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V

Der Ungehorsam des Kardinals von Bouillon. Der König nimmt ihm die Großalmosenierscharge. Seine Güter werden eingezogen. Seine Eitelkeit. Exkurs über die Unzweckmäßigkeit des Verlangens nach französischen Kardinälen. Letztere eine Last und Gefahr für das Land. Tod des Herzogs von Glocester. Sein Präzeptor le Vassor. Er wird als Spion der Jesuiten entlarvt. Seine Grausamkeit. Er konvertiert. Die Gräfin von Verue. Der alte Abt von Verue verfolgt sie mit seiner Liebe. Sie wird Mätresse des Herzogs von Savoyen. Ihre Flucht vom savoyischen Hofe nach Paris. Tod Fräuleins von Condé. Rangstreit bei der Leichenfeier. Höflichkeit des Prinzen von Condé. Tod Rancés. Tod des Papstes. Abreise der französischen Kardinäle. Mißglückte Intrige des Kardinals von Bouillon.

 

Der Kardinal von Bouillon, der immer noch in Rom war und auf ein Konsistorium wartete, um sich dort um das Dekanat und das Bistum Ostia zu bewerben, fuhr fort, den Heiliggeistorden zu tragen und sich, als guter Franzose, über den König lustig zu machen. Er behauptete durchaus mit Unrecht, daß seine Großalmosenierscharge ein Kronamt sei, wie viele andere, und daß sie ihm infolgedessen, wenn er sie nicht niederlege, nicht ohne Prozeß genommen werden könne, vor dem aber schütze ihn sein Purpur.

Der König, dessen Geduld durch einen so fortgesetzten und offenbaren Ungehorsam erschöpft war, befahl endlich dem Parlament, ihm den Prozeß zu machen; als man sich jedoch damit befassen wollte, ergaben sich so viele Hindernisse, daß man die Absicht aufgeben mußte. Einziehung aller privaten und kirchlichen Güter: die Einnahmen des Kardinals von Bouillon aus seinen Pfründen wurden auf 200 000 Livres veranschlagt.Man ersetzte ihn durch ein in Gegenwart des Königs, Sonntag den 12. September (1700) erlassenes Staatsratsurteil, das die Einziehung aller privaten und kirchlichen Güter des Kardinals von Bouillon verfügte. Dieses Urteil wurde an alle Provinzintendanten geschickt, um es sofort unnachsichtlich vollstrecken zu lassen. Am gleichen Tage wurde der Bestallungsbrief der Großalmosenierscharge an den Kardinal von Coislin nach Rom gesandt und die Bestallung als Erster Almosenier dem Bischof von Metz, seinem Neffen, der nur die Expektanz besaß. Der König beauftragte Pontchartrain, diese traurige Nachricht dem Herzog von Bouillon zu überbringen und ihm zu sagen, daß er sich nur schweren Herzens zu diesem Schritt entschlossen habe.

Die Verzweiflung des Kardinals war außerordentlich, als er dieses Urteil und die Übertragung seiner Charge an den Kardinal von Coislin vernahm, der sie nicht abzulehnen wagte. Der Stolz hatte ihn immer verhindert zu glauben, daß man gegen ihn so weit gehen werde. Er gab seine Demission nicht, und man verlangte sie auch nicht mehr von ihm, da man ihrer nicht mehr bedurfte. Seine Verlegenheit war der Heiliggeistorden. Der Fürst von Monaco ließ ihm sagen, daß wenn er ihn nicht ablege, er Befehl habe, ihm denselben vom Halse zu reißen. Wenn er von einem so weitgehenden Schritt gegen einen Kardinal eine für diesen peinliche Folge hätte erhoffen können, so hätte er sich nichts Besseres gewünscht, aber sein inzwischen etwas beruhigter Zorn ließ ihn die ganze Schwäche des Kardinals erkennen und die ganze Torheit, daß er trotz des Königs den Orden behalten wollte, den er doch nur als das äußere Zeichen einer Charge erhalten hatte, die ihm genommen, und mit der ein anderer zurzeit gleichfalls in Rom anwesender Kardinal bekleidet worden war. Er entschloß sich, der Not gehorchend, die Abzeichen des Ordens abzulegen, kläglich aber war, daß er ein schmales blaues Ordensband mit dem goldenen Kreuz am Ende unter seiner Soutane trug und hie und da ein wenig von diesem Blau sehen zu lassen trachtete.

