George Sand
Die Grille oder die kleine Fadette
George Sand

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Zwölftes Kapitel.

»Es muß doch wohl sein,« dachte Landry bei sich, »daß ich den rechten Weg verfehlte und auf den Fahrweg geraten bin. Da sehe ich ja auch das Licht der Fadette zu meiner Rechten, das doch zu meiner Linken sein müßte.«

Er ging den Weg wieder zurück bis zu dem Hasenkreuze, und umkreiste dasselbe mit geschlossenen Augen, um die bisherige Richtung zu verlieren. Als er dann die Bäume und das Gesträuch umher genau betrachtete, fand er den richtigen Weg und ging wieder an den Fluß zurück. Aber trotzdem es ihm schien, daß die Furt zu durchschreiten sei, wagte er sich doch nicht mehr als drei Schritte weit hinein, denn plötzlich bemerkte er, daß der Schein aus dem Hause der Fadette, den er doch grade vor sich haben mußte, ihm beinah im Rücken stand. Er wandte sich zum Ufer zurück, und jetzt erschien ihm jener Lichtschimmer wieder an der Stelle, wo er seiner Vermutung nach hingehörte. Er durchschritt dann die Furt in einer etwas veränderten Richtung; aber diesesmal stieg ihm das Wasser bis beinah an den Gürtel. Indessen, er schritt immer weiter, denn er vermutete, daß er in ein Loch geraten sei, aus dem er, immer auf das Licht zugehend, wieder herauskommen müsse.

Er that wohl daran endlich stehen zu bleiben, denn das Loch vertiefte sich immer mehr, und er befand sich schon bis an die Schultern im Wasser. Es war sehr kalt, und er fragte sich einen Augenblick, ob er nicht besser thun würde wieder umzukehren, denn das Licht schien ihm die Stelle gewechselt zu haben, und er sah sogar, wie es sich bewegte, lief, hüpfte und von dem einen Ufer auf das andere hinüber sprang. Schließlich erschien es verzwiefacht, indem es sich im Wasser spiegelte, über dem es schweben blieb, wie ein Vogel, der sich auf seinen Flügeln wiegt; dabei ließ es ein leise knisterndes Geräusch vernehmen, wie es beim Verbrennen von Harzspänen entsteht.

Jetzt wurde Landry so von der Furcht ergriffen, daß er beinah den Kopf darüber verlor; er hatte schon sagen hören, daß es nichts Tückischeres und Boshafteres gebe, als solch ein Licht; daß es sein Spiel damit treibe, alle die es betrachten, sich verirren zu lassen und sie in die tiefste Strömung des Wassers hineinzuführen; und das alles unter fortwährendem eigentümlichem Gekicher, als ob es mit ihrer Todesangst seinen Spott treibe.

Landry schloß die Augen, um nur nichts mehr von dem unheimlichen Lichte zu sehen. Rasch wandte er sich um, und auf jede Gefahr hin aus dem Loch herausschreitend, kam er an das andere Ufer zurück. Hier streckte er sich auf das Gras hin und betrachtete das Irrlicht, das seinen Tanz und sein Gelächter weiter trieb. Es war wirklich schrecklich anzusehen. Bald schoß es dahin wie ein Eisvogel, und gleich darauf war es wieder ganz verschwunden. Ein anderes Mal dehnte es sich bis zur Größe eines Ochsenkopfes, und dann war es wieder so klein wie das Auge einer Katze. Es lief förmlich hinter Landry her und umkreiste ihn mit so rasender Geschwindigkeit, daß er förmlich davon geblendet wurde. Endlich, als es sah, daß Landry ihm nicht folgen wollte, kehrte es hüpfend in das Schilfrohr zurück, und es hatte den Anschein, als ob es sich ärgere und ihm Grobheiten an den Kopf werfen wolle.

