Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechzehntes Kapitel.

Am Morgen des folgenden Tages wurde der Altertümler, der ein Langschläfer war, eine Stunde früher, als er sonst aufzustehen pflegte, von Caxon aus dem Bett geholt.

»Was ist los?« rief er gähnend und streckte die Hände nach der großen dicken Repetieruhr aus, die auf seinem seidnen Taschentuch wohlbehalten gebettet neben seinem Kopfkissen lag. »Was ist denn los, Caxon? Es kann noch nicht 8 Uhr sein.«

»Nein, Herr, – aber Mylords Diener ist zu mir gekommen, denn er hält mich für Ihren Valet-de-Champ, – so heißt's ja wohl. Der große Mann ist schon vor Sonnenaufgang aufgestanden und nach der Stadt gegangen, um einen Boten nach seinem Wagen zu schicken, und der wird bald da sein, und bevor er wegfährt, möchte er Euer Ehren sehen.«

»Ach was!« rief Oldbuck, »diese großen Herren verfügen über Zeit und Haus eines Mannes, als wenn sie ihr eigen wären. Na schön, einmal und nicht wieder. Hat sich Hanne nun über Steenies Tod beruhigt?«

»Na, immer noch nicht ganz, Herr,« erwiderte der Barbier, »sie ist heute morgen mit der Schackelade wieder nicht recht bei Sinnen gewesen und hätte sie gar leicht ins Spülichtfaß gegossen und dann hat sie sie in ihrer Aufregung allein getrunken – aber schließlich hat sie sich beruhigt, weil ihr Fräulein M'Intyre gut zugeredet hat.«

»Also ist mein ganzes Weibsvolk schon auf den Beinen und spukt herum, und ich kann nicht länger mich an meinem ruhigen Bett erfreuen. Alle Ordnung in meinem Haushalt ist zum Kuckuck. Langt mir meinen Rock her. – Und was gibt's denn in Fairport?«

»Nun, Herr, was soll es dort weiter Neues geben als die große Neuigkeit von ,Mylord,« sagte der alte Mann, »der ist doch die zwanzig Jahre lang über seine Schwelle gekommen, und jetzt besucht er Euer Ehren!«

»Aha!« sagte Monkbarns. »Und wie denkt man denn nun darüber?«

»Allerdings, Herr, darüber herrschen verschiedene Meinungen. Die Kerle, die sogenannten Dehmelkraten, die gegen den König sind und gegen Perücken und Haarpuder – eine Bande von Spitzbuben – die sagen, er war gekommen, um mit Eurer Ehren darüber zu sprechen, daß er seine Hochlandsleute herunterkommen lassen will, um in die Zusammenkünfte der Volksfreunde einzugreifen – und wie ich den Leuten sagte, daß Euer Ehren sich in solche Dinge niemals einmische, wo es Schlägereien und Blutvergießen setzen könnte, da haben Sie gesagt, wenn Euer Ehren das auch nicht täte, dann tät's doch Ihr Neffe, der war ja bekannt als Königstreuer und kämpfe gern, bis ihm's Blut an die Knie ginge, und Sie wären der Kopf und er wäre die Hand, und der Graf brächte die Mannschaft und das Silber.«

»Na,« sagte der Altertümler lachend, »da bin ich nur froh, daß dieser Krieg mich nichts weiter kosten wird als einen guten Rat.«

»Nein, nein,« sagte Caxon, »das denkt auch keine Menschenseele, daß Euer Ehren selber mitkämpfen oder auch nur einen Pfifferling Silber für irgendwelche Partei ausgeben würde.«

»Hum! Na, das wäre die Meinung der Dehmelkraten, wie Ihr sie nennt. – Was sagen denn nun die übrigen Leute in Fairport?«

»Na, viel was Besseres,« sagte der aufrichtige Berichterstatter, »ist es nicht. Es wäre nicht recht, daß noch solche Papisten, die so viele Freunde in Frankreich hätten wie Graf Glenallan, durchs Land gingen, und – aber Euer Ehren werden sich ärgern.«

»Denke nicht daran, Caxon,« sagte Oldbuck, »schieße nur los, Alter. – Ich habe ein dickes Fell.«

»Nun, Herr, es heißt, Sie wären kein guter Freund von der Regierung, und wenn nun ein so mächtiger Mann wie der Graf und ein so kluger Mann wie Sie Zusammenkünfte abhalten, da sollte man doch scharf Obacht auf Sie haben, und manche sagen sogar, Sie sollten gleich alle beide nach Edingburgh auf Nummer Sicher gebracht werden.«

