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»Ich brauche Ihnen nicht zu sagen,« sagte die alte Frau zu Graf Glenallan, »daß ich der Liebling und die vertraute Dienerin von Joscelinde Gräfin von Glenallan war, der der Herr gnädig sein möge,« Mit diesen Worten bekreuzte sie sich. »Und ich denke, Sie werden nicht vergessen haben, daß sie viele Jahre lang große Stücke auf mich hielt, aber durch einen kleinen Akt des Ungehorsams verfiel ich in Ungnade – eine Person hatte es ihr hinterbracht, die mich nicht mit Unrecht in dem Verdacht hatte, daß ich auf alles, was die Gräfin und auch Sie, Mylord, begannen, insgeheim ein scharfes Auge hätte.«
»Ich sage dir, Weib,« unterbrach sie der Graf mit vor leidenschaftlichem Zorne bebender Stimme, »nenne nicht ihren Namen vor meinen Ohren!«
»Ich muß sie nennen!« versetzte die Alte fest und ruhig. »Wie sollten sonst Sie mich verstehen?«
Der Graf stützte sich auf einen der Holzstühle, zog den Hut übers Gesicht, ballte die Fäuste und biß die Zähne aufeinander, wie jemand, der äußersten Mut zusammennimmt, um eine schmerzhafte Operation über sich ergehen zu lassen, und winkte ihr, fortzufahren.
»Ich sage also,« begann die Alte wieder, »daß ich bei meiner Herrin in Ungnade fiel, das verdankte ich vor allem Fräulein Eveline Neville, die damals in Glenallan-Haus aufgezogen wurde als Tochter eines Vetters und engen Freundes Ihres Vaters, der schon gestorben war. Es war vieles nicht ganz klar mit ihr, aber wer hätte wohl gewagt, sich näher danach zu erkundigen, da die Gräfin nichts darüber verriet. Alles in Glenallan-Haus liebte Fräulein Neville – alles, bis auf zwei – Ihre Mutter und ich – wir beide haßten sie.«
»Gott! aus welchem Grunde? Nie hat die Erde ein Wesen getragen, das so sanft und gut war und so dazu geschaffen schien, geliebt zu werden!«
»Das mag wohl so gewesen sein,« versetzte Elsbeth, »aber Ihre Mutter haßte alles, was aus der Familie Ihres Vaters war – alles, bloß ihn selber nicht. Der Grund war wohl ein Streit, der kurz vor ihrer Verheiratung zwischen ihnen vorfiel, das Nähere tut hier nichts zur Sache. Aber doppelt haßte sie Eveline Neville, als sie gewahr wurde, daß zwischen Ihnen und der unglücklichen jungen Dame ein Liebesverhältnis im Entstehen war! Sie werden selber noch wissen, daß die Abneigung der Gräfin zunächst nur soweit ging, daß sie sich sehr kühl zu ihr stellte – wenigstens ließ sie sich sonst nichts weiter merken. Aber schließlich artete ihre Abneigung in solch wilden Haß aus, daß Fräulein Neville Zuflucht suchen mußte auf Schloß Knockwinnock bei Sir Arthurs Frau, die damals noch lebte – Gott Hab sie selig!«
»Du zerreißt mir das Herz mit diesen Einzelheiten – aber fahre fort!«
»Ein paar Monate war sie weg gewesen,« fuhr Elsbeth fort, »da wachte ich eines Nachts auf meiner Hütte, wo ich auf meinen Mann wartete, der vom Fischen heimkommen mußte, und ich weinte bittere Tränen, weil mein Stolz sich in mir aufbäumte, daß ich in Ungnade gefallen war. Da öffnete sich die Tür und die Gräfin, Ihre Mutter, trat herein. Ich dachte, ich hätte ein Gespenst gesehen, denn diese Ehre hatte sie mir nie erwiesen, und sie sah auch so bleich und geisterhaft aus, als sei sie eben aus dem Grabe gestiegen. Sie setzte sich nieder und rang die Nässe aus ihrem Haar und ihrem Mantel, denn es regnete in dieser Nacht und sie war durch die Pflanzungen gegangen, die vom Tau bedeckt waren. Ich erwähne das alles nur, damit Sie sehen sollen, wie genau ich mich noch auf diese Nacht besinnen kann, wie deutlich sie noch in meiner Erinnerung lebt – und das mit Recht. Ich war sehr erstaunt, sie zu sehen, aber ich wagte nicht zuerst zu reden – denn es war für mich schlimmer, als wenn ich ein wirkliches Gespenst gesehen hätte – für mich, die ich doch manches Bild des Grausens geschaut hatte und nie dabei gezittert habe. Nach einem Schweigen sagte sie also: Elsbeth Cheyne (denn sie nannte mich immer bei meinem Mädchennamen), bist du nicht die Tochter jenes Reginald Cheyne, der sein Leben ließ für seinen Herrn, Lord Glenallan, den er auf dem Felde von Sheriffmuir rettete? Und ich antwortete ebenso stolz fast wie sie mich fragte: So gewiß Sie die Tochter jenes Grafen von Glenallan find, den mein Vater rettete an diesem Tage seines eigenen Todes.«
Nach diesen Worten trat eine lange Pause ein.
