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III

Die Prinzessin von Soubise. Ihre Herkunft. Ihre Bemühungen, den Abt von Soubise in das Straßburger Domkapitel zu schmuggeln und zum Koadjutor des Kardinals von Fürstenberg zu machen. Der Abt von Auvergne. Die Beziehungen des Kardinals von Fürstenberg zur Gräfin von Fürstenberg. Letztere von der Prinzessin von Soubise bestochen. Der Kardinal von Bouillon mattgesetzt. Seine Briefe. Empörung der Prinzessin von Soubise und der Gräfin von Fürstenberg. Der Kardinal von Bouillon erhält Befehl, Rom sofort zu verlassen. Der Abt von Soubise wird zum Koadjutor gewählt.

 

Während in diesem Winter alles mit Bällen und anderen Vergnügungen beschäftigt war, arbeitete die schöne Frau von Soubise – denn sie war es noch und immer mit großem Nutzen – an ernsteren Aufgaben. Sie hatte soeben das ungeheure Hôtel de Guise um einen sehr hohen Preis erworben, zu dessen Bezahlung der König erheblich beitrug. Noch eine andere Gunst hatte sie von ihm erlangt, die zunächst jedoch erst ein Samenkorn war, nämlich die Geltendmachung seines Einflusses, daß die Ahnenprobe, die ihr Sohn ablegen mußte, um Domherr von Straßburg zu werden, anerkannt werde. Die Mutter des Herrn von Soubise war eine Avaugour von den Bastarden der Herzöge der Bretagne. Das war schon nicht besonders gut für ein deutsches Domkapitel, wo die uneheliche Geburt verabscheut wird, so daß kein von Frau von Montespan stammender Prinz von Geblüt und auch keine Prinzessin in einem deutschen Kapitel Aufnahme fände. Aber das war noch nicht das Schlimmste: die Mutter jener Avaugour, also die Großmutter des Herrn von Soubise, war überdies eine Fouquet, nicht von den Fouquets, zu denen der Oberintendant gehörte (was auch nur ein mäßiger Trost gewesen wäre), sondern die leibliche Tochter jenes Kochs, früheren Küchenjungen und späteren Mantelträgers Heinrichs IV., der von ihm, dank dem Geiste und der Gewandtheit, womit er ihm zuerst in seinen Liebesangelegenheiten und dann in seinen Staatsgeschäften gedient hatte, zum Herrn von La Varenne gemacht worden war. Diese La Varenne war also die Urgroßmutter des Abtes von Soubise. Wie war es möglich, sie in der Zahl der sechzehn Ahnen, deren Nachweis erforderlich war, als vollgültig aufzuführen, oder wie konnte man sie überspringen? Diese Schwierigkeit war nicht gering: man tat weder das eine noch das andere. Camilly, ein schlauer Normanne, der über viel Geist und Gewandtheit verfügte, war Großvikar von Straßburg und gehörte zu den Unterdomherren ohne Ahnenprobe, und La Bastie, der nicht weniger Geist, Geschmeidigkeit und Betriebsamkeit besaß, befand sich als Statthalter des Königs in Straßburg. Alle beide aber waren vollkommen ihren ehrgeizigen Plänen und dem Hofe verschrieben und zu allem bereit. Auf den Rat der Gräfin Fürstenberg, von der ich weiter unten sprechen werde, vertraute sich ihnen Frau von Soubise an, aber mit dem König hinter sich, der ihnen als Gebieter und als Liebhaber ins Ohr flüstern ließ; denn obwohl das Verhältnis zu Ende war, blieb er letzteres doch sein Leben lang oder bediente sich dieser Rolle, als wäre er es noch gewesen. Diese beiden Männer wußten es so einzurichten, daß die Untersuchung des Ahnennachweises biederen, grobfädigen und unwissenden deutschen Kommissären zufiel, die » von Bretagne«. Obgleich mehrere Entscheidungen des Parlaments der Bretagne dem ersten Grafen von Vertus, natürlichem Sohne Herzog François II. von Bretagne, verboten hatten, den Namen und das Wappen des herzoglichen Hauses zu führen, beharrten seine Deszendenten dabei.
Pflichtzeit: alle Domherren waren verpflichtet, sich drei Monate des Jahres in der Diözese aufzuhalten und sechzigmal dem Gottesdienst beizuwohnen. Der Abt von Soubise machte sich von März bis August 1700 mit den Verhältnissen der Diözese bekannt und trug am Fronleichnamsfeste das Sakrament unter einem Himmel von 4 0 000 Talern Wert.
sehr leicht zu täuschen waren; man imponierte ihnen mit dem großen Namen der Rohans, man blendete sie mit ihren Würden und Verbindungen, mit dem Range ausländischer Prinzen, den sie hatten und benahm ihnen unschwer jeden Zweifel an der Tadellosigkeit des Ahnennachweises, den man ihnen nur als eine Formalität hinstellte, von der niemand ausgenommen war, und von der der Abt von Soubise es weniger nötig hätte, befreit zu werden als irgendwer.

