Wilhelm Scharrelmann
Das Fährhaus
Wilhelm Scharrelmann

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Im Fährhaus ging es jetzt so lebhaft zu, wie zu keiner Zeit im Jahre. Behrens hatte auch noch das letzte Zimmer vermietet, und selbst die Kammer, in der er mit seiner Frau geschlafen, hatte er abgegeben und war in die kleine Schlafstube an der Viehdiele hinübergezogen, in der früher der Alte gehaust hatte.

Einen solchen Sommer hatte er sich nicht erwartet! Aber das machte der neue Anstrich der Veranda, der Gartentische und Klappstühle, und vor allem das neue Bootshaus, das sofort in Benutzung genommen worden war. Riskieren mußte man etwas, das brachte Verkehr und Geld ins Haus! Hätte er nur schon ein paar Jahre vorher seinem Willen nachgehen können, es hätte längst anders bei ihm ausgesehen. Den größten Verdienst brachten ihm die Ruderer. Sie kamen schon an den Samstagnachmittagen, und der blitzende Schlag ihrer Ruder und das Scharren der Rollsitze in ihren schmalen Booten scholl schon von weitem über die stillen sonnenbeglänzten Wiesen zum Fährhause herüber. Sie hatten ja jetzt eine so gute Gelegenheit, die Nacht in dem neuen Bootshause zu verbringen, und an den Abenden saß es sich nirgends so schön, wie auf der Veranda beim Hause.

Halloh, – gab es irgend einen Platz, wo man so frei und ungebunden war wie hier draußen? Das Bier stand mit perlendem Schaum in den Krügen, die alten Pappeln rauschten im Abendwinde, und auf den Wiesen quarrten die Frösche.

War es vielleicht den Sommergästen nicht lieb, daß an diesen Abenden so viel Lärm im Hause war und niemand vor Mitternacht Schlaf fand? Weit gefehlt, nein. Es war 146 während der ganzen Woche so einsam und still hier draußen, – da war es doch einmal eine Abwechslung, natürlich. Waren es nicht junge Leute? Da mußte man nicht so zimperlich sein, nicht wahr?

An den Sonntagen war es freilich weniger angenehm. Da kam neben den Mitgliedern des Rudervereins je nach dem Wetter eine ganze Anzahl anderer Boote, kleine und größere Segler, und mitunter herrschte ein wahres Gedränge auf der Veranda, sodaß sich Behrens wahrhaftig einen Kellner aus der Stadt kommen lassen mußte, jawohl. Niemals, daß der Alte das gelitten hätte! Aber nun war er tot, und man konnte die Arme rühren, Gott sei Dank.

Sogar ein Sommerfest sollte gefeiert werden. Ja, die Ruderer hatten Ideen! Natürlich sollte es an einem Sonnabend sein. Da hatte man die ganze Nacht vor sich und konnte am Sonntagmorgen ausschlafen. Auch war man an diesem Tage hübsch unter sich und brauchte sich nicht von neugierigen Fremden, die zufällig hereinschneiten, angaffen und stören zu lassen.

Die Ruderer kamen schon ein paar Stunden früher als sonst und trafen Vorbereitungen. Unter den Bäumen wurden Lampions aufgehängt, und die Veranda sowohl wie die Diele im Hause wurden mit papiernen Girlanden und kleinen bunten Fähnchen geschmückt. Das Vieh ging ja draußen auf den Weiden am Flusse, und auf der Lehmdiele ließ es sich herrlich tanzen.

Frau Behrens war ganz begeistert. So hatte sie ihr Haus noch nie gesehen. Nein, was für Einfälle solche jungen Leute hatten: In den Kuhstall, den Behrens im Frühjahr sauber geweißt hatte, bauten sie eine richtige kleine Weinlaube hinein, rollten ein leeres Bierfaß als Tisch hinein und umkränzten es mit grünen Zweigen, die 147 sie im Garten von der Geisblattlaube geschnitten hatten. Herrlich!

Die jungen Mädchen kamen am späten Nachmittag mit dem Zuge und schwirrten vom Dorfe her wie eine Wolke weißer Blütenblätter über die Wiesen und sammelten sich unter den Pappeln beim Fährhause, als habe der Wind sie dort zusammengeweht.

