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XII

Tessés Ehrgeiz. Seine Intrigen. Sein Verhalten gegen Catinat. Vorrücken der Kaiserlichen. Saint-Frémond bei Carpi geschlagen. Der Marschall Villeroy an Catinats Stelle zum Oberbefehlshaber ernannt. Spöttische Bemerkung des Herzogs von Duras. Erkrankung der Herzogin von Burgund. Rücksichtslosigkeit des Königs. Kleines Mißgeschick Lauzuns. Empfang im Schlafzimmer der Herzogin von Burgund. Tod Saint-Hérems. Einige Anekdoten von seiner Frau. Villeroy in Italien. Tessé sucht ihn für sich zu gewinnen. Eintreffen des Herzogs von Savoyen. Die Franzosen bei Chiari geschlagen. Villeroy erhält eine Lektion. Ende der Campagne.

 

Tessé, dem es einigermaßen an Genie, Weitblick und Geist, aber nicht an Ehrgeiz fehlte, und der als guter Höfling sich nicht im unklaren war über den Rückhalt, den Vaudémont an unserm Hofe fand, war nur darauf bedacht, ihm zu gefallen und zu dienen, um sich in Italien Kredit zu verschaffen und dort durch Vaudémonts Freunde am Hofe einen großen Sprung in seiner Karriere zu machen. Das hätte in der Tat die schnelle Karriere des einen und die vollkommene Freiheit des andren bedeutet, der ihn wie ein Kind mit der Binde um die Augen geführt haben würde. Louvois, zu dessen Berichterstattern gehört zu haben man ihm stark nachsagte, und dem er sich untertänig angeschlossen, hatte ihn schnell vorwärtsgebracht und 1688 zum Ritter des Heiliggeistordens machen lassen, obgleich er ein noch junger Mann und erst Generalmajor war. Er wußte, was die Protektion der Minister und der Leute von hohem Ansehen wert war, und verstand es, mit niedriger Geschmeidigkeit darum zu buhlen.

Er hatte daher Chamillart stark den Hof gemacht, und dieser hatte durch die Auszeichnungen, die er ihm für das Zustandekommen des savoyischen Friedens und der Hochzeit der Herzogin von Burgund zuteil werden ließ, in einer Weise geantwortet, die Tessé alle Hoffnung gab. Es war daher kein Wunder, daß er mit Verzweiflung einen Meister nahen sah, wenn er ihm auch viel verdankte, und daß er sich entschloß, sich seiner zu entledigen, indem er ihm alle erdenklichen Possen spielte, um ihn zu diskreditieren und alle seine Unternehmungen fehlschlagen zu lassen. Er fühlte sich dazu um so mehr ermutigt, als er merkte, daß er es mit einem Manne zu tun hatte, der keine andere Stütze und Geschicklichkeit besaß als seine Fähigkeit, und dessen Tugend und Schlichtheit weit entfernt von jeder Intrige und Machenschaft zur Festigung seiner Stellung waren.

Catinat war von unbedeutender Herkunft, aus einer ganz jungen Juristenfamilie und verfügte über viel Geist, Klugheit, Einsicht und Wissen. Im Kommando war er wenig angenehm, weil er trocken, streng, lakonisch war, weil er scharf auf Disziplin hielt, wenig mitteilsam war und, uneigennützig für seine Person, sehr auf Ordnung sah und niemand fürchtete. Dazu hatte er weder für Weiber, noch für Wein oder Spiel eine Schwäche, und es war ihm infolgedessen sehr schwer beizukommen.

Tessés Kummer blieb Vaudémont nicht lange verborgen. Er begünstigte ihn, so sehr er es konnte, ohne bei Catinat Anstoß zu erregen, den er mit allen erdenklichen Ehren und Liebenswürdigkeiten empfing, der sich dadurch aber nicht blenden ließ, und dessen er sich aus andern Gründen als Tessé nicht weniger gerne zu entledigen wünschte.

