Levin Schücking
Die Marketenderin von Köln
Levin Schücking

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Sechzehntes Kapitel

Die Frau ist zu dumm

Herr Stahl, der Vogt von Elsen, saß während der im vorhergehenden Kapitel berichteten Vorgänge sinnend in seiner großen Amtsstube, die von einer flackernden Talgkerze höchst unzulänglich erhellt war. Er hatte die breiten, in Filzpantoffeln steckenden Füße gegen den Ofen gestemmt und beschäftigte sich damit, diesen seinen offenbaren Wohltäter anzuspeien; welche sträfliche Undankbarkeit der Wohltäter jedesmal mit einem zornigen Zischen aufzunehmen pflegte. Denn da der Abend kühl war und da Herr Stahl aus den gräflichen Waldungen das Deputatholz umsonst bekam, so hatte Schilling ein tüchtiges Feuer einlegen müssen; Schilling saß seitwärts vor der Ofentür und sorgte für die Ernährung der Flamme. Die stille Frau hatte in der Nähe des Wärmeapparats keinen Platz bekommen; sie saß an dem großen Amtstisch und nähte, so gut es bei dem kümmerlichen Licht gehen wollte.

»Der Himmel weiß, was daraus wird!« sagte der Vogt. »Dem Himmel muß man es überlassen.«

Die Frau hob ihr blasses Gesicht auf, und hätte der Vogt ihr nicht wie gewöhnlich den Rücken zugewandt, so würde er bemerkt haben, daß ein paar Tränen in ihren Augen standen und daß aus diesen blaßblauen Augen eine Welt voll tiefen Seelenkummers blickte; es war wie ein letztes Hoffnungserlöschen, wie ein unsäglich bitterer Vorwurf, die dieser beredte Blick auf die Gestalt des von ihr abgewandten Mannes aussprach.

»Wir haben nur dieses eine Kind!« sagte sie nach einer kleinen Pause mit zitternder Stimme ...

Der Vogt hob den Kopf auf, als wollte er horchen; er blickte sich nach seiner Frau um, als habe er etwas so Merkwürdiges und Auffallendes gehört, daß er sich vergewissern wolle, ob seine Sinne ihn nicht getäuscht; gleich darauf, da seine Frau nicht weiter sprach, wandte er seine majestätischen Züge Schilling zu und sagte:

»Habt Ihr je etwas Überflüssigeres gehört, Schilling?«

Schilling zuckte die Achseln.

»Es ist unser einziges Kind«, fuhr die Frau fort; »und ihre Eltern haben sie verlassen!«

»Ich glaube, sie beginnt sogar, mir Vorwürfe zu machen, Schilling«, sagte der Vogt... »Sie denkt am Ende, ich sollte mich mit dem Gnädigsten duellieren, ihn totschießen, oder etwas dergleichen tun! Die Frau ist zu dumm! ...«

»Wenn ein Vater sein Kind verteidigt, so ist er stärker als alle Gewaltigen der Erde«, antwortete sie.

Die Frau war heute ungewöhnlich zäh in ihrem Widerspruch. So unnachgiebig hatte sie sich lange nicht mehr gezeigt. Der Vogt bereitete sich deshalb auch darauf vor, sich in der vollen Würde seiner hausherrlichen Größe zu entwickeln und ihre wider alle Vernunft laufenden und gründlich törichten Bemerkungen ein für allemal niederzuschlagen.

Aber plötzlich tönten Schritte auf dem Flur, und zugleich sprang die Frau des Vogts, die bis jetzt still vor sich hingebrütet hatte, auf und sagte mit einer Bestimmtheit, als ob ihr gespanntes, auf die Tür gerichtetes Auge durch die Wand blicken könne: »Das ist Marie!« und im nächsten Augenblicke ging die Tür auf, und Marie kam herein, hastig, aufgeregt und mehr fliegend als schreitend, um sich in die Arme ihrer Mutter zu werfen. Hinter ihr trat Franz von Ardey in das Zimmer.

»Mein Kind, mein teures Kind!« rief die stille Frau, sie schluchzend, wie krampfhaft bewegt an ihr Herz pressend, aus.

