Levin Schücking
Die Marketenderin von Köln
Levin Schücking

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Neunzehntes Kapitel

Das Gericht

Gebharde von Averdonk hatte sich ungewöhnlich früh erhoben, und wie sie alle Morgen zu tun pflegte, machte sie, nachdem sie das Frühstück eingenommen, ihre Runde durch das Haus, um auf allem, was in demselben vorgenommen wurde, das Auge der Gebieterin ruhen zu lassen. Heute aber streifte dieses Auge die Dinge ausdrucks- und teilnahmslos; sie schritt just über den Hof, und ohne zu bemerken, daß hier von irgendeinem nachlässigen Knechte eine Wagenleiter die Nacht über liegen gelassen war, wollte sie sich den Gärten zuwenden, als sie den Hufschlag eines rasch herantrabenden Pferdes vernahm und stehenblieb, um zu sehen, wer so eilig in der Frühe daherkomme. Der Reiter bog alsbald in die Wölbung unter dem Torturm ein, und Gebharde erkannte Franz von Ardey, ihren Neffen. Sie erwartete ihn ruhig, mit düsterer Miene und ohne ihm einen Schritt entgegenzumachen.

»Franz,« sagte sie dann kalt, fast höhnisch ... »das ist ja ein sehr überraschender Besuch – du lebst also noch?«

»Ich würde um die Erlaubnis gebeten haben, zu kommen,« entgegnete er, »wenn ich Zeit dazu gehabt hätte. Wo ist Marie?«

»Wer? Marie? Das fragst du mich?«

»Ich soll sie hier finden.«

»Marie Stahl? Das ist eine seltsame Voraussetzung von dir, Franz ... sie ist so seltsam, daß ich nicht weiß, was ich darauf sagen soll. Ich hoffe nicht, daß in der Einsamkeit, der du dich in der letzten Zeit mit soviel Vorliebe hingegeben hast, dein Verstand gelitten hat.«

»Da sehen Sie selbst«, erwiderte Franz, indem er ein Billet aus seiner Brusttasche hervorzog. »Dieses Billet ist mir von einem preußischen Husaren heute morgen in der frühesten Frühe gebracht worden. Der Mann setzte hinzu, daß er während der Nacht auf Eggenrode ein Quartier gefunden – ich war ihm schon gestern durch Zufall begegnet und hatte ihn selbst dahin gewiesen – und daß ein junges Mädchen, welches er bis jetzt begleitet, ihn gebeten, mir den Zettel zu geben, weil seine Weiterreise ihn an Amelsborn vorüberführe.«

Gebharde nahm das Billet und las die Worte: Seien Sie heute so früh wie möglich auf Dudenrode, Sie werden dort die Verschwundene finden. »Und auf diesen Zettel ohne Namen und Unterschrift hin hast du erwartet, Marie Stahl in meinem Hause zu finden?« fragte Gebharde kopfschüttelnd.

»Ich kann nicht denken, daß man einen Scherz mit mir treiben will. Wer sollte das tun?« entgegnete Franz von Ardey. »Der Mann beteuerte, daß man ihm das Billet dringend empfohlen, und er schlug seinen Weg weiter, nach einem Werbekommando, dem er eine Ordre zu bringen hatte, nicht eher ein, als bis er es selbst in meine Hände gelegt.« Frau von Averdonk fixierte mit ihren scharfen, wimperlosen Augen ihren Neffen, als ob sie ihn bis in Herz und Nieren durchschauen wolle, und war im Begriffe, ihm eine Antwort zu erteilen, welche an Schärfe ohne Zweifel nichts ihrem Blicke nachgegeben hätte, als ihre Aufmerksamkeit durch eine unerwartete Erscheinung abgezogen wurde; es war dieses ein leichter, von einem Pferde gezogener und mit einem Leinwanddach überspannter Wagen, der sehr rasch durch das Tor in den Schloßhof einfuhr und hier still hielt. Franz von Ardey erkannte auf der Stelle den Wagen der Marketenderin; er erkannte auch Traudchen, die auf der vorderen Bank saß und die Zügel führte. Er eilte auf sie zu und das erste, was er wahrnahm, als er vor dem Wagen stand, war Marie Stahl, die zur Seite der Marketenderin den Platz einnahm, welchen gestern die Kranke in dem Gefährt eingenommen hatte; das Leinwanddach hatte Marien bis jetzt vor seinen Augen verborgen gehalten.