Ich kann mich nicht enthalten, hier meiner Verwunderung über die Manie Ausdruck zu geben, daß man in Frankreich durchaus Kardinäle haben und Untertanen in die Lage versetzen will, daß man mit ihnen rechnen muß, daß sie alles wagen, was ihnen gut dünkt, und ungestraft den Königen und den Gesetzen Hohn sprechen. Der König hatte zu Beginn seiner Regierung das beleidigende Gewicht dieses Purpurs sogar in seiner Hauptstadt gespürt, und zwar durch den Kardinal von Retz, der nach allem, was er begangen hatte, es durchsetzte, daß man ihm eine goldene Brücke baute und ihn mit Auszeichnungen und Vorzügen aller Art empfing. Die letzten Jahre der gleichen Regierung erhielten durch den Kardinal von Bouillon die nämliche Signatur. Wenn unsere Könige in Frankreich keine Kardinäle duldeten und Italienern ihre Nomination erteilten, würden sie die ersten Häuser und hervorragendsten Untertanen Roms durch diese Hoffnung an sich fesseln, und die von ihnen Ernannten würden als Landeskinder in ihren Familien und unter ihren Freunden, und da sie täglich von allem, was in Rom vorgeht, unterrichtet wären, weit nützlichere Dienste leisten als ein französischer Kardinal, der lange Zeit braucht, um sich auf der Karte des Landes zurechtzufinden, stets als Zugvogel angesehen wird und sich nie die Freundschaft und das Vertrauen erwerben, sowie die nötige Leichtigkeit und Geschicklichkeit im Verkehr mit den Italienern aneignen kann, wie ein Landeskind. Dieser italienische Kardinal hat in Frankreich weder Freunde noch eine Familie, die ihn stützt, wenn er Unzufriedenheit erregt. Er ist also viel mehr darauf bedacht, den in ihn gesetzten Erwartungen zu entsprechen als ein Franzose, der dort nur dann etwas erreicht, wenn er starken Rückhalt findet, oder der sich im äußersten Falle zu trösten weiß, indem er nach Hause und zu den Seinen zurückkehrt, wo er, was immer er getan haben mag, in Reichtum und höchsten Ehren schwimmt und alle Auszeichnungen, alle Wertschätzung und alle Rücksichten für sich und die Seinen genießt. Man fürchtet einen Italiener nicht mehr, der mit dem Vertrauen des Hofes, der ihn erhoben hat, in Rom sein ganzes Ansehen einbüßt und in Geringschätzung fällt, und dessen Beispiel seinen Nachfolger eine Ungnade vermeiden lehrt, die den ganzen Rest eines Lebens mit Verdrießlichkeiten erfüllt.

Bei einem Konklave aber lassen sich die Italiener ganz von ihren eigenen Interessen, Kabalen und geheimen Ränken beeinflussen und leiten und sind, wenn sie die Möglichkeit sehen, ihren Schlag zu führen, in der Lage, ihren Gegner vor der Ankunft der Ausländer mattzusetzen, während die letzteren viel Zeit brauchen, um klar zu sehen, dies aber nur können, wenn die andern ihnen dazu verhelfen, vorausgesetzt, daß sie sie nicht täuschen, was sehr häufig geschieht. Und ist dann das Konklave zu Ende, so haben sie nichts Eiligeres zu tun, als wieder zurückzukehren. Ein Italiener hingegen, der zu einer Papstwahl beigetragen und keinen anderen Aufenthaltsort hat als Rom, profitiert für die Krone, der er dient, von dem Wohlwollen des Papstes und seiner Familie, das er sich erworben, und bei seiner vom Familieninteresse diktierten Empfänglichkeit für all die kleinen Da er außerdem keine Reisen zu unternehmen hat: man gab den französischen Kardinälen, die sich zum Konklave nach Rom begaben, 18 000 Livres.Vorteile der römischen Prälatur, sowie bei seiner gründlichen Vertrautheit und seinen nahen Verbindungen mit dem römischen Hofe, sind die Erwägungen, die ihn leiten, weit richtiger und werden bei der Wahl eines genehmen Papstes (dessen Wahl seiner eigenen Familie Nutzen bringt und damit auch der Krone zugute kommt) von seiner Geschicklichkeit und seinen Freunden besser unterstützt. Er begnügt sich mit einigen guten Abteien; er braucht keine vier- und fünfhunderttausend Livres Rente wie unsere Kardinäle, die sich bei weniger als 300 000 Livres Rente für arm und schlecht behandelt halten; und, da alles im Verhältnis steht, und die italienischen Kardinäle nicht reich sind, sich bisweilen sogar mit 200 Talern Pension einrichten, übertrifft er an Einkommen alle andern bei weitem, sofern er eben einige ansehnliche Abteien besitzt; dazu hat er mehr Möglichkeit als die unseren, diese Abteien zu Kommenden zu machen. Da er außerdem keine Reisen zu unternehmen hat, braucht man ihm auch keine zu bezahlen wie unseren Kardinälen. Er hat in Frankreich für die Seinigen nichts zu verlangen; was er erreicht, bleibt auf ihn selbst beschränkt. Er ist geschmeidiger mit unseren Gesandten, weil er keinen Rückhalt am Hofe hat, den er benutzen könnte, und ihre Übereinstimmung ist der Eifersucht nicht ausgesetzt; denn weit entfernt, gleich unseren Kardinälen darauf hoffen zu können, die Oberhand über ihn zu behalten, hängen von der Einigkeit mit ihm seine Erfolge in den Geschäften, und von seinem Zeugnis die Befriedigung und Wertschätzung ab, die er sich zu verdienen trachtet. Unser Klerus wird infolgedessen unabhängig vom römischen Hofe; er kommt nicht mehr in Versuchung, seine Hoffnungen durch seine Schwäche und die Preisgabe der Rechte des Episkopats, der Rechte des Königs und der Krone und der Freiheiten unserer Kirche zu nähren. Ein Kardinalshut, den einer unserer Prälaten durch seine Nachgiebigkeit und seine Abhängigkeit von Rom ergattert, veranlaßt eine große Zahl anderer denselben Weg zu gehen um einer Hoffnung willen, die hingehalten wird, die sie belebt statt abzustoßen, und die sich doch nie erfüllt. Dieser mit der Wurzel ausgerissene Ehrgeiz würde den römischen Hof weit weniger verwegen, weit maßvoller machen, würde seinen Machenschaften durch den Beichtvater, durch die Jesuiten und die anderen Ordensleute, über die er verfügt, vorbeugen und von der Verlegenheit befreien, ihm Widerstand leisten zu müssen. Er hätte auch keine Hoffnung mehr auf den Ehrgeiz der Minister und Günstlinge für ihre Angehörigen.