Franz von Ardey trat zu ihr und erfaßte ihre Hand. »So weit ist Marie befreit«, sagte er; »ich bringe sie Ihnen wieder. Jetzt führen Sie sie weiter – in Sicherheit, wie wir es verabredet haben: der Wagen harrt unten an der Treppe zum Kirchhof.«

Der Vogt blickte bald auf Franz von Ardey, bald auf seine Tochter. Es war offenbar, daß er durchaus nicht ins Klare darüber kommen konnte, welches seine persönliche Stellung zu diesem merkwürdigen, so plötzlich über ihn hereingebrochenen Ereignisse sei. Marie war fortgelaufen aus Ruppenstein, unter Umständen, die den gestrengen Gebieter doppelt aufbringen mußten; niemand hatte ihn dabei zu Rate gezogen, ihn um seine Zustimmung gefragt, niemand kümmerte sich darum, daß der Zorn des ohnehin schon so schwer gereizten Gnädigen auf ihn fallen werde ... sollte er dazu stillschweigen? Er hätte für sein Leben gern gewußt, was Schilling dazu sagen werde – aber Schilling hielt sich still im Hintergrunde im Schatten des Ofens und hütete sich wohl, in Gegenwart aller Beteiligten seine Meinung zu verlautbaren; und ihn geradezu darum zu fragen, das vertrug sich im Beisein des Barons doch nicht mit dem Würde- und Autoritätsgefühl des Vogts.

»Kehren Sie jetzt heim«, wandte sich Marie zu Franz – tun Sie der Mutter den Willen. Wenn Sie ihr widersprechen, wird sie irre werden in dem, was sie sich vorgenommen, was sie Ihnen zugesagt hat... gehen Sie heim von hier!« – Franz wollte Widerstand leisten – er fügte sich höchst ungern in diese Bestimmung; und doch auf der andern Seite sah er ein, daß es das Beste sei, wenn er sich jetzt nach Dudenrode heimbegebe; es war schicklicher für Marie; es war würdiger und männlicher, wenn er es tat; wenn er seiner Tante offen gestand, was er getan; wenn er sich mit freier Stirn ihr gegenüberstellte und dem Sturm trotzte; es war würdiger, als wenn er mit Marie heimlich verschwand und der Kriegserklärung Auge in Auge auswich. Er hatte vor diesem Momente bisher freilich zurückgebebt wie vor etwas überaus Schrecklichem; seine weiche und mehr nachgiebige und elastische als kampflustige und herausfordernde Natur, die, ungleich so manchen anderen Charakteren, in einem Streite nichts angenehm Anregendes und in einer heftigen Szene nichts ihrem Selbstgefühl Schmeichelndes sah, hätte viel, sehr viel geopfert, um den Zusammenstoß zu vermeiden, der ihm mit Frau Gebharde von Averdonk bevorstand, wenn sie die zwei entsetzlichen Tatsachen erfuhr, daß er Marien entführt habe und daß er sie, sobald es ihm möglich, als seine Gattin heimführen wolle. Aber in diesem Augenblicke zeigte sich ihm jener Zusammenstoß in einem andern Lichte. Er war in einer Aufregung, in einem Rausch und Siegesstolze, in einem Jubel über die Demütigung des Tollen, in einem noch größern Jubel über die Befreiung Mariens – er hätte heute einer ganzen Welt den Handschuh hinwerfen können ... er fühlte sich imstande, es auch mit Gebharde von Averdonk aufzunehmen!«

So hob er die beiden Frauen in den Wagen, überzeugte sich, daß sie wohl eingehüllt waren gegen die Kälte der Nacht und drückte einen Kuß auf Mariens Hand. – –

Dann wandte er sich und schlug in Nacht und Nebel den Weg nach Dudenrode ein. – –

Als er nach einer ziemlich schlaflos verbrachten Nacht sich spät am andern Morgen erhoben hatte und in seinem kleinen, mit alten Bildern und alten Möbeln ausgeschmückten Zimmer unruhig umherging, öffnete sich die Tür, und der Reichsfreiherr trat ein. Er war noch in Schlafrock und Pantoffeln und sah höchst gemütlich und zufrieden aus.

