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Zehntes Kapitel.

»So soll also der arme Junge, der Steenie Mucklebackit, heute morgen begraben werden,« sagte unser alter Freund, der Altertümler, indem er den seidenen Schlafrock ablegte und statt des schnupftabakfarbigen Anzugs, den er sonst trug, einen altmodischen schwarzen Rock anzog. »Und es wird wohl angenommen, daß ich an der Feier teilnehme?«

»Freilich,« antwortete der treue Caxon, indem er geflissentlich seinem Gönner die weißen Fäden und Flecke vom Rocke bürstete. »Der Leichnam – Gott helf uns, wir haben's gesehen, ist an den Klippen zerschellt, und da müssen sie nun wohl die Bestattung beschleunigen. Die See kennt keinen Spaß, wie ich immer zu meiner Tochter sage, wenn ich ihr ein bißchen Mut zusprechen will. Auf der See zu leben, sag ich immer zu ihr, das ist ein so unsicherer Beruf ...«

»Wie der Beruf eines alten Perückenmachers, dem das Gewerbe abgeschnitten worden ist. Caxon, Eure Art, Trost zu sprechen, ist ebenso schlecht gewählt, wie sie hier gar nicht hergehört. Quid mihi cum femina? Was hab ich mit Eurem Weibsvolk zu schaffen, wo ich schon genug Plack mit meinem eigenen habe? – Ich frage Euch nochmals, erwarten diese armen Leute, daß ich bei der Beerdigung ihres Sohnes zugegen bin?«

»O, ohne Frage werden Euer Ehren erwartet,« antwortete Caxon, »ganz gewiß!«

»Nun ja,« erwiderte der Altertümler, »was den Brauch anbetrifft, daß der Edelmann der Leiche des Bauern folgt, so billige ich diesen Brauch durchaus, Caxon. Er rührt noch aus alten Zeiten her, er wurzelt tief in den Begriffen gegenseitiger Unterstützung und Unabhängigkeit zwischen dem Besitzer des Landes und dem Bebauer des Bodens. – Wo ist mein Neffe, Hektor M'Intyre?«

»Er ist bei den Damen, Herr, im Salon.«

»Schön,« sagte der Altertümler, – »ich werde mich dorthin begeben.«

»Nun, Monkbarns,« sagte seine Schwester, als er hereintrat, »du darfst nicht böse sein.«

»Mein lieber Onkel!« begann Fräulein M'Intyre.

»Was soll das bedeuten?« fragte Oldbuck, dem schon ganz angst wurde, als er diesen bittenden Ton von den Damen vernahm. »Was soll das heißen? Warum bittet ihr mich um Nachsicht?«

»Es ist nichts Besonderes, gewiß nicht,« sagte Hektor, der mit dem Arm in der Binde am Frühstückstisch saß, »aber ich nehme die Verantwortung dafür auf mich – wie für noch weit mehr Unruhe, die ich dir bereitet habe – allerdings hab ich wenig mehr als meinen Dank zum Entgelt dafür zu bieten.«

»Schwamm drüber! Schwamm drüber!« sagte der Altertümler. »Laß es nur dir eine Warnung sein, daß du nicht wieder so deine Wutanfälle kriegst, – das ist ein kurzer Wahnsinn – ira furor brevis – aber um welches neue Malheur handelt sichs denn?«

»Mein Hund, lieber Onkel, hat zum Unglück umgeworfen ...«

»Gefalls dem Himmel, doch nicht etwa das Tränenkrüglein von Clochnaben?« unterbrach ihn Oldbuck.

»Allerdings, Onkel,« sagte die junge Dame, »ich fürchte, das ist es gewesen – es hat auf dem Seitentischchen gestanden – das arme Tier wollte bloß ein bißchen frische Butter fressen.«

»Und das hat er denn auch tüchtig getan, wie? Aber das ist Nebensache. Mein Tränenkrüglein – der Grundpfeiler meiner Theorie, die ich der Ignoranz des Mac-Cribb zum Trotz behauptet habe, daß nämlich die Römer durch die Engpässe dieser Berge gezogen sind und Spuren von ihrer Kunst und ihren Waffen zurückgelassen haben – mein Tränenkrüglein ist dahin – ist vernichtet – in tausend Stücke zerbrochen – in Scheiben, die nun ebenso gut von einem zerschlagenen Blumentopf herrühren können.

Hektor ich liebe dich!

Doch nimmermehr sei Führer meiner Scharen!«

»Ei, Onkelchen, ich glaube, ich würde mich auch recht schlecht ausnehmen in einem Regiment, das du ausgehoben hättest.«

»Zum mindesten wünschte ich, Hektor, du gäbest deinem Troß den Laufpaß und marschiertest expeditus oder relictus impedimentis. Du kannst dir gar nicht denken, wie mich das Beest schon malträtiert hat. Das Vieh verübt auch Einbrüche, glaub ich, denn wie ich gehört habe, soll es in die Küche eingedrungen sein, nachdem alle Türen zugeschlossen worden waren, und hat dort eine ganze Hammelkeule vertilgt.«

»Es tut mir aufrichtig leid, lieber Onkel,« sagte Hektor, »daß Juno so etwas angestiftet hat – aber der Mann, der sie dressiert hat, ist auch nie mit ihr fertig geworden, sie hat mehr Mühe gemacht als irgend eine Hündin ihrer Rasse.«

»Dann wünscht ich, Hektor, die Hündin machte sich auf und verließe meinen Grund und Boden.«

»Wir werden das morgen alle beide tun, vielleicht heute noch, aber ich möchte nicht von meiner Mutter Bruder in Unfrieden scheiden wegen eines zerbrechlichen Töpfchens.«

»O Bruder, Bruder!« rief Miß M'Intyre, außer sich über die wegwerfende Bezeichnung.

»Wie sollt ich es denn anders nennen?« fuhr Hektor fort. »Es ist genau so ein Ding, wie sie es in Ägypten brauchen, um Wein oder Scherbet oder Wasser kalt zu stellen – ich hab ein paar solcher Töpfchen mitgebracht – zwanzig hätt ich mitbringen können.«

»Was!« rief Oldbuck, »von derselben Form wie der, den dein Hund umgeworfen hat?«

»Ja, Onkel, fast ebensolche Dinger, wie sie auf dem Seitentisch gestanden haben. In meiner Wohnung in Fairport hab ich sie – die sind ein prachtvoller Ersatz und werden dir Vergnügen machen. Es soll mir daher eine Ehre sein, wenn du sie von mir annimmst.«

»Allerdings, mein Junge, würdest du mir damit eine große Freude machen. Die Beziehungen zwischen Völkerschaften durch den Vergleich ihrer Gebräuche und die Ähnlichkeit ihrer Geräte zu erforschen, ist schon lange mein Lieblingsstudium gewesen. Jeder Gegenstand, der solche Beziehungen beweist, ist mir sehr schätzbar.«

»Schön, Onkel, es soll mir ein Vergnügen sein, wenn du diese Dinger und noch ein bißchen ähnlichen Kram von mir annehmen willst. Und nun, hoff ich, hast du mir verziehen?«

»O, mein lieber Junge, du bist nur gedankenlos und töricht,« sagte Oldbuck, »und unter der Bedingung, daß sie in Zukunft vom Monkbarns-Salon verbannt ist, soll auch deiner Juno verziehen sein.«

»Da nun alles vergeben ist, Onkel, wirst du deinem verwaisten Neffen, dem du ein Vater gewesen bist, erlauben, dir eine Kleinigkeit anzubieten, die wirklich sehr merkwürdig ist, wie ich mich vergewissert habe, und die dir früher anzubieten nur meine unerwartete Verwundung mich gehindert hat. Ich habe es von einem französischen Gelehrten bekommen, dem ich nach dem Gefecht bei Alexandria eine Gefälligkeit erwiesen habe.«

Der Kapitän legte ein kleines Ringschächtelchen in die Hände des Altertümlers. Als dieser es öffnete, fand er einen antiken Ring aus massivem Golde mit einer sehr schön ausgeführten Kamee – einem Kopfe der Kleopatra. Der Altertümler ließ seinem Entzücken freien Lauf, schüttelte seinem Neffen herzlich die Hand, dankte ihm hundertmal und zeigte den Ring seiner Schwester und Nichte, von denen die letztere so viel Takt hatte, ihn gebührend zu bewundern, aber Fräulein Griselda, die zwar ihrem Neffen ebenso zugetan war, war nicht so politisch, ein Gleiches zu tun.

Inzwischen hatte Juno, die mit dem merkwürdigen Instinkt der Hunde ganz genau wußte, wer sie leiden mochte und wer ihr übel wollte, mehrmals zur Tür hereingelugt, und da sie nichts bemerkt hatte, was ihr an der gefürchteten Person des Altertümlers diesmal Furcht hätte einflößen können, war sie endlich keck hereingekommen. Sie sah, daß sie ganz unbehelligt blieb, und dadurch kühn gemacht, fraß sie in der Tat Herrn Oldbucks geröstetes Brot auf, während dieser in seiner Lobrede auf den Ring begeistert fortfuhr, bis er sich endlich, unterbrach:

»Hollah! da ist mein Röstbrot verschwunden! Und ich sehe schon, welchen Weg es gegangen ist! Hu, du Musterexemplar von Weibsvolk!« – und mit diesen Worten hob er die Faust gegen Juno, die spornstreichs aus der Stube sauste. – »Doch da nach Homer Jupiter im Himmel auch seiner Juno nicht Herr zu werden vermochte, und da der Dresseur dieser Juno auf Erden ebenso wenig Glück gehabt hat, so müssen wir uns eben mit dem Beest abfinden und es verbrauchen, wie es ist.«

Nach diesem milden Urteilsspruch, der der Juno volle Verzeihung gewährte, setzte sich die Familie an die Morgenmahlzeit.


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