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Viertes Kapitel.

Der Deutsche schien entschlossen, die vorteilhafte Position zu behaupten, die ihm die Entdeckung verschafft hatte, und antwortete mit großer Feierlichkeit und Würde auf den Angriff des Altertümlers:

»Meister Oldenbuck, all das mag ja sehe geischtreich und witschick und wohl auch luschtick sein – aber ich habe nichts – aber auch gar nichts – tschu Leuten tschu sagen, die selbst noch nicht an das, was sie mit eigenen Augen sehen, glauben wollen. Es ist sehr wahr, daß ich heute nichts von dem Werktscheug der Kunscht hier habe, und es ist um so wunderbarer, was ich heute vollbracht habe. Aber ich möchte Sie bitten, mein sehr geehrter und guter und edelmütiger Herr Gönner, stecken Sie die Hand in die rechte Weschtentasche und tscheigen Sie mir, was Sie darin finden.«

Sir Arthur erfüllte sein Ansuchen und zog das kleine Silberstück heraus, das er unter den Auspizien des Schwarzkünstlers bei dem ersten Versuche gebraucht hatte.

»Es ist durchaus wahr,« sagte Sir Arthur mit einem ernsten Blick auf den Altertümler, »das ist das geläuterte und berechnete Siegel, mit dem Herr Dusterschieler und ich unsere erste Entdeckung bewirkt haben.« –

»Pfui, pfui, mein lieber Freund,« sagte Oldbuck, »Sie sind zu gescheit, um an die Zauberkraft eines lumpigen Kronenstückes zu glauben, das dünngeschlagen und bloß ein bißchen zerkratzt worden ist. Ich sage Ihnen, Sir Arthur, wenn Dusterschieler gewußt hätte, wo er diesen Schatz allein hätte finden können, dann hätten Sie keinen Deut davon zu sehen bekommen.«

»Wenn Euer Ehren nichts dagegen haben,« sagte Edie, der bei allen Gelegenheiten, wie es im Volksmunde heißt, seinen Senf dazuzugeben hatte, »wenn Herr Dusterschieler soviel Verdienst an der Entdeckung des Schatzes hat, so können Sie ihm, meine ich', zum wenigsten zugestehen, daß alles, was für seine Arbeit noch übrig ist, ihm gehören soll, denn der, der gewußt hat, wo so viel zu finden ist, weiß ohne Frage auch, wo noch mehr zu finden ist.«

Als Dusterschieler diesen Vorschlag hörte, zog er ein sehr finsteres Gesicht, aber der Bettler zog ihn zur Seite und flüsterte ihm etwas ins Ohr, das ihn sehr zu interessieren schien.

Inzwischen sagte Sir Arthur, dem von seinem Glücke das Herz voll war, mit lauter Stimme:

»Kümmern Sie sich nicht um unseren Freund Monkbarns. Herr Dusterschieler, sondern kommen Sie morgen ins Schloß, und ich werde Sie überzeugen, daß ich nicht undankbar bin für die Winke, die Sie mir in dieser Sache gegeben haben, und die schmutzige Fairporter Fünfzigpfundnote, wie Sie sich ausdrücken, steht herzlich gern zu Ihrer Verfügung. Nun, Leute, macht den Deckel über dieser kostbaren Kiste wieder fest!«

Aber der Deckel war in der Verwirrung zur Seite in das Gestrüpp gefallen oder unter die lose Erde geraten, die aus dem Grabe geworfen war, – kurz, er war nicht mehr zu sehen.

»Leute,« sagte Sir Arthur, »kommt mit mir nach den Vier Pferdehufen, damit ich mir alle Eure Namen aufschreiben kann. Dusterschieler, ich möchte Sie nicht auffordern, jetzt mit nach Monkbarns zu kommen, da zwischen dem Laird und Ihnen eine so große Meinungsverschiedenheit herrscht, aber Sie kommen bestimmt morgen zu mir.«

Dusterschieler knurrte eine Antwort, in der nur die Worte zu vernehmen waren: – »Pflicht – mein sehr geehrter Herr Gönner! – und Sir Arthur besuchen« – und als der Baron und sein Freund die Ruinen verlassen hatten, begleitet von den Arbeitern, die auf Lohn und Branntwein hofften, blieb der Schwarzkünstler in tiefstem Sinnen neben dem offenen Grabe stehen.