Der Prinz Eugen befehligte die Armee des Kaisers in Italien, und die beiden ersten Generäle nach ihm waren der einzige Sohn Vaudémonts und Commercy, der Sohn seiner Schwester Lillebonne.

Die geringste Überlegung hätte dazu geführt, ein wachsames Auge auf das Verhalten des Vaters zu haben, und die geringste längere Aufmerksamkeit hätte bald offenbart, wie es damit stand, und wieviel mehr als verdächtig es war. Catinat kam bald dahinter. Er vermochte nie mit ihm eine Entscheidung zu treffen, ohne daß die Feinde sofort davon benachrichtigt worden wären, so daß niemals eine Streifpartei ausging, ohne daß ihr eine feindliche entgegentrat, die mehr als doppelt so stark war. Das ging so weit, daß auch der Einfältigste sehen mußte, daß hier etwas nicht in Ordnung war. Catinat beklagte sich oft darüber und erstattete dem Hofe Meldung, doch wagte er nicht, den auf der Hand liegenden Schluß zu ziehen. Er fand dort bei niemand Unterstützung, während Vaudémont alles auf seiner Seite hatte. Er suchte unsere Generäle durch ausgesuchte Höflichkeit, großen Aufwand, vor allem aber durch die Beschaffung reichlicher Heeresbedürfnisse zu gewinnen: alles Nützliche, alles Angenehme kam von ihm, alles Trockene, alle Genauigkeit von dem Marschall. Man braucht nicht zu fragen, wem von beiden unter diesen Umständen die Herzen und Willen gehörten.

Der Zustand Vaudémonts, der nicht aufrechtstehen und sich kaum auf dem Pferde halten konnte und die Vorwände, er sei in Mailand oder anderwärts, um Befehle zu erteilen, enthoben ihn der Stellungnahme zu vielen Vorfällen, die ihn einem so klarblickenden General wie Catinat gegenüber in Verlegenheit gesetzt hätten, und sein Sohn und Commercy bekamen durch erprobte Subalternoffiziere seiner Truppen nach wie vor die Winke zugetragen.

Tessé, der, obgleich er zu seiner großen Betrübnis mit den Generalleutnants im Kommando abwechselte, dennoch eine besondere Auszeichnung in der Armee genoß und gleich bei der Ankunft Catinats gegen ihn gearbeitet hatte, verschärfte die Klagen über all die Mißerfolge, die nicht aufhören wollten und wiegelte, darin schlau von Vaudémont unterstützt, alles gegen ihn auf und meldete dem Hofe alles, wovon er glaubte, daß es ihm noch mehr schaden könne. Vaudémont schrieb im Einverständnis mit ihm vorsichtige Andeutungen, wie einer, der das Gelände erkunden will, der einen General schont, von dem er scheinbar möchte, daß er nicht unrecht hätte, dabei aber hundertmal Schlimmeres ahnen läßt. Und er hielt sich dabei mit soviel Mäßigung und Geschicklichkeit zurück, daß er sich die Vorwürfe darüber zuzog, die er wünschte, um sich deutlicher zu äußern und mehr Vertrauen zu finden. Angesichts so vieler und so schwerer Widersprüche fühlte Catinat, der im übrigen sah, was er zu tun hatte, seine Hände gebunden und vermochte keine Unternehmung durchzuführen.

Durch diese schönen Machenschaften gaben sie den Kaiserlichen, die zuerst sehr schwach und weit zurück waren, die Zeit sich zu verstärken und allmählich vorzurücken, alle Flüsse ohne Hindernis zu überschreiten, an uns heranzukommen und von Punkt zu Punkt unterrichtet, wie sie waren, am 9. Juli Saint-Frémond anzugreifen, Tessé, der mit wenigen Dragonern: er war drei oder vier Meilen entfernt in seinem Lager von Legnano und acht Bataillone und 20 Schwadronen stark.
die Schuld wurde Catinat zugeschrieben: der Marschall war damals in Ostiglia beschäftigt, das Schlagen einer Brücke zu beschleunigen. Er beeilte sich, Pracomtal über den Po zurückgehen zu lassen und kehrte selbst auf Goito zurück, ohne eine Revanche zu suchen. »Da kein Fluß mehr zwischen den Feinden und uns ist, können wir keine großen Trennungen mehr wagen, und die Lage, in der sich der Herr Graf von Tessé soeben befunden hat, ist eine Lektion in dieser Beziehung«, schrieb er.
der sich mit fünf Kavallerie- und Dragonerregimentern bei Carpi zwischen Etsch und Po verschanzt hatte. Der Prinz Eugen führte dort Infanterie, Geschütze und das Dreifache an Kavallerie heran, ohne daß man die geringste Kunde davon erhielt, und griff das Lager überraschend an. Tessé, der mit wenigen Dragonern nicht weit davon entfernt war, eilte auf das Getümmel herbei.