Die Kardinalswürde, die eine große Auszeichnung für die Emporkömmlinge bedeutet, ist stets ein großer Vorteil für die andern, die infolge des Ansehens eines Kardinals, mit dem sie verwandt sind, der sie fördert und dessen reiche Börse für ihre Bedürfnisse sorgt, Beförderung und Bevorzugung finden. Das macht die Staatsbeamten so behutsam Rom gegenüber, von dem sie wissen, daß auch der geringste Widerstand, den es findet, es unversöhnlich macht. Selbst diejenigen, die noch niemand haben, der so weit wäre, daß er an den Kardinalshut denken könnte, wollen ihm nicht zum Hindernis werden, und dank allen diesen Rücksichten ist Rom stets und mit Glück unternehmend. Wenn dagegen kein Franzose je zum Purpur gelangen könnte, würden alle die Augen nur noch auf den König gerichtet halten, weil sie nur von ihm etwas zu hoffen hätten und jedes andere Avancement, jede andere Größe ihnen streng verboten wäre.

Aber das sind ziemlich unnütze Betrachtungen, da unsere Könige gegen ihre eigenen Interessen handeln und nichts sie davon abbringt, Waffen gegen ihre Person und ihre Krone zu liefern und ihre größten Geschenke denen gelten, die sich aus der Abhängigkeit von ihnen losmachen und über alle Gesetze stellen.

 

Der König von England verlor den Herzog von Gloucester, den präsumptiven Erben seiner Kronen. Er war elf Jahre alt und der einzig überlebende Sohn der Prinzessin von Dänemark. Sein Präzeptor war der Doktor Burnet, Bischof von Salisbury, der das Geheimnis der Invasionsaffäre besaß und beim Ausbruch der Revolution mit dem Prinzen von Oranien nach England ging. Unterpräzeptor war der berühmte le Vassor, der Verfasser der »Geschichte Ludwigs XIII.«, die man mit noch größerem Vergnügen lesen könnte, wenn er darin weniger Ingrimm gegen die katholische Religion und Animosität gegen den König und viele andre Leute an den Tag gelegt hätte; davon abgesehen aber ist sie ausgezeichnet und wahr. Dieser Autor hat so viel Staub aufgewirbelt, daß es sich wohl der Mühe verlohnt, etwas von ihm zu erzählen. Er war Priester vom Oratorium, beschäftigte sich eifrig mit Studien und hatte eine angesehene Stellung in seinem Orden; im übrigen war er ein Mann von einfacher Herkunft. Niemand hatte Mißtrauen gegen ihn, und er wurde sogar als ein Mann angesehen, dessen Sitten ohne Tadel waren, dessen Geist und Wesen dem Oratorium Ehre machten, und der Aussicht hatte, es darin mit der Zeit zu den ersten Stellen zu bringen. Die Überraschung war daher außerordentlich, als während der Abhaltung einer allgemeinen Ordensversammlung der Pater de la Chaise sich den leitenden Superioren gegenüber sehr verstimmt über einen Entschluß äußerte, von dem diese geglaubt hatten, daß er vollkommen geheim geblieben sei. Der Verdacht, ihn verraten zu haben, konnte nur auf den Pater le Vassor fallen, der dank dem Vertrauen, das man in ihn setzte, darum wußte. Man nahm einen Augenblick wahr, da er nicht in seiner Zelle war, um hineinzugehen; die gleichen Superioren durchsuchten dort seine Papiere: sein Tisch selbst verriet ihn; er hatte darauf Briefe von seiner Hand und an sich liegen lassen, Memoiren, und andere Dinge, die den vollkommensten Beweis seines Verrates lieferten und zeigten, daß er, seitdem er den Kragen des Oratoriums angelegt, nicht aufgehört hatte, der Spion der Jesuiten zu sein.

Als dieser Ehrenmann in seine Zelle zurückkehrte, wirft er einen Blick auf seinen Tisch und sieht, daß viele Papiere fehlen; er untersucht ihn und sieht, was ihm fehlt. Er ist außer sich und sucht überall nach, mehr in einem letzten Rest von Wunsch als von Ungewißheit, er könnte sie selbst verlegt haben; aber er ist noch nicht mit Suchen fertig, als die nämlichen Superioren erscheinen und ihn der weiteren Mühe entheben.

Die Wut, sich entdeckt zu sehen, löste die Unruhe ab: er schnürte sein Bündel, zog sich zurück und vertauschte das Krägelchen des Geistlichen bereits am anderen Tage mit dem Kragen der Weltleute. In seiner Verzweiflung geht er zum Pater de la Chaise, um ihn um eine Abtei zu bitten und ihn von seiner üblen Lage zu unterrichten. Ein unnütz gewordener Spion erfreut sich keiner besonderen Schätzung mehr; die Entdeckung, die ihn entehrte, fiel unmittelbar auf die Jesuiten zurück, die es nicht eilig hatten, seine Unvorsichtigkeit zu belohnen.

Außer sich vor Verzweiflung, Scham, Hunger und Abtei von Perseigne: Im 12. Jahrh. gegründete Zisterzienserabtei in der Diözese le Mans bei Mamers. Rancé hatte dort sein Noviziat absolviert, bevor er die Leitung des reformierten La Trappe übernahm.einem immer peinigender werdenden Warten auf eine Pfründe, nahm er seine Zuflucht zu la Trappe. Die Absichten, die ihn dorthin führten, waren keine lauteren – so war denn auch kein Segen dabei: nach wenigen Tagen schon zeigte sich seine Berufung versiegt. Er suchte die Abtei von Perseigne auf, mietete dort die Abtwohnung und blieb einige Monate da. Er hatte dort hundert Reibereien mit den Mönchen: ihr Garten war von dem seinigen nur durch eine dichte Hecke getrennt, die Hühner der Mönche gelangten hinüber, er geriet darüber mit den Mönchen in Wortwechsel, bis er eines Tages sich so vieler ihrer Hühner bemächtigte wie er konnte, ihnen mit einem Hackmesser die Schnäbel und die Sporen abschnitt, und sie den Mönchen über die Hecke warf. Diese Grausamkeit ist so augenfällig, daß ich sie habe mitteilen wollen.

