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I

Eine Prinzessin des Hauses Württemberg: Eleonore-Charlotte von Württemberg-Mömpelgard, geb. 20. November 1656, verheiratet am 7. August mit ihrem Vetter Sylvius-Friedrich, Herzog von Oels-Weitlingen (1651-97). Ihr Vater, Graf von Mömpelgard und Herzog von Württemberg, geb. 1626, war am 11. Juni 1699 gestorben.

Die Trauer der Prinzessin von Württemberg. Tod der Gräfin von Fiesque. Einige Anekdoten von ihr. Tod Pomponnes. Charakteristik desselben. Sein Sturz. Seine Rückkehr. Beilager des Herzogs und der Herzogin von Burgund. Der König kommt zu spät. Chevernys seltsame Audienz beim Kaiser. »Wichtige« Aufgaben spanischer Diplomaten.

 

Philipp, Herzog von Orléans

Nach Fontainebleau kam hinten aus Schlesien eine Prinzessin des Hauses Württemberg, aus dem Seitenzweige Mömpelgard-Oels, und dieses Oels ist in Schlesien gelegen. Sie hatte sechs Monate vorher ihren Vater verloren und kam nun, ohne zu wissen, daß Herr von Chaulnes und seine Mutter, die Erbin von Picquigny, für den Fall, daß er kinderlos stürbe, alles dem zweiten Sohne des Herzogs von Chevreuse gegeben hatten, um die Erbschaft des Hauses d'Ailly anzutreten, aus dem ihre Mutter stammte. Sie war in so tiefer Trauer, daß einem Angst werden konnte, und fuhr immer nur in einer Karosse, die schwarz ausgeschlagen war wie die Wagen der Witwen und kein Wappen zeigte; ihre Pferde hatten schwarze bis auf die Erde herabreichende Decken mit aufgenähten weißen Kreuzen, und ihre Leute lange Mäntel und nachschleifende Trauerflore. Man fragte sie, um wen sie so tief trauere. »Ach,« erwiderte sie und schluchzte dabei (oder tat wenigstens so), »um Monseigneur, meinen Papa.« Das wirkte so drollig, daß jeder dieselbe Frage an sie richtete, um diese Zwischen 50 und 60 Jahren; die Prinzessin war erst 43.Antwort zu veranlassen. So sind die Franzosen. Was ihnen so lächerlich vorkam, und was es für unsere Ohren in der Tat war, war es an sich nur halb. Keine Person von Stande, auch wenn ihr Rang dem der Herrscherhäuser sehr fernsteht, sagt in Deutschland, wenn sie von ihren Verwandten spricht, jemals anders als: Mein Herr Vater, meine Frau Mutter, mein Fräulein Schwester, mein Herr Bruder, mein Herr Oheim, meine Frau Tante, mein Herr Vetter, und das »Herr« oder »Frau« beiseitelassen, wäre ebenso unfein, als wollte man bei uns einander duzen. »Monseigneur«, das gibt's im Deutschen nicht; was aber das Lächerliche war, das war der Ausdruck »Papa«, zumal wenn man zwischen 50 und 60 Jahren zählte, wie diese gute Deutsche. Dazu noch das Schluchzen und der Beerdigungsaufzug, und die Lächerlichkeit war vollkommen.

 

Die Gräfin von Fiesque starb, während der Hof in Fontainebleau war, außerordentlich betagt. Sie hatte ihr Leben in dem frivolsten Kreise der großen Welt hingebracht. Zwei Züge unter zweitausend sollen sie charakterisieren. Sie besaß fast nichts, weil sie alles verputzt oder von ihren Verwaltern hatte plündern lassen. Ganz zu Anfang, als diese prachtvollen Spiegel aufkamen, die damals sehr selten und sehr teuer waren, kaufte sie einen von vollkommener Schönheit. »Ei, Gräfin,« sagten ihre Freunde zu ihr, »wo haben Sie den her?« »Ach,« erwiderte sie, »ich hatte ein schlechtes Landgut, das nichts weiter trug als Getreide; ich habe es verkauft und dafür diesen Spiegel bekommen. Ist das nicht ein großartiger Tausch? Bloßes Korn und dieser schöne Spiegel!«