Der Prinz Eugen, der das Lager im ersten Anlauf zu nehmen dachte, fand dort einen Widerstand, auf den er nicht gerechnet hatte, und der schön und lang war; schließlich mußte man aber doch der Übermacht weichen und sich zurückziehen. Dies geschah in so guter Ordnung, daß der Rückzug nicht beunruhigt wurde. Man verlor viele Leute, darunter Männer von Ansehen. Das war unser Anfang in Italien, und die Schuld wurde Catinat zugeschrieben –, wobei Vaudémont, der in seinen Briefen die Sache nur andeutungsweise behandelte, und Tessé, der seiner Feder nicht den geringsten Zwang auferlegte, das Ihrige taten.

Ärgerlich über diesen unglücklichen Anfang und fortwährend gegen einen bescheidenen und der Verteidiger ermangelnden General eingenommen, sandte der König dem Marschall von Villeroy, der an der Mosel war, den Befehl, sofort nach Eintreffen des Kuriers, ohne ein Wort verlauten zu lassen, abzureisen und seine Weisungen in Empfang zu nehmen. Und so erschien er in Marly, wo alles sich die Augen rieb, als es ihn sah und nicht glauben konnte, daß er es wirklich wäre.

Er war eine Weile mit dem Könige bei Frau von Maintenon; Chamillart kam dann auch hin, und als der König, vom Marschall von Villeroy gefolgt, erschien, um sich zur Tafel zu begeben, wußte man, daß der alle Anwesenden lächelten und senkten die Augen: man erinnerte sich des sonderbaren Ausgangs des Feldzuges von 1695, in dem er die Nachfolge des Herzogs von Luxemburg in Flandern übernommen hatte, ohne etwas anderes als ein negatives Resultat zu erreichen.Marschall den Oberbefehl über die Armee in Italien übernehmen sollte. Nie hätte man ihn für den genommen, der dazu berufen war, die Fehler Catinats wieder gutzumachen. Die Überraschung war also vollkommen, und obgleich diese Wahl wenig Billigung fand, ergoß sich der Höflingsgeist in Komplimenten und Lobeserhebungen.

Zu Ende des Abendessens stellte sich Herr von Duras, der Dienst hatte, wie gewöhnlich hinter den König. Einen Augenblick darauf kündigte ein Beifallsgeschrei, das im Saale ertönte, den Marschall von Villeroy an, der einen Bissen essen gegangen war und nun zurückkehrte, um den König vom Tisch aufstehen zu sehen.

Er erschien also neben Herrn von Duras in jenem Glanze, in dem man ihn sich baden sah. Der Marschall von Duras, der ihn nicht liebte und kaum schätzte, und der sich nicht einmal in Gegenwart des Königs Zwang auferlegte, hörte einen Augenblick auf das Gesumme der Beifallskundgebungen, dann drehte er sich plötzlich nach dem Marschall von Villeroy hin, faßte seinen Arm und sagte zu ihm ganz laut: »Mein Herr Marschall, alle Welt beglückwünscht Sie, daß Sie nach Italien gehen; ich warte mit meinen Glückwünschen, bis Sie wieder zurück sind«, damit fängt er an zu lachen und blickt sich im Kreise um. Villeroy stand verwirrt da und brachte kein Wort heraus, und alle Anwesenden lächelten und senkten die Augen. Der König verzog keine Miene.