Natürlich waren die Mädchen in der Überzahl. Da war es nur angenehm, wenn auch die Herren, die im Fährhause wohnten, am Feste teilnahmen, Schulna vor allem, und Lintrup auch, der regelmäßig an den Sonnabenden aus der Stadt zum Fährhause herauskam. Dann war der Rechnungsbeamte Korkhan da mit seiner jungen Frau. Aber der tanzte nicht, nein, bei allem guten Willen – aber das könne keiner von ihm verlangen. Wenn man die Vierzig erst hinter sich habe, sehe man solche Dinge mit andern Augen an, könne er versichern. Ob man ihm vielleicht drei Tage Gliederreißen wünsche? Aber das Fest mache er natürlich gern mit. Die Fahrt mit den lampiongeschmückten Booten heute abend werde sicher großartig werden. Man freue sich ja hier draußen über jede Abwechselung. Ob es mir nicht genau so ginge? Bisher wäre er mit seiner Frau in jedem Sommer für einige Wochen in Ober-Bayern gewesen. Damit könne man natürlich die Landschaft hier nicht vergleichen. Ach, die Berge seien doch etwas Herrliches! Nur die lange Reise dorthin, nicht wahr? Und dazu könne er sich in diesem Jahre nicht mehr als zwei Wochen für eine Reise gestatten. Das Leben sei heute verdammt teuer, könne er mir versichern. Und für vierzehn Tage lohne sich so eine Reise nach Süddeutschland eigentlich nicht. Darum sei er auf den Einfall gekommen, es einmal hier draußen im Fährhause zu versuchen. Seine Frau sei natürlich 148 nicht einverstanden gewesen und hätte es schrecklich gefunden, sich in diese Einsamkeit zu setzen. Sie liebe so sehr die Geselligkeit, und darum sei er so froh für sie, daß heute abend das Fest hier gefeiert werde. Das einzige, was ihm den Spaß ein wenig störe, sei die Musik der Dorfkapelle. Natürlich könne man nicht ein städtisches Orchester hier draußen erwarten, und eigentlich gehöre auch solche Bumsmusik, wie die von heute abend, dazu. Schließlich sei man auf dem Lande, nicht wahr?

Wenn ich Stand gehalten hätte, hätte er noch stundenlang so weiter geschwatzt. Und gar nicht übelnehmerisch war er. Er sah mit Vergnügen zu, wie seine hübsche, junge Frau von den Ruderern herumgewirbelt wurde, daß ihr die Nadeln aus dem Haarknoten glitten. O, er gönnte ihr das Vergnügen. Von Herzen sogar. Sie gingen so selten einmal zu einem Tanzvergnügen.

O ja, die Nacht war blau wie Sammet, die Luft weich und still, und der Lärm der Musik und der Menschen stand merkwürdig fremd in der schweigenden Weite ringsum. Die Papierlaternen unter den Bäumen hingen bunt und leuchtend an ihren Drähten, und die Ruderer tanzten in ihrer hellen Sportkleidung ausgelassen in der übersteigerten Fröhlichkeit, von der alle ergriffen waren.

Es ging schon auf Mitternacht, als man eine längere Pause eintreten ließ, und einige der jungen Damen traten zu Lintrup und baten ihn, ein Lied zur Laute zum besten zu geben.

Er ließ sich ein wenig nötigen, wollte aber kein Spielverderber sein und begann, nachdem er eine Weile planlos präludiert hatte:

»Ich gehe hin durch Nacht und Tau,
O schönste Rosa! 149
Die Nacht war süß, der Morgen grau,
O schönste Rosa!
Mein Mund brennt von den Küssen dein,
O schönste Rosa!
Und muß ich auch verschwiegen sein,
so sing' ich doch durch Busch und Hain:
O schönste Rosa!«

Aber Schulna lärmte währenddes an seinem Tische so unbekümmert, daß der Sänger die Laute verwirrt wieder aus den Händen legte und die folgenden Strophen lieber unterschlug. Auch hatte sich die Eine, für die er in Wahrheit gesungen hatte, unvermutet an Schulnas Seite gesetzt, lehnte den Kopf an seine Schulter und sah lächelnd zu ihm auf.