Eine so mürrische und zänkische Zurückgezogenheit, die außerdem nicht Gott geweiht war, konnte nicht von Dauer sein. Aus Wut und Hunger ging er nach Holland, wurde Protestant und machte sich daran, von seiner Feder zu leben. Er wurde bald durch sie bekannt. Seine Eigenschaft als Proselyt, die zwar für gewöhnlich in diesem Lande und mit großem Recht verachtet wird, erwies sich als von Geist, Wissen, Begabung und Genialität unterstützt. Von einem Manne, der aus dem Oratorium gejagt worden war, weil er dort der Spion der Jesuiten gewesen, durfte man hoffen, mancherlei zu erfahren. All das verschaffte ihm Bekanntschaften, Freunde, Gönner. Er wurde in England durch seinen Ruf bekannt: er hoffte dort mehr Glück zu haben als in Holland und ging mit den Empfehlungen seiner Freunde hinüber. Burnet empfing ihn mit offenen Armen. Seine »Geschichte Ludwigs XIII.« ergötzte den Haß gegen seiner zweiten Frau: Anne de Rohan-Montbazon, verheiratet 1661, gestorben 1684.
Ihre Schwiegermutter: Marie-Angélique Martin de Dizimieu. Sie überlebte ihren Sohn.
Der Herzog von Savoyen, der ebenfalls jung war: er heiratete 1684 die Tochter des Herzogs von Orléans, die am 30. Mai in Turin einzog. Im gleichen Jahre gebar Frau von Verue einen Sohn; am 6. Dezember des folgenden Jahres brachte die Herzogin von Savoyen Marie-Adelheid, die künftige Gattin des Herzogs von Burgund, zur Welt.
die katholische Religion und gegen den König, und Burnet machte den König von England mit ihm bekannt und erlangte, daß er unter ihm Unterpräzeptor des Herzogs von Glocester wurde.

Es war schwer, ihn durch zwei andere ebenso große Feinde der Katholiken und Frankreichs unterrichten zu lassen, und nichts entsprach den Ansichten König Wilhelms über die Erziehung seines Nachfolgers besser.

 

Unter so vielen wichtigen Geschehnissen, welche die größten Ereignisse vorbereiteten, begab sich eines, das zwar sehr privater Natur war, das aber merkwürdig genug ist, um eine kurze Erzählung zu verdienen. Die Gräfin von Verue lebte schon seit einer ganzen Reihe von Jahren in Turin als die allgemein bekannte Mätresse des Herzogs von Savoyen. Sie war eine Tochter des Herzogs von Luynes und seiner zweiten Frau, die auch seine Tante war. Die große Zahl Kinder aus dieser zweiten Ehe des Herzogs von Luynes, der nicht reich war, hatte ihn genötigt, sich seiner Töchter so gut es ging zu entledigen. Die meisten waren schön; diese ganz besonders, und sie wurde ganz jung in Piemont verheiratet, im Jahre 1683, war sie doch noch keine vierzehn Jahre, als sie dorthin ging. Ihre Schwiegermutter war Ehrendame der Herzogin von Savoyen; sie war Witwe und erfreute sich großen Ansehens. Der Graf von Verue war ganz jung, schön, gut gewachsen, reich, geistvoll und ein vortrefflicher Mensch. Sie hatte ebenfalls viel Geist und, in der Folge, einen beharrlichen, folgerichtigen, ganz auf das Herrschen gerichteten Geist. Sie liebten sich sehr und brachten einige Jahre in diesem Glücke hin.

Der Herzog von Savoyen, der ebenfalls jung war und die junge la Verue dank der Charge ihrer Schwiegermutter Bäder von Bourbon: Bourbon l'Archambauld, Bad, das zeitweise Vichy vorgezogen wurde. Nach einem Briefe der Herzogin von Luynes vom Juni 1689 zu schließen, sind sich Onkel und Nichte in Vichy begegnet. Saint-Simon sagt in einer späteren Ergänzung, daß weder der Vater noch der Bruder der Gräfin von Verne mit ihr in Bourbon bzw. Vichy zusammentreffen konnten.häufig sah, fand Gefallen an ihr; sie wurde es gewahr und sagte es ihrem Gatten und ihrer Schwiegermutter, die sich damit begnügten, sie dafür zu loben und der Sache keine Wichtigkeit beimaßen.

Der Herzog verdoppelte seine Aufmerksamkeiten und gab gegen seine Gewohnheit und seinen Geschmack Feste. Die junge Verue merkte, daß es um ihretwillen geschehe und tat alles, was sie konnte, um nicht daran teilnehmen zu müssen. Die Alte wurde jedoch böse, schalt sie aus, sagte ihr, sie wolle sich wichtig machen, und es sei nur eine Einbildung, die ihre Eigenliebe ihr eingebe. Der Gatte, sanfter als die Mutter, wollte ebenfalls, daß sie bei diesen Festen erscheine.