»Marie – Marie!« rief er in überwallender Freude aus – »endlich hab' ich dich wieder – o mein Gott, wie hast du mir antun können, was du getan! Wo in aller Welt warst du? Wohin hast du dich von mir geflüchtet?«

Marie Stahl streckte Franz die Rechte entgegen, während sie hocherrötend sagte: »Das alles will ich dir in einer andern Stunde erzählen, heute komme ich nur, um ein Bündnis zwischen einer neugewonnenen Freundin und dir zu stiften.«

Sie legte die Hand auf Traudchens Schulter und fuhr fort: »Dieses junge Mädchen verlangt nach einer Unterredung mit Frau von Averdonk, sie besteht aber darauf, daß du sie begleitest, sie glaubt eines männlichen Schutzes zu bedürfen, der ihr verspricht, ihr unter allen Umständen zur Seite zu stehen. Sie ist eine Freundin des Studenten und glaubt, daß Frau von Averdonk ihn retten könne – sie will sie dazu auffordern, dazu zwingen, wenn es nötig ist, denn sie hat Mittel, ihren Willen zu beugen.«

»Eine Freundin des Studenten? Was heißt das, eine Freundin? Also ...«fiel Franz lebhaft ein.

»Also!« unterbrach ihn Marie trübe lächelnd, indem sie rasch ihre schmale weiße Hand auf den Mund des jungen Mannes legte – »es gab Leute, die sich versündigten an einem armen Mädchenherzen, indem sie eine törichte Eifersucht hegten, und die jetzt ahnen, wie sehr sie unrecht taten – aber eilen Sie, Franz – Ihre Begleiterin wird ungeduldig!«

Das schien in der Tat der Fall, denn Traudchen stand bereits auf der obersten Treppenstufe des Portals und winkte Franz heran. »Führen Sie mich, verlieren wir keine Zeit!« sagte sie. – –

Hunderte von Malen hatte Traudchen sich im Geiste den Auftritt ausgemalt, wenn sie vor Frau von Averdonk treten würde, wie der Richter vor den zornschäumenden, versteckten Gefangenen, die vernichtenden Beweise für ihre Schuld in der Hand, wie die harte und stolze Frau vor ihr zusammenbrechen und sie ihr die Bedingungen des Friedens diktieren würde, deren erste die Herausgabe des jungen Mannes war, an dem sie eine so frevelnde Gewalttat verübt hatte. Nach den Mitteilungen, die man ihr auf Schloß Eggenrode über sein Schicksal gemacht hatte, sah das Befreiungswerk freilich schwieriger aus, als sie es sich gedacht hatte, aber der Weg, den sie zu gehen hatte, war derselbe geblieben, nur daß sie auf ihm auch noch der neugewonnenen Freundin Marie Stahl zu ihrem Glücke verhelfen zu können sicher war.

Aber als nun der langerwartete Augenblick da war, da brachte er eine bittere Enttäuschung. Zwar wäre es schwer zu beschreiben, welchen Eindruck die Worte der Marketenderin auf Frau von Averdonk hervorbrachten. Zuerst wich ihre Zornesröte aus ihren Zügen, dann faßte sie nach der Lehne des nächsten Sessels, als ob sie einer Stütze bedürfe, und mit zitternder Hand griff sie nach dem Blatte, welches ihr Traudchen Gymnich am Ende entgegenhielt.

Als sie es gelesen, ließ sie das Blatt Zu Boden fallen; sie warf sich in den Sessel nieder, an welchem sie sich bis jetzt aufrecht erhalten hatte, und während sie ihr Gesicht mit den Händen bedeckte, schien eine krampfhafte Bewegung ihren ganzen Körper zu erschüttern – sie brach wie geknickt in sich zusammen.