Das war ein wenig zu viel für Lintrup. Er ward so bleich wie das Laken auf unserem Tische.

Aber nun traten die Damen für ihn ein. Es sei rücksichtslos von Herrn Schulna. Das Lied sei noch nicht zu Ende, nein. Sie beständen darauf, daß er weiter singe.

Damit nötigte man Lintrup die Laute wieder auf und legte sie ihm zuletzt auf den Schoß. Wirklich, nein, er dürfe es nicht abschlagen.

Eine so schöne Stimme, es sei ein Unrecht.

Aber er war nicht zu bewegen, und so nahm Schulna selber die Laute, um die Gesellschaft zu entschädigen.

»Kinder seid's nicht so verdrossen, –
Hat sich doch,
Hat sich doch der Mond,
Hat sich doch der schöne Mond,
He he he, der schöne Mond,
Der dort unter Sternen thront,
Auch die Nas' begossen! 150

Seht nur, wie er freundlich lacht, –
He he he,
He he he, der Mond,
Hat sich doch der schöne Mond,
He he he, der schöne Mond,
Daß sich ihm das Trinken lohnt,
Schon sein Bett gemacht!

Janntje, Anntje und Mareien,
Küßt mich doch,
Küßt mich doch ihr zwei,
Küßt mich doch ihr schönen zwei,
Liebe fliegt so schnell vorbei –
Morgen könnt ihr freien!«

Ja, man mußte sagen, Schulna verstand es! Man lachte und schrie durcheinander, und der arme Lintrup war vergessen.

Er stand ein wenig abseits, hatte die Arme ineinander verschränkt und lächelte gezwungen zu Schulnas Lied. Aber seine Augen brannten in Haß und Eifersucht.

»Ich ertrage es nicht länger,« flüsterte er mir zu und preßte meinen Arm, daß es mich schmerzte.

»Zum Teufel,« sagte ich leise, »reißen Sie sich doch zusammen! Muß es denn durchaus Fräulein Anka sein? Sie sehen doch, daß sie heute abend keine Augen für Sie hat!«

Daß sie heute abend nur Augen für Schulna hat, hatte ich sagen wollen und es nur im letzten Augenblick noch unterdrückt. Aber es war in dieser Form nicht weniger schmerzlich für ihn.

»Laufen Sie ihr nicht länger nach, Lintrup,« setzte ich hinzu. »Es ist das Verkehrteste, was Sie tun können, so 151 wie ich Anka kenne. Sehen Sie die Kleine dort in dem weißen Kleide? Sie sieht sich schon den ganzen Abend die Augen nach Ihnen aus!«

Ich wußte, es war lächerlich, ihm das zu sagen, aber mein Mitleid war größer als meine Einsicht.

»Nein, – ich fordere Anka heraus, so oder so. Ich muß endlich wissen, woran ich bin. Sie muß sich entscheiden – er oder ich!«

»Seien Sie nicht töricht, Lintrup. Sie sehen doch, wie die Dinge stehen. Was wollen Sie denn noch? Kommen Sie, lassen Sie uns ein wenig in die Luft hinausgehen. Es ist so stickig und schwül hier im Saale.«

Aber er wollte nicht.

»O, machen Sie sich keine Mühe mit mir,« lächelte er blaß und verkrampft. »Ich bin sehr ruhig. Ich weiß, Sie meinen es gut. Aber dies muß ein Ende haben.«

Wieder blickte er zu Anka hinüber, die noch immer an Schulnas Seite saß und seinem Gesang zuhörte. Aber jetzt war Schulna zu Ende, stellte die Laute aus der Hand, legte seinen Arm um Ankas Schultern und hob lächelnd und mit dem Blick des Siegers sein Glas: »Stoß an – das Glück und das Leben und die Liebe!« rief er.

Lintrup tat, als sehe er es nicht, preßte die Lippen aufeinander und spielte den Gleichgültigen. Als aber im nächsten Augenblicke die Musikanten von neuem ansetzten und Schulna sich unerwartet von Anka löste und mit einem Mädchen, das ihm während des ganzen Abends verliebte Augen gemacht hatte, zum Tanze ging, trat er mit raschem Schritt zu ihr.