»Guten Morgen, Neffe Franz,« sagte er – »was treiben wir, wie befinden wir uns?«

»Es ist sehr gnädig, lieber Onkel, daß Sie sich schon so früh Ihren Studien entzogen haben, um sich danach zu erkundigen«, versetzte Franz etwas mißvergnügt über die Störung.

»Nun, darauf bilde sich der teure Neffe nicht zu viel ein,« entgegnete Lactantius mit ironischem Lachen – »sintemal er ja wohl weiß, wie ungern wir uns unsern Büchern entziehen! Ich komme eigentlich um zu kundschaften. Es würde dein Schade nicht sein, Franz, wenn du mir vertrautest. Es vertraut mir niemand. Jedermann betrachtet mich hier wie das nützliche und unentbehrliche Gerät, welches man das fünfte Rad am Wagen zu nennen Pflegt. Dabei spüre ich, es geht etwas vor ... das ...«

»Ich will Ihnen sagen, lieber Onkel, was vorgeht. Ich habe vergangene Nacht Marie Stahl aus Ruppenstein geholt, und zwar unter den Augen des Tollen.

»Alle Wetter!« rief Lactantius und machte Augen so groß wie Teller.

»Der Student hat mir dazu beigestanden.«

»Das gefällt mir,« sagte der Freiherr, die Hände reibend – »das gefällt mir. Der Student gefällt mir. Er nimmt Revanche. Und du auch, Franz, du gefällst mir auch. Was wird aber daraus werden?«

»Ich werde Marie Stahl heiraten.«

»Heiraten ... ohi...« sagte Lactantius, indem er seiner Überraschung durch einen langgezogenen Pfiff einen Ausdruck gab.

»Glauben Sie es nicht?«

»Wenn du es willst, wird niemand in der Welt dich daran hindern können. Du bist vollständig dein eigener Herr!«

»Und was sagen Sie dazu?«

»Franz, was ich dazu sage? Ich sage, daß es ein ganz verdammt unvernünftiger Streich ist; daß, wenn du dein Gehirn aufs äußerste anstrengtest, um auszufinden, was dich am sichersten, skandalvollsten und mit dem geringsten Zeitverlust total zu ruinieren vermöchte, du kein geeigneteres Mittel hättest erdenken können; daß du auch unverantwortlich gegen deinen alten Namen, deine Familie, und namentlich gegen deine gütige Tante handelst, welche so große Hoffnungen auf dich setzt und so wohlwollende Absichten für dich hat ... das sage ich dazu, Franz, und dann, Franz, daß es mir eine ganz unbändige Freude macht, ganz unbändig, Franz ... sie heiraten ... vortrefflich ... ohi, ohi, ohi!«

Und bei diesen Worten rieb sich der Reichsfreiherr die Hände wie wahnsinnig zwischen seinen langen dürren Schenkeln, und konnte gar nicht aufhören, mit seinem Ohi unbeschreibliche Heiterkeit an den Tag zu legen.

Franz blickte eine Weile nachdenklich zur Seite. Dann sagte er: »Ich befürchte nur, daß der Student um meinetwillen in eine äußerst schlimme Lage geraten ist. Er hat gestern unsere Flucht gedeckt... ich mache mir jetzt Vorwürfe darüber, daß ich seine Aufopferung angenommen habe; aber er schien so sicher in dem, was er tat, daß ich nicht für ihn fürchtete ... nun scheint es aber doch, daß er das Opfer der Wut des Tollen über den Streich, den wir ihm gespielt, geworden ist.«

»Was habt ihr denn eigentlich gemacht, Franz? Weshalb erzählst du mir nicht, wie ihr es zustande gebracht habt, Marie Stahl aus Ruppenstein zu holen?«

Franz von Ardey erzählte es: den langen Reichsfreiherrn ergriff nun auch die Sorge um den Studenten.