 

Die Herzogin von Burgund, die durch ihre Zärtlichkeiten, ihre heitere Gemütsart, ihre Unterwürfigkeit, ihr beständiges Daraufbedachtsein, dem Könige und Frau von Maintenon, die sie stets »meine Tante« noch die Herzogin in Versailles lassen: Dangeau und die Mémoires de Sourches versichern, daß die Prinzessin selbst es war, die eher nach Marly transportiert zu werden verlangte als die Übersiedelung des Hofes dorthin zum Scheitern zu bringen.nannte, zu gefallen, ihr Herz vollkommen gewonnen und sich eine Familiarität angewöhnt hatte, die sie belustigte, verfiel, weil sie nach reichlichem Obstgenuß unklugerweise im Flusse gebadet hatte, um die ersten Tage des August in ein ziemlich heftiges Fieber. Man war gerade im Begriffe nach Marly zu gehen, und der König, dessen Freundschaft nicht so weit ging, daß er sich Zwang auferlegte, wollte weder seine Reise verschieben, noch die Herzogin in Versailles lassen. Das Übel verschlimmerte sich so sehr, daß ihr Zustand sehr bedenklich wurde. Sie beichtete zweimal; denn innerhalb von acht Tagen hatte sie einen gefährlichen Rückfall.

Der Marschall von Villeroy

Der König, Frau von Maintenon, der Herzog von Burgund waren verzweifelt und unaufhörlich bei ihr. Endlich kehrte sie nach einer starken Dosis Brechwurzel, mehreren Aderlässen und anderen Mitteln wieder zum Leben zurück. Der König wollte zu der Zeit, die er beschlossen hatte, nach Versailles zurückkehren, und die Ärzte und Frau von Maintenon hatten alle Mühe von der Welt, ihn noch acht Tage zurückzuhalten. Die Herzogin von Burgund war lange Zeit so schwach, daß sie sich nachmittags zu Bett legte, worauf ihre Damen und einige Privilegierte ein Spiel machten, um sie zu unterhalten. Bald schlängelten sich noch andere ein und gleich darauf alle, die Geld hatten, um das Spiel zu vergrößern. Männer aber hatten keinen Zutritt, außer bei den großen Empfängen mit dem Könige, der morgens und nachmittags während dieses Spiels zu ihr ging, wenn er zur Jagd oder spazierenfahren ging oder davon zurückkehrte.

Herr von Lauzun, dem bei seiner Rückkehr von England der Zutritt zu den großen Empfängen wieder gestattet worden war, folgte eines Tages dem Könige er solle aus dem Gemache gehen: im Vorzimmer des Königs taten zwei Türhüter Dienst, die den Degen an der Seite trugen. »Jeden Morgen, eine halbe Stunde vor dem Lever des Königs begeben sich diese Türhüter auf ihren Posten, nämlich an die Türen des Vorzimmers, und dort dürfen sie niemand einlassen, bevor nicht der diensttuende erste Kammerherr eingetreten ist. Hierauf lassen sie die Offiziere und die dem Hofe bekannten Personen eintreten, sofern kein besonderer Befehl vorliegt.« Was das Schlafzimmer selbst angeht, so war es die Hauptfunktion von sechzehn Türhütern, nur die Standesherren und die notwendigen Offiziere einzulassen. ( État de France.) Die Herzogin von Burgund hatte fünf Türhüter für ihr Schlafzimmer, zwei für ihr Vorzimmer und zwei für ihr Kabinett.zur Herzogin von Burgund. Ein unwissender und sehr unbesonnener Türhüter zupfte ihn am Ärmel und sagte ihm, er solle aus dem Gemache gehen. Das Feuer stieg ihm ins Gesicht, aber, des Königs nicht recht sicher, antwortete er nichts und ging. Der Herzog von Noailles, der an jenem Tage zufällig den Kommandostab führte, bemerkte es als erster und sagte es dem Könige, der boshafterweise nichts tat, als darüber lachen und noch Zeit hatte, sich das Vergnügen zu machen, Lauzun das Zimmer verlassen zu sehen.