Diese Avaugour führen ganz ohne weiteres den Namen »von Bretagne«. Die Herren von Rohan haben mehrere Töchter oder Schwestern der Herzöge von Bretagne geheiratet: man enthielt den Kommissären diese Tatsache nicht vor, und diese ahnten denn auch nicht, wie vollkommen verschieden diese letztere Bretagne von der andern war. Was aber seine Mutter anlangte, so war man so dreist, ihnen weiszumachen, daß sie aus einer alten Familie von La Varenne in Poitou abstamme, die längst erloschen war, und mit der weder die Avaugour noch die Rohan je verschwägert gewesen sind.

Mit Hilfe dieser Kunststücke oder, besser gesagt, Frechheiten, bestand der Abt von Soubise die Probe glänzend, wurde zugelassen und in das Kapitel aufgenommen, und nachdem er seine glänzende Sorbonnezeit abgeschlossen hatte, ging er nach Straßburg, um dort seine Pflichtzeit zu verbringen, alle seine angenehmen und verführerischen Seiten zu entfalten und das Kapitel, und was sonst noch in Straßburg in Frage kam, zu gewinnen.

Dieser große Schritt war indes nur die erste Sprosse und die ungewöhnliche Grundlage der Größe, zu der die schöne Frau einen Sohn bestimmte, an dessen Karriere sich der König nicht weniger interessiert glaubte Einen seiner Brüder: Frédéric-Constantin de la Tour, genannt » le prince Frédéric«, vierter Sohn des Grafen von Auvergne, Prior von Saint-Orens d'Auch (1693), Prior von la Charité-sur-Loire und Probst von Lüttich 1707, Abt von la Vallasse (1716), Prior von Saint-Esprit (1718) usw. Gest. 1732.wie sie, und den er, auf anderen Umwegen den Herzögen von Maine und Toulouse gleichzustellen wünschte: es handelte sich also um nichts Geringeres, als ihm den Bischofsstuhl von Straßburg zu sichern.