»Anka,« sagte er und beugte sich über ihre Stuhllehne.

»Danke,« sagte sie und zog unangenehm berührt die Schulter hoch. »Ich möchte diesmal nicht tanzen.« 152

Lintrup erbleichte noch um einen Schatten tiefer.

»Ich komme nicht, um mit Dir zu tanzen. Das ist es nicht, nein. Ich wollte Dich fragen – ich bin imstande, irgend etwas Törichtes zu tun, wenn Du nicht –«

Er verstummte verwirrt und ratlos unter dem erstaunten, beinahe empörten Blick ihres Auges. Aber noch ehe sie antworten konnte, hatte ich das Tuch aufgerafft, das ihr von den Schultern auf die Erde geglitten war und sagte im Nähertreten:

»Halloh, Fräulein Anka, – vielleicht ist das Ihr Schal?«

Lintrup war nicht wenig erzürnt. »Warum haben Sie mich nicht ausreden lassen?« fragte er. »Sie müssen doch einsehen –«

»Nichts sehe ich ein,« entgegnete ich. »Sie hatten ohnehin schon zu viel gesagt.«

»Soll ich die ganze Nacht mit ansehen, wie –«

»So sehen Sie doch nicht mehr hin, zum Kuckuck! Es zwingt Sie doch keiner. Kommen Sie jetzt. Dort draußen ist die Nacht und der Fluß! Ah, wie wundervoll die Luft ist. Es ist ja drinnen nicht mehr auszuhalten.«

Die Kerzen in den Lampions waren längst ausgebrannt, und der Garten stand dunkel und schweigend um das lärmerfüllte Haus, aus dem das Spiel der Dorfmusikanten in die stille Nacht hinausdrang.

»Nein,« sagte Lintrup, »sprechen Sie nicht so. Ich bin kein Kind und sehe ganz gut, was los ist. Aber es ist unmöglich für mich, einfach bei Seite zu treten, wirklich, einfach unmöglich. Sie können das nicht verstehen, nicht wahr? Niemals hätte ich einen Abend wie diesen für möglich gehalten! Schulna! Ha! Wenn ich ihn nicht kennte und nicht wüßte, daß dies alles nur ein Spiel 153 für ihn ist, nicht mehr . . . Er wird Anka verlassen, wie er die vielen anderen verlassen hat, die vorher an der Reihe waren! Ha ha!«

Da trat uns Korkhan in den Weg, der Rechnungsbeamte.

»Ah,« sagte er, »störe ich die Herren? Nein? Wundervoll hier draußen, nicht wahr? Ich stehe schon eine ganze Weile hier. Hielt es einfach da drinnen nicht mehr aus. So eine Lehmdiele stäubt doch beim Tanzen mehr, als man vertragen kann. Daß Behrens nicht 'mal ein wenig sprengt! Aber der denkt nur ans Ausschenken. Liebe Zeit, so selten wie hier draußen 'mal so eine Festlichkeit ist, nicht wahr! Meiner Frau wird es drinnen natürlich nicht zu viel. Sie tanzt so gern, wissen Sie. Ja, ja, warum nicht? Nehmen die Herren eine Zigarette? Nein? Der Herr Schulna, alle Wetter! Das ist ein Tänzer, was? Und wie er zu singen versteht! Na ja. Künstlervolk! In der einen Hand den Pinsel, in der andern die Laute! Aber er platzt vor Temperament, das muß man sagen. Meine Frau ist ganz weg in ihn. Na ja. Warum nicht? Ohne einen Schwarm können die Damen nun 'mal nicht leben. Schadet ja auch nicht. Danke, ich habe selber Feuer.«

Er brannte sich eine Zigarette an, und das entflammende Streichholz beleuchtete für eine Sekunde Lintrups bleiches Gesicht, der aus düsteren Augen mit zusammengepreßten Lippen an Korkhan vorbei auf den Fluß sah. –

Es war spät in der Nacht, als ich ihn endlich bei mir in der Hütte hatte.