Der König erlaubte sich selten Bosheiten, aber es gab Leute, bei denen er nicht anders konnte, und Herr von Lauzun, den er immer gefürchtet und seit seiner Rückkehr nie geliebt hatte, war einer davon. Die Herzogin von Lude, die von dem Vorkommnis benachrichtigt wurde, geriet in große Aufregung. Sie fürchtete, wie alle Welt, Lauzun sehr, aber noch mehr fürchtete sie die Diener, so daß sie sich, anstatt dem Türhüter gehörig den Kopf zu waschen, damit begnügte, ihn am nächsten Morgen zu Lauzun zu schicken, damit er wegen seiner Dummheit um Verzeihung bitte. Dieser aber war nur um so zorniger über eine so schwache Genugtuung.

Zufrieden, daß er sich einen Augenblick auf seine Kosten unterhalten hatte, sagte ihm der König am andern Morgen bei seinem kleinen Lever einige freundliche Worte über sein Abenteuer und ließ ihn am Nachmittag holen, damit er ihm zur Herzogin von Burgund folge.

Das Schauspiel, das sich dort bot, war eigenartig für einen Ort, der einer der Mittelpunkte des Hoflebens war, weil alle Damen dort Zutritt hatten und in großer Zahl versammelt waren und nur die Männer (zurzeit) nicht zugelassen wurden. Auf der einen Seite des Bettes war das Spiel etabliert und sah man alle Damen, die zugegen waren, auf der andern saß am Kopfende des Bettes Frau von Maintenon in einem großen Lehnstuhl. Am andern Ende auf derselben Seite saß am Bettpfosten der König auf einem Faltstuhl. Um sie herum sah man die vertrauten oder bevorrechteten Damen sitzend oder stehend, je nach ihrem Rang, ausgenommen Frau von Heudicourt, die neben dem Könige auf einem kleinen ganz niedrigen Stuhle dicht über dem Boden saß, weil sie sich nicht auf ihren langen alten Beinen halten konnte. Diese Anordnung war alle Tage dieselbe, und sie verfehlte nicht, Überraschung und Entrüstung zu erwecken, da man sich nicht daran gewöhnen konnte, Frau von Maintenon so in aller Öffentlichkeit im Lehnstuhl sitzen zu sehen.

 

Der biedere Saint-Hérem starb mehr als achtzigjährig zu Hause in der Auvergne. Er war Großwolfjägermeister gewesen. Seine Frau war ihrem Aussehen nach die seltsamste Kreatur von der Welt und in ihrer Art und Weise die sonderbarste. Sie verbrannte sich einmal einen Schenkel mitten in der Seine bei Fontainebleau, wo sie badete: sie fand das Wasser zu kalt; sie wollte es erwärmen und ließ zu diesem Zwecke eine Portion davon am Ufer heiß machen und sie dicht neben und auf sich gießen, so daß sie, bevor dieses Wasser sich in dem des Flusses abkühlen konnte, davon verbrüht wurde und das Bett hüten mußte. Wenn es donnerte, kroch sie auf allen Vieren unter ein Ruhebett, ließ sodann alle ihre Leute sich darauf legen, einen über den andern, damit, wenn der Blitzstrahl sich Evangelien auf den Kopf lesen zu lassen: noch heute liest der Priester in gewissen Gegenden als Sühnezeremonie den Anfang des Johannesevangeliums, indem er einen Zipfel seiner Stola auf den Kopf des Interessenten legt.niederführe, er seine Kraft an ihnen verbraucht hätte, bevor er bis zu ihr kam. Sie hatte sich und ihren Mann aus Blödsinn ruiniert, und sie waren reich gewesen. Es ist ganz unglaublich, was sie dafür ausgab, sich Evangelien auf den Kopf lesen zu lassen. Das beste Abenteuer unter tausend war das mit dem Verrückten, der eines Nachmittags, als alle ihre Leute beim Essen waren, bei ihr eindrang, und als er sie allein in ihrem Schlafzimmer fand, sie sehr brünstig umarmte. Die gute Frau, die schon mit achtzehn Jahren abschreckend häßlich, nun aber Witwe und mehr als achtzig Jahre alt war, fing an aus Leibeskräften zu schreien. Endlich hörten ihre Leute sie und fanden sie mit emporgestreiften Röcken in den Armen dieses vor Geilheit rasenden Menschen, gegen den sie sich mit allen Kräften wehrte. Sie nahmen ihn fest und stellten ihn vor Gericht, das sich, ebenso wie alle, die davon hörten, weidlich darüber lustig machte. Der Verrückte wurde als solcher erkannt, und die Sache hatte weiter keine Folgen als die Lächerlichkeit, daß die Sache so an die große Glocke gehängt worden war.