Mit einem Blicke von Haß und Entsetzen sah sie das junge Mädchen an und mit kreideweißer, bebender Lippe sagte sie: »Reden Sie weiter, was Sie wollen.« »Was ich will? Ich will Sie mit diesem Blatte vernichten, will dieses Blatt in die Hände der Gerichte niederlegen, will damit Schmach und Elend über Sie bringen, wenn Sie nicht sofort die Bedingungen erfüllen, die ich gekommen bin Ihnen vorzuschreiben.«

»Nennen Sie die Bedingungen«, sagte sie nach einer Weile leise, das Haupt auf ihre Hand stützend.«

»Sie geben Ihre Einwilligung zu der Verbindung Ihres Neffen mit Marie Stahl.«

»Ich gebe sie« – antwortete Gebharde. –

»Sie treten ihm Ihre Güter ab. Dadurch schützen Sie sich gegen die Pläne, die Ripperda wider Sie hegt. Denn sicherlich hätte er sich dieses Zeugnis nicht verschafft – er hat es sich ausstellen lassen, und unter seinen Schriften fand ich es –, wenn er nicht beabsichtigte, in gelegenem Augenblicke davon Gebrauch und Rechte auf Sie geltend zu machen, die für einen Menschen seines Charakters den Wert verlieren, wenn Sie nicht mehr die reiche Herrin Ihrer Besitzungen sind.«

»Ich will Franz meine Güter abtreten«, erwiderte tonlos Frau von Averdonk.

»Und endlich,« fuhr Traudchen Gymnich fort, »machen Sie sich augenblicklich auf und entreißen Hubert Bender dem Schicksal, welches ihn bedroht.«

»Das kann ich nicht, das liegt nicht in meiner Macht!« sagte Gebharde, ihren bleichen, wie plötzlich um viele Jahre gealterten Kopf erhebend.

»Sie müssen es!« versetzte Traudchen. »Wehe Ihnen, wenn Sie sich weigern!«

»Ich kann es nicht« – fiel Frau von Averdonk ein – »ich habe keine Macht über den Menschen, in dessen Händen er ist – wer kann einem Bären seine Beute entreißen! Ich habe versprochen, alles hinzugeben, was ich besitze. Mehr kann ich nicht tun – über den Grafen Philipp habe ich nicht den Schatten eines Einflusses; kein Mensch auf Erden würde es vermögen, seinen starren Sinn zu beugen – ich kann nicht vollbringen, was Sie von mir verlangen, und nun tun Sie, was Sie glauben tun zu dürfen! Zu Flehen und Bitten werde ich mich nicht erniedrigen!«

Traudchen Gymnich blickte auf ihr Opfer mit einem Ausdruck halb der Verwunderung, halb des Erschreckens. War es in der Tat dieser Frau, die sich jetzt wie ein Rohr von ihren Händen biegen ließ, unmöglich, zu erfüllen, was sie verlangte? Dann hatte sie ihren ganzen, mit so viel Entschlossenheit ausgeführten Plan auf Sand gebaut ... dann war alles umsonst. Der Gedanke war schrecklich. Sie wehrte ihn deshalb von sich ab, so lange sie konnte, sie hielt ihre Vorstellung von der genauen und innigen Wechselverbindung zu Schutz und Trutz, welche sie unter all diesen vornehmen Leuten voraussetzte, fest und sagte deshalb nur noch schärfer und gebieterischer: »Dann stehe Gott Ihnen bei – ich werde von diesem Augenblicke an keine Schonung mehr gegen Sie kennen – Sie haben das Unheil angestiftet, und es soll sich fürchterlich an Ihnen rächen!« Damit wandte sie sich, um den Raum zu verlassen.

Draußen eilte sie die Treppe hinab und über den Hof, dem Wagen zu, neben welchem Marie Stahl jetzt harrend auf- und abging.