Wie sehr auch der König bestrebt war, Frau von Soubise entgegenzukommen, so zeigten sich in dieser Angelegenheit doch Hindernisse, zu deren Überwindung vielleicht ebensosehr die Gunst der Umstände wie die des Königs beitrug. Der Abt von Auvergne war seit langem Kanonikus von Straßburg; er hatte sich dort mehrmals lange Zeit aufgehalten und einen seiner Brüder in das Kapitel gebracht. Seit der Kardinal von Bouillon in Rom war, hatte er dort für ihn die oberste Würde, nämlich die des Großprobstes, erwirkt, und er selbst hatte sich zum Kanonikus in diesem Kapitel gemacht. Der Abt von Auvergne war Priester, Koadjutor von Cluny, und sein Onkel hatte es, um ihn vorwärtszubringen, nicht unter seiner Eitelkeit gefunden, ihn zum Großvikar des Erzbischofs von Vienne, Montmorin, zu machen und ihn dessen Funktionen in dieser Diözese ausüben zu lassen. Endlich war er an Jahren, Pfründen, sowie an Anziennität in Straßburg viel vorgeschrittener als der Abt von Soubise, doch war sein Ruf alles andere als makellos: von seinen Sitten war allgemein bekannt, daß es die der Griechen waren, und von seinem Geist, daß er dem ihrigen in keiner Weise ähnelte. Die Dummheit enthüllte seine schlechte Aufführung, seine vollständige Unwissenheit, seine Verschwendung, seine Ehrsucht und hatte als einzige Stütze eine niedrige, übelriechende, immer wache Eitelkeit, die ihm ebensosehr die Mißachtung zuzog wie seine Sitten, welche ihm alle Welt entfremdeten, und die ihn sich in jeder Schlinge fangen und beständig lächerlich machen ließ. Sein Bruder, der ebenso dumm, noch belangloser, viel weniger in der großen Welt zu Hause und sehr jung war, konnte keinen der genannten Mängel ausgleichen, und der Kardinal vertiefte durch sein Verhalten die Ungnade, in der er sich befand, immer mehr. Auf der anderen Seite lächelte alles dem Abt von Soubise, dessen Äußeres erkennen ließ, daß er der Sohn der zärtlichsten Liebe war. Er zeichnete sich auf den Bänken der Sorbonne aus und verpflichtete sich, wohl unterwiesen und unterstützt von seiner gewandten Mutter, diese ganze berühmte Schule durch die Art wie er sich gab. Man glaubte, er besitze genug Fähigkeiten, um es wagen zu können, ihn zum Prior der Sorbonne zu machen, ein vorübergehender Posten, der zu einer Anzahl öffentlicher Akte verpflichtet, bei denen man nur sehr schwer bloß durch die Hilfe anderer bestehen kann. Er zog sich mit Glanz aus der Affäre und dank der Mühe, die er sich gegeben hatte, die Sorbonne zu gewinnen, gingen die Lobsprüche, die ihm zuteil wurden, stark über sein Verdienst hinaus. Auch der König spendete ihm für seine öffentlichen Reden auf ihn, die ihm nicht mißfielen, reiches Lob, und so ging er aus diesem Amte mit einem außerordentlichen Rufe hervor, den er größtenteils seiner Gabe, sich beliebt zu machen, zu verdanken hatte.

Diesen beifälligen Anerkennungen seiner Fähigkeit wollte Frau von Soubise andere noch wichtigere hinzufügen und tat ihn daher nach Saint-Magloire, einem Seminar, das damals ebenso stark in der Mode war wie nachmals wenig. Es wurde von den besten Köpfen geleitet, die die Oratoriumsväter in ihrem Orden hatten, der damals durch Gediegenheit des Wissens und der Frömmigkeit glänzte. La Tour, ihr General, stand auf dem Gipfel der Wertschätzung, die seine Predigten, Der Erzbischof von Paris: der künftige Kardinal von Noailles.seine Leitung, seine Fähigkeit, die Weisheit seines Verhaltens und die Kunst des Regierens, die er in hervorragendem Maße besaß, ihm erworben hatten und die, vereint mit seiner Rechtschaffenheit, seinem Zeugnis ein großes Gewicht verliehen.

Der Abt von Soubise als Kardinal

Seit der Erzbischof von Paris diesen großen Bischofssitz eingenommen, hatte Frau von Soubise ihm den Hof gemacht: sie hatte stets die Noailles sehr rücksichtsvoll behandelt, diese geborenen Feinde der Bouillons, mit denen sie ewige und aufregende Prozesse wegen der Lehnfolge ihrer in der Vizegrafschaft Turenne gelegenen Hauptbesitzungen hatten.

Der Erzbischof von Paris schenkte Saint-Magloire ganz besondere Aufmerksamkeit; es war sein Lieblingsseminar, er liebte und schätzte das Oratorium und hatte alles Vertrauen auf den Pater de La Tour. Er stand auf der Höhe seines Ansehens, und was die kirchlichen Beförderungen anbetrifft, so teilte die Wertschätzung des Königs und die intime Verbindung mit Frau von Maintenon, wenigstens damals, die so verantwortungsvolle Entscheidung zwischen ihm und dem Pater von la Chaise. Weder der letztere, noch seine Gesellschaft waren vernachlässigt worden: Frau von Soubise kannte das Terrain zu gut, um nicht eine so mächtige und, wenn es ihr gefällt, so nützliche Truppe auf ihre Seite zu bringen; und der Pater von la Chaise und die Häuptlinge des Ordens, die stets säten, um mit Wucher zu ernten, wünschten sich nichts Besseres, als ihrem Sohne dienlich zu sein, den sie in der Lage sahen, geschwind alles zu erreichen, was er wollte, und so dahin zu gelangen, ihnen mit Zinsen zu vergelten.