Der Herzog ließ mit ihr reden; sie sagte es ihrem Gatten und ihrer Schwiegermutter und bat, so sehr sie nur konnte, man möge sie eine gewisse Zeit auf dem Lande zubringen lassen: sie wollten nie etwas davon hören und fingen an, sie so hart anzufahren, daß sie sich, da sie nicht mehr aus noch ein wußte, krank stellte, sich die Bäder von Bourbon verordnen und dem Herzog von Luynes, dem sie nicht gewagt hatte, von ihrer schlimmen Lage zu schreiben, sagen ließ, sie beschwöre ihn, nach Bourbon zu kommen, wo sie ihm Dinge mitteilen müsse, die ihn auf das empfindlichste berührten; denn man erlaube ihr nicht, nach Paris zu gehen.

Der Herzog von Luynes begab sich zur gleichen Zeit wie sie dorthin. Ihr Begleiter war der Abt von Verue, der Bruder des Vaters ihres Gatten, den man auch den Abt Scaglia nach dem Namen seines Hauses nannte. Er war schon recht bei Jahren, hatte hohe Ämter und Gesandtenposten bekleidet und wurde schließlich Staatsminister.

Der Herzog von Luynes, ein Mann von Herz und Ehre durch und durch, schauderte bei der Erzählung seiner Tochter im Gedanken an die doppelte Gefahr, die sie infolge der Liebe des Herzogs von Savoyen und des törichten Verhaltens ihrer Schwiegermutter wie ihres Gatten lief. Er dachte daran, seine Tochter nach Paris kommen zu lassen, damit sie dort einige Zeit verbringe, bis der Herzog von Savoyen sie vergessen oder sich anderweitig verliebt habe. Nichts war verständiger und passender. Der Graf von Verue sollte dann zu ihm kommen, um Frankreich und den Hof kennen zu lernen. Er glaubte, daß ein würdiger und in der Politik wohlerfahrener alter Mann wie der Abt von Verue sich dieser Meinung anschließen und ihr zum Erfolge verhelfen werde. Er sprach mit ihm darüber mit jener Eindringlichkeit, jener Beredsamkeit und jener Sanftheit, die ihm angeboren, und die die Weisheit und das Mitleid, womit er erfüllt war, noch überzeugender machen mußten, aber er verfiel nicht auf den Gedanken, daß er sich dem Fuchs und dem Wolf anvertraute, der nichts Geringeres wollte, als ihm sein Schäflein rauben: der alte Abt hatte sich wahnsinnig in seine Nichte verliebt; er war daher weit entfernt, sich von ihr trennen zu lassen. Die Furcht vor dem Herzog von Luynes hatte ihm Zurückhaltung auferlegt, als er nach Bourbon ging: er hatte Angst, dieser möchte von seiner Liederlichkeit erfahren, so hatte er sich denn damit begnügt, sich die Wege durch alle erdenklichen zarten Aufmerksamkeiten und Gefälligkeiten zu ebnen. Als dann aber der Herzog von Luynes in Sicherheit gewiegt und nach Paris zurückgekehrt war, entdeckte der schmutzige Greis seine Leidenschaft, die sich, da er damit kein Glück haben konnte, in wütenden Haß verwandelte. Er behandelte seine Nichte so schlecht er konnte, und als er mit ihr wieder Schließlich bekam sie die Blattern: zum erstenmal, und zwar in sehr heftiger Form 1691, das zweitemal zu Beginn des Jahres 1700.in Turin war, unterließ er bei ihrer Schwiegermutter und ihrem Gatten nichts, um sie unglücklich zu machen. Sie ertrug das noch eine Zeitlang, endlich aber wich die Tugend dem Wahnsinn und der schlechten Behandlung, die sie zu Hause zu erdulden hatte: sie erhörte endlich den Herzog von Savoyen und ergab sich ihm, um der häuslichen Verfolgung zu entgehen.

Ein richtiger Roman fürwahr; aber er ist zu unserer Zeit und zuletzt vor jedermanns Augen passiert. Als der Skandal offenkundig wurde, waren alle Verues außer sich, sie hatten es sich aber selber zuzuschreiben. Bald beherrschte die neue Mätresse gebieterisch den ganzen savoyischen Hof, dessen Souverän ehrfurchtsvoll zu ihren Füßen lag wie vor einer Göttin. Sie hatte Einfluß auf die Gnadenbeweise ihres Liebhabers und brachte es dahin, daß die Minister sie fürchteten und mit ihr rechneten. Ihre Unnahbarkeit machte sie verhaßt: sie wurde vergiftet. Der Herzog von Savoyen verabreichte ihr ein ausgezeichnetes Gegengift, das glücklicherweise gerade das richtige war. Sie genas. Ihre Schönheit erlitt dadurch keinen Schaden, aber es blieben lästige Beschwerden zurück, die indes den Grund ihrer Gesundheit nicht beeinträchtigten. Ihre Herrschaft dauerte ungeschwächt fort. Schließlich bekam sie die Blattern. Der Herzog von Savoyen besuchte und pflegte sie während dieser Krankheit wie eine Krankenwärterin, und obgleich ihr Gesicht darunter gelitten hatte, liebte er sie darum doch nicht weniger, aber er liebte sie auf seine Art: er hielt sie sehr eingeschlossen, weil er selbst es zu sein liebte, und wiewohl er häufig mit seinen Ministern bei ihr arbeitete, hielt er sie bezüglich seiner Staatsgeschäfte sehr kurz.