Ein anderesmal hielt sie ihrem Sohn, der so gut wie Jacquier hatte mehrere Söhne, von denen einer den Stamm fortsetzte und eine Tochter, die 1680 den Marquis von Ligneris heiratete und 1741 starb.nichts hatte, eine Rede, um ihn zu veranlassen, sich zu verheiraten und durch eine reiche Partie wieder zu erholen. Sie verbreitete sich darin über den Stolz, der lieber Hungers stirbt als eine Mißheirat einzugehen. Ihr Sohn, der nicht die geringste Lust hatte, sich zu verheiraten, ließ sie reden, dann aber, da er sehen wollte, was sie im Sinne hatte, tat er, als verschließe er sich ihren Gründen nicht. Sie ist entzückt, entwickelt ihm die Partie, spricht von dem Reichtum, dem bequemen Leben, von einer einzigen Tochter, erklärt die Eltern für die besten Leute von der Welt, die entzückt über die Verbindung sein würden und bei denen sie Freunde hätte, welche die Angelegenheit unfehlbar zum Ziel bringen würden; das Mädchen sei hübsch, wohlerzogen und gerade im rechten Alter. Nachdem sie diese eingehende Schilderung gegeben, bat sie der Graf von Fiesque, doch endlich diese Persönlichkeit zu nennen, bei der die Geburt durch so viele Vorzüge aufgewogen werde. Da erklärte die Gräfin, es handle sich um die Tochter Jacquiers, eines Mannes, den alle Welt kenne und der sich die Wertschätzung und Zuneigung Herrn von Turennes erworben habe, dessen Armeen er stets mit Lebensmitteln versorgt. Durch diese Lieferungen sei er reich geworden. Da brach der Graf Fiesque in ein schallendes Gelächter aus. Erzürnt fragte ihn die Gräfin, was das heißen solle, und ob er diese Partie so lächerlich fände. Die Sache lag so, daß Jacquier niemals Kinder gehabt hatte. Sehr überrascht sinnt die Gräfin einen Augenblick nach, gesteht dann, daß er recht habe und fügt gleichzeitig hinzu, das sei jammerschade; denn nichts hätte ihr mehr zugesagt.

Sie war voll von dergleichen haltlosen Behauptungen, die sie mit zornigem Eifer aufrechterhielt, um dann als Das Haus Österreich. Pomponne hatte nicht gegen die diplomatischen Künste Österreichs zu kämpfen, da der Chevalier de Gémonville eine für Frankreich günstige Neutralität Österreichs erzielt hatte (1. Nov. 1671) und bereits ein Abkommen über die spanische Angelegenheit vorlag, sondern gegen das »Monstrum der Triple alliance« und vor allem gegen die Holländer, deren Nachbarschaft die spanischen Niederlande deckte.erste darüber zu lachen. Man sagte von ihr, sie sei nie älter als achtzehn Jahre gewesen. Die Erinnerungen der Herzogin von Montpensier, mit der sie ihr ganzes Leben verbrachte und häufig um Nichtigkeiten regelrecht Streit hatte, ohne daß sie sich indessen gegenseitig entbehren konnten, geben ein sehr gutes Bild von ihr.