So war denn alles für den Abt von Soubise und seine Zukunft in jeder Hinsicht gesichert. Er verließ das Seminar, wie er die Sorbonne verlassen hatte: diese als ein Wunder an Wissen, jenes als ein Wunder an Frömmigkeit und Sittenreinheit. Oratorium, Jesuiten, Sorbonne, der Pater von la Tour, der Pater von la Chaise, der Erzbischof von Paris spendeten ihm um die Wette ihre Anerkennung; sie erfüllten die Mutter mit Entzücken und bereiteten dem König eine kaum geringere Freude, trug man doch Sorge, daß diesem nichts von den Beifallsbekundungen entging, die dem Abt von Soubise zuteil wurden, dessen Höflichkeit, Geist, Liebenswürdigkeit, Anteilnahme, sanftes Wesen und Gabe, sich beliebt zu machen, je länger je mehr diesen so fest gegründeten Ruf bestätigten.

Als die Dinge auf diesem Punkt standen, schienen sie Frau von Soubise reif genug, um einen Schritt weiter zu gehen, und die Lage, in der sich der Kardinal von Bouillon befand, trieb sie zur Eile. Es handelte sich darum, es dahin zu bringen, über den Kardinal von Fürstenberg zu verfügen, der zwei Neffen im Kapitel von Straßburg sitzen hatte, und ihm den dringenden Wunsch nach einem Koadjutor zu suggerieren. Einen solchen aber lassen die Prälaten nur sehr schwer zu, ganz besonders, wenn es sich um einen ausländischen handelt. Außer den Söhnen seiner beiden Schwestern war noch der Enkel des Bruders seiner Mutter, nämlich der Abt von Auvergne, der Mitbewerber des Abtes von Soubise, Domherr von Straßburg, so daß der Kardinal drei nahe Verwandte im Straßburger Kapitel sitzen hatte, die wohl in der Lage waren, Koadjutoren oder Nachfolger in der Bischofswürde zu sein. Der Abt von Soubise aber war mit dem Kardinal von Fürstenberg weder verwandt, noch verschwägert, noch stand er sonst wie durch seine Person oder durch ein Mitglied seiner Familie zu ihm in Beziehung. Anläßlich des Todes seines älteren Bruders: Johann-Berthold-Franz von der Marck, geb. 1702, gest. 18. Jan. 1697, begraben in Saint-Germain-des-Prés. Er hatte zuerst in venezianischen Diensten gestanden, dann (1693) das Regiment seines Oheims übernommen. Ludwig XIV. gewährte ihm 1696 auf Bitten des Kardinals eine Pension von 4000 Livres.
Die Neigung des Kardinals für die Gräfin v. F.: sie war seit 1673 allgemein bekannt. Vorher hatte er zwei andre Maitressen gehabt: Frau von Calvimont und Frau von Lionne.
Sie war sehr schön gewesen: Nach den Aufzeichnungen des Malers Hyacinthe Rigaud machte dieser ein Bildnis der Gräfin für 115 Livres (1690) und lieferte vier Kopien davon.

Man behauptete, daß der Kardinal von Fürstenberg, sehr verliebt in die Witwe seines jüngsten Bruders und Mutter (aus ihrer ersten Ehe) des Grafen von der Marck, sie von seinem Neffen heiraten ließ, der damals zweiundzwanzig oder höchstens dreiundzwanzig Jahre alt war, um sie unter diesem Titel bequemer sehen zu können. Man behauptete ferner, sie habe ihn gut behandelt, und es ist richtig, daß nichts so überraschend war wie die Ähnlichkeit, die der Graf von der Marck Zug für Zug mit dem Kardinal von Fürstenberg hatte. Er war für die kirchliche Laufbahn bestimmt und bereits Domherr von Straßburg, als die glücklichen Erfolge Frau von Soubises und ihres Sohnes ihn anläßlich des Todes seines älteren Bruders 1697 bewogen, Soldat zu werden und auf seine Domherrnstelle sowie seine anderen Pfründen zu verzichten.