»Ich habe für Sie alles getan, was ich konnte, Marie«, sagte Traudchen in geflügelter Eile; »es steht nichts mehr zwischen Ihnen und Ardey – ich muß weitereilen und jetzt einzig auf meine eigenen Kräfte mich verlassen! Adieu, adieu ...« sie ergriff die Zügel ihres Wagens, sprang hinein und trieb das Pferd mit einem Peitschenschlage zur Eile an. Nach wenig Augenblicken rollte der Wagen zum Hoftore hinaus. Marie Stahl schaute ihm bestürzt nach, sie war eben im Begriff, Franz von Ardey entgegenzugehen, der betroffen und niedergeschlagen in den Hof herabkam, als ihre Aufmerksamkeit durch einen Reiter in Anspruch genommen ward, der in gestrecktem Galopp in den Hof einsprengte, dann aus dem Sattel seines schweißbedeckten Pferdes glitt, es frei sich selbst überließ und in größter Hast dem Haupteingange des Schlosses zueilte und darin verschwand. Es war Ripperda, der einen Augenblick später die Treppe im Innern hinaufgestürmt und unangemeldet in das Wohnzimmer der Frau von Averdonk gedrungen war und mit dunkel gerötetem Gesicht vor ihr dastand; er hielt mit kräftigem Drucke der Hand ihren Unterarm umspannt und rief: »Du mußt, Gebharde, du mußt, oder Tod und Verderben soll über dich kommen!«

»Bin ich denn heute ein Ballspiel für lauter rasende Menschen – es ist ja entsetzlich, Sie sind wahnsinnig geworden, Ripperda!«

»Machen Sie mich nicht dazu, indem Sie mir Widerstand leisten«, antwortete Ripperda, während er ihren Arm losließ und sich erschöpft auf einen Stuhl warf.

»Was haben Sie getan,« fuhr Frau von Averdonk fort – »welch abscheuliche, heimtückische Intrige beabsichtigten Sie, als Sie den Geistlichen von Wolfshagen einen Schein schreiben ließen...« »Der ist in Ihre Hände geraten?« fuhr Ripperda auf.

»Leider nein, er ist in den Händen einer Dirne, die mich damit zu vernichten droht.«

»Einer Dirne ... sie heißt Traudchen Gymnich? ich wußte es, daß sie die Diebin war – sie will Ihnen Geld damit abpressen? Geben Sie es. Es handelt sich heute um Wichtigeres – um ein Menschenleben, um das Leben meines Kindes ... Gebharde, ich habe manches auf meiner Seele, aber ich will nicht auch das noch darauf haben, daß ich mein Kind habe untergehen lassen, ohne es zu retten!«

»Und was ist mit diesem Kinde – ich weiß nichts von ihm!«

»Es ist der Sohn einer armen verkommenen Bauerndirne, die ich verführt habe. Damals, als ich noch in der Lage war, für den Knaben sorgen zu können, habe ich für ihn gesorgt; ich habe ihn einem Chirurgen in einem abgelegenen Dorfe zur Erziehung übergeben. Als ich später auf Eggenrodes Betrieb das Land verlassen mußte, war ich nicht imstande, mich weiter um ihn zu kümmern. Ich muß es zu meiner Schande gestehen – ich vergaß ihn. Nun macht mir heute ein seltsames, wie ein Gespenst vor mir auftauchendes Weib die entsetzlichste Enthüllung. Ich wollte dem Grafen zu einer Jagd vorausreiten, die er den seit gestern bei ihm einquartierten österreichischen Offizieren eines durchziehenden Bataillons gibt. Als ich eben meine Wohnung verlassen will, tritt eine große bleiche Frau mit den Augen einer Wasserfee auf mich zu, und indem sie die Hand wider mich erhebt, ruft sie aus: ›Walrave – Ripperda, wie Sie heißen mögen – es ist Ihr Kind, welches man töten will – wollen Sie Ihren Sohn ermorden lassen?‹ Ich glaube es mit einer Wahnsinnigen zu tun zu haben, sie aber sagt nur, daß sie die Frau des Vogtes von Elsen ist, sie beweist mir in hastigen Worten, daß Hubert Bender mein Sohn ist, der Zögling des Chirurgen ... ich kann keinen Zweifel mehr hegen, alle Angaben treffen zu, im Besitze des Gefangenen ist sogar ein Brief des Mannes, der für seinen Vater galt ...«

»Aber um Gottes willen, was geht dies mich nun an?« rief hier Frau, von Averdonk aus.