Landry wagte nicht mehr sich zu regen, denn seinen Weg wieder aufzunehmen, wäre sicherlich nicht das richtige Mittel gewesen das Irrlicht zu verscheuchen. Man weiß ja, daß es hartnäckig dabei beharrt, denen nachzuhüpfen, die davon eilen und daß es sich ihnen quer in den Weg stellt, bis sie toll darüber werden und sich in irgend ein böses Loch hineintreiben lassen. Landry klapperten die Zähne vor Furcht und Kälte; da hörte er plötzlich hinter sich ein zartes Stimmchen singen:

    Kobold, du kleiner Kobold du,
Nimm dein Lichtlein und dein Horn dazu;
Ich trage den Mantel und die Kappe schön.
Die Hexe will zu ihrem Kobold gehn.

Gleich darauf erschien die kleine Fadette, die sich fröhlich anschickte, das Wasser zu durchschreiten, ohne Furcht oder Staunen über das Irrlicht zu verraten. Im dunkeln stieß sie an Landry, der auf der Erde saß, und indem sie zurück trat, fluchte sie dabei, daß es jedem darin geübten Burschen zur Ehre gereicht hätte.

»Ich bin es, Fränzchen,« sagte Landry, indem er aufstand. »Fürchte dich nicht, ich bin nicht dein Feind.«

Er sagte dies, weil er sich vor ihr beinah ebenso fürchtete, wie vor dem Irrlicht. Er hatte ihren Gesang gehört, und merkte wohl, daß sie eine Beschwörungsformel an das Irrlicht richtete. Dieses hüpfte und drehte sich im Kreise vor ihr wie toll und als ob es sich gefreut hätte sie wieder zu sehen.

»Ich sehe wohl, schöner Zwilling,« sagte darauf die kleine Fadette, nachdem sie sich ein wenig besonnen hatte, »daß du mir schmeicheln willst, weil du vor Furcht halb tot bist. Grade wie meiner alten Großmutter zittert dir die Stimme in der Kehle. Komm, du armer Bursch, bei Nacht ist man nicht so stolz als bei Tage, und ich wette, du wagst nicht ohne mich durch das Wasser zu gehen.«

»Ja, wahrhaftig! ich komme grade heraus,« sagte Landry; »beinah wäre ich darin umgekommen. Wirst du dich denn hinein wagen, Fadette? Fürchtest du dich nicht die Furt zu verfehlen?«

»Oh, wie sollte ich die verfehlen? Aber, ich sehe es ja schon, was dich in Angst bringt,« gab die kleine Fadette lachend zurück. »Komm her, du Feigling, gieb mir die Hand; das Irrlicht ist nicht so böse, wie du glaubst, und es thut nur solchen etwas zu leide, die sich vor ihm fürchten. Ich, ich bin daran gewöhnt es zu sehen, und wir beide kennen uns.«

Und nun zog sie ihn mit größerer Kraft, als Landry ihr zugetraut hätte, am Arm mit fort und führte ihn laufend in die Furt hinein, dabei singend:

Ich trage den Mantel und die Kappe schön.
Die Hexe will zu ihrem Kobold geh«!

Landry wurde es in der Gesellschaft der kleinen Zauberin nicht besser zu Mute, als in der des Irrlichtes. Indessen war es ihm doch lieber den Teufel in der Gestalt eines Wesens von seiner eigenen Art zu sehen, als in der eines so heimtückischen und unstäten Lichtes. Er folgte also ohne Widerstreben der gegebenen Aufforderung und war bald wieder beruhigt, indem er merkte, daß die Fadette ihn so gut führte, daß er trockenen Fußes über die Kieselsteine hinschreiten konnte. Da sie aber beide rasch vorwärts gingen, und dadurch einen stärkeren Luftzug verursachten, bewirkten sie, daß das Irrlicht beständig hinter ihnen herzog. Der Schulmeister bei uns zu Lande, der mehr von solchen Dingen weiß, nennt es ein Meteor, und er versichert, daß man sich durchaus nicht davor zu fürchten braucht.


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