»Wenn dem Studenten mißglückt ist«, sagte er, »aus der Löwenhöhle herauszukommen, wenn der Tolle ihn gefaßt hat, so gebe ich keinen Schuß Pulver für sein Leben. Er hat ja noch das Verließ und die Folterkammer aus den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. Er ist der Mann dazu, sich ein lange nicht genossenes landesväterliches Vergnügen damit zu machen. Der arme Student! Der Mensch gefiel mir, er gefiel mir außerordentlich. Aber der Tolle ist's imstande! Er ist's wahrhaftig imstande! Es wäre eine merkwürdige Geschichte, eine unerhörte Geschichte!«

»Hoffentlich finden wir Mittel und Wege aus, einem solchen entsetzlichen Schicksal zuvorzukommen«, antwortete Franz.

»Mittel und Wege, dem Tollen eine Beute zu entreißen, die er einmal gefaßt hat, sind nicht leicht gefunden, Franz... es müßte denn sein,« setzte Lactantius mit schlauem Gesicht hinzu – »es müßte denn sein, ihr tauschtet euere Kriegsgefangenen gegeneinander aus!«

Der Gedanke, welchen der Reichsfreiherr mit dieser Andeutung in Franz heraufbeschwor, war so, daß der junge Mann sich nicht enthalten konnte, auf den gütigen Onkel, der ihm eben wie ein Retter aus der Not erschienen, einen äußerst zornigen Blick zu werfen und sich im stillen dabei zu sagen: »Er ist doch ein Narr, wie die Tante ihn nennt!«

Damit stockte das Gespräch. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.

Nach einer Weile sagte der Freiherr: »Da die Dinge so stehen, so ist es besser, ich ziehe mich zurück ... es ist nicht gut, wenn deine Tante erfahren sollte, daß wir eine so lange Unterredung zusammen hatten. Ehe du abreisest, komme zu mir, damit du Geld von mir erhältst.«

»Ich werde es nicht vergessen, lieber Onkel!«

»Glaub's schon, glaub's schon«, versetzte Lactantius, indem er sich zum Gehen erhob.

»Und noch eins ... denk' an den Studenten und vergiß ihn nicht!«

»Sicherlich nicht!« entgegnete Franz.

»Adieu, junger Bräutigam, adieu, grüß' mir mein Herzblatt, die Marie... ich wünsche euch alles mögliche Glück... ohi, ohi, ohi!«

Lactantius zog lachend und mit einem lebhaften Schlenkern des rechten Annes und der rechten Hand, wie jemand, der über eine höchst faule und für seinen lieben Nebenmenschen schauderhaft kompromittierende Geschichte entzückt ist, ab und schlich sich so unhörbar wie möglich in seine Wohngemächer zurück.

Als er am Abend zum gemeinschaftlichen Nachtmahl mit seiner Gemahlin zusammentraf – während des Mittagsmahls hatte sie nur einige gleichgültige Redensarten mit ihm gewechselt – bemerkte er, daß ihre Blicke mit großer Schärfe ihn fixierten.

»Du warst bei Franz am heutigen Morgen ... was spracht ihr?« sagte sie endlich.

»Wir sprachen von der Schönheit der Natur und den herrlichen Tinten des Laubholzes in dieser Jahreszeit«, versetzte Lactantius mit höchst ernsthafter Miene.

»War das alles?« fuhr sie mit außerordentlich scharfem Tone fort.

»Alles? O nein: wir sprachen auch von den Reizen des Landlebens im allgemeinen und von der schönen Einrichtung des Schöpfers, daß jede Jahreszeit uns wechselnde Freuden bringt; der Lenz den beblümten Wiesenteppich und den Gesang der Nachtigall, der Sommer ...«

»Du bist ein Narr«, fiel hier Frau Gebharde ärgerlich ein – »aber ein böserer, als die meisten wissen. Du hast mit Franz kabaliert! Schweig', ich weiß es« – fuhr sie fort, als sie sah, daß Lactantius die Augen zum Himmel aufschlug und die Hand aufs Herz legte. »Ich weiß alles. Er hat Marie Stahl in der vorigen Nacht aus Ruppenstein entführt. Der Student hat ihm dabei geholfen und ist dafür vom Grafen eingetürmt worden. Er wird ihn ohne Erbarmen erschießen lassen. Es sind schöne Streiche, die Franz macht! Ich werde sehr ernst mit ihm reden!«