 

Wenn Vaudémont befriedigt war, den Marschall von Villeroy in Italien zu sehen, so war das ein neues Herzeleid für Tessé, und um so mehr, als er nicht mehr hoffen durfte, auf krummen Wegen zum Kommando der Armee zu gelangen und keine Möglichkeit sah, sich an diesen neuen General wie an Catinat zu wagen. Es gab keine Geschmeidigkeit, die er Villeroy gegenüber nicht bewies, um ihn auf seine Seite zu bringen. Catinat nahm diese Kränkung wie ein Philosoph und erweckte durch seine Mäßigung und Tugend Bewunderung. Die Ruhe, mit der er den Oberbefehl in die Hände des Marschalls von Villeroy legte und das Verhalten, das er bei der Armee beobachtete, gewann ihm ihre Herzen wieder. Man erinnerte sich endlich der Lorbeeren, die er in Italien gepflückt hatte, bei Villeroy aber fand man deren keine. Die Machenschaften, der Undank, der Erfolg Tessés empörten, aber dabei blieb es.

Tessé, der allein mit seinem Sohn und einem Generaladjutanten Saint-Frémond bei Carpi zu Hilfe geeilt war, anstatt sich von seinem ganzen Lager folgen oder es doch wenigstens holen zu lassen, nachdem er gesehen, worum es sich handelte, wurde stark beschuldigt, er habe Saint-Frémond den Hals brechen lassen und den Kaiserlichen den Durchzug durch alle Posten der Armee ermöglichen wollen, die, da sie nutzlos ein allzu großes Gebiet bewachten, zu zahlreich waren, sich zu wenig untereinander beistehen konnten und die Armee zu sehr verzettelten. Darüber gerade beklagte sich Tessé auf Kosten Catinats, als wenn Vaudémont nicht mitverantwortlich gewesen wäre. Aber diese Klagen und die Schleichwege Tessés übten in Paris am Hofe eine solche Wirkung aus, daß niemand Catinat zu verteidigen wagte.

Catinat bot Villeroy sein Haus und seine Equipagen an, bis dieser sich installiert habe, aber er stieg bei seinem Freunde Vaudémont ab, der ihn mit der Liebenswürdigkeit und dem Glanze eines Mannes empfing, der fühlt, wie notwendig er einen andern hat, und der die Mittel ihn zu blenden kennt. In der Tat machte er mit ihm auch alles, was er wollte, und hatte an ihm überdies einen Günstling des Königs und einen Freund des Ministers, der es sich angelegen sein ließ, ihn zur Geltung zu bringen. Da Tessé Villeroy nicht beseitigen nach langen und sehr verdächtigen Verzögerungen: der Herzog von Savoyen, der 8000 Mann zu Fuß und 2500 Reiter für 50 000 Taler monatlich zu liefern hatte, kam am 25. Juli an, um das Generalkommando der Armee »der Kronen« zu übernehmen.konnte, hoffte er sein Vertrauen zu erringen und sich durch ihn mit Unterstützung von Vaudémont einen wesentlichen Einfluß bei der Armee zu verschaffen. Aber seine zügellosen Ausfälle gegen Catinat erweckten bei Villeroy Verdacht und dann Eifersucht; er behandelte ihn kühler, und der Herzog von Savoyen selbst konnte sich nicht enthalten, Tessé darüber ziemlich deutlich seine Meinung zu sagen, was ihn bewog, seinen Ton sehr zu mäßigen.