Er hatte ihr viel geschenkt, so daß sie, abgesehen von des Zwanges, unter dem sie lebte, überdrüssig: aus einem Brief an Tessé vom 6. Februar 1697 geht hervor, daß es politische Gründe waren, die sie dem Herzog von Savoyen entfremdeten. » Ce que je fais à présent vous doit assurer que … je ne changerai jamais de sentiments, tant je suis folle d'aimer le roi, sans l'avoir jamais vu. Mais je suis françoise …« Aus ihren Briefen an Tessé geht deutlich hervor, daß sie ganz bereit war, ihren Liebhaber, politisch gesprochen, zugunsten Ludwigs XIV. und Frankreichs zu verraten und nützliche Informationen zu liefern, wenn dies nicht bereits geschehen war. Damals war der Friede zwischen Ludwig XIV. und Victor-Amadeus übrigens wiederhergestellt.den Pensionen, den zahlreichen und schönen Edelsteinen und Schmuckstücken und den Möbeln, zu Reichtum gelangt war. Angesichts dieses Besitzes ward sie des Zwanges, unter dem sie lebte, überdrüssig und überlegte sich, wie sie sich ihm entziehen könne. Um ihre Flucht zu erleichtern, drang sie in den Ritter von Luynes, ihren Bruder, der mit Auszeichnung in der Marine diente, sie zu besuchen. Während seines Aufenthalts in Turin verabredeten sie ihre Flucht und führten sie aus, nachdem sie alles in Sicherheit gebracht hatte, was sie konnte. Sie nahmen die Gelegenheit wahr, da der Herzog von Savoyen gegen den 15. Oktober nach Chambéry gegangen war, und verließen heimlich seine Staaten, bevor er den geringsten Argwohn faßte, und ohne daß sie ihm auch nur einen Brief hinterlassen hätte.

Sie erreichte mit ihrem Bruder unsere Grenze und kam dann nach Paris, wo sie zunächst in ein Kloster ging. Die Familie ihres Gatten und ihre eigene erfuhren von der Angelegenheit erst durch die vollzogene Tatsache. Nachdem sie zwölf oder fünfzehn Jahre lang in Piemont Königin gewesen war, sah sie sich in Paris als recht kleine Privatfrau. Herr und Frau von Chevreuse, ihre Verwandten, wollten sie zuerst durchaus nicht sehen: späterhin aber durch alle die Schritte, die sie bei ihnen tun ließ und durch die Vorstellungen wohlmeinender Leute, die Skrupel in ihnen erweckten, daß sie einer Person, die sich vom schlechten Lebenswandel und öffentlichen Ärgernis zurückziehe, nicht die Hand reichten, gewonnen, willigten sie ein, sie zu sehen. Allmählich sahen sie auch andere, und als sie ein wenig festen Boden gefaßt hatte, nahm sie ein Haus, gab dort Gesellschaften und, da sie viel Familiensinn und Weltkenntnis hatte, zog sie viele Leute an sich und nahm nach und nach ihre Herrscherallüren Sie ließ in Turin einen … Sohn und eine Tochter zurück: der Sohn, geboren 1691, und die Tochter, geb. 1690, wurden feierlich im März 1695 getauft und erhielten die Namen Victor-François-Philippe-Amédée von Savoyen und Victoire-Françoise von Savoyen; aber der Herzog erkannte sie erst am 19. Juli 1701 an und gab ihnen den Namen Suse und eine Apanage.
Fräulein von Condé: Anne-Marie-Victoire, dritte Tochter des Prinzen von Condé und Annas von Bayern, vgl. Register.
wieder an, an die sie so gewöhnt war und gewöhnte mit viel Geist, Rücksicht und Höflichkeit die Leute daran.

Ihr Reichtum verschaffte ihr in der Folge einen Hof von ihren nächsten Verwandten und deren Freunden, und sie nahm dann die Gunst der Verhältnisse so gut wahr, daß dieser Hof nahezu ein allgemeiner wurde und sie großen Einfluß auf die Regierung gewann.

Sie ließ in Turin einen sehr schönen Sohn und eine Tochter zurück, die beide vom Herzog von Savoyen nach dem Beispiel des Königs anerkannt wurden.

 

Fräulein von Condé starb am 24. Oktober in Paris an einer Brustkrankheit, an der sie lange gelitten, die sie indes weniger aufrieb als der Kummer und die Quälereien, die sie unaufhörlich von ihrem Vater, dem Prinzen von Condé, zu erdulden hatte, dessen beständige Launen die Geißel aller derer waren, an denen er sie auslassen konnte. Diese Launen bewirkten, daß die Prinzessin untröstlich darüber war, daß die zwei Zoll, die ihre jüngere Schwester größer war, die Wahl des Herzogs von Maine entschieden und sie von diesem grausamen Joch befreit hatten.

Alle Kinder des Prinzen von Condé waren beinahe Zwerge, ausgenommen die Prinzessin von Conti, die älteste seiner Töchter, doch war auch diese klein. Der Prinz und die Prinzessin von Condé waren klein, aber nicht ungewöhnlich, und der Prinz von Condé, der Held, der hochgewachsen war, sagte scherzend, wenn seine Nachkommenschaft sich immer so weiter verkleinere, werde man sie schließlich gar nicht mehr sehen. Die Ursache davon schrieb man einem Zwerg zu, den die Prinzessin von Condé lange Zeit in ihrer Umgebung gehabt hatte, und es war richtig, daß der Herzog von Condé Frau von Vendôme: damals noch Mademoiselle d'Enghien. Sie heiratete 1710 den Herzog von Vendôme.und Frau von Vendôme, abgesehen von Wuchs und allgemeinem Aussehen, vollkommen seine Züge hatten. Das Gesicht Fräuleins von Condé war schön und ihre Seele noch schöner, dazu hatte sie viel Geist, Verstand, Vernunft, Sanftmut und eine Frömmigkeit, die sie in ihrem mehr als sehr traurigen Leben aufrechterhielt. Sie wurde daher auch von allen, die sie kannten, aufrichtig betrauert.