Die Neigung des Kardinals für die Gräfin von Fürstenberg hatte durch die Jahre keine Abschwächung erlitten: er konnte nicht ohne sie leben, sie wohnte und herrschte bei ihm; ihr Sohn, der Graf von der Marck, wohnte ebenfalls bei ihm, und diese Herrschaft war so allgemein bekannt, daß alle diejenigen, die mit dem Kardinal zu tun hatten, sich an sie wandten. Sie war sehr schön gewesen und zeigte noch mit ihren zweiundfünfzig Jahren deutliche Spuren davon, doch war sie groß und schwer, mannsmäßig wie ein als Frau verkleideter Schweizergardist, keck bis zur Frechheit, gebieterisch, dabei aber doch wieder höflich und voll Lebensart. Ich habe sie oft beim Abendessen des Königs gesehen und oft bemerkt, daß dieser sich angelegen sein ließ, sich mit ihr zu unterhalten.

Zu Hause war sie die herrschsüchtigste Frau von der Welt, die den Kardinal, der in ihrer Gegenwart »Die Mode, das feine Leinenzeug im Auslande bleichen zu lassen,« sagt de Boislisle (Bd. VII, S. 98, Anm. 2; 1890), »ist in unseren Tagen wiedergekommen, aber zum Vorteil Englands.«nicht zu mucksen wagte, herunterputzte. Er stand vollständig unter ihrem Pantoffel, konnte in seinem Hause nicht die geringste Verfügung treffen, vermochte aber bei aller Abhängigkeit nicht ohne sie auszukommen. Sie war verschwenderisch in Ausgaben aller Art: zahllose Kleider, eines immer schöner als das andere, kostbare Spitzen die Fülle und eine Unmenge Wäsche, die nur in Holland gebleicht wurde, ferner Putz, Geschmeide und Edelsteine aller Art; dabei spielte sie wie besessen und saß ganze Nächte hindurch bei sich und anderwärts am grünen Tisch und stellte häufig den Zeiger der Uhr zurück. Sie war eine Frau, die nur sich liebte, alles wollte, sich nichts versagte, nicht einmal, so sagte man, unerlaubte Liebschaften, die der arme Kardinal bezahlte wie alles übrige. Mit dieser Aufführung brachte sie es dahin, daß er in solche Schwierigkeiten geriet, daß er den größten Teil seiner Dienerschaft verabschieden und sich sechs oder sieben Monate des Jahres auf dem Schlosse la Bourdaisière bei Tours, das sie von Dangeau zuerst lieh, dann aber auf Lebenszeit kaufte, aufhalten mußte, um zu sparen. Sie lebte dort sehr dürftig, um sich den Rest des Jahres in Paris nach Herzenslust vergnügen zu können, als Frau von Soubise in allem Ernste an die Koadjutorstelle für ihren Sohn dachte.

Sie hatte sich von ferne an die Gräfin herangepürscht, und ich habe nicht gesehen, daß irgend jemand als falsch erklärt hätte, was man einander zuerst ins Ohr raunte, und was später viel Aufsehen machte, daß sie nämlich der Gräfin viel Geld gegeben habe, um sich ihrer und durch sie des Kardinals zu versichern. Sicher ist jedenfalls, daß der Kardinal, abgesehen von den üppigen Pensionen, die er vom Könige sehr regelmäßig bezog, in dieser Zeit eine Gratifikation in der Höhe von vierzigtausend Talern erhielt, die man so hinstellte, als sei sie ihm schon seit langem versprochen gewesen.

Der Kardinal von Fürstenberg

Nachdem sich Frau von Soubise auf diese Weise der Gräfin und des Kardinals versichert hatte, ließ sie ihnen durch den König ganz unter vier Augen danken und besiegelte ihr Unternehmen: sie ließ dem Kardinal von Bouillon alsbald den Befehl übersenden, im Namen des Königs vom Papste eine Bulle zu verlangen, zur Einberufung des Straßburger Kapitels zum Zwecke der Wahl eines nachfolgeberechtigten Koadjutors, ferner ein Breve, das die Wählbarkeit des Abtes von Soubise ausspräche.