»Dich, Gebharde, dich geht es an, weil mir ein Plan der Rettung gekommen ist, welchen nur du ausführen kannst. Einen Fluchtplan zu entwerfen, ist es zu spät. Der unglückliche Mensch lebte schon in dieser Stunde nicht mehr, wenn nicht das österreichische Militär in Ruppenstein läge. Der Graf schämt sich, ihnen das Schauspiel einer Ruppensteinschen Militärexekution zu geben; er fürchtet die Erläuterungen, die Aufklärungen. Ich verlange es von dir, Gebharde; es soll das letzte sein, was ich von dir verlange... ich schwöre es dir – ich werde tot sein für dich von dem Augenblicke an, wo du mein Kind gerettet hast! Du kannst es, Gebharde ... wenn du dem Tollen erklärst, es sei dein Sohn, dein eigenes Kind, dann wird er dir nicht weigern, was er mir, seinem Untergebenen, nimmer gewährte.«

»Mein Sohn?! aber um des Himmels willen, wie kann ich diesen Menschen für meinen Sohn ausgeben, die ganze Welt weiß, daß ...«

Ripperda unterbrach sie. »Daß du keinen Sohn hast? Täusche dich nicht! man weiß wohl, daß in jener Zeit, wo du die Bewerbungen Averdonks dir gefallen ließest und dann ihn plötzlich zu hassen begannst, daß in jener Zeit dein Vater gezwungen wurde, ein Kind heimlich nachts aus dem Hause zu tragen und es bei einer vertrauten ehemaligen Dienerin deiner Mutter zu verbergen – man weiß das, man hat es entdeckt, sich zugezischelt, man hat es mit boshaften Bemerkungen weitergetragen, und mögen es auch die meisten vergessen haben, aber Graf Philipp von Ruppenstein ist nicht der Mann, solche Dinge unbeachtet an sich vorübergehen zu lassen ... wenn irgend jemand, so ist sicher er davon unterrichtet worden.«

»Das Kind war ein Mädchen, es ist gestorben!« fiel, das Haupt abwendend, Frau von Averdonk ein, indem sie die Stimme zu tonlosem Flüstern dämpfte.

»Wer ist davon so genau unterrichtet? Niemand wird das einwerfen, was du selbst gestehst; du mußt, Gebharde – ergib dich darein – treibe mich durch eine Weigerung nicht zur Verzweiflung; ich sehe kein anderes Mittel, ihn zu retten, dieses Mittel muß und soll versucht werden, und wenn du dich starrsinnig widersetzest, so rufe ich laut und offen jedem, der mich anhören will, zu, wer ich bin und wer du bist – und du tätest dann besser, dich aus jenem Fenster zu stürzen, um mit zerschmettertem Hirn auf dem Pflaster des Hofes zu liegen.«

Ripperda sprach das mit einem Tone, der zeigte, daß gegen seinen Willen kein Widerstand war. Gebharde von Averdonk zitterte an allen Gliedern, sie fühlte, daß die Fassung, die sie an diesem unglücklichen Morgen bis jetzt mühsam behauptet hatte, im Begriffe sei, sie zu verlassen. Denselben Menschen, den sie mißhandelt und verfolgt hatte, sollte sie ihren Sohn nennen; ihre eigenen Lippen sollten ihre Schmach gestehen – sie sollte lügen, um sich zu entehren – in der Tat, es war zuviel, zu schrecklich – sie warf sich wie in aller Kraft gebrochen auf das Sofa, verbarg ihr Gesicht an der Lehne desselben und begann heftig zu schluchzen.

»Du weinst – ich sehe, daß dein Widerstand zu Ende ist«, rief Ripperda gebieterisch aus. »Erhebe dich und mache dich fertig, um mit mir nach Ruppenstein zu fahren. Augenblicklich. Ich gehe und befehle in deinem Namen, daß man deinen Wagen anspanne.«

Mit diesen Worten eilte er hinaus.


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