»Und was folgte? was folgte? – Um Himmelswillen – gute Frau – doch warum brauche ich dieses Wort? Einerlei, ob gut, ob böse – ich befehle dir, erzähle weiter!«
»Und wenig Gehör würde ich einem irdischen Befehl noch leihen,« antwortete Elsbeth. »Hätte nicht im Schlafen und Wachen eine Stimme zu mir gesprochen, die mich angetrieben hätte, diese traurige Geschichte zu erzählen. Also, Mylord, die Gräfin sagte zu mir: »Mein Sohn liebt Eveline Neville – sie sind beide einig – sie haben sich verlobt – wenn sie einen Sohn bekommen sollten, so ist mein Recht auf Glenallan erloschen, und von diesem Augenblick sinke ich, die Gräfin, herab zu einer elenden Person, die von ihren Zinsen lebt oder gar von Gnadengeld ihr Dasein fristet – ich, die ich Ländereien und Vasallen und edles Blut und alten Ruhm meinem Gatten eingebracht habe, ich muß aufhören, Herrin zu sein, wenn mein Sohn einen männlichen Erben hat. Aber darum geht es mir schließlich nicht – hätte er nur eine andere geheiratet als eine von den verhaßten Nevilles, so hätte ich mich damit abgefunden. Aber um ihretwegen, damit sie und ihre Abkömmlinge sich der Vorrechte und Ehren meiner Ahnen erfreuen sollen – das geht mir durchs Herz wie ein zweischneidiges Schwert. – Und dieses Mädchen gar, sie ist mir ein Greuel!« – »Und ich, denn mein Herz wurde heiß bei ihren Worten, ich sagte ihr, mein Haß sei dem ihren gleich.«
»Erbärmliche!« rief der Graf, trotz seines Entschlusses, sich still zu verhalten. »Erbärmliches Weib! Was für eine Ursache zum Haß hätte dir ein so unschuldiges und sanftes Wesen geben können!«
»Ich haßte, was meine Herrin haßte, wie es bei den Untertanen des Hauses Glenallan üblich war. Denn wenn ich auch unter meinem Stande heiratete, Mylord, so ist doch kein Ahne von Ihnen je zum Schlachtfeld geritten, ohne daß ein Ahne der gebrechlichen, schwachsinnigen, alten nutzlosen Hexe, die jetzt mit Ihnen spricht, ihm den Schild getragen hätte. Aber das war nicht alles,« fuhr die Vettel fort, in der die bösen Leidenschaften wieder sich entfachten, je mehr sie sich bei der Erzählung erhitzte, »das war nicht alles. Ich haßte Fräulein Eveline Neville um ihrer selbst willen. Ich hatte sie aus England hergebracht und auf dem ganzen Wege hatte sie sich über meine nordische Sprache und Manier lustig gemacht. Aber ich leugne nicht, daß ich sie mehr haßte, als sie es verdiente. Auch der Haß meiner Gebieterin war wilder geworden und sie sagte zu mir: Elsbeth Cheyne, dieser ungehorsame Bursche wird sie heiraten – wenn noch die früheren Zeiten waren, dann könnte ich ihn und seine Buhle in den Kerker von Glenallan werfen, aber diese Zeiten sind vorüber. Höre mich, Elsbeth Cheyne, wenn du deines Vaters Tochter bist wie ich die Tochter meines Vaters, so will ich Mittel und Wege finden, daß sie nicht zusammenkommen sollen. Sie geht oft nach der Klippe, die dein Wohnhaus überragt, und schaut aus nach dem Boote ihres Geliebten. (Sie erinnern sich vielleicht noch, welche Freude das für Sie immer war, wenn Sie auf See waren.) Er soll sie vierzig Klaftern tiefer finden, als