Ein anderer Todesfall erregte mehr Aufsehen. Die Lücke, die er ließ, wurde nicht nur im Staatsrat, sondern auch bei allen Leuten von Kopf und Herz stark empfunden. Ich meine den Tod Pomponnes, des Sohnes des berühmten Arnauld d'Andilly und Neffen des hervorragenden Arnauld. Herr von Andilly ließ, dank den Ämtern, die er bekleidete, und dank der Freundschaft, mit der die Königin ihn vor und selbst nach seiner Zurückziehung nach Port-Royal-des-Champs, und trotz der Stürme des Jansenismus, beehrte, seinen Sohn schon seit dessen früher Jugend mehrmals in wichtigen Verhandlungen in Italien verwenden, wo er mit verschiedenen Fürsten Verträge und Bündnisse abschloß. Sein Vater, der sich außerordentlicher Liebe und Wertschätzung erfreute, verschaffte ihm eine große Anzahl von Protektoren, worunter Herr von Turenne einer der hauptsächlichsten war. Seine Tätigkeit als Armeeintendant führte Pomponne nach Neapel und Catalonien, und überall benahm er sich mit so viel Umsicht und Mäßigung und soviel Erfolg, daß seine Fähigkeiten, die von den Freunden seines Vaters und seinen eigenen unterstützt wurden, ihm 1665 die Ernennung zum Gesandten in Schweden eintrugen. Er blieb dort drei Jahre und ging dann in gleicher Eigenschaft nach Holland. Seine Erfolge an beiden Höfen waren so groß, daß er ein zweites Mal nach Schweden gesandt wurde, wo es ihm 1671, trotzdem das Haus Österreich alle seine diplomatischen Die Rückkehr Pomponnes erfolgte am 14. Januar 1672.Künste spielen ließ, um seine Bemühungen zu vereiteln, gelang, jene berühmte Liga des Nordens zustande zu bringen, die für Frankreich von so großem Vorteil war. Die Zufriedenheit des Königs darüber war so groß, daß, als er wenige Monate darauf den Minister und Staatssekretär des Äußeren Lionne verloren hatte, er diesen großen Minister nicht besser als durch Pomponne ersetzen zu können glaubte. Doch bewahrte er das Geheimnis dieser Ernennung und teilte sie nur ihm selbst durch ein eigenhändiges Billett mit und befahl ihm zugleich, die Geschäfte in Schweden, die notwendig von seiner Hand durchgeführt werden mußten, so bald als möglich zu Ende zu bringen und unmittelbar darauf zurückzukehren. Nach Ablauf von zwei Monaten kam er – noch im gleichen Jahre – zurück, und alsbald wurde seine Ernennung bekanntgegeben.

Pomponne

Pomponne war ein Mann, der sich vor allem durch einen geraden, folgerichtigen, feinen Verstand auszeichnete, der alles abwog und nach reiflicher Überlegung, aber ohne Langsamkeit handelte. Seine Bescheidenheit, seine Mäßigung und die Einfachheit seiner Sitten waren bewundernswert, seine Frömmigkeit ebenso echt wie erleuchtet. Seine Augen strahlten Sanftmut und Geist aus, sein ganzes Gesicht Weisheit und Lauterkeit. Eine Kunst, eine Geschicklichkeit, ein außerordentliches Talent während des Verhandelns seinen Vorteil wahrzunehmen; eine Klugheit, eine Geschmeidigkeit ohne Kniffe, die zum Ziele zu gelangen wußte, ohne zu erbittern; eine Sanftheit und Geduld, die in der Behandlung der Geschäfte bezauberte, und dabei eine Festigkeit und, wenn es sein mußte, ein Stolz in der Wahrung der Interessen des Staates und der Größe der Krone, den nichts erschüttern konnte: das waren seine hervorstechenden Eigenschaften. Durch diese machte er sich bei allen fremden Ministern beliebt, wie er es auch in den verschiedenen Ländern, in denen er Verhandlungen geführt hatte, gewesen war. Ebenso hatte er sich auch ihre Hochachtung und ihr Vertrauen zu gewinnen gewußt. Höflich, verbindlich und nur dann Minister, wenn er Verhandlungen pflog, genoß er am Hofe die größte Verehrung. Das Leben, das er dort führte, war ruhig und gleichmäßig, und vom Luxus ebenso weit entfernt wie von der Sparsamkeit. Erholung von seiner großen Arbeit kannte er nur im Kreise seiner Familie und seiner Freunde und bei seinen Büchern. Im Verkehr bezauberte er durch seine Liebenswürdigkeit und seinen Geist, und ohne daß er es beabsichtigte, war seine Unterhaltung äußerst lehrreich. Alles geschah bei ihm und durch ihn mit Ordnung, und nichts blieb im Rückstand, ohne daß jedoch seine Ruhe jemals erschüttert worden wäre.