»Auf mein Wort,« sagte der Altertümler, »ich bin meinen Nachbarn für ihre gute Meinung sehr verbunden. Ich, der ich mich nie um ihre Nergeleien gekümmert habe, außer um zur Ruhe und Mäßigung zu raten, ich werde also von beiden Parteien aufgegeben und für einen Hochverräter an König und Volk zugleich erklärt. Gebt mir meinen Rock, Caxon, gebt mir meinen Rock! Es ist nur ein Glück, daß ich nicht von dem guten Leumund lebe. – Haben Sie was von Leutnant Taffril und seinem Boot gehört?«

Caxon schnitt ein saures Gesicht.

»Nein, Herr, und es ist heftiges Unwetter gewesen, und es ist ein sehr gefährliches Kreuzen an dieser Küste, wenn Ostwind ist. Ein Schiff kann da schneller krachen gehen, als ich ein Rasiermesser schleifen kann, – es gibt keinen Hafen und keine Zufluchtsstätte an dieser Stätte, und nichts wie Scheren und Klippen. – Ein Schiff, das hier auf den Strand läuft, fliegt auf wie der Puder, wenn ich die Quaste schüttle – und es ist da kaum dran zu denken, irgendwen zu retten. – Das sag' ich immer meiner Tochter, wenn sie den Mut verliert, weil noch immer kein Brief von Taffril kommt. Na, das kann man doch dann unter diesen Umständen entschuldigen. Du solltest ihm keinen Vorwurf machen, Hannchen, sag ich zu ihr, denn du weißt ja gar nicht, was alles passiert sein kann.«

»Na ja, Caxon, Ihr habt zum Tröster eben so viel Geschick als zum Kammerdiener. – Geben Sie mir eine weiße Binde her, Mensch! denken Sie denn, ich kann mit einem Halstuch um den Hals hinuntergehen, wenn ich Besuch habe?«

Vorm Frühstück ging Lord Glenallan, der in besserer Stimmung zu sein schien als am Abend vorher, mit Herrn Oldbuck alle jene Einzelheiten durch, die dessen Bemühungen früher zutage gefördert hatten. Er wies auf die Mittel hin, die ihm zur Verfügung ständen, den Beweis für seine Eheschließung zu vervollständigen, und sprach seinen Entschluß aus, sogleich die peinliche Suche nach den Beweisen für Fräulein Nevilles Geburt in die Hand zu nehmen, welche Beweise ja, wie Elsbeth gesagt hätte, im Besitz ihrer Mutter gewesen wären.

»Und doch, Herr Oldbuck,« sagte er, »ich fühle mich wie ein Mann, der wichtige Nachrichten erhält, ehe er noch ganz munter ist, und nicht recht weiß, ob diese Nachrichten dem tatsächlichen Leben angehören oder ob sie nicht eine Fortsetzung seines Traumes sind. Diese Frau, die Elsbeth – sie steht im höchsten Alter und ist schon halb blödsinnig. Bin ich nicht – es ist eine häßliche Frage – etwas vorschnell gewesen, ihre gegenwärtige Aussage gelten zu lassen gegenüber ihrem frühern Zeugnis in derselben Sache?«

Herr Oldbuck hielt einen Augenblick inne, und dann antwortete er mit Festigkeit:

»Nein, Mylord, ich kann nicht glauben, daß Sie irgendwelchen Grund hätten an der Wahrheit dessen zu zweifeln, was sie Ihnen erzählt hat, daß sie es aus einem andern Antrieb als ihren Gewissensbissen gestanden hat. Ihr Bekenntnis war freiwillig, uneigennützig, klar, in sich geschlossen und in Zusammenhang mit all den andern bekannten Umständen der Geschichte. Ich würde ohne Säumen alle andern Dokumente, auf die sie Bezug genommen hat, prüfen und ordnen, und ich bin auch der Meinung, daß die Angaben der Frau zu Protokoll genommen werden müßten, wenn das irgend möglich ist. Wir haben ja schon daran gedacht, das zusammen abzumachen. Aber es wäre für Euer Lordschaft eine Erleichterung und würde vor allem auch mehr unparteiisch aussehen, wenn ich allein die Untersuchung als Magistratsbeamter in die Hand nehme. Ich will das besorgen, das heißt, ich will es versuchen, sobald ich das Weib in geeignetem Geisteszustand antreffe, um ein solches Verhör über sich ergehen zu lassen.«

Lord Glenallan drückte dem Altertümler die Hand in dankbarer Zustimmung.

