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Siebzehntes Kapitel.

Dank der Mildtätigkeit der Leute in der Stadt und mit Hilfe der vielen Vorräte, die er mit in die Haft gebracht hatte, hatte Edie Ochiltree es ein paar Tage ganz gut ausgehalten und den Mangel an Freiheit um so weniger hart empfunden, als das Wetter sehr schlecht geworden war.

»Das Gefängnis,« sagte er, »ist gar kein so schlechter Platz als immer gesagt wird. Man hat doch ein gutes Dach über'm Kopf, das das Wetter abhält. – Wenn die Fenster auch keine Scheiben haben, so ist es dafür nur luftiger und angenehmer zur Sommerzeit. Und Leute sind auch genug da, mit denen man einen Plausch haben kann, und ich habe ja Brot genug, was brauch' ich mich da um das Weitere zu grämen?« Der Mut unsers Bettlers begann indessen doch ein wenig zu sinken, als die Sonnenstrahlen heiter auf die rostigen Sparren seines vergitterten Fensters fielen und ein armer, kläglicher Hänfling, dessen Bauer ein armer, kläglicher Schuldhäftling sich wahrscheinlich ans Fenster hatte hängen dürfen, ihn mit seinem Pfeifen begrüßte.

»Du bist froher gelaunt als ich,« fügte Edie zu dem Vogel, »denn ich kann nicht pfeifen, wenn ich an die schönen Hügel und grünen Täler denke, die ich eigentlich bei solchem Wetter durchstreifen sollte. Aber hier, da hast du ein paar Krumen, weil du so lustig bist! Du hast ja auch noch alle Ursache, zu singen, wie dir der Schnabel gewachsen ist, denn daß du im Käfig sitzt, das hast du dir nicht selber eingebrockt, und ich habe es mir selber zuzuschreiben, daß ich an diesem trübseligen Fleck hier eingekerkert bin.«

Ochiltree wurde in seiner Selbstbetrachtung gestört, denn es kam eine Gerichtsperson herein, um ihn vor den Richter zu führen. So schritt er nun in erhabener Protektion zwischen zwei jammervollen Kreaturen dahin, die alle beide nicht so stämmig waren wie er, um zum Verhör gebracht zu werden. Als der bejahrte Gefangene von den gebrechlichen Wärtern durch die Straßen geführt wurde, riefen die Leute einander zu:

»Seht den alten Kerl, der soll noch jemand überfallen haben – und ist doch schon für's Grab reif!«

Und die Kinder wünschten den Wärtern, die sie bald fürchteten, bald verspotteten, Glück dazu, daß sie diesmal einen Gefangenen hätten, der so alt wäre wie sie selber.

Also geführt, wurde Edie Ochiltree (keineswegs zum erstenmal) vor den ehrwürdigen Amtmann Kleinhans gestellt, der, im Gegensatz zu seinem Namen, ein stattlicher, hochgewachsener Beamter war, bei dem die ihm zugeflossenen Gerichtsgebühren trefflich angeschlagen hatten. Er war ein eifriger Königstreuer aus der alten eifrigen Zeit, ein wenig streng und rücksichtslos in der Ausübung seines Amtes und ein wenig durchdrungen vom Bewußtsein seiner Macht und seiner Bedeutung, sonst aber ein ehrbarer, wohlmeinender und nützlicher Bürger.

»Herein mit ihm, herein mit ihm!« rief er. »Das muß ich sagen, wir leben jetzt in einer entsetzlichen, unnatürlichen Zeit; die Bettler Seiner Majestät, die von seiner Gnade leben, sind die ersten, wenn es gilt, die Gesetze nicht zu halten.

– Hier hat denn nun ein alter Blaurock Diebstahl begangen. Ich vermute, der nächste wird zum Dank für das königliche Privilegium, das ihm Kleidung, Pension und die Freiheit zu betteln gewährt, sich an Hochverrat beteiligen oder mindestens dazu verleiten. Aber nur immer herein mit dem Kerl!«

Edie machte seine Ehrenbezeugung und stand dann, wie gewöhnlich, fest und aufgerichtet, das Gesicht ein wenig seitwärts nach oben gekehrt, wie um jedes Wort zu vernehmen, das der Beamte an ihn richten würde. Auf die ersten allgemeinen Fragen, die nur seinen Namen und sein Gewerbe betrafen, antwortete Edie schnell und exakt, aber als der Beamte, nachdem diese Angaben von dem Schreiber zu Protokoll genommen worden waren, die Frage stellte, wo der Bettler sich in der Nacht befunden hätte, als Dusterschieler das bekannte Unglück widerfahren sei, da fing Edie mit Umschweifen an.

»Können Sie mir sagen, Herr Amtmann, – und Sie kennen sich ja doch, aufs Gesetz aus – was es für mich für Vorteil haben wird, wenn ich Ihnen auf Ihre Fragen Bescheid gebe?«

»Vorteil? Gar keinen jedenfalls, höchstens kann ich Sie in Freiheit setzen, das heißt, wenn Sie wahrheitsgetreue Angaben machen und vor allem unschuldig sind.«

»Aber mir kommt es doch vernünftiger vor, wenn Sie, Herr Amtmann, oder alle andern, die mir was nachzusagen haben, jetzt erst mal beweisen, daß ich schuldig bin, – nicht daß ich beweisen soll, daß ich unschuldig bin.«

»Ich sitze nicht hier,« sagte der Beamte, »um über Rechtsfragen mit Ihnen zu debattieren. Ich frage, wollen Sie nun antworten auf die Frage, ob Sie an dem von mir genannten Abend bei dem Förster Ringan Eichholz gewesen sind?«

»Wahrhaftig, Herr, ich möchte nicht behaupten, daß ich mich noch genau darauf besinnen könnte,« antwortete der vorsichtige Bettler.

»Oder ob Sie im Laufe dieses Tages oder dieser Nacht,« fuhr der Beamte fort, »mit Steenie oder Steffen Mucklebackit zusammengetroffen sind? – Den Mann haben Sie doch wohl gekannt, wie?«

»O, sehr gut hab' ich Steenie gekannt, den armen Jungen,« antwortete der Gefangene, »aber ich kann mich nicht genau erinnern, wann ich ihn in der letzten Zeit gesehen habe.«

»Sind Sie im Laufe dieses Abends' zu irgendeiner Zeit in den Ruinen von St. Ruth gewesen?«

»Amtmann Kleinhans,« sagte der Bettler, »wenn Euer Ehren nichts dagegen haben, dann wollen wir einer langen Geschichte rasch ein Ende machen, und ich will Ihnen sagen, ich habe nicht die geringste Lust, irgendeine dieser Fragen zu beantworten. Ich bin ein viel zu alter Landstreicher, als daß ich mir noch das Maul verbrennen sollte.«

»Schreiben Sie,« sagte der Beamte, »der Beschuldigte weigert sich auf irgendwelche Fragen zu antworten, aus Rücksicht darauf, daß er sich, wenn er die Wahrheit sagte, in Verlegenheiten bringen könnte.«

»Nein, nein,« sagte Ochiltree, »ich will nicht, daß das zu Papier gebracht wird als Antwort von mir – ich wollte damit nur gesagt haben, daß es, soweit ich für meine Person mich erinnern kann, noch nie zu was gutem geführt hat, wenn man müßige Fragen beantwortet.«

»Schreiben Sie,« sagte der Amtmann, »der Beschuldigte kennt sich durch langjährige Erfahrung auf gerichtliche Verhöre aus, und da er oft Nachteil dabei erfahren hat, wenn er ihm vorgelegte Fragen beantwortet hat, so verweigert er – –«

»Nein, nein, Amtmann,« wiederholte Edie, »auch auf diese Weise lasse ich mich nicht von Ihnen fangen.«

»Dann diktieren Sie die Antwort selber, Freund,« sagte der Beamte, – und der Schreiber wird sie wörtlich, wie Sie sie sagen, niederschreiben.«

»Na, ja, na, ja,« sagte Edie, »das nenn ich doch ehrlich gehandelt. Das will ich tun, ohne weiter Zeit zu versäumen.

– Also, Nachbar, Sie können hinschreiben, daß Edie Ochiltree, der Beschuldigte, sich die Freiheit nimmt, –nein, das darf ich auch nicht sagen, – ich bin kein Freiheitsmensch, – bei den Aufständen in Dublin hab' ich gegen diese Sorte gefochten, und außerdem eß' ich nun schon eine liebe lange Zeit des Königs Brot. Halt, lassen Sie mal sehen – ja – jawohl – schreiben Sie, daß Edie Ochiltree, der Blaurock, für sich das Privilegium – geben Sie acht, daß Sie das Wort auch richtig schreiben, es ist so lang – das Privilegium, das alle Untertanen dieses Landes genießen, beansprucht, nicht ein Wort auf alle heute an ihn gestellten Fragen zu antworten,

ehe ihm nicht gezeigt wird, was es für einen Zweck haben soll. Das schreiben Sie hin, Sie Mann.«

»Also, Edie,« sagte der Beamte, »da Sie mir keine Auskunft in der Sache geben wollen, muß ich Sie wieder ins Gefängnis schicken, bis Sie nach erledigter Anklage herausgelassen werden können.«

»Nun ja doch, Herr, sofern es des Himmels und der Menschen Wille ist, du liebe Güte, so muß ich mich halt drein schicken,« versetzte der Schnorrer. »Gegen das Gefängnis hab' ich nichts weiter einzuwenden, nur ist es eine böse Sache, daß man überhaupt nie ein bißchen raus kann. Und wenn es Ihnen, Herr Amtmann, recht wäre, dann will ich auch mein Wort darauf geben, daß ich an Gerichtsstelle erscheinen will an jedem Tage und an jedem Orte, wohin ich bestellt werde.«

»Ich denke, mein guter Freund,« antwortete Amtmann Kleinhans, »Ihre Bürgschaft ist nicht weit her, wenn Ihnen der Hals in der Schlinge sitzt. Ich möchte fast glauben, Sie würden auf alle unsere Vorladungen pfeifen. Aber wenn Sie mir eine ausreichende Sicherheit geben könnten, dann schließlich ...«

In diesem Augenblicke traten der Altertümler und Kapitän M'Intyre herein.

»Guten Morgen, meine Herrn,« sagte der Beamte, »Sie finden mich bei meiner schweren Berufsarbeit, wie gewöhnlich – beschäftigt, die Vergehen des Volkes zu ahnden – für die res publica zu sorgen, – Herr Oldbuck – dem König unserm Herrn zu dienen, Kapitän M'Intyre – denn Sie wissen doch Wohl, daß ich zum Schwerte gegriffen habe.« »Das Schwert gehört ja wohl auch zu den Wahrzeichen der Justiz,« antwortete der Altertümler. »Aber ich hätte geglaubt, die Wagschale hätte Ihnen besser angestanden, Herr Amtmann.«

»Sehr gut, Monkbarns, ausgezeichnet, aber ich nehme das Schwert nicht als Justizbeamter, sondern als Soldat zur Hand – allerdings sollte ich richtiger sagen, Flinte und Bajonett – dort stehen sie an der Lehne meines Stuhles. Ich bin nämlich noch nicht imstande mitzuexerzieren – ein kleiner Anfall von meinem alten Bekannten, dem Podagra – aber ich kann ja die Beine ruhig halten, während unser Sergeant mich in der Handhabung unterweist. Ich möchte gern wissen, Kapitän M'Intyre, ob er es richtig macht.« Mit diesen Worten hinkte er zu seinem Gewehr, um zu erklären, was ihm zweifelhaft erschiene, und seine Fortschritte zu zeigen.

»Es ist eine wahre Lust, so eifrige Verteidiger zu haben, Herr Amtmann,« sagte Herr Oldbuck, »und ich denke, Hektor wird Sie zufrieden stellen, indem er Ihnen seinen Beifall zu Ihren Fähigkeiten in diesem neuen Gewerbe ausspricht. Aber wir haben jetzt andres zu tun, also lassen Sie den Krieg ruhen.«

»Schön, mein guter Herr,« sagte der Amtmann, »und was haben Sie zu befehlen?«

»Hier steht ein alter Bekannter von mir, mit Namen Edie Ochiltree, den ein paar von Ihren Myrmidonen ins Gefängnis gebracht haben, weil er diesen Kerl, den Dusterschieler, überfallen haben soll, von dessen Anklage ich nicht ein Wort glaube.«

Der Beamte nahm eine ernste Miene an.

»Sie sollten doch wohl wissen, daß er unter der Anklage des Diebstahls steht, nicht nur des Überfalls – das ist eine sehr schwere Sache – solche Verbrechen sind mir nicht oft zur Kenntnis gekommen.«

»Und,« setzte Oldbuck hinzu, »da haben Sie sich, nun drauf versteift, dieses Ereignis nun auch nach Kräften auszuschlachten. Aber steht die Sache dieses alten Mannes wirklich so schlecht?«

»Es ist eigentlich gegen die Vorschrift,« sagte der Amtmann, »da Sie aber selber Friedensrichter sind, Monkbarns, so kann ich Ihnen ja ruhig die Erklärung Dusterschielers zeigen und was sonst die Voruntersuchung zu Tage gefördert hat.«

Und er legte dem Altertümler die Papiere in die Hand, der die Brille aufsetzte und sich in eine Ecke zurückzog, um sie durchzulesen.

Die Beamten erhielten Weisung, ihren Gefangenen inzwischen in ein andres Zimmer zu bringen, aber zuvor benutzte M'Intyre die Gelegenheit, den alten Edie zu begrüßen und ihm eine Guinea in die Hand zu stecken.

»Gott segne Ihro Gnaden,« sagte der Alte, »die Gabe kommt von einem jungen Soldaten und sollte sicherlich einem alten nur Gutes bringen. Ich will sie nicht zurückweisen, obwohl es gegen meine Grundsätze ist. Aber wenn sie mich hier einsperren, dann werden meine Freunde mich Wohl bald vergessen. Aus den Augen, aus dem Sinn – das ist ein altes Sprichwort. Und für mich, der ich ein Königsbettler bin und in der ganzen Welt betteln darf, würde es sich nicht geziemen, wenn ich zum Fenster heraus mit einem Strumpfe an einer Schnur nach Hellern angeln wollte.«

Und er machte seine Ehrenbezeugung und wurde aus dem Zimmer hinausgeführt.

Die Erklärung des Herrn Dusterschieler enthielt eine übertriebene Darstellung der ihm zugefügten Tätlichkeit und seines Verlustes.

»Wonach ich ihn aber gern gefragt hätte,« sagte Monkbarns, »das ist, was er wohl in den Ruinen von St. Ruth, einem so einsamen Ort, zu einer solchen Stunde und mit einem solchen Gefährten wie Edie Ochiltree zu suchen hatte. Eine Chaussee führt nicht dort vorbei, und ich kann mir nicht denken, daß die bloße Lust am Malerischen den Deutschen in einer solchen stürmischen Nacht dorthin geführt haben sollte. Verlassen Sie sich darauf, er hat irgend eine Spitzbüberei vorgehabt und ist ohne Zweifel nur in eine selbst gestellte Falle gelaufen. Nec lex justitior ulla

Der Beamte gab zu, es sei etwas Geheimnisvolles an diesem Umstände und entschuldigte sich, daß er Dusterschieler nicht befragt habe, weil er seine Aussage aus freien Stücken gemacht hätte. Aber zur Bekräftigung der Anklage legte er ihm die Zeugenaussage Eichholzens vor, der darüber Auskunft gegeben hatte, in welchem Zustand Dusterschieler gefunden worden sei, und der ferner die sehr wichtige Tatsache bekannt gegeben hatte, daß der Bettler in der Nacht die Scheune, in der er geschlafen habe, verlassen habe und auch nicht dorthin zurückgekehrt sei.

Zwei Angestellte der Fairporter Beerdigungsanstalt, die in jener Nacht bei dem Begräbnis der Gräfin von Glenallan zu tun gehabt hätten, hatten ferner bekundet, sie seien hinter zwei Leuten hergeschickt worden, die St. Ruth verlassen hätten, sobald der Leichenzug angekommen wäre. Man hätte geglaubt, daß die beiden von dem Leichenschmuck etwas hätten stehlen wollen. Auf der Verfolgung hätten sie sie mehrmals aus den Augen verloren, weil das Gelände dort so uneben sei, daß es sich schlecht reiten ließe. Sie hätten sie aber immer wieder entdeckt, und schließlich hätten sie sie in Mucklebackits Hütte gehen sehen. Einer der Leute gab auch noch an: er, Zeuge, sei vom Pferde gestiegen und an das Fenster der Hütte getreten. Da habe er den alten Blaurock und den jungen Steenie Mucklebackit mit den andern essen und trinken sehen. Er habe ferner bemerkt, wie Steenie Mucklebackit den andern eine Brieftasche gezeigt habe. Er, Zeuge, habe daher nicht daran gezweifelt, daß Ochiltree und Steenie Mucklebackit die Männer gewesen waren, denen sie hätten nachreiten müssen.

Als der Zeuge gefragt worden war, warum er nicht in besagte Hütte hineingegangen sei, hatte er erklärt, dazu sei er nicht befugt gewesen. Überdies seien ihm Mucklebackit und seine Familie als grobe Leute bekannt, und er habe daher keine Lust gehabt, sich in ihre Angelegenheiten hineinzumischen. Dies habe er der Wahrheit getreu bekundet usw. usw.

»Was sagen Sie nun zu diesen schwerwiegenden Beweisen gegen Ihren Freund?« fragte der Beamte, als er sah, daß der Altertümler das letzte Blatt umgedreht hatte.

»Jenun, wenn es sich um eine andre Person handelte, dann würde ich gewiß sagen, die Sache sähe prima facie recht häßlich aus, aber ich kann nicht gut zugeben, daß jemand Unrecht hätte, wenn er Dusterschieler durchprügelt. Wäre ich nur ein wenig jünger oder hätte ich einen Funken von Ihrem kriegerischen Genius, Amtmann, so hätte ich es schon längst selber getan. Er ist nebulo nebulonum, ein unverschämter, schwindelhafter, lügnerischer Quacksalber, dessen Schurkereien mich hundert Pfund gekostet haben und meinen Nachbar, Sir Arthur, wer weiß wieviel. Und nebenbei, Amtmann, ich glaube nicht einmal, daß er ein zuverlässiger Freund der Regierung ist.«

»Wirklich!« rief Amtmann Kleinhans. »Wenn ich das genau wüßte, das würde allerdings die Sache erheblich anders gestalten.«

»Richtig. Indem er ihn geprügelt hat,« bemerkte Oldbuck, »hat der Bettler bewiesen, daß er dem König dankbar ist und mit den Feinden des Königs kein Federlesen macht. Und wenn er ihn beraubt hätte, so hätte er nur einen Ägypter geplündert, den seines Reichtums zu entkleiden gesetzlich erlaubt ist. Nehmen Sie an, daß dieses Erscheinen in den Ruinen von St. Ruth mit Politik zu tun hatte, – und diese Geschichte von verborgenen Schätzen bloß nur ein Köder von der anderen Seite des Kanals für irgend

eine hohe Person oder das Kapital, das einem revolutionären Klub das Bestehen sichern sollte?«

»Mein Herr!« rief der Beamte, »Sie nehmen mir die Gedanken aus dem Kopf! Wie glücklich würde ich mich schätzen, wenn ich das bescheidene Werkzeug würde, solchen Gesellen das Handwerk zu legen! – Meinen Sie nicht, es wäre besser, wir riefen die Freiwilligen zusammen und gäben die Parole aus: Drauf und dran!«

»Na, jetzt gleich noch nicht, weil das Podagra die Freiwilligen eines bedeutenden Mitgliedes berauben würde. – Aber wollen Sie mich mal den Ochiltree ins Gebet nehmen lassen?«

»Gewiß. Sie werden aber erst recht nichts mit ihm anfangen können. Er gab mir deutlich zu verstehen, daß er wisse, wie gefährlich es sei, als Angeklagter vor Gericht eine Aussage zu machen. Dadurch sei schon mancher ehrlicherer Mann, als er, an den Galgen gekommen.«

»Na, aber, Amtmann,« sagte Oldbuck, »Sie haben also nichts dagegen, wenn ich mir den Gefangenen vornehme?«

»Nicht das geringste, Monkbarns. – Unten hör ich den Unteroffizier, wir werden derweil noch ein paar Griffe klopfen. – Junge, trage mein Gewehr und Seitengewehr in die Stube unten, dort machts weniger Lärm, wenn wir Chargierungen machen.«

Und so ging der kriegerische Amtmann hinaus.

»Hektor, mein Junge,« sagte Oldbuck, »häng dich an ihn. Häng dich an ihn. Beschäftige ihn auf eine halbe Stunde, mein Sohn – füttre ihn mit ein paar Kriegslehren – lobe seine Uniform und seine Tüchtigkeit.«

Kapitän M'Intyre, der wie viele seines Berufes mit unendlicher Verachtung auf diese bürgerlichen Soldaten blickte, erhob sich nur widerstrebend und bemerkte, er wisse nicht, was er zu Herrn Kleinhaus sagen solle, und es sei doch zu lächerlich, einen solchen alten von der Gicht geplagten Menschen mit kriegerischen Waffen hantieren zu sehen.«

»Kann schon sein, Hektor,« sagte der Altertümler, der, selten jemand unbedingt zustimmte, »kann schon so sein in diesem und in einigen andern Fällen, aber das Land ist eben zurzeit zu vergleichen mit den kleinen Gerichtshöfen, wo die Parteien sich selber vertreten, weil sie nicht Kleingeld genug haben, um sich einen solchen Helden von der Anwaltskammer zu leisten. Im einen Falle läßt sich die Pfiffigkeit und Redegewandtheit der Advokaten entbehren, und so hoffe ich auch, baß wir im andern Falle mit unsern Herzen und Flinten zurecht kommen werden, wenn wirs auch nicht zur Manneszucht solcher Kampfhähne wie Ihr bringen werden.«

»Ich habe sicherlich nichts dagegen einzuwenden, Onkel, daß die ganze Welt sich in den Haaren läge und bekämpfe, wenn sie nur mich dabei in Ruhe lassen möchte,« sagte Hektor und erhob sich mit mürrischer Unlust.

»Ja, du bist allerdings ein sehr ruhiger Mensch,« brummte sein Oheim. »Du kannst deine Zank- und Kampflust ja keine fünf Minuten lang bezähmen.«

Aber Hektor hatte keine Lust, seinen Onkel in dieser Tonart weiter zu hören.


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