er erwartet. Ja, Sie mögen die Augen aufreißen und die Fäuste ballen, aber – so wahr ich vor dem einzigen Wesen stehe, das ich je gefürchtet habe – o! hätte ich doch den dort oben mehr gefürchtet! – das waren Ihrer Mutter Worte! Was sollte es für mich für Nutzen haben, Sie zu belügen? Aber ich wollte nicht mir die Hände mit Blut beflecken. Dann sagte sie: Bei der Religion unserer heiligen Kirche, sie sind zu nahe miteinander versippt. Da aber der böse Feind stets in Köpfen wie dem meinen arg sein Wesen treibt, so ließ ich mich verlocken, hinzuzufügen: Aber es läßt sich so einrichten, daß man sie sich selber für so naheverwandt miteinander halten kann, daß kein christliches Gesetz ihre Vereinigung gestatten würde.«
Graf von Glenallan unterbrach sie mit einem so durchdringenden Aufschrei, daß fast das Dach der Hütte zu beben schien.
»Ah! Eveline Neville war also nicht ...«
»Nicht die Tochter Ihres Vaters, wollen Sie sagen?« fuhr Elsbeth fort. »Nein, mag es Ihnen nun eine Marter sein oder ein Trost – Sie sollen die volle Wahrheit wissen: sie war ebenso wenig eine Tochter aus Ihres Vaters Hause wie ich.«
»Weib, hintergeh mich nicht – mach nicht, daß ich dem Andenken der Mutter fluche, die ich vor kurzem ins Grab legte, daß ich sie verfluche als Mitschuldige an einem Komplott, dem grausamsten, höllischsten Komplott...«
»Bedenken Sie sich, Lord Geraldin, ehe Sie dem Andenken einer toten Mutter fluchen – lebt denn nicht noch einer vom Blute der Glenallans, der eben die Ursache zu dieser furchtbaren Katastrophe gewesen ist?«
»Meinst du meinen Bruder? – der ist auch tot.«
»Nein,« erwiderte die Sibylle, »Sie selber meine ich. Hätten Sie nicht den Gehorsam eines Sohnes mit Füßen getreten und heimlich Eveline Neville, als Sie in Knockwinnock zu Gaste waren, geheiratet – so hätte unser Komplott Sie wohl eine Zeitlang voneinander trennen können, aber Ihr Kummer wäre dann wenigstens nicht durch Gewissensbisse verbittert gewesen. Aber Ihr eigenes Verhalten hat das Gift der Waffe, die wir schleuderten, beigefügt, und sie durchdrang Sie um so gewaltiger, als Sie in den tödlichen Wurf hineinliefen. Wäre Ihre Heirat eine offene, anerkannte Handlung gewesen, so hätte unser Plan, Ihnen ein unübersteigbares Hindernis in den Weg zu legen, nicht ausgeführt werden können.«
»Großer, Gott!« sagte der unglückliche Edelmann. »Wie Schuppen fällt es mir von den Augen, Ja, nun versteh ich die fragwürdigen Trostesworte, die meine Mutter undeutlich hinwarf. Damit hat sie nur die Beweise der Schreckenstat ausmerzen wollen, an der ich mir die Schuld allein beimessen sollte!«
»Sie hat nicht deutlicher sprechen können,« antwortete Elsbeth, »wenn sie nicht ihren eigenen Betrug, hätte eingestehen sollen, und lieber hätte sie sich von wilden Pferden zerreißen lassen, als daß sie ihre Tat enthüllt hätte. Und wenn sie noch am Leben wäre, auch mir sollte niemand das Geheimnis entreißen! Starke Herzen waren sie; die Weiber von Glenallan und die Männer auch.«
Der unglückliche Edelmann war in seine eigenen verwirrten abschweifenden Gedanken versunken.
»Großer Himmel!« rief er. »So bin ich frei von der entsetzlichsten Schuld, mit der der Mensch befleckt sein kann und deren Bewußtsein – ob ich auch die Tat nicht wollte oder mit Absicht begangen hatte – mir den Frieden vernichtet, die Gesundheit untergraben und mich frühzeitig an den Rand des Grabes gebracht hatte. Nimm,« setzte er in inbrünstigem Tone hinzu, die Augen gen Himmel erhebend, »nimm meinen innigsten Dank! – Wenn ich auch ein elendes Leben geführt habe, wenigstens werde ich nicht sterben mit dem unnatürlichen Schandfleck dieser Schuld! – Und du, fahr fort, wenn du noch mehr zu sagen hast – fahr fort, solange du noch eine Stimme hast zu reden, und ich die Kraft zu hören.« »Ja,« antwortete die Vettel, »die Stunde, da du hören sollst und ich reden werde, eilt reißend vorbei. Der Tod hat sein Kreuz dir schon auf die Stirn gezeichnet, und mir greift seine Faust tagtäglich kälter ans Herz, – Unterbrechen Sie mich nicht mehr mit Ausrufen, Stöhnen und Anklagen und hören Sie meine Geschichte zu Ende an. – Und dann – wenn Sie wirklich ein solcher Lord von Glenallan sind, wie ich die Glenallans zu meiner Zeit gekannt habe, dann lassen Sie Ihre Leute Holz und Reisig sammeln, und sie sollen es hoch auftürmen bis zum Giebel des Hauses, und dann verbrennt, verbrennt, verbrennt die alte Hexe Elsbeth und mit ihr alles, was daran erinnern kann, daß eine solche Kreatur je zwischen Himmel und Erde herumgekrochen ist!«
»Weiter! weiter!« sagte der Graf. »Ich will dich nicht wieder unterbrechen.«
Er sprach mit halb erstickter Stimme, aber in entschlossenem Tone, denn er wollte nicht durch übergroße Erregung seinerseits sich die Gelegenheit entgehen lassen, Beweise für die wunderbare Geschichte zu erhalten, die er nun hörte.
Aber Elsbeth war durch die ununterbrochene Erzählung von so ungewöhnlicher Länge erschöpft, der zweite Teil der Geschichte kam verworrener zu Bericht und, wenn er auch in allen Teilen klar verständlich war, so fehlte ihm doch die Schärfe und die fast grelle Klarheit, die den ersten Teil in so erstaunlichem Grade ausgezeichnet hatte. Als sie ein paar erfolglose Versuche gemacht hatte, in ihrer Erzählung fortzufahren, mußte Lord Glenallan ihrem Gedächtnis nachhelfen, indem er sie fragte, was sie für Beweise für die Geschichte vorzubringen hätte, die so ganz anders laute, als, sie sie ursprünglich angegeben hätte.
»Der Beweis,« sagte sie darauf, »von Eveline Nevilles wahrer Herkunft befand sich im Besitz der Gräfin, und sie hatte alle Ursache, ihn eine Zeitlang geheim zu halten. Wenn sie die Papiere nicht vernichtet hat, so werden sie sich noch in dem Schubkasten linker Hand des Ebenholzschränkchens finden, das im Ankleidezimmer stand – sie wollte sie solange verbergen, bis Sie wieder im Auslande wären, denn sie dachte, vor Ihrer Rückkehr Fräulein Eveline Neville in ihre Heimat zurückzubringen oder sie mit irgendwem zu verheiraten.«
»Aber hast du mir nicht Briefe von meinem Vater gezeigt, die – wenigstens schien es mir so, sofern nicht alle meine Sinne mich in dieser entsetzlichen Stunde verlassen haben – das Geständnis zu enthalten schienen, daß er mit dieser Unglücklichen...«
»Das taten wir,« versetzte die Hexe, »und wie hätten Sie danach an der Sache zweifeln können? Aber die wahre Erklärung dieser Briefe haben wir unterdrückt, nämlich, daß Ihr Vater es für Recht und angeraten hielt, daß die junge Dame eine Zeitlang für seine Tochter gelten sollte, aus gewissen Familiengründen, die sie für sich behielten.«
»Aber weshalb wurde diese furchtbare List beibehalten, nachdem ihr von unserer Vereinigung gehört hattet?«
»Erst als Lady Glenallan diese Lüge aufgebracht hatte, kam sie auf den Verdacht, daß Sie sich, tatsächlich hätten trauen lassen – selbst dann gaben Sie es noch nicht zu, so daß sie noch nicht völlige Gewißheit haben könnte, ob die Feier wirklich zwischen Ihnen vollzogen worden sei. Aber Sie werden sich noch sehr gut erinnern – ach! wie könnten Sie es nicht? – was bei der furchtbaren Unterredung sich zutrug.«
»Weib! bei den Evangelien beschwurst du, was du jetzt als unwahr bezeichnest.«
»Das tat ich, und ich hätte selbst einen noch heiligeren Eid darauf geleistet, wenn es einen heiligeren gegeben hätte – mein Blut sogar hätte ich dafür hingegeben oder meine Seele verkauft, um dem Hause Glenallan zu dienen.«
»Elende! Eid nennst du diesen entsetzlichen Meineid, der von noch entsetzlicheren Folgen begleitet war – meinst du damit dem Hause deiner Wohltäter einen Dienst geleistet zu haben?«
»Ich diente ihr, die damals das Oberhaupt der Glenallans war, und ich diente ihr, wie sie es verlangte. Die Sache hat sie mit Gott und ihrem Gewissen abgemacht – wie es gemacht werden sollte, das war zwischen meinem Gewissen und dem Himmel auch ins reine gebracht, nun ist sie hingegangen, Rechenschaft abzulegen, und ich will und muß ihr folgen. – Hab ich Ihnen nun alles erzählt?«
»Nein,« antwortete Lord Glenallan, »du hast noch mehr zu sagen – du hast mir vom Tode des Engels zu erzählen, den dein Meineid zur Verzweiflung getrieben hat, weil sie sich befleckt glaubte – belastet mit einem so furchtbaren Verbrechen. Sprich die Wahrheit – war dieses schreckliche Geschehnis –« er vermochte die Worte kaum auszusprechen, »trug sich dieses schreckliche Geschehnis so zu, wie es berichtet wurde – oder war es ein weiterer Akt der entsetzlichen Grausamkeit, von andern verübt?«
»Ich verstehe Sie,« sagte Elsbeth, »aber hier hat das Gerücht die Wahrheit gesagt – unser falsches Zeugnis war allerdings die Ursache, die Tat hat sie aber selber im Wahnsinn verübt. Bei dieser furchtbaren Enthüllung stürzten Sie von der Gräfin weg, sattelten Ihr Pferd und verließen das Schloß wie ein Feuersturm. Die Gräfin hatte daher von Ihrer geheimen Ehe noch nichts erfahren. Sie aber jagten davon, wie wenn Furien hinter Ihnen wären, und Fräulein Neville wurde in sicheren Gewahrsam gebracht. Aber der Wächter schlief – und die Gefangene wachte –. der Weg lag vor ihr, da war die Klippe und da war die See. O, wenn ich doch das vergessen könnte!«
»Und so ist sie gestorben,« sagte der Graf, »ganz so, wie es berichtet wird?«
»Nein, Mylord, ich war zur Bucht hinausgegangen, da sah ich einen weißen Gegenstand wie eine Seemöwe von der Klippe herunterschießen, dann gibt es einen lauten Klatsch, das Wasser gischt auf und ich sehe, daß ein menschliches Wesen in die Wogen gefallen ist. Ich war stark und mutig und vertraut mit der Flut. Ich stürzte mich hinein und faßte ihr Gewand und zog sie heraus und trug sie auf meinen Schultern – zwei solche hätte ich damals tragen können, und legte sie auf mein Bett. Da schickt ich zur Gräfin – und die Gräfin schickte ihre spanische Dienerin Theresa. Wenn je ein böser Feind in Menschengestalt auf Erden gewandelt ist, so war sie einer. Sie und ich sollten über der Unglücklichen wachen und keinen anderen zu ihr lassen. Der Himmel allein weiß, was der Spanierin aufgetragen worden war – sie hat es mir nicht gesagt – aber der Himmel nahm den Abschluß selber in die Hand. Die arme Dame kam vor der Zeit nieder und gebar ein Kind männlichen Geschlechts und starb in meinen Armen – in den Armen ihrer Todfeindin. Ja, Sie mögen weinen! – Ich ließ Theresa bei der Leiche und dem neugeborenen Kinde, um die Gräfin zu fragen, was nun geschehen solle. Es war schon spät, aber ich traf sie noch, und spät wie es war, rief sie noch nach Ihrem Bruder. Es ging damals die Rede, daß sie ihn zu ihrem Erben machen wollte. Was sie miteinander gesprochen haben, weiß ich nicht und kann ich nicht sagen, da ich es nicht gehört habe. Lange und ernst haben sie miteinander beraten, und als Ihr Bruder durch das Zimmer, wo ich wartete, hindurchging, da schien mir, als sei das Feuer der Hölle selber ihm in Gesicht und Augen entfacht worden. Aber seine Mutter schien er angesteckt zu haben. Sie kam wie eine Irrsinnige herein, und ihre ersten Worte waren folgende: »Elsbeth Cheyne, hast du je eine frisch erblühte Blume gepflückt? Ich sagte ja, das hatte ich wohl schon oft getan. Dann, sagte sie, wirst du am besten wissen, wie diese sündige, ketzerische Knospe vernichtet werden kann, die in dieser Nacht entsprossen ist zur Schande für das Haus meines edlen Vaters. Sieh hier, das Blut von Glenallans darf nur durch Gold vergossen werden, und mit diesen Worten gab sie mir eine goldene Nadel. Dieses Kind, sagte sie weiter, ist schon so gut wie tot, du und Theresa seid die einzigen, die überhaupt von seinem Dasein etwas wissen, so macht mit ihm, was ich von euch erwarte.« Und in Wut ging sie weg und ließ mich stehen mit der goldenen Nadel in der Hand. Hier ist sie. Diese und der Ring des Fräuleins sind alles, was mir von meinem schlecht erworbenen Gute noch übrig ist – denn groß war der Lohn, den ich erhielt, und gut hab' ich das Geheimnis bewahrt.«
Und mit ihrer langen Knochenhand hielt sie Lord Glenallan eine goldene Nadel hin, an der er im Geiste noch das Blut seines Kindes herniederrieseln sah.
»Teufelin! Hattest du das Herz?«
»Weiß nicht, ob ich's hätte tun können oder nicht. Ich kehrte in meine Hütte zurück, ohne den Boden zu fühlen, den ich betrat, aber Theresa und das Kind waren nicht mehr da. Es war nur noch die Leiche da.«
»Und hast du nie erfahren, was aus meinem Kinde geworden ist?«
»Ich konnte nur raten, nur vermuten. Was Ihre Mutter beabsichtigte, das hab' ich Ihnen erzählt, und daß Theresa ein böses Weib war, habe ich gewußt. Sie ist in Schottland nie wieder gesehen worden, und soviel, ich gehört habe, ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt. Ein finsterer Vorhang ist über die Vergangenheit gefallen, und die wenigen, die etwas davon hatten merken können, konnten nur Verführung und Selbstmord vermuten. Sie selber ....« »Ich weiß – ich weiß alles.«
»Sie wissen nun allerdings alles, was ich sagen kann. Und nun, Erbe von Glenallan, können Sie mir vergeben?«
»Darum bitte Gott, nicht Menschen!« sagte der Graf und wandte sich ab.
»Und wie sollte ich vom Reinen und Unbefleckten erflehen, was eine Sünderin wie ich sich selber verweigert? – wenn ich gesündigt habe, so habe ich aber auch gelitten. Nicht einen Tag habe ich Frieden gehabt, seit diese langen nassen Locken aus meinem Kissen in Craigburnfoot gelegen haben. Mein Haus ist niedergebrannt mit dem Kinde in der Wiege. Meine Boote sind zerschellt, wo alle andern das Wetter überstanden. Und alles, was mir nahe stand und lieb war, hat Buße tun müssen für meine Sünden. O, wenn doch nun erst dieser Staub zum Staube geworden wäre!«
Lord Glenallan ging zur Tür, aber die Edelmütigkeit seiner Natur bewog ihn, doch noch ein paar tröstliche Worte zu der Verworfenen zu sprechen.
»Möge Gott dir vergeben, elendes Weib,« sagte er, »so aufrichtig wie ich es tue. Wende dich um Erbarmen an ihn, der allein Gnade spenden kann, und mögen deine Gebete erhört werden. – Ich will dir einen frommen Bruder senden.«
Nein, nein, keinen Priester!« rief sie, und die Tür der Hütte öffnete sich, ihr das Wort abschneidend.