Der Prinz von Condé sandte Lussan, Ritter des Heiliggeistordens und ersten Kammerherrn seines Hauses, zu meiner Mutter, um sie zu bitten, sie möchte ihm als Verwandte – das waren seine Worte – die Ehre erweisen, und der Leiche Fräuleins von Condé, die Fräulein von Enghien, die nachmalige Herzogin von Vendôme, zu den Karmelitern in der Vorstadt Saint-Jacques, wo sie ihre Ruhestätte haben wollte, begleiten würde, das Geleit geben. Meine Mutter, die kaum im Hôtel de Condé verkehrte und ebensowenig wie mein Vater und ich Verbindung damit hatte, konnte nicht anders als annehmen und begab sich im Trauermantel in ihrer sechsspännigen Karosse ins Hôtel de Condé zu Fräulein von Enghien. Die Herzogin von Châtillon, früher Fräulein von Royan, von der ich anläßlich meiner Heirat gesprochen habe, war die andere Eingeladene. Als man das Haus verließ, nahm sie den Vortritt vor meiner Mutter, die sich dessen nicht versehen hatte. Sie glaubte, es sei ein Versehen, das ihrer jugendlichen Unachtsamkeit zuzuschreiben sei. Als es sich aber darum handelte, in den Wagen zu steigen, stieg die Herzogin von Châtillon ebenfalls vor ihr hinein und wollte sich neben Fräulein von Enghien setzen. Meine Mutter bekundete, ohne einzusteigen, Fräulein von Enghien ihre Überraschung und bat sie, ihr den Platz, der ihr gebühre, wiedergeben zu lassen oder zu bei weitem rangälter: der Herzogtitel der Saint-Simons ging auf das Jahr 1635 zurück, der des Herzogs von Châtillon war erst von 1696.erlauben, daß sie umkehre. Frau von Châtillon erwiderte, sie wisse wohl, daß meine Mutter bei weitem rangälter sei, daß aber in diesem Falle die Verwandtschaft entscheiden müsse, und da stehe sie näher.

Ihre Kühle bewahrend, aber mit stolzer Miene, entgegnete ihr meine Mutter, sie verzeihe diesen Fehler ihrer Jugend und ihrer Unwissenheit; es handle sich hier um den Rang, nicht um den Grad der Verwandtschaft; immerhin würde sie sich aber in einiger Verlegenheit befinden, wenn sie eine Verwandtschaft nachweisen wollte, die näher sei als die meines Vaters. Tatsache war, daß sie beide sehr entfernt verwandt waren.

Desgranges, der Zeremonienmeister, der eben den für ihn bestimmten Wagen erreichte, wurde von diesem Disput unterrichtet, eilte herbei und beendete ihn, indem er sagte, dem Vortritt der alten Herzogin stehe durchaus nichts im Wege. Und so bat Fräulein von Enghien Frau von Châtillon, auf dem Vordersitze Platz zu nehmen, worauf meine Mutter in den Wagen stieg und den Rücksitz einnahm.

Als die Wagen sich in Bewegung setzten, steckte Desgranges, dem das, was soeben geschehen war, Argwohn einflößte, den Kopf aus dem Schlage und sah, wie die Karosse der Herzogin von Châtillon der meiner Mutter vorfuhr. Er rief und ließ den Zug halten, stieg aus, um in eigener Person die Wagen zu ordnen, und ließ den meiner Mutter vorauffahren. Daraufhin wagten weder die Herzogin von Châtillon, noch ihr Kutscher mehr, etwas zu unternehmen.

Ich kann nicht begreifen, wie sie auf diesen Einfall gekommen war, über den sie sich nachher schämte und bei meiner Mutter entschuldigen ließ.

Am Tage nach der Trauerfeier erschien Herr von Lussan, um im Namen des Prinzen von Condé meiner Mutter für die Ehre, die sie ihm erwiesen, zu danken, sich zu erkundigen, ob sie keine Unbequemlichkeiten davon gehabt und ihr sein Bedauern über den so wenig angebrachten Zwischenfall auszudrücken. Er entschuldigte im Namen des Prinzen Fräulein von Enghien mit ihrer Jugend und versicherte, daß es ihr sehr schmerzlich sei, nicht sofort den Anspruch der Herzogin von Châtillon zurückgewiesen zu haben. Er fügte die Entschuldigungen des Prinzen von Condé hinzu, daß er nicht selbst zu ihr gekommen sei, er sei aber verpflichtet gewesen, nach Fontainebleau zu gehen, er werde jedoch nicht verfehlen, sich bei seiner Rückkehr dieser Pflicht zu entledigen.

Wenn ich mich über alle diese Komplimente verbreite, und wenn ich sie so genau behalten habe, so ist das keine Albernheit: die Eitelkeit wäre hier nicht am Platze; aber das Verhalten der Prinzen von Geblüt hat sich seitdem dermaßen geändert, daß ich diesen Gegensatz eines ersten Prinzen von Geblüt nicht habe übergehen wollen, der entfernter als irgendeiner seiner Vorgänger war, jemand mehr zu geben, als er ihm schuldig war.

