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Am folgenden Morgen wurden an allen belebten Punkten Berlins Extrablätter ausgebrüllt.
»Extrablatt! Extrablatt!«
Großer Bankdiebstahl in der Wilhelmstraße. Fast jeder kaufte sich das einzelne Blatt, denn jeder in Berlin interessiert sich lebhaft für die Ereignisse der Weltstadt. Die zahlreichen Straßenbahnen, die Berlins Hauptverkehrsadern durcheilen, sind in der Frühe des Tages meist mit jungen Geschäftsleuten besetzt, und fast jeder hatte das Extrablatt in der Hand oder zwei und zwei sprachen über den höchst eigenartigen Fall.
Das Extrablatt enthielt die Nachricht, daß in vergangener Nacht mit ungeheurer Kühnheit und offenbarer Lokalkenntnis in das feuerfeste Gewölbe des Bankhauses Geldern eingebrochen und aus dem einzigen, nicht eingemauerten Geldspinde fast eine Million an Industriepapieren geraubt worden waren. Bares Geld war den Spitzbuben glücklicherweise nicht in die Hände gefallen.
Berlin war in großer Aufregung. In einer sehr belebten Gegend, trotz schärfster Aufmerksamkeit eines städtischen und eines Privatwächters waren die schweren Jungen vom Kellergeschoß aus in das Gewölbe gedrungen, hatten eine Seitenwand des eisernen Geldschrankes mit der Knallgasstichflamme zerstört und die Obligationen weggeschleppt.
Kurz nach der Entdeckung des Einbruchs war die Meldung an den Chef der Kriminalpolizei gelangt, der seinerseits den Kommissar Lippe sofort aus seiner Wohnung holen ließ. Lippe kam schnell nach dem Präsidium und trat unangemeldet in das Bureau seines Chefs ein.
Um Zeit zu sparen, hatte Herr von Steltmann die Gewohnheit, jedem Beamten, dem er einen wichtigen Auftrag zu erteilen hatte, schon durch den Boten, der ihn aus der Wohnung oder von einem entfernteren Punkt holen muhte, den Tatbestand des Verbrechens mitzuteilen, so daß der Polizeirat ohne weiteres beginnen konnte und nicht erst lange Informationen vorausschicken mußte.
Als Lippe eintrat, rieb sich Herr von Steltmann vergnügt die Hände.
»Nun sehen Sie mal, mein lieber Lippe, wie richtig meine Kombinationen waren. Ich sagte Ihnen doