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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Am folgenden Morgen stand der Altertümler zeitig auf, und da der alte Caxon sich noch nicht eingestellt hatte, seit er anläßlich der befürchteten französischen Invasion als Leuchtturmwärter in Fairport bestellt worden war, so begann er, das Geschwätz und die kleinen Klatschereien, die der Friseur ihm sonst immer hinterbrachte, allmählich zu vermissen. Indessen machte das Erscheinen Edie Ochiltrees ihm diese Entbehrung weniger schmerzlich. Mit dem Gebaren eines Mannes, der sich ganz zu Hause fühlt, kam der Bettler an den zugestutzten Taxushecken herangeschlendert. Er war in der letzten Zeit so oft gekommen, und alles hatte sich so sehr daran gewöhnt, ihn fast wie zur Familie gehörig anzusehen, daß selbst Juno ihn nicht anbellte, sondern sich damit begnügte, ihn mit scharfen, wachsamen Blicken zu verfolgen. Der Altertümler trat im Schlafrock hinaus und empfing und erwiderte den Gruß des Alten.

»Nun kommen sie aber in allem Ernst, Monkbarns. Eben komm' ich von Fairport, um Ihnen die Nachricht zu überbringen. Gleich will ich wieder weg. Die ›Suche‹ ist in die Bai gekommen – und wie es heißt, ist sie von einer französischen Flotte verfolgt worden.«

»Die ›Suche‹?« sagte Oldbuck und sann einen Augenblick nach. »Oho!«

»Ja doch, die ›Suche‹ – Kapitän Taffrils Brigg.«

»Was! Eine Verwandte wohl mit ›Suche No. I‹ – wohl gar ›Suche No. II‹, was?« fragte Oldbuck, und der Name des Schiffes schien in den geheimnisvollen Schatzfund Licht zu bringen.

Der Bettler hielt, wie einer, der über einem launigen Streich ertappt wird, den Hut vors Gesicht und lachte aus vollem Halse.

»Der Teufel steckt in Ihnen, Monkbarns. – Sie kommen doch auch hinter alle Schliche. Wer hätte auch meinen mögen, daß nun dieser Name Sie auf die Spur brächte? – Na ja, nun bin ich entdeckt und entlarvt.«

»Jetzt ist mir alles klar,« sagte Oldbuck, »so klar, wie die Inschrift auf einer gut erhaltenen Münze. Die Kiste, in der das Metall gefunden wurde, gehörte zu dem Kanonenboot, und der Schatz gehörte meinem Phoenix.« (Edie nickte zustimmend.) – »Und ist dort vergraben worden, damit Sir Arthur in seiner bedrängten Lage Hilfe finden sollte?«

»Von mir und zweien von der Mannschaft der Brigg ist sie vergraben worden. Aber die Leute haben nicht gewußt, was drin war,« sagte Edie, »und dachten, es wäre so ein bißchen was Gepaschtes von ihrem Kapitän. Ich habe Tag und Nacht aufgepaßt, bis ich sie in den richtigen Händen sah; und als dieser deutsche Satan den Deckel der Kiste so anstarrte, da hat mir's, glaub ich, ein schottischer Teufel eingegeben, ihm diesen Streich zu spielen. – Na nun sehen Sie, daß ich dem Amtmann Kleinhans nicht mehr habe sagen können, denn Herr Lovel wäre sehr böse gewesen, wenn ich sein Geheimnis ans Licht gebracht hätte. – Da dachte ich denn, lieber läßt du das Schlimmste über dich ergehen!«

»Ich muß sagen, er hat sich seinen Vertrauensmann gut zu wählen gewußt,« sagte Oldbuck.

»Wenn es sich darum handelt, Monkbarns,« antwortete der Bettler, »jemand Silber anzuvertrauen, so bin ich freilich, das kann ich wohl selber sagen, der geeignetste Mann im ganzen Lande. Denn ich kann Silber nicht brauchen, trage kein Verlangen danach und wüßte auch nichts damit anzufangen, wenn ich's hätte. Aber dem guten Jungen blieb auch keine große Wahl übrig, denn er dachte damals, er müßte für immer aus dem Lande. Darin hat er sich ja nun allerdings geirrt. Es war bereits Nacht geworden, als wir durch einen seltsamen Zufall von Sir Arthurs schwerer Notlage Kenntnis erhielten, und Lovel mußte bei Tagesgrauen an Bord der Brigg gehen. Aber fünf Nächte später ging die Brigg wieder in der Bucht vor Anker, und es war verabredet worden, daß ich dort auf das Boot warten sollte. Und da haben wir dann den Schatz dort vergraben, wo er gefunden worden ist.«

»Das war ein recht romantisches, fast törichtes Unternehmen,« sagte Oldbuck. »Warum habt Ihr Euch nicht mir oder einem andern Freunde anvertraut?«

»Das Blut vom Sohne Ihrer Schwester,« versetzte Edie, »war an seinen Händen, vielleicht konnte Ihr Neffe gar tödlich getroffen sein – wie hätte er da Zeit haben sollen, jemand um Rat zu fragen? – und wie hätte er sich gar an Sie wenden sollen?«

»Da habt Ihr allerdings recht. – Wenn aber Dusterschieler euch beiden zuvorgekommen wäre?«

»Wir brauchten wohl kaum zu befürchten, daß er ohne Sir Arthur dorthin gekommen wäre. Er wußte recht gut, daß er den ersten Fund selber dort angelegt hatte. Wie hätte er da auf einen zweiten rechnen sollen? Er machte nur so viel Geseires davon, damit er Sir Arthur nur desto besser rupfen konnte.«

»Wie hätte aber Sir Arthur dorthin kommen sollen,« sagte Oldbuck, »wenn der Deutsche ihn nicht hingeführt hätte?«

»Hm!« machte Edie trocken. »Ich hatte mir schon so eine Geschichte von Schwarzrock zurecht gelegt, da wären sie beide sofort drauf reingefallen. Außerdem war bestimmt anzunehmen, daß er nochmal dorthin gehen würde, wo er das erste Silber gefunden hatte – das Geheimnis kannte er ja nicht. Kurz, das Silber war gefunden wurden – Sir Arthur befand sich in größter Bedrängnis, und Lovel war entschlossen, ihn nie wissen zu lassen, wer ihm geholfen habe. – Das war seine allergrößte Sorge – und obwohl wir lange hin und her überlegten, konnten wir kein besseres Mittel finden, ihm den Schatz in die Hände zu spielen. Wenn durch einen queren Zufall Dusterwühler seine Klauen draufgelegt hätte – dann hätte ich sofort Sie oder den Sheriff in die ganze Geschichte eingeweiht.«

»Trotz all dieser weisen Vorsichtsmaßregeln habt ihr mit euerm Komplott doch mehr Glück gehabt, als es in seiner Plumpheit verdient hätte, Edie. Aber wie zum Kuckuck ist Lovel zu einer solchen Masse von Silberbarren gekommen?«

»Das kann ich Ihnen nun allerdings nicht sagen, aber das Metall ist mit seinen Sachen aus Fairport an Bord gebracht worden, und wir haben es in einer der Munitionskisten von der Brigg verstaut, damit es versteckt sein und sich besser transportieren lassen sollte.«

»Liebe Güte!« sagte Oldbuck und dachte zurück an den Anfang seiner Bekanntschaft mit Lovel; »und für diesen jungen Mann, der Hunderte bei einem so schnurrigen Versteckspiel riskiert, habe ich die Fähre bezahlt! – Es soll aber auch das erste und letztemal gewesen sein, daß ich für irgendwen die Fähre bezahle. – Und so habt Ihr wohl in ständigem Verkehr mit Lovel gestanden?«

»Ein paar Zeilen bekam ich von ihm mit der Mitteilung, daß – als wie gestern – ein Paket in Tannonburgh sein würde mit Briefen, die für die Leute von Knockwinnock von größter Wichtigkeit wären. Denn über Fairport wollten sie die Sendung nicht gehen lassen, weil sie fürchteten, der Brief könnte dort auf dem Postamt aufgemacht werden. Und das ist wahr, denn es steht fest, daß der Frau Briefbeutel die Postagentur weggenommen wird, weil sie sich um andrer Leute Sachen gekümmert hat und nicht um ihre eignen. Aber froh war ich doch, wie ich aus dem Gefängnis herauskam. Denn ich dachte, wenn nun der Brief ankommt, und ich sitze nun hier eingeschlossen wie eine Auster, und alles sollte deswegen schief gehen? Und schon dachte ich, ich sollte alles bekennen und Ihnen alles verraten – aber auch das konnt' ich nicht gut, weil ich da doch Herrn Lovels direkten Weisungen zuwider gehandelt hätte. Ich vermute, er hat in Edinburgh erst noch mit irgendwem zusammentreffen müssen, ehe er für Sir Arthur hat tun können, was er sich vorgenommen hatte.«

»Na, und Eure Neuigkeiten aus der großen Welt? Also kommen sie wirklich, Edie?«

»So sagen die Leute, Herr, und es sind auch. Befehle angekommen, daß die Bürgerwehr sich bereit halten soll – ein kluger junger Mann käme, um unsere Verteidigungsmittel zu besichtigen. – Aber wie wird's denn nun mit meiner Gerichtssache werden?«

»Ich habe heute früh einen Brief bekommen, aus dem hervorgeht, daß der Schuft die gegen Euch erhobenen Beschuldigungen zurücknimmt, und er erklärt sich bereit, Enthüllungen zu machen, auf Grund deren sich die Angelegenheiten Sir Arthurs leichter glatt machen ließen, als wir fürchteten – so schreibt der Sheriff. Er hat, setzt er hinzu, der Regierung wichtige Eröffnungen gemacht, auf welche hin der Schurke in seine Heimat geschickt werden soll, um dort abgeurteilt zu werden.«

»Und die guten Maschinen alle und die Räder und Gruben und Schachten unten in Glen-Withershin – was soll, daraus werden?« fragte Edie.

»Ich hoffe, die Arbeiter werden, ehe sie auseinandergehen, ein ordentliches Freudenfeuer anstecken, wie eine Armee ihre Artillerie vernichtet, wenn sie eine Belagerung aufzugeben gezwungen ist. Und die Gruben, Edie, die können als Rattenlöcher dienen, denn sobald wird wohl niemand wieder auf solchen Humbug hereinfallen.«

»Du liebe Güte, Herr, die Maschinen verbrennen! Das ist doch jammerschade und heißt doch das Geld mit Fäusten wegwerfen. Wär's nicht besser, wenn Sie versuchten, die Dinger zu versteigern und Ihre hundert Pfund auf diese Weise wieder herauszuholen?« fuhr er fort im Tone geheuchelten Beileids.

»Nicht einen Heller!« sagte der Altertümler verdrossen, wandte sich von ihm und tat ein paar Schritte. »Geht ins Haus, Edie, und beherzigt, was ich Euch rate: sprecht mir nie wieder von Bergwerken.«

»Ich muß nach Fairport zurück,« sagte der Landstreicher. »Ich muß hören, was die Leute über die Invasion sagen. Aber ich will dran denken, was Eure Ehren mir gesagt haben. Hätte doch nicht gedacht,« setzte er mit erkünsteltem Erstaunen hinzu, »daß Sie so empfindlich wären – meinte immer, Sie hätten bloß zwei schwache Stellen: das Praetorium da drüben und den alten Dreier, den Sie sich für 'ne antike Münze haben andrehen lassen.«

»Ach was! Ach was!« machte der Altertümler, wandte sich rasch von ihm ab und ging ins Haus.


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