»Ich kann Ihnen nicht sagen,« sagte er, »Herr Oldbuck, wie sehr Ihre Mithilfe in dieser dunkeln und traurigen Angelegenheit mir Erleichterung und Zutrauen verschafft. Ich kann mir selber nicht Beifall genug zollen, daß ich dem Impuls nachgab, der mich bewog, Sie ins Vertrauen zu ziehen. Was auch der Ausgang dieser Dinge sein mag, – und ich möchte gern hoffen dürfen, daß endlich eine bessere Sonne über den Geschicken meines Hauses aufgehen möchte, wenn auch ich selber mich nicht daran werde erfreuen können, solange lebe ich ja nicht mehr – aber wie auch der Ausgang sein mag, Sie haben mich und meine Familie zu dauerndem Danke verpflichtet.«

»Mylord,« sagte der Altertümler, »ich muß vor Eurer Lordschaft Familie die größte Hochachtung hegen, denn Ihre Familie ist, wie ich ja sehr gut weiß, eine der ältesten in Schottland, sicher abzuleiten von Sir Aymer de Geraldin, der im Parlament zu Perth gesessen hat unter der Regierung Alexanders II. und der seinerzeit nach der Tradition des Landes von Marmor von Clochnaben abstammen soll. – Bei all meiner Ehrfurcht aber vor Ihrer alten Herkunft muß ich doch zugeben, daß ich Eurer Lordschaft mehr noch deswegen beispringe, weil Ihr Kummer mir aufrichtige Teilnahme abnötigt und weil die Betrügereien, denen Sie solange zum Opfer gefallen sind, mich mit Abscheu erfüllen. – Aber, Mylord, das Frühstück ist fertig. – Erlauben Sie mir, Mylord, daß ich Sie durch die Irrgänge meines Coenobitium führe – das ist nämlich eigentlich gar kein Haus, sondern lauter Zellen und Kämmerchen aneinander geleimt und aufeinander gesetzt. Ich hoffe. Sie werden sich ein wenig für Ihre karge Zurückhaltung von gestern schadlos halten.«

Aber das war allerdings bei Lord Glenallan ausgeschlossen. Nachdem er die Gesellschaft mit der ernsten schwermütigen Höflichkeit, die sein ganzes Wesen auszeichnete, begrüßt hatte, stellte sein Diener eine Schnitte geröstetes Brot und ein Glas frisches Wasser vor ihn – das war sein gewöhnliches Frühstück. Während noch der junge Soldat und der alte Antiquar in weit reichlicherer Weise ihr Morgenmahl hielten, wurde das Gerassel von Rädern vernommen.

»Der Wagen Eurer Lordschaft, glaube ich,« sagte Oldbuck, ans Fenster tretend. »Auf mein Wort, das ist ein feines Viergespann!«

»Und ich kann dreist sagen,« rief Hektor, begierig aus dem Fenster blickend, »vier hübschere und besser zusammengestellte Blässen sind noch nie angeschirrt worden. Darf ich fragen, ob die Tiere aus Eurer Lordschaft Gestüt sind?«

»Ich – ich – glaube wohl,« sagte Lord Glenallan, »aber ich habe mich so wenig um meine Hausangelegenheiten gekümmert, daß ich mich zu meiner Beschämung an Calvert wenden muß –,« dabei sah er auf seinen Bedienten.

»Die Pferde sind aus dem Gestüt Euter Lordschaft,« sagte Calvert, »von Mad Tom aus Jemima und Yariko, Eurer Lordschaft Zuchtstuten.«

»Sind noch mehr solche da?« fragte Lord Glenallan.

»Zwei, Mylord, – beides sehr schöne Tiere.«

»Dann soll Dawkind sie morgen nach Monkbarns bringen,« sagte der Graf »ich hoffe, Kapitän M'Intyre wird sie annehmen – wenn sie überhaupt zu gebrauchen sind.«

Kapitän M'Intyres Augen blitzten, und er erging sich in dankbarer Anerkennung, während Oldbuck den Grafen am Ärmel zupfte und einem Geschenk vorbeugen wollte, das seinem Kornboden und Heuschober nicht vorteilhaft sein könnte.