Ich bot ihm mein Bett an, aber er bestand darauf, auf einer Strohschütte auf der Diele schlafen zu wollen. –

Ein paar Tage später traf ich Anka allein im Garten 154 des Fährhauses. Sie kam mir verändert, weicher und fraulicher in ihrem Wesen vor, und ich bat sie für Lintrup.

»Sie müssen ein wenig Nachsicht mit ihm haben,« sagte ich. »Sie wissen, daß er Sie liebt, und ich glaube beinahe, er wäre fähig, um Ihretwillen eine Torheit zu begehen.«

Jäh veränderte sich der Ausdruck ihres Gesichtes.

»Was heißt das?« fragte sie gereizt. »Liebe ist immer Torheit, so oder so.« Ich zuckte die Achseln.

»Ich wollte Sie warnen,« sagte ich. »Er scheint ruhiger, als er ist.«

»Warnen? Wovor?« fragte sie und zog die Stirn kraus. »Und wie kommt er dazu, Rechte geltend zu machen, die ich ihm niemals eingeräumt habe? Nein, er ist unreif und kindisch. Ich werde ihn bitten, daß er nicht mehr hierherkommt. Er langweilt mich.«

Ich merkte ihr an, wie sie sich zurückhielt, um nicht schärfere Worte zu sagen.

»Gerade das dürfen Sie nicht tun,« entgegnete ich. »Er ist ein Kind in Ihren Händen, lenksam und zu allem bereit. Eine offene Absage würde seine Eifersucht zur Flamme entfachen und ihn zur Verzweiflung treiben. Gönnen Sie ihm Zeit und führen Sie ihn langsam zu sich selber zurück.«

»Seine Eifersucht?« begehrte sie auf. »Woher nimmt er das Recht, eifersüchtig zu sein?«

»Sie haben ihn wochenlang bevorzugt, Fräulein Anka. Vergessen Sie das nicht. Jedenfalls haßt er Schulna, und es wäre möglich –«

»Ach, das ist ja vollkommen lächerlich,« unterbrach sie mich mit dem Tone der Verachtung. »Am wenigsten 155 verstehe ich, wie Sie dazu kommen, sich zu seinem Anwalt aufzuwerfen!«

Herrisch und aufgerichtet stand sie vor mir, die Nasenflügel gespannt und den Kopf in den Nacken geworfen. Ich hatte sie klein gesehen in der Nacht, als sie mich vor der Türe meiner Hütte erwartete. Die Scharte mußte wohl ausgewetzt werden.

»Er tut mir leid, das ist alles,« sagte ich. »Jedenfalls hat er es nicht verdient, daß Sie ihn quälen. Denn das tun Sie, Fräulein Anka. Neulich auf dem Feste hier haben Sie ihn gequält, mehr als Sie wohl selber angenommen haben.«

»Nein,« sagte sie, »ich verstehe nicht, was Sie von mir wollen. Ich kenne Lintrup kaum und lasse mir keine Vorschriften von ihm machen. Weder von ihm, noch von Ihnen, wie Sie sich vielleicht eingebildet haben.«

Da stand ich.

Du bist ein Narr gewesen, sagte ich zu mir, als sie gegangen war. Man muß jeden das Seine tragen lassen. Es hilft nichts, den guten Engel spielen zu wollen. Es ist dumm und vorwitzig dazu, du hast es oft genug erfahren. Aber du fängst allmählich an, aus einem jungen ein alter Narr zu werden. Hoffentlich hat dir die Lektion gut getan! Was hast du mit Lintrups Schicksal zu schaffen, und was braucht es dich zu bekümmern, wenn er wirklich eines Tages in Verzweiflung und Torheit –

Ach, was schwätze ich da in mich hinein? Das alles war ja Feigheit, Feigheit und ein bequemes: Ich wasche meine Hände in Unschuld! Wußte ich nicht von Lintrup mehr, als ich Anka verraten hatte, und hatte er vielleicht ein Gesicht zu seinen Worten gemacht, als habe er nicht überlegt, was er sagte?

Nein, es hieß die Augen offen zu halten. 156

 


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