»Wer hätte das denken sollen?« rief er unwillkürlich aus. »Meine Heiligkeit! Ich habe von solchen Dingen gehört und ich habe von solchen Dingen oft gesprochen, aber, sapperment, ich hätte nie gedacht, daß ich es leibhaftig schauen würde. Und wenn ich nur drei Fuß tiefer gegangen wäre, mein Himmel! Dann wäre alles mein eigen gewesen! – soviel mehr, als ich bis jetscht tropfenweis diesem Schafskopf abgetschwickt habe.«

Der Deutsche brach sein Selbstgespräch ab, denn, indem er die Augen aufschlug, begegnete er dem Blick Edie Ochiltrees, der nicht mit den anderen gegangen war, sondern, wie gewöhnlich auf seinen Stab gestützt, sich auf der anderen Seite des Grabes aufgepflanzt hatte.

Die Züge des alten Mannes, die von Natur fast einen spitzbübischen Ausdruck hatten, schienen jetzt so schlau und pfiffig, daß selbst die Dreistigkeit Dusterschielers, der doch ein Abenteurer von Profession war, gegen dieses Mienenspiel nicht aufkommen konnte.

Aber er begriff, daß es notwendig sei, sich mit ihm einzulassen, faßte sich ein Herz und begann sogleich den Bettler über die Vorfälle des Tages auszufragen:

»Guter Meister Edie Ochiltree ...«

»Edie Ochiltree schlechtweg, nicht Meister oder Herr – nur der arme Bettelmann des Königs,« antwortete der Blaurock.

»Na schön, schön, guter Edie also, was halten Sie von dem allen?«

»Ich dachte eben, es wäre doch sehr freundlich, denn ich darf nicht sagen sehr einfältig, von Euer Ehren gewesen, daß Sie diesen beiden reichen Herren, die Länder und Lordschaften besitzen, diesen großen Silberschatz gegeben haben (der dreimal im Feuer gefeit ist, wie die Schrift sagt), wo doch mit ihm Sie selber und noch ein paar ehrliche Kerle außerdem so glücklich und zufrieden hätten werden können, wie der Tag lang ist.«

»Allerdings Edie, mein ehrlicher Freund, das ist sehr wahr, nur wußte ich gar nicht, das heißt, ich war nicht genau darüber unterrichtet, wo ich das Geld selber hätte finden können.«

»Was! So sind Monkbarns und der Ritter von Knockwinnock nicht auf Ihren Rat und Vorschlag hin hierhergekommen?«

»Aha – ja doch – aber es verhält sich eben ein bißchen anders. Ich wußte nicht, daß sie den Schatsch finden würden, mein Freund, allerdings habe ich mir bei dem Krakehl und dem Husten und Niesen neulich nachtsch unter den Geischtern dahier gleich gedacht, daß hier ein Schatsch und edles Metall läge. Ach, mein Himmel! Der Geischt wird nun schön hinter seinem Gelde herheulen, wie ein deutscher Bürgermeister hinter seinen Talern nach einem Festessen im Stadthause.«

»Und glauben Sie wirklich an so etwas, Herr Dusterschieler? Ein kundiger Mann wie Sie – pfui doch!«

»Mein Freund,« sagte der Alchimist, durch die Umstände gezwungen, ein wenig mehr als sonst aus sich herauszugehen – »ich habe nicht mehr daran geglaubt, als Sie oder irgend ein Mensch, bis ich sie selber habe heulen und stöhnen und winseln hören mit meinen eigenen Ohren neulich in der Nacht, und bis ich heute die Geschichte gesehen habe, eine große Kiste voll bis zum Rande von lauterm Silber aus Mekschiko – und was soll ich denn nun anders denken?«

»Und was würden Sie wohl einem Manne geben, der Ihnen zu einer anderen solchen Kiste voll Silber verhelfen würde?«

»Was ich gäbe? Mein Himmel! – ein großes, riesengroßes Viertel davon!«

»Nun, wenn ich das Geheimnis besäße,« sagte der Bettler, »so würde ich mir eine Hälfte ausbedingen, denn sehen Sie, wenn ich auch ein armes Luder bin und kein Geld mit mir herumtragen könnte, so hab ich doch Leute genug, die es mir aufheben würden mit besserm Profit für mich, als Sie denken.«

»Ach Himmel! Mein guter Freund, was hab ich gesagt? – Ich wollte sagen, Sie sollten die drei Viertel davon haben, und das letschte Viertel sollte mein gerechter Anteil sein.«

»Nein, nein, Herr Dusterschieler, wir wollen zu gleichen Teilen, was wir finden, unter uns verteilen, wie Bruder und Bruder. Nun, sehen Sie diesen Deckel an, den ich eben beiseite getan habe, während Monkbarns das Silber da unten anstarrte. Er hat ein scharfes Auge, Monkbarns. Ich war froh, daß ich das Ding ihm aus der Nase gerückt hatte. Sie werden vielleicht die Schrift besser lesen können, als ich – ich bin nicht so gelehrt – wenigstens bin ich nicht so geübt darin.«

Mit dieser bescheidenen Versicherung seiner Unkenntnis brachte Ochiltree hinter einer Säule den Deckel der Schatzkiste hervor, der achtlos beiseite geworfen und dann von dem Bettler versteckt worden war.