Diese Eigenschaften Pomponnes standen in einem zu großen Gegensatz zu jenen Colberts und Louvois', als daß diese sie mit Geduld hätten ertragen können. Sie besaßen ihrer beide zweifellos sehr große; wenn sie aber auch manchmal glänzender erschienen, waren sie doch nicht so liebenswert. Jeder von ihnen trachtete stets danach, in die Sphäre anderer überzugreifen. Das hatte sie schließlich miteinander verfeindet. Alle beide wollten sie sich unter verschiedenen Vorwänden in die auswärtigen Angelegenheiten mischen, und beide sahen sich da von Pomponne entschieden, aber in aller Freundlichkeit, zurückgewiesen. Es war ihnen nicht allein unmöglich, sich die geringste Blöße bei ihm zunutze zu machen; die große Kenntnis, die Pomponne von den allgemeinen europäischen Geschäften hatte und besonders Der Jansenismus war ihr Hilfsmittel. Guérin, gestützt auf die diplomatische Korrespondenz Frankreichs mit Rom, glaubt, daß der Sturz Pomponnes erfolgte, weil er den Plänen der Unterwerfung der Kirche und Erniedrigung des Heiligen Stuhles, die vor ihm von Lionne und Colbert vorbereitet und nach ihm von Croissy und dem Erzbischof Harlay durchgeführt worden waren, keine Hilfe lieh.
Pomponne hatte in Port-Royal-des-Champs sechs Schwestern, sechs Tanten, eine Großmutter, seinen Bruder Luzancy und seinen Vater.
die Kenntnis, die seine Aufmerksamkeit, seine Reisen, seine Verhandlungen ihm von den Ministern, den fremden Höfen, ihren Interessen und ihrem Tätigkeitsbereiche verschafft, verliehen ihm in diesen Materien einen solchen Vorteil, daß sie es nicht wagten, ihm im Staatsrate zu widersprechen, nachdem er sie in Gegenwart des Königs jedesmal, wenn es ihnen beigefallen war, unbestritten mattgesetzt hatte. Ohne jede Hoffnung, irgendeinen Vorteil über einen so unterrichteten und klugen Mann zu erringen, der sich mit seinem Ministerium begnügte, ohne ihnen jemals durch den Versuch eines Übergriffes in das ihrige eine Blöße zu zeigen, zerbrachen sie sich lange den Kopf, wie sie einen so schwer faßbaren Mann packen könnten, der für ihren gegenseitigen Ehrgeiz so unerträglich war. Dieser Wunsch, sich seiner zu entledigen, um jemand an seine Stelle zu setzen, der sich nicht so gut verteidigen könnte, führte für eine Zeit lang diese beiden Feinde zusammen, und sie verabredeten sich.

J. B. Colbert

Der Jansenismus war ihr Hilfsmittel: es war in der Tat das Wunderbare an den Verdiensten Pomponnes, daß der König diesen Minister auf einem Vertrauensposten ersten Ranges zu halten vermochte, trotzdem dieser der Sohn, Bruder, Neffe, Vetter und nächste Verwandte, d. h. mit den innigsten Banden an alles geknüpft war, was man Ludwig XIV. aufs äußerste verhaßt gemacht hatte. Den beiden anderen, die stets nacheinander ans Sappieren gingen und sich im übrigen alles zunutze machten, was ihrem Plane förderlich sein konnte, entging es nicht, daß ihre Bemühungen, den Geist des Königs zu beeinflussen, Erfolg zu haben begannen: sie setzten ihm zu, und es gelang ihnen schließlich, es dahin zu bringen, daß Pomponne ihnen unter dem Vorwande der Religion geopfert wurde. Doch nicht ohne das äußerste Widerstreben: der König, der mit Pomponnes Verwaltung so vollkommen zufrieden war, nahm an ihm nur Maß und Klugheit in allem, was den Jansenismus anging, wahr; es fiel ihm schwer, Mißtrauen gegen ihn zu hegen, selbst in diesem Punkte, und die Gefahr und das Ärgernis, sich des Neffen des Herrn Arnauld in seinen geheimsten und wichtigsten Geschäften zu bedienen, schien ihm in keinem Verhältnis zu der Gefahr und der Überwindung, sich seiner zu berauben, zu stehen. Das beständige Bohren brachte es aber dahin, daß er endlich nachgab, und wie der letzte Wassertropfen es ist, der das Gefäß zum Überlaufen bringt, so war es ein Nichts, das Pomponne nach so vielen eifrigen und beharrlichen Vorbereitungen stürzte.