Als meine Mutter nach der Rückkehr des Hofes von Fontainebleau dem Prinzen von Condé in Versailles begegnete, durchquerte dieser, sobald er ihrer ansichtig wurde, den ganzen großen Saal, der vor dem kleinen Gemach liegt, durch das man in den großen Saal der Leibwache gelangt, kam auf sie zu, sagte ihr, er sterbe vor Scham, daß er ihr begegne, bevor er bei ihr gewesen sei, um ihr seinen Dank für die Ehre, die sie ihm erwiesen, auszusprechen, und erging sich in Komplimenten aller Art. Acht oder zehn Tage darauf besuchte er sie in Paris, fand sie zu Hause und begann seine Komplimente von neuem. Er blieb eine halbe Stunde und wollte durchaus nicht zugeben, daß meine Mutter mehr als einige Schritte über die Tür des Raumes, in dem sie ihn empfangen hatte, hinausmache.

Man darf nicht vergessen, daß es ein gewöhnlicher Edelmann des Königs war, der in seinem Namen im Hôtel de Condé erschien und dessen Beileid aussprach, und daß drei Monate zuvor der Garderobenmeister de la Salle dort gewesen war, um anläßlich des Todes eines Wickelkindes der Herzogin von Maine ein gleiches zu tun.

 

In Fontainebleau traf mich einer der härtesten Schläge, die mich treffen können: ich verlor den Abt von La Trappe. Als ich eines Abends auf das Coucher des Königs wartete, zeigte mir der Bischof von Troyes einen Brief, der ihn davon unterrichtete, daß der Abt in den letzten Zügen liege. Meine Überraschung war um so größer, als ich seit zehn oder zwölf Tagen keine Nachricht erhalten hatte, und sein Gesundheitszustand damals keine Veränderung erkennen ließ. Mein erster Gedanke war hinzueilen; aber die Bedenken, die man in mir gegen ein solches plötzliches Verschwinden wachrief, hielten mich zurück. Ich schickte sofort nach Paris, um einen sehr guten Arzt, namens Andry, den ich in die Bäder von Plombières mitgenommen hatte, hinsenden zu lassen. Dieser reiste sofort ab, fand aber bei seiner Ankunft den Abt nicht mehr am Leben. Diese Memoiren sind zu profan, um darin etwas von einem so erhaben frommen Leben und von einem so großen und vor Gott so kostbaren Tode mitzuteilen. Ich begnüge mich, hier zu erwähnen, daß die Lobreden um so größer und länger waren, als der König die seinige in den Armen seines Bischofs: Louis d'Aquin, Bischof von Séez; siehe das Register zum 1. Bande.
Der Papst: Innozenz XII.
öffentlich hielt, als er Relationen über seinen Tod lesen wollte, und als er mehr als einmal zu seinen Enkeln in Form einer Belehrung davon sprach.

Dieser Tag, so glücklich für ihn und so traurig für seine Freunde, war der 26. Oktober. Er starb in den Armen seines Bischofs und in Gegenwart seiner Mönche, nahe an siebenundsiebzig Jahre alt und nach vierzig Jahren einer wunderbaren Buße. Ich kann hier doch den rührendsten und ehrenvollsten Beweis seiner Freundschaft nicht übergehen: als er auf dem Boden auf dem Stroh und der Asche lag, um dort zu sterben wie alle Mönche von La Trappe, geruhte er, sich von selbst meiner zu erinnern und beauftragte seinen Nachfolger, mir in seinem Namen zu sagen: wie er meiner Zuneigung für ihn sicher sei, so rechne er darauf, daß ich nicht an seiner vollen Zärtlichkeit für mich zweifle. Ich breche hier ab; alles, was ich hinzufügen könnte, wäre hier zu sehr an unrechter Stelle.

 

Der Papst war am 27. September (1700) gestorben, nachdem er lange Zeit ein nahes Ende hatte erwarten lassen. Er war ein großer und frommer Papst, ein wahrer Hirte und wahrer gemeinsamer Vater, wie man sie nur sehr selten auf dem Stuhle des heiligen Petrus sieht. Er hieß Antonio Pignatelli und stammte aus einer alten Familie Neapels, dessen Erzbischof er war, als er am 12. Juli 1691 erwählt wurde, beinahe sechs Monate nach dem Tode Alexanders VIII. Ottoboni, dem er so wenig ähnelte. Er war 1615 geboren, Inquisitor in Malta, Nuntius in Florenz, Polen und Wien, endlich Kämmerer Clemens X. Altieri und Innozenz XI. Odescalchi gewesen, welch letzterer ihn im September 1681 zum Kardinal machte, und dem zu Ehren er den Namen Innozenz XII. annahm. nach dem Neffen eines Papstes: dem Großalmosenier Antonio Barberini, einem Neffen Urbans VIII.

Der Abt von La Trappe

Der Kardinal von Noailles erhielt Befehl abzureisen; der gleiche Befehl wurde dem Kardinal le Camus übersandt, und er erhielt für seine Reise die gleiche Summe wie seine Confratres. Der Kardinal von Bouillon ging mit den andern ins Konklave; er hatte den Orden abgelegt, und, da er dort an einem Orte war, wo die Kardinäle von Estrées, Janson und Coislin es nicht vermeiden konnten, bei den Skrutinien und anderen gemeinsamen Funktionen zusammen zu sein, nahm er die Gelegenheit wahr, sie zu überreden, den Orden ebenfalls abzulegen und behauptete, sie seien alle durch eine Bulle verpflichtet, keinen Orden zu tragen, von welchem Fürsten er auch komme. Das hieß denn doch ein wenig spät darauf kommen, nachdem er ihn dreißig Jahre lang als Großalmosenier getragen hatte, noch dazu nach dem Neffen eines Papstes, und nachdem er ihn von so vielen Kardinälen in Rom hatte tragen sehen, und bei allen Funktionen. Man hörte denn auch nicht auf ihn, und dieses Gift, das er ausspritzte, fiel zu seiner Beschämung auf ihn selbst zurück.


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