»Tue das, liebe Gebharde,« antwortete der Freiherr – »es wird ihm gewiß sehr heilsam sein, denn du hast eine so schöne Gabe, ernst mit ihm zu reden und ihm tiefeinschneidende Dinge zu sagen; ja, es ist eine schöne Gabe für den, der sie besitzt.«

Frau von Averdonk hielt sich nicht mit einer chemischen Analyse auf, wieviel Prozente und Dezimalteile Ironie in diesem Kompliment ihres steif und mit höchst trübseligem Antlitz vor ihr sitzenden Gatten enthalten waren.

»Weißt du wirklich nicht, wo Franz ist?« fragte sie nach einer Pause.

Lactantius verneinte dies mit einem Gesicht, das wirklich rührend war vor kindlicher Unbefangenheit: »Ich weiß es nicht.«

»Es ist in der Tat seltsam,« sagte die Dame ... »ich habe mir gedacht, daß er Marien nach Amelsborn geführt haben werde, denn er war in den letzten Tagen sehr oft dort und zeigte sich sehr eifrig bekümmert um die Einrichtung des Hauses. Ich habe deshalb Baptist dorthin geschickt. Aber Baptist kam zurück mit der Nachricht, daß Franz allerdings um Mittag dort angekommen sei und nach der Ankunft von Marie Stahl und ihrer Mutter gefragt habe, daß er aber mit den Zeichen lebhafter Beunruhigung wieder fortgeritten sei, als man ihm gesagt, daß von den beiden Frauen nichts gehört oder gesehen worden.«

»Sie sind gar nicht angekommen? Das ist doch höchst merkwürdig!« fiel Lactantius ein. »Vorausgesetzt,« fügte er hinzu, »daß die Leute in Amelsborn nicht etwa deinen getreuen Baptist belogen haben und sie doch dort sind!«

»Baptist ist weder der Mann, der sich leicht belügen läßt, noch wagen es meine Leute, mit mir zu spaßen«, versetzte Gebharde sehr ruhig.

»Das ist richtig«, sagte der Freiherr; »es ist eine höchst ernsthafte Sache, mit dir zu spaßen!«

Gebharde schenkte dieser Bemerkung keine Teilnahme.

»Es gibt doch nichts Hübscheres,« hub Lactantius nach einer Pause wieder an, »als Geschichten von Verschwundenen! Ich kenne nichts in der Welt, was ich lieber hörte. Es ist so merkwürdig mysteriös und so unheimlich, und so spannend. Meinst du nicht auch, Gebharde? Es erinnert mich,« fuhr Lactantius fort, indem er die während der Mahlzeit abgelegte hohe Zipfelmütze wieder aufsetzte, denn das Mahl war eben beendigt – »es erinnert mich immer an die Geschichte von der alten französischen Marquise, die sich abends in ihr Zimmer einschloß und am andern Morgen nicht herauskam, und, als man die Tür erbrach, so total verschwunden war, daß sie nichts von sich zurückgelassen hatte als ein ganz kleines Häuflein Asche im Kamin. Du glaubst nicht daran? Es ist zuverlässig wahr. Und welche hübsche reinliche Art das ist, aus dem Leben zu scheiden! Wenn du auch einmal so verschwändest, Gebharde! Ich würde eine silberne Ume machen lassen, ganz wie der hübsche Tabakstopf von chinesischem Porzellan, den ich habe, du kennst ihn ja ... in die würde ich deine Asche schütten und sie meinem Bett gegenüber auf die Kommode stellen. Deine teuern Reste blieben mir dann immer nahe, und jeden Morgen beim ersten Augenaufschlagen genösse ich dieses wehmütig tröstenden Anblicks.«

»Du bist und bleibst ein Narr!« entgegnete Gebharde unwillig und geärgert. »Geh' und leg' dich schlafen.«

Lactantius nahm gehorsam sein Licht und zog sich in seine Gemächer zurück.


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