Es war im Jahre 1679. Man verhandelte über die Heirat der Kronprinzessin und erwartete den Kurier, der die Nachricht von dem Abschlusse bringen sollte. In diesen kritischen Augenblicken überschlug Pomponne die ihm zur Verfügung stehende Zeit und glaubte, sie gestatte ihm, einige Tage in Pomponne zuzubringen. Frau von Soubise war von allem, was vorging, gut unterrichtet. Es war die Zeit ihrer höchsten Schönheit und ihrer größten Gunst. Sie war mit Pomponne befreundet, wagte aber nicht zu sagen, was sie wußte: sie begnügte sich, ihn zu beschwören, die geplante kleine Reise aufzuschieben und ihm zu sagen, daß sie Wolken sehe, die seine Abwesenheit nicht rätlich erscheinen ließen. Sie drang so sehr in ihn, wie es ihr nur möglich war.

Die vollkommensten Menschen sind nicht ohne Mängel: er vermochte nicht zu verstehen, was Frau von Soubise ihm begreiflich machen wollte, noch ihr den Ludwig XIV. schreibt in seinen Réflexions sur le métier de roi anläßlich seiner Ungnade: » Je ne le connoissois que de réputation et par les commissions dont je l'avois chargé, qu'il avoit bien exécutées; mais l'emploi que je lui ai donné s'est trouvé trop grand et trop étendu pour lui. J'ai souffert plusieurs années de sa foiblesse, de son opiniâtreté et de son inapplication. Il m'en a coûté des choses considérables, je n'ai pas profité de tous les avantages que je pouvois avoir; et tout cela par complaisance et par bonté. Enfin il faut que je lui ordonne de se retirer, parce que tout ce qui passe par lui perd de la grandeur et de la force qu'on dit avoir en exécutant les ordres d'un roi de France qui n'est pas malheureux. Si j'avois pris le parti de l'éloigner plus tôt, j'aurois évité les inconvénients qui me sont arrivés, et je ne me reprocherois pas que ma complaisance pour lui a pu nuire à l'État. ( Oeuvres Bd. II, S. 458 f.)
Pomponne wurde am 18. November abgesetzt und Croissy am 20. an seiner Stelle ernannt.
Gefallen zu tun, ihrem Rate und ihrer Freundschaft seine kleine Reise zu opfern. Pomponne ist sechs Meilen von Paris gelegen. Während seiner Abwesenheit traf der Kurier aus Bayern ein und gleichzeitig ein Brief an Louvois, der seine Leute überall hatte. Er enthielt den Abschluß der Heirat mit der genauen Aufzählung aller Artikel des Ehevertrages. Louvois geht sofort mit seinem Brief zum Könige, der sein Erstaunen äußert, nicht von anderer Seite Nachricht zu haben. Die Depeschen, die Pomponne erhielt, waren chiffriert, und der Mann, der sie zu entziffern hatte, befand sich in der Oper, wo er sich in Abwesenheit seines Herrn unterhalten wollte. Während die Stunden in der Oper, dann mit dem Entziffern, sowie mit der Fahrt nach Pomponne und der Rückkehr von dort verstrichen, verloren Colbert und Louvois keine Zeit. Sie brachten es dahin, daß der König ungeduldig und zornig wurde und wußten diesen Gemütszustand so gut zu benutzen, daß Pomponne, als er endlich in Paris eintraf, einen Befehl des Königs vorfand, ihm die Depeschen und seine Demission zu übersenden und nach Pomponne zurückzukehren.

Nachdem dieser große Streich geführt war, beeilte sich Louvois, von dem Colbert, der wohl wußte warum, verlangt hatte, er solle seinem Vater kein Wort von diesem ganzen Anschlag sagen, zu ihm zu gehen und ihm die ganze Intrige und ihren Erfolg zu erzählen. »Nun,« entgegnete ihm kühl der gewandte Le Tellier, »hast du denn schon jemand bei der Hand, den du an diese Stelle setzen kannst?« »Nein,« erwiderte ihm sein Sohn; »man hat nur daran gedacht, sich dessen zu entledigen, der sie innehatte, nun sie leer ist, muß man sich überlegen, wie man sie wieder ausfüllt.«

»Du bist ein rechter Dummkopf, mein Sohn, trotz Croissy war 1668 in Aachen, und als er seine Ernennung erfuhr, in München.all deines Geistes und deiner Ideen,« antwortete ihm Le Tellier; »Colbert ist gescheiter als du, und du wirst sehen, daß er in diesem Augenblick den Nachfolger kennt und ihn auch bereits vorgeschlagen hat. Du wirst mit ihm schlechter dran sein als mit dem Manne, den du gestürzt hast und der, abgesehen von allen seinen guten Eigenschaften, Colbert nicht mehr verschrieben war als dir. Ich wiederhole es dir, du wirst es bereuen.«

In der Tat hatte sich Colbert der Stelle für seinen Bruder Croissy versichert, der damals in Aachen war, und das war ein Blitzstrahl für Le Tellier und für Louvois, ein Blitzstrahl, der sie mehr denn je mit Colbert entzweite und selbstverständlich auch mit diesem Bruder.