Der Herzog von Savoyen stieß endlich mit seinen Truppen nach langen und sehr verdächtigen Verzögerungen zur Armee. Seine Ankunft änderte nichts an der Genauigkeit, mit der die Feinde von allen Plänen, von allen Maßnahmen und von den geringsten Bewegungen, die in unserer Armee vor sich gingen, unterrichtet waren. Das Einverständnis zwischen ihm und Vaudémont war vollkommen. Obgleich sie der Partei nach scheinbar Franzosen waren, stimmten sie in ihrer eigentlichen Neigung im Grunde überein. Der Herzog von Savoyen, obgleich wenig zufrieden mit dem Kaiser, der ihm nicht alles gehalten hatte, was er ihm versprochen, und auch mit dem König Wilhelm wenig, der ihn sehr schlecht behandelt hatte, weil er sich durch den Vertrag von Turin von ihnen getrennt, sah nur mit äußerstem Bedauern die spanische Monarchie französisch geworden und sich zwischen dem Großvater und dem Enkel durch das Mailändische und Frankreich eingeschlossen. Er nahm also nur teil, um Nutzen aus dem zu ziehen, was er nicht hindern konnte, und wünschte heiß die Wiedereinsetzung des Kaisers in Italien, wie sich nur allzubald herausstellte. Unterdessen schien es, als übe er mit Sorgfalt und Umsicht alle Funktionen eines Generalissimus aus. Chiari: westlich von Brescia, am Oglio.
Wir verloren dort: der König gab schließlich zu, daß die Verluste 300 Offiziere und gegen 2000 Soldaten betrugen; nach Berechnungen auf deutscher Seite war es um die Hälfte mehr. Prinz Eugen behauptete nur 36 Tote und 80 Verwundete gehabt zu haben. Es wurde damals in den Gefechtsberichten ebensoviel gelogen wie heute.

Victor Amadeus II., Herzog von Savoyen

Die Armeen näherten sich indessen einander, wobei die der Kaiserlichen ständig an Terrain gewann, und es handelte sich für sie nun darum, wer sich zuerst des Postens von Chiari bemächtigen würde. Der Prinz Eugen war der Schnellere. Chiari war ein großer von Mauern umgebener Ort, auf einer kaum wahrnehmbaren Erhöhung gelegen, die aber den Blick auf das, was dahinter lag, auf dem Grunde eines Baches, der ganz in der Nähe floß, hinderte.

Der Herzog von Savoyen ließ diesen Posten am 1. September durch acht Brigaden Infanterie angreifen und fand starken Widerstand. Er schickte immer neue Truppen ins Gefecht und setzte sich selbst außerordentlich der Gefahr aus, um Achtung und Vertrauen zu gewinnen und zu zeigen, daß er tapfer und ehrlich vorgehe; aber er griff Mauern an und eine ganze Armee, die fortwährend frische Truppen ins Gefecht brachte, so daß er, nachdem er eine Menge Tote verloren hatte, sich schimpflich zurückziehen mußte.

Diese Torheit bei einem Fürsten, der das Kriegshandwerk verstand und den die persönliche Gefahr nichts kostete, erregte schweren Verdacht. Villeroy war überall sehr sichtbar, und Catinat, der sich in nichts mischte, schien dort den Tod zu suchen, der ihn nicht zu treffen wagte. Wir verloren dort fünf oder sechs wenig bekannte Obersten und eine Menge Leute und hatten eine große Zahl Verwundete.

Dieses Gefecht, in dem die französische Tapferkeit sich sehr hervortat, erschreckte unsere Armee sehr und ermutigte die der Feinde beträchtlich, die für den Rest des Feldzuges so ziemlich taten, was sie wollten.

