen worden, und daß eines Abends spät ein Boot dem Ufer genaht, und eine weibliche Gestalt mit hinüber auf das Schiff geführt, worauf dieses sogleich davongesegelt, ehe es noch das Mindeste von seiner Fracht an's Land geschafft. Butler konnte dem zufolge nicht zweifeln, daß diese Schleichhändler Genossen des berüchtigten Robertson seien, und daß das Schiff nur hiehergekommen, seine Geliebte zu entführen.

Ein Brief, den Butler bald darauf erhielt, E. D. unterschrieben, doch ohne Bezeichnung des Orts oder der Zeit, machte dieß zur Gewißheit. Er war äußerst schlecht und unrichtig geschrieben. Die Seekrankheit mochte wohl Effie's sehr ungeregelte Weise zu schreiben und sich auszudrücken noch verworrener gemacht haben. Es war aber in gegenwärtigem Brief, wie in allem, was jenes unglückliche Mädchen sagte oder that, etwas zu loben so gut als zu tadeln. Sie könne nicht dulden, sagte sie, daß ihr Vater und ihre Schwester ihretwegen in die Verbannung gingen, und Theil an ihrer Schmach nähmen. Nur ihr allein gebühre die Strafe, da sie allein die Schuld trüge. Sie und die Ihrigen könnten einander doch in Zukunft kein Trost mehr sein, denn jedes Wort und jeder Blick ihres Vaters erinnre sie an ihre Uebertretung, und zerreiße ihr das Herz. In den drei Tagen, die sie zu St. Leonard's zugebracht, habe sie beinahe ihren Verstand verloren. Ihr Vater meine es gut mit ihr und mit allen Menschen, aber er wisse nicht wie er sie martre, wenn er ihr ihre Sünden vorrechne. Wenn Jeanie zu Hause gewesen wäre, möchte es wohl besser gewesen sein, Jeanie wäre eine, wie die Engel im Himmel, die eher um die Sünder weinen als ihnen ihre Missethat anrechnen. Aber sie würde Jeanie nie wiedersehen, und der Gedanke sei ihr schmerzlicher als Alles, was bereits über sie gekommen. Auf ihren Knieen werde sie für Jeanie beten, Tag und Nacht, sowohl für das, was sie ihretwegen gethan, als auch für das, was sie ihretwegen zu thun verweigert; denn wie schrecklich müßte es ihr jetzt sein, wenn diese reine Seele gefehlt hätte, um sie zu retten. Sie bäte ihren Vater, Jeanie Alles zu geben, ihr eigenes Erbe von ihrer (Effie's) Mutter und auch alles Andre. Sie hätte sich ihres Rechts daran schriftlich begeben, und das Papier sei bereits in Herrn Novit's Händen. Weltliches Gut sei hinfort ihre geringste Sorge, und sie werde auch wohl keinen Mangel daran leiden. Sie hoffe, dies würde eine gute Ausstattung für ihre Schwester sein; und unmittelbar darauf wünschte sie Butler alles mögliche Gute für seine Freundschaft gegen sie. Was sie beträfe, sagte sie, so wisse sie recht gut, daß ihr Schicksal ein trauriges sein werde, aber sie habe es sich selbst zugezogen, und verlange deshalb auch nicht, bedauert zu sein. Doch zu ihrer Freunde Beruhigung sage sie ihnen, daß sie nicht auf schlechten Wegen wandle, daß die, welche ihr Unglück veranlaßt, Willens seien, es so weit als möglich wieder gut zu machen, und daß es ihr in gewisser Hinsicht besser gehe, als sie es verdiene. Doch bitte sie die Ihrigen, sich mit dieser Versicherung zu begnügen, und nicht weiter nach ihr zu forschen.

David Deans und Butler hatten in diesem Schreiben wenig Tröstliches gefunden. Was konnten sie von ihrer Verbindung mit einem Menschen wie Robertson anders erwarten, als daß sie die Genossin und das Opfer seiner künftigen Verbrechen sein würde. Jeanie, von Georg Staunton's Rang und Vermögen unterrichtet, sah ihrer Schwester Lage aus einem weniger verzweifelten Gesichtspunkt. Seine lebhafte Theilnahme an Effie und die Hast, mit welcher er jetzt seine Ansprüche erneuerte, ließen vermuthen, daß Staunton sie zu seinem Weibe gemacht. Und eine Fortsetzung seines früheren ruchlosen Lebens war nicht wahrscheinlich, da nur eine gänzliche Umänderung der Sitten sein gefährliches Geheimniß verbergen, und verhüten konnte, daß Jemand in dem Erben von Willingham den zum Tode verdammten Robertson wieder erkannte.