Pomponne fühlte seinen Sturz und die Leere, die er in ihm verursachte, aber er ertrug beides als Mann von Charakter mit Gleichmut. Bald darauf erhielt er die Erlaubnis, nach Paris zu kommen und dort zu bleiben. Keiner seiner Freunde verließ ihn; alle Welt nahm an seiner Ungnade teil. Die Fremden – so sehr sie auch seine Person, die sie liebten, bedauerten und nicht aufhörten, ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Wertschätzung zu erkennen zu geben – waren sehr froh, daß sie nicht mehr mit seiner Fähigkeit zu rechnen hatten.

Nach einiger Zeit wollte ihn der König hintenherum in seinen Gemächern sehen; er ließ ihn sein Bedauern erkennen und sprach zu ihm sogar von seinen Geschäften. Dies wiederholte sich von Zeit zu Zeit, wenn auch selten, und der König verhielt sich dabei stets auf dieselbe Weise. Bei einer dieser Audienzen endlich sprach ihm der König aus, wie schmerzlich es ihm gewesen sei, daß er ihn habe entfernen müssen, und wie schmerzlich es ihm immer noch sei. Als Pomponne darauf mit der schuldigen Ehrerbietung und Wärme geantwortet hatte, fuhr der König fort, sehr freundschaftlich und achtungsvoll zu ihm zu sprechen. Er sagte ihm, er fühle sich immer gedrängt, ihn wieder in seine Nähe zu ziehen, könne es jedoch noch nicht, er solle ihm aber sein Wort geben, daß er nicht ablehnen und in seinen Staatsrat zurückkehren werde, sowie er nach ihm schicke, inzwischen möge er Stillschweigen über das bewahren, was er ihm gesagt habe. Pomponne versprach es, und der König umarmte ihn.

Louvois

Die Folge hat gezeigt, was der König damals im Sinne hatte: er wollte sich Louvois' entledigen und ihn in die Bastille schicken. Es ist hier nicht der Ort, hierauf näher einzugehen, ich werde wohl später Gelegenheit finden, ein so merkwürdiges Begebnis zu erzählen. In dem Augenblick, da dieser Minister tot war, schrieb der König eigenhändig an Pomponne, er möge sofort kommen und seinen Platz im Staatsrat einnehmen. Der König beauftragte in eigener Person insgeheim einen seiner Edelleute mit der Überbringung dieses Briefes. Er fand den hervorragenden in Ungnade Gefallenen im Begriffe zu Bett zu gehen. Am andern Morgen erschien dieser in Versailles und stieg bei Bontemps ab, der ihn hintenherum zum Könige führte. Man kann sich vorstellen, wie huldreich der König sich ihm bei dieser Audienz bewies: er hielt es nicht unter seiner Würde, sich bei ihm zu entschuldigen, daß er ihn entfernt und so spät erst wieder berufen habe, und er fügte hinzu, er fürchte, es möchte Pomponne peinlich sein, Croissy die Funktionen ausüben zu sehen, die er so vortrefflich erfüllt habe. Pomponne, bescheiden, sanftmütig und großherzig wie immer, antwortete dem König, da er ihn wieder zu seinem Dienste heranzuziehen geruhe, und er selbst sich ihm gegenüber ja verpflichtet habe, wieder einzutreten, würde er keinen anderen Gedanken haben, als ihm aufs beste zu dienen, und um einen guten Anfang zu machen und, soviel an ihm liege, jeden Anlaß zur Eifersucht zu beseitigen, wolle er sogleich zu Croissy gehen, ihm Mitteilung von der Gnade des Königs machen und um seine Freundschaft bitten.