Ein Wort und eine Zahl stand auf dem Holze, und der Bettler spuckte in sein Taschentuch und rieb die Erde ab, damit sie deutlicher zu sehen sein sollten. Schrift und Zahl waren im alltäglichen Schwarzdruck aufgepreßt.

»Können Sie es entziffern?« fragte der Bettler den Schwarzkünstler.

»S,« sagte der Philosoph, wie ein Kind, das Fibelstunde hat, »S, A, C, H, E. – Sache – das besagt allerdings gar nichts.«

»Sache!« rief Edie Ochiltiee. »Nein, nein Herr Dusterspieler, Sie verstehen sich doch mehr aufs Beschwören als aufs Lesen – Suche heißt es, Mann, suche. Sehen Sie, das U ist doch ganz deutlich.«

»Aha! – Jetscht seh ichs. Suche heißt es. Suche Nummer I. Mein Himmel, dann muß ja eine Nummer Tschwei da sein, mein guter Freund. Denn suchen heißt so viel wie nach etwas graben, und dies ist erst Nummer Eins. – Mein Wort darauf, ein großer, riesengroßer Preis ist für uns aufbewahrt, guter Meister Ochiltree.«

»Wohl, das mag schon sein – aber jetzt können wir nicht danach graben – wir haben keine Schaufeln, denn sie haben sie mitgenommen, und womöglich werden ein paar wieder hergeschickt, um die Erde ins Loch zu werfen und alles wieder sauber zu machen. Aber wenn Sie mich hier an dieser Stelle um zwölf Uhr mit einer Laterne treffen wollten, dann will ich Werkzeug bei der Hand haben, und wir wollen beide in aller Ruhe an die Arbeit gehen, und keine Menschenseele soll etwas davon merken.«

»Ja, aber, mein guter Freund,« sagte Dusterschieler, – aus dessen Gedächtnis das vorige nächtliche Abenteuer sich nicht völlig vertilgen ließ, – »es ist zu solcher Nachttscheit durchaus nicht so geheuer in der Gegend des Grabes von unserem guten Freund Malcolm mit dem schwartschen Rock. Sie haben vergessen, was ich Ihnen ertschählt habe – daß die Geischter da geheult und gejammert haben. Ich sage Ihnen, dorten spuktsch.«

»Wenn Sie sich vor Gespenstern fürchten,« antwortete der Bettler kühl, »dann will ich die Sache allein machen und Ihnen Ihren Teil an dem Silber irgend wohin bringen, wohin Sie mich bestellen wollen.«

»Nein – nein, mein ausgetscheichneter alter Herr Edie, »tschu viel Mühe für Sie – das will ich nicht haben – ich werde selber kommen – und das wird das allerbeschte sein – denn, mein alter Freund, ich war's, ich, Hermann Dusterschieler, der das Grab des Meisters Schwartschrock entdeckt hat. Ich sah mich nämlich nach einem Fleckchen um, wo ich ein paar lausige Müntschen vergraben konnte – bloß um meinem lieben Freund Sir Arthur einen kleinen Streich tschu spielen so tschum Tscheitvertreib und Amüsement – ja, da hab ich ein bißchen sogenannten Schutt weggeräumt und dabei das Grab und das Monument vom guten Meister Schwartschrock entdeckt. Es hat den Anschein, als wollte er mich tschu seinem Erben haben, und da wäre es doch sehr unhöflich, wenn ich nicht selber käme, meine Erbschaft antschzutreten.«

»Dann um zwölf Uhr,« sagte der Bettler, »wir treffen uns unter diesem Baume.«

»Gut so, mein guter Meister Edie, ich will hier mit Ihnen tschusammentreffen, und wenn sich auch alle Geischter rein närrisch klagen und heulen sollten.«

Mit diesen Worten schüttelte er dem alten Manne die Hand, und unter solcher gegenseitiger Versicherung der Pünktlichkeit gingen sie auseinander.


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