Jeanie glaubte, sie würden England auf einige Jahre verlassen, und nicht eher wiederkehren, bis die Sache des Porteous gänzlich vergessen sei. Doch obgleich sie etwas mehr Hoffnung für ihre Schwester sah, als ihr Vater oder Butler, wagte sie es nicht, ihnen diesen Trost mitzutheilen. Es schien ihr zu wichtig, fest in ihrer Brust zu verschließen, daß Georg Staunton und Georg Robertson ein und derselbe sei. Und war es dessen ungeachtet nicht schrecklich genug, Effie mit einem Manne verbunden zu wissen, der wegen räuberischen Anfalls verurtheilt, und des Mordes angeklagt war; welches auch sein Rang und seine Reue sein mochten? Und war es nicht zu erwarten, daß Staunton, aus Schonung für sein eigenes Gefühl, und aus Besorgniß für seine Sicherheit, der armen Effie nie erlauben würde, ihre Schwester, die Besitzerin seines furchtbaren Geheimnisses, wiederzusehen?

Alle diese Betrachtungen und Gefühle stiegen in Jeanie auf, als Butler ihr Effie's Abschiedsbrief mittheilte. Sie las ihn wieder und wieder, bis ihr Schmerz sich in einer Fluth von Thränen Luft machte; und vergebens suchte Butler durch jede Bemühung der Liebe ihnen Einhalt zu thun. Sie sah sich endlich genöthigt, ihre Augen zu trocknen, denn ihr Vater, von dem Hauptmann Knockdunder begleitet, kam von dem Hause her auf die beiden Verlobten zu.

Dieser Duncan von Knockdunder war ein Mann von erster Bedeutung auf der Insel Roseneath und der Umgegend. Die Burg Knockdunder, deren Ueberreste noch vorhanden, war auf einen hohen, über den See hängenden Felsen gebaut. Duncan schwur, sie sei einmal ein Königsschloß gewesen; dann war sie aber eins der kleinsten, denn der innere Raum bildete ungefähr ein Viereck von sechzehn Fuß, und stand daher in einem lächerlichen Verhältniß zu den zehn Fuß dicken Mauern. Wie sie aber auch sein mochte, so hatte sie doch den Vorfahren Duncan's den Titel der Hauptleute, gleichbedeutend mit dem der Burgherrn, verschafft. Sie standen unter der Oberherrschaft des Hauses Argyle, und hatten eine erbliche Gerichtsbarkeit unter ihnen, in einem sehr beschränkten Gebiet zwar, doch von großer Bedeutung in ihren eigenen Augen.

Der gegenwärtige Stammhalter dieses alten Geschlechts war ein kurzer derber Mann von fünfzig ungefähr. Er machte sich ein Vergnügen daraus, die hochländische Tracht mit der südlichern zu vereinigen, indem er eine schwarze Knotenperücke, nebst einem kühn aufgestutzten Tressenhut trug, während der übrige Theil seiner Kleidung aus dem Schottenmantel und dem runden kurzen Unterkleide bestand. Im Benehmen war er etwas geradezu, kurz angebunden und beharrlich, und seine stumpfe aufwärts strebende Kupfernase deutete an, er sei zu Zorn und Branntwein geneigt.

Als dieser vornehme Mann sich Butler und Jeanie genähert hatte, sagte er: »Ich nehme mir die Freiheit, Herr Deans, ihre Tochter zu begrüßen. Kraft meines Amts küsse ich jedes hübsche Mädchen, das nach Roseneath kommt.« Nach dieser feinen Rede nahm er seinen Tabaksstengel aus dem Munde, begrüßte Jeanie mit einem derben Kuß, und hieß sie willkommen in Argyle's Gebiet. Er benachrichtigte dann Butler, morgen würde seine feierliche Amtseinführung Statt haben, und der Branntwein nicht dabei gespart werden, denn hier zu Lande sitze man nicht trocken bei dergleichen Gelegenheiten.

»Der Lord« – fing David Deans an.

»So sagt doch der Hauptmann,« unterbrach ihn Duncan, »die Leute wissen ja gar nicht, wen Ihr meint, wenn Ihr einem nicht seinen gebührenden Titel gebt.«

»Der Hauptmann hier,« fuhr David fort, »versichert, daß alle zum Kirchspiel gehörige einmüthig für Euch gestimmt haben, Ruben – ein nicht zu bezweifelnder Ruf!«

Duncan meinte aber, sie hätten wegen der verschiedenen Mundarten durcheinander geschnattert wie Seemöven und Baumgänse vor einem Sturm, ohne daß Einer wußte, was der Andre sprach. Das beste Ende vom Liede sei der Ruf gewesen: »Lang lebe Mac Callummore und Knockdunder!« Butler brauche sich übrigens auch gar nicht darum zu kümmern, ob sie ihn wollten oder nicht, da nur er und der Herzog hier zu sagen hätten. Er bekräftigte dies mit einem derben Fluch gegen etwanige Widerspänstige.

Zum Glück für die neue Freundschaft zwischen David Deans und Knockdunder war der Erste bereits in eifrigem Gespräch mit Jeanie über Einiges, was ihre londoner Reise betraf, sonst hätte er vermuthlich für das Recht einer christlichen Gemeinde ihren Seelsorger selbst zu wählen, die Waffen ergriffen. Jene Freundschaft beruhte übrigens von Duncan's Seite auf einer vom Herzog von Argyle an ihn ergangenen ausdrücklichen Empfehlung, David Deans und den Seinigen die größte Aufmerksamkeit zu bezeigen.


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