Aufs äußerste durch eine so wenig erwartete Handlungsweise gerührt, umarmte ihn der König und entließ ihn. Die Überraschung Croissys, als man ihm Pomponne meldete, war unbeschreiblich. Man kann sich denken, daß sie nicht geringer wurde, als er erfuhr, was ihn zu ihm führte. Das Erstaunen des Hofes, der nicht von ferne an die Möglichkeit einer Rückkehr nach zwölfjähriger Ungnade gedacht und nicht die kleinste Ahnung davon hatte, war ebenfalls groß, doch mischte sich lebhafte Freude darein.

Pomponne nahm an der ersten Staatsratssitzung teil, die angesetzt wurde und Herr von Beauvillier gleichfalls. Am gleichen Tage erhielt er eine geräumige Wohnung im Schlosse und wußte sich durch alle erdenklichen Rücksichten und Gefälligkeiten mit Croissy, der es seinerseits an nichts fehlen ließ, auf den besten Fuß zu stellen. Pomponne und sein Schwiegersohn Torcy lebten zusammen ganz wie Vater und Sohn; er fand an letzterem alle Eigenschaften, die er nur wünschen konnte, um einen guten Minister aus ihm zu machen, und stellte ihm seine ganze Einsicht und Erfahrung zur Verfügung, woraus Torcy allen Nutzen zu ziehen wußte.

Pomponne starb am 26. September dieses Jahres (1699) zu Fontainebleau, 81 Jahre alt. Er hatte schon lange den Wunsch gehabt, sich zurückzuziehen, aber die Lage seiner Pomponne selbst bezog seit 1691 eine Pension von 80 000 Livres.Familie hatte es ihm noch nicht erlaubt. Seine geistigen Kräfte und seine Gesundheit waren im besten Stande, er war nie krank gewesen: eines Abends aß er kaltes Kalbfleisch und viele Pfirsiche; die Folge war eine Verdauungsstörung, die ihn in vier Tagen dahinraffte. Er empfing seine Sakramente mit großer Frömmigkeit und endigte sein Leben ebenso erbaulich, wie er es geführt hatte. Torcy, sein Schwiegersohn, erhielt die Oberintendanz der Posten und seine Witwe 12 000 Livres Pension.

 

Am Tage der Rückkehr von Fontainebleau (22. Oktober) wurden der Herzog und die Herzogin von Burgund zusammengetan. Der König wollte sie in dem Augenblick überraschen, da sie sich zu Bett begaben; er kam jedoch ein wenig zu spät, fand die Türen geschlossen und wollte sie nicht öffnen lassen. Einige Tage darauf bestimmte er vier Herren, die häufig bei Hof erschienen, zu ständigen Begleitern des Herzogs von Burgund. Eine schlechtere Wahl hätte er kaum treffen können. Es waren Cheverny, Saumery, Gamaches und d'O.

Cheverny war Menin des Dauphin: Er hatte eine Mission in Wien gehabt und war darauf Gesandter in Dänemark gewesen, wo er und seine Frau den Skorbut bekommen und ihre Gesundheit und ihre Zähne gelassen hatten. In Wien hatte Cheverny ein merkwürdiges Erlebnis. Er sollte eines Winterabends seine erste Audienz beim Kaiser haben; er begab sich in den Palast, ein Kämmerer empfing ihn dort, führte ihn durch zwei oder drei Gemächer, öffnete das letzte, ließ ihn eintreten und schloß, ohne weiter mitzugehen, hinter ihm die Tür. Eingetreten, sieht er sich in einem Gemach, das mehr lang als breit, schlecht möbliert, mit einem Tisch ganz am Ende, auf dem als einzige Beleuchtung des ganzen Raumes zwei gelbe Kerzen standen, und bemerkt einen schwarzgekleideten Mann, der mit dem Rücken gegen den Tisch gelehnt steht. Sehr wenig erbaut von diesem Raume, glaubt Cheverny, er befinde sich in einem Zimmer, in dem er warten müsse, bis er in den Audienzraum geführt würde. Er fängt also an, sich umzuschauen und auf und ab zu gehen. Dieser Zeitvertreib dauert gegen eine halbe Stunde. Endlich, als seine Promenade ihn einmal ziemlich nahe zu jenem Tisch und jenem schwarzgekleideten Mann hinführte, der dort angelehnt stand, und den er nach seiner Miene und seiner Kleidung für einen wachehaltenden Kammerdiener hielt, richtete dieser Mann, der ihm bisher alle Freiheit gelassen und sich weder bewegt noch ein Wort gesprochen hatte, die höfliche Frage an ihn, was er da mache. Cheverny antwortete ihm, er solle eine Audienz beim Kaiser haben, man habe ihn hier eintreten lassen, und er warte nun darauf, daß er vorgelassen werde, um die Ehre zu haben, ihm seine Reverenz zu machen.