Zu Ende des Feldzuges zog die Vertraulichkeit, die der Marschall von Villeroy sich dem Herzog von Savoyen gegenüber erlaubte, ihm einen empfindlichen Verdruß, um nicht zu sagen eine Beleidigung zu. Der Herzog, der mitten unter allen Generälen und der Blüte der Armee stand, öffnete während des Plauderns seine Tabaksdose und wollte eine Prise Tabak nehmen. Der Marschall von Villeroy, der neben ihm stand, streckt die Hand aus und greift, ohne ein Wort zu sagen, in die Dose. Der Herzog von Savoyen wird rot und leert sofort seine Tabaksdose auf den Boden aus, dann gibt er sie einem seiner Leute mit dem Auftrag, ihm frischen Tabak zu bringen. Der Marschall wußte in seiner Verlegenheit nicht wohin und schluckte den Schimpf, ohne daß er gewagt hätte, ein Wort zu sagen, während der Herzog von Savoyen die Unterhaltung, die er kaum durch das Verlangen nach anderem Tabak unterbrochen hatte, immer fortsetzte.

Die Eitelkeit des Marschalls von Villeroy hatte unter der Gegenwart von Phélypeaux, dem Gesandten beim Herzog von Savoyen, zu leiden, welcher ihm zur Armee folgte. In dieser Eigenschaft hatte er die gleiche Wache, die gleiche Salutierung und durchweg dieselben militärischen Ehren wie der General der Armee des Königs und überdies noch das Vorrecht bei der Verteilung des Quartiers und des Vortritts für sich und seine Equipagen. Dies war für den Marschall bei einem Manne wie Phélypeaux, der kaum Generalleutnant war, unerträglich, und Phélypeaux, der Geist hatte wie hundert Teufel und ebensoviel Bosheit wie sie, fand Vergnügen daran, den Marschall in Verzweiflung zu setzen, indem er überall ihm gegenüber von seinen Vorrechten Gebrauch machte. Das verursachte einen solchen Groll zwischen ihnen, daß daraus viel Unheil So ging der Feldzug hin: man rühmte sich immer, die Pläne der Kaiserlichen durchkreuzt zu haben, und dennoch erzielten diese stets Erfolge, sagt der Kommentator der Mémoires de Sourches, Bd. VII, S. 155, Anm. 1.
ihre Truppenzahl vergrößerten: die indes immer ganz bedeutend hinter jener der Kronen Frankreich und Spanien zurückblieb.
Catinat begab sich nach Paris: er erschien am 30. Januar 1702 vor dem Könige.
entstand. Phélypeaux, der in allem klar sah, wurde es müde, einen Mann zu informieren, der aus Ärger keinerlei Gebrauch davon machte und sich darin gefiel, dem Hofe das gerade Gegenteil von dem zu melden, was Phélypeaux berichtete, der bald hinter die Treulosigkeit des Herzogs von Savoyen kam, und dessen Warnungen durch die Briefe des Marschalls von Villeroy um ihre Wirkung gebracht wurden.

So ging der Feldzug hin, indem wir beständig zurückwichen und die Kaiserlichen mit Leichtigkeit und Kühnheit vordrangen und ihre Truppenzahl vergrößerten, während sich die unsrigen durch einen täglichen Abgang an kleinen Verlusten und durch Krankheiten verminderten, so daß man die Belagerung von Mailand fürchtete, d. h. des Kastells, woran der Prinz Eugen jedoch im Ernst niemals dachte. Er und der Marschall von Villeroy bezogen ihre Winterquartiere, jeder auf seiner Seite, und brachten die rauhe Jahreszeit an der Grenze zu. Der Herzog von Savoyen zog sich nach Turin zurück, und Catinat begab sich nach Paris. Der König empfing ihn höflich, aber er sprach mit ihm nur über die Wege und seine Reise und sah ihn nicht in Privataudienz, während Catinat sich seinerseits keine Mühe gab, eine solche zu erlangen. Die Reise nach Bourbon … hatte ihm wenig geholfen: er war am 11. Juni wieder nach Saint-Germain zurückgekehrt.


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