Dieser Befehl war ein Blitzstrahl für den Kardinal von Bouillon, der auf nichts weniger gefaßt war. Er konnte es nicht ertragen, sich diese glänzende Beute entwischen zu sehen, die er bereits so sicher gepackt zu haben meinte. Noch unerträglicher aber war es ihm, den Handlanger dazu machen zu müssen. Der Ärger verblendete ihn stark genug, daß er sich einbildete, er werde bei der so verschiedenen Stellung, die Frau von Soubise und er beim Könige einnahmen, diesen veranlassen, einen gefaßten Entschluß zu ändern und eine eingegangene Verpflichtung zu brechen. Er sandte also einen Kurier an den König, schrieb ihm, daß er sich die Sache nicht reiflich genug überlegt habe, behauptete, er habe Gewissensskrupel, wie wenn er ein durchaus untadliger Ehrenmann gewesen wäre und schrieb durch denselben Kurier an die Straßburger Domherren ein Rundschreiben voll Galle, Geist und Komplimenten: er teilte ihnen mit, daß der Kardinal von Fürstenberg nach wie vor imstande sei, in Straßburg zu residieren (das sollte heißen, daß er dort niemals residiert habe und man auch fernerhin ohne das auskommen würde); daß der Abt von Soubise so jung sei, daß es verwegen sei, auf ihn zu bauen, und daß ein Mann, den man so früh in die Lage setzte, daß er nichts mehr zu fürchten noch zu hoffen habe, sehr schnell verdorben würde; er gab ihnen auch zu verstehen (wie er es beim Könige gemacht hatte), daß der Kardinal von Fürstenberg, abhängig von seiner Nichte, wie er war, zum Schaden seiner Neffen nur durch das viele Geld gewonnen worden sei, das jene von Frau von Soubise erhalten habe.

Er sandte diesen Brief allerdings an seinen Bruder, den Grafen von Auvergne, um ihn nur dann überreichen zu lassen, wenn der König die Erlaubnis dazu gab – nicht etwa, weil er darauf hoffen konnte, sondern um ihn mit dieser Huldigung zu ködern, während er unterdessen so viel von seinem Inhalt unter der Hand verlauten ließ, daß seine Wirkung nicht verloren ging, er aber nachher erklären konnte, daß er nicht wisse, wie der Brief bekannt geworden sei.

Dieses Schreiben wirbelte einen gewaltigen Staub auf. Ich war Dienstag, den 30. März, beim Könige, als ich gegen Ende des Abendessens Frau von Soubise erscheinen sah, die die Gräfin von Fürstenberg bei der Hand führte und sich mit ihr an der Tür des Kabinetts des Königs aufstellte. Das tat sie nicht etwa, weil sie nicht das Recht gehabt hätte, dort einzutreten, wenn sie gewollt, und auch die Gräfin von Fürstenberg eintreten zu lassen, – aber da das Aufsehen allgemein war und man von nichts anderem sprach als von dem Kuhhandel und dem Briefe des Kardinals von Bouillon, wollte sie auch einen Eklat von ihrer Seite. Ich ahnte das, sowie ich ihrer ansichtig wurde, ebenso wie viele andere, und ich trat sofort näher, um Zeuge der Szene zu sein.

Frau von Soubise war ganz rot vor Aufregung, und die Gräfin, von ihrem Temperament fortgerissen, schien ganz rasend. Als der König vorüberschritt, hielten sie ihn an: Frau von Soubise sagte ganz leise ein paar Worte, worauf die Gräfin mit erhobener Stimme Gerechtigkeit wegen der Kühnheit des Kardinals von Bouillon verlangte, dessen Stolz und Ehrgeiz, nicht zufrieden, den Befehlen Seiner Majestät Widerstand zu leisten, sie durch die allerschlimmsten Verleumdungen entehre, sie und den Kardinal, seinen Mitbruder, der dem Könige so gute Dienste geleistet, und selbst Frau von Soubise nicht verschone.

Der König hörte sie an und antwortete ihr mit ebensoviel Liebenswürdigkeit und Höflichkeit für sie wie Unwillen gegen den Kardinal, versicherte ihr, sie solle zufrieden sein und setzte seinen Weg fort. Die Damen gingen fort, aber nicht ohne einen heftigen, der Rache sicheren Zorn zu zeigen.