»Der Kaiser, das bin ich«, antwortete ihm der Mann.

Bei diesen Worten meinte Cheverny, er müsse auf den Rücken fallen, und brauchte mehrere Augenblicke, um sich wieder zu fassen. Er bat um Verzeihung, entschuldigte sich mit der Dunkelheit und brachte alles vor, was sein Versehen erklären konnte. Ein anderer als der Kaiser hätte darüber gelacht, aber Leopold, der unfähig war, seinen Ernst zu verlieren, verharrte in seinem unerschütterlichen Gleichmut, was den armen Cheverny vollends aus der Fassung brachte. Er erzählte gut, und diese Geschichte von ihm zu hören, gewährte einen ganz besonderen Genuß.

Castel dos Rios, ein sehr armer katalanischer Edelmann, Maria Coronel aus Agreda (siehe Register) hinterließ eine Anzahl mystischer Schriften, denen die Erklärung beigefügt war, daß der ganze Inhalt derselben ihr offenbart worden sei. Sie wurden 1680 gedruckt. Die spanische Inquisition erlaubte die Publikation. Die Sorbonne hingegen zensurierte trotz der Intervention der Jesuiten und Franziskaner eine große Anzahl Sätze. Die Prozeduren, die der Kanonisation voraufgingen und um 1680 begonnen hatten, wurden 1692 suspendiert. Philipp IV. korrespondierte mit dieser Verfechterin der unbefleckten Empfängnis, hierin ein echter Spanier. Die unbefleckte Empfängnis (der Maria durch ihre Mutter Anna) wurde erst 1854 zum Dogma erhoben. Das Fest der unbefleckten Empfängnis (8. Dez.) wurde aber schon seit Clemens XI. (1700-1721) gefeiert.war zu Beginn des Aufenthaltes in Fontainebleau mit dem Charakter eines spanischen Gesandten in Paris eingetroffen. Er wollte nach Fontainebleau kommen, um den Hof aufzusuchen, man lehnte es jedoch ab: er beklagte sich sehr darüber, worauf man ihm antwortete, man habe d'Harcourt in Madrid drei Monate warten lassen, bevor man ihm gestattete, den König von Spanien zu sehen, er könne sich daher wohl sechs Wochen gedulden, bevor er vom König von Frankreich empfangen werde. Als der Hof zurückgekehrt war, erhielt er seine Audienz. Die Verhandlungen, die er zu pflegen hatte, waren in der Tat von einer Wichtigkeit, die nicht wohl einen Aufschub zuließ. Er bat den König im Namen seines Herrn dringend um zweierlei: erstens mit seinem Ansehen dafür einzutreten, daß die Sorbonne ihre Verdammung der Bücher einer spanischen Betschwester namens Maria d'Agreda widerrufe. Der Zeitpunkt war schlecht gewählt: diese Bücher waren ganz und gar in demselben Sinne geschrieben wie die Werke Fénelons, die der König soeben in Rom hatte verbrennen lassen. Zweitens sollte er in seinem ganzen Königreich die unbefleckte Empfängnis der heiligen Jungfrau als Dogma festsetzen lassen, mithin weiter gehen als die Kirche, die in dieser Beziehung zurückhaltender gewesen ist. Man machte sich daher über den Gesandten und seinen Herrn in ausgiebigster Weise lustig. Das war der ganze Gegenstand seiner Audienz. Der Abt von Gesvres wurde nicht alsbald nach seiner Ankunft, sondern fünf Jahre später (am 29. Mai 1694) Erzbischof von Bourges.
Der Bruder des Staatssekretärs Châteauneuf: Michel Phélypeaux, Abt von la Vrillière, erst Rat am Châtelet, dann am Parlament (1671), Abt von Nieul, von Saint-Lô und von l'Absie, 1674 Bischof von Uzès, 1676 Erzbischof von Bourges, gest. 52jährig 1694.

Kaiser Leopold I


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