»Mylord – Mylord – sehr verbunden – sehr verbunden – aber Hektor steht bei einer Fußtruppe und steigt auch im Felde nie zu Pferd – auch ist er Hochländer und seine Uniform ist für den Dienst eines Kavalleristen schlecht geeignet. Seine Liebhaberei ist nur, einen Wagen zu kutschieren, und den sich zu kaufen, hat er erstens kein Geld und zweitens hat er gar nicht das Geschick, einen zu fahren. Wenn er nun erst gar zwei solche Vierfüßler hat, so ist überhaupt nichts mehr mit ihm anzufangen.«

»Augenblicklich müssen Sie freilich uns alle im Zaume halten, Herr Oldbuck,« sagte der Graf höflich, »aber ich hoffe. Sie werden nicht im Ernst Einspruch dagegen erheben, daß ich meinem jungen Freunde eine Freude mache.«

»Wenn's ein nützlicher Gegenstand wäre, Mylord,« sagte der Altertümler, »aber kein curriculum – ich sage Ihnen, er wird dann bald auf den Gedanken kommen, sich gar eine quadriga zu halten. Und kaum daß ich davon spreche, da kommt faktisch die alte Postkutsche von Fairport angerasselt – was soll das heißen? Ich habe nicht nach ihr geschickt.«

»Aber ich, Onkel,« sagte Hektor mürrisch, denn seines Oheims Einmischung war ihm nicht sehr angenehm gewesen.

»Du, mein Sohn?« wiederholte der Altertümler. »Und was hast du denn mit der Postkutsche vor? – Soll diese glänzende Equipage – diese biga, wie ich das Ding nennen kann – als eine Vorbereitung zu einer quadriga, oder einem curriculum dienen?«

»Wenn es nötig ist, Onkel,« versetzte der junge Soldat, »dir so genaue Auskunft zu geben, ich habe in Fairport etwas zu besorgen.«

»Wirst du mir erlauben, Hektor, danach zu fragen, was das wohl sein mag?« antwortete sein Oheim, der gern ein wenig seine Autorität über seinen Neffen geltend machte. »Ich dächte doch, Regimentsangelegenheiten ließen sich durch deine wackere Ordonnanz erledigen – ein biederer Mann, der so liebenswürdig ist, sich hier häuslich niederzulassen, seit er hergekommen ist – ich dächte, wie gesagt, der könnte deine Geschäfte besorgen, ohne daß du einen Tag lang zwei Gäule dir mietest und solch' eine Kombination von verfaultem Holz, zerbrochnem Glas und Leder – solch ein Skelett von einer Postkutsche, wie sie da vor der Tür hält.«

»Es sind keine Regimentsangelegenheiten, Onkel, die mich rufen. Und da du darauf bestehst, es zu erfahren, so muß ich dir es ja wohl sagen. Caxon hat mir heute morgen die Mitteilung gebracht, daß der alte Ochiltree, der Bettler, vernommen werden soll, ehe er vor Gericht gestellt wird, und da will ich hinein und sehen, ob sie mit dem alten Kerl gerecht verfahren – das ist alles.«

»Hm! – Davon hab' ich auch gehört, aber ich habe mir nicht denken können, daß es Ernst sei. Und bitte, Kapitän Hektor, der du in allen Streitsachen ziviler oder militärischer Art, zu Lande oder zu Wasser, dich jedermann bereitwillig zum Sekundanten zur Verfügung stellst, was hast du im besondern mit dem alten Edie Ochiltree zu schaffen?

»Er hat als Soldat in der Kompagnie meines Vaters gestanden, Onkel,« versetzte Hektor, »und als ich dabei war, eine sehr große Dummheit zu begehen, da hat er versucht, mich davon abzuhalten, und hat mir einen fast ebenso guten Rat erteilt, wie du selber es nicht besser verstanden hättest.«

»Und mit demselben guten Erfolg, darauf kann ich wohl Gift nehmen – he, Hektor? – Komm, gesteh, der Rat war natürlich vergebens?«

»Allerdings, aber ich sehe nicht ein, warum meine Torheit mich daran hindern sollte, ihm für seine beabsichtigte Güte dankbar zu sein?«

»Bravo, Hektor! Das ist das verständigste Wort, das ich aus deinem Munde gehört habe – aber sage mir doch immer, was du vor hast – ohne Zurückhaltung. Nun, ich will selber mit dir gehen. Junge. Ich bin überzeugt, der alte Mann ist unschuldig, und ich will ihm in dieser Klemme wirksamer behilflich sein, als du es könntest. Und dann sparst du auf diese Weise eine halbe Guinee, und das ist eine Rücksicht, die ich dich öfter im Auge zu haben bitten möchte.«

Lord Glenallan hatte Lebensart genug, sich abzuwenden und mit den Damen zu plaudern, als der Streit zwischen Oheim und Neffe zu lebhaft zu werden begann für das Ohr eines Fremden. Als aber am friedlichen Ton des Altertümlers zu hören war, daß wieder Friede und Freundschaft eingetreten war, nahm der Graf wieder an der Unterhaltung teil. Nachdem der Lord sich kurz hatte berichten lassen, was für eine Beschuldigung gegen den Bettler erhoben worden sei –die Oldbuck übrigens ohne Besinnen der Niederträchtigkeit Dusterschielers zuschrieb – fragte er, ob der Mann früher Soldat gewesen sei? – Die Frage wurde bejaht.

»Hatte er nicht,« fuhr seine Lordschaft fort, »einen groben, blauen Kittel mit zinnernem Schild? – War er nicht groß, mit einem interessanten Gesicht, grauem Haar und Bart – ein Mann, der sich auffallend gerade hält und auch in einem selbstbewußten, freimütigen Tone redet, der einen starken Gegensatz zu seinem Berufe bildet?«

»All dies gibt ein genaues Bild von dem Manne,« entgegnete Oldbuck.

»Ich fürchte freilich, ich werde ihm in der gegenwärtigen Lage nicht viel nützen können,« fuhr Lord Glenallan fort, »wenn es aber derselbe ist, dann bin ich ihm Dank schuldig, denn er war der erste, der mir Nachrichten von größter Wichtigkeit gebracht hat. Ich würde ihm gern ein behagliches Alter sichern, wenn er nur erst aus seiner derzeitigen schwierigen Lage heraus ist.«

»Ich fürchte, Mylord,« sagte Oldbuck, »es würde ihm schwer fallen, seine Landstreicher-Gewohnheiten aufzugeben und den freundlichen Vorschlag Eurer Lordschaft anzunehmen, wenigstens weiß ich, daß der Versuch schon einmal ohne Erfolg gemacht worden ist. Das Publikum im großen und ganzen anzubetteln, betrachtet er als Unabhängigkeit im Vergleich dazu, daß er seinen Lebensunterhalt von einer einzigen Person beziehen sollte. Er ist insoweit Philosoph, als er ein Verächter aller gewöhnlichen Regeln und einer geordneten Zeiteinteilung ist. Wenn er Hunger hat, dann ißt er, wenn er Durst hat, trinkt er, wenn er müde ist, schläft er, und so gering sind seine Ansprüche in dieser Hinsicht, daß er sicher noch nie schlecht gegessen hat oder schlecht einquartiert gewesen ist. Dann ist er gewissermaßen das Orakel des Kreises, in dem er seine Runde macht, – der Genealoge, der Neuigkeitskrämer, der Hundedoktor oder auch wohl gar der Gottesmann. Ich sage Ihnen, er hat zu viele Pflichten und läßt sich ihre Ausübung sehr angelegen sein, als daß er sich leicht zur Aufgabe seines Gewerbes bereden ließe. Aber es sollte mir aufrichtig leid tun, wenn sie den armen alten Mann mit dem leichten Herzen auf Wochen ins Gefängnis stecken würden. Ich bin überzeugt, die Haft würde ihm das Herz brechen.«

Damit schloß die Besprechung. Lord Glenallan verabschiedete sich von den Damen und stellte Kapitän M'Intyre seine Besitzungen zum Jagen frei, was mit Freuden angenommen wurde.

Dann nahm Lord Glenallan Platz in seinem Wagen und die vier schönen Pferde führten ihn davon. Oldbuck und sein Neffe aber setzten sich in die Fairporter Postkutsche, die unter Knarren und Rasseln der berühmten Seestadt zuholperte und sich freilich ganz anders ausnahm, als die Equipage des Grafen, die schnell und leicht und weich wie im Fluge verschwunden zu sein schien.


 << zurück weiter >>