Frau von Soubise fühlte sich um so verletzter, als der Kardinal von Bouillon den König von Machenschaften und Simonien unterrichtete, von denen er sicherlich nichts wußte, und die ihn abgehalten hätten, dem Unternehmen zuzustimmen oder gar es zu fördern, wenn er eine Ahnung davon gehabt hätte. Sie fürchtete daher, es möchten ihm Skrupel kommen und ihn veranlassen, sich die Minen näher anzusehen, die sie in Straßburg für die Wahl hatte springen lassen. Sie bediente sich daher der nämlichen Camilly und la Bastie, die ihr so geschickt an die Hand gegangen waren, um ihren Sohn zum Domherrn zu machen, zur Sicherung des Koadjutoramtes. Beide waren bedenkenfrei: Camilly hatte bereits eine gute Abtei für den ersten Dienst erhalten und erhoffte nun von dem zweiten einen Bischofsstuhl. Er wurde in seiner Erwartung nicht getäuscht. La Bastie hoffte eine Anzahl Kinder nützlich und ehrenvoll unterzubringen, und es gelang ihm.

Während sie in Straßburg alles vorbereiteten, war der Kardinal von Bouillon in Rom ganz aus dem Häuschen, legte den Bullen, die der König verlangte, alle Hindernisse in den Weg, die er konnte und schrieb ihm darüber einen zweiten Brief, der noch toller war als der erste. Dieser schlug dem Faß den Boden aus. Als Antwort erhielt er durch einen Kurier den Befehl, Rom augenblicklich zu verlassen und sich geradeswegs nach Cluny oder nach Tournus – die Wahl wurde ihm freigestellt – zu begeben und dort zu bleiben, bis er andere Weisungen empfinge. Der Befehl zurückzukehren schien dem Kardinal so hart, daß er sich nicht entschließen konnte zu gehorchen. Er war Unterdekan des heiligen Kollegiums: Cibò, der Dekan, war so gebrechlich, daß er das Bett nicht mehr verlassen konnte; um Dekan zu werden, muß man in Rom sein, wenn das Dekanat frei wird, und sich im Konsistorium um die vereinigten Bistümer Ostia und Velletri bewerben, die dem Dekan bestimmt sind, oder, wie einige es gemacht haben, sich um das Dekanat unter Beibehaltung des bisher verwalteten Bistums bewerben.

Der Kardinal von Bouillon stellte also dem König unter vielen Beteuerungen, seinen Befehlen nachkommen zu wollen, den bedenklichen Zustand des Kardinals Cibò vor, schrieb, er könne nicht glauben, daß er ihn des Dekanats und seine Untertanen der Ehre und des Vorteils eines französischen Dekans berauben wolle, er wolle in dieser Überzeugung vom Papste ein Breve erbitten, das ihm das Dekanat während seiner Abwesenheit sichern solle; er werde sofort abreisen, sowie er es erhalten und sich unterdessen, zur Verhinderung einer Das Breve: man erfuhr in Versailles, daß der Papst es verweigert hatte.falschen Auslegung seines Verhaltens durch seine Leute, wie der kleinste Privatmann in das Noviziat der Jesuiten zurückziehen und mit niemand, außer in Sachen seines Breves, sprechen. Er handelte in der Tat seinen Versicherungen gemäß und bat um das Breve. Er ahnte wohl, daß er es nicht erlangen werde, hoffte aber, daß die Entscheidung sich so lange hinzöge, bis der Kardinal Cibò gestorben wäre, oder der Papst selbst, der schon lange eine Katastrophe befürchten ließ. Lassen wir ihn eine Zeitlang bei diesen Listen, die ihm verderblich wurden, um den Fortgang der Ereignisse nicht zu sehr zu unterbrechen.

Frau von Soubise wurde in Straßburg so gut bedient, und das Ansehen des Königs unterstützte in aller Stille das ausgestreute Geld so sehr, daß der Abt von Soubise einstimmig zum Koadjutor von Straßburg erwählt wurde. Das Pikante war, daß dies in Gegenwart des Abtes von Auvergne geschah, der als Großpropst des Kapitels vor der Wahl die Heiliggeistmesse las. Der Zorn des Königs machte den Bouillons Angst; ihr Rang und die ihnen für den Verzicht auf Sedan zugestandenen, aber vom Parlament nicht registrierten Ehren hingen nur an einem Faden: sie sahen, daß es in der Angelegenheit des Kardinals keine Rettung gab und trachteten, sich aus dem Ruin ihres Bruders durch diese Charakterlosigkeit zu retten. Untersuchung der Geschäfte der Steuerpächter: die Steuerpächter wurden zu allen Zeiten, selbst im Mittelalter, in kritischen Tagen geschröpft. Colbert hatte 1661, als er das Finanzwesen in die Hände bekam, auf diese Weise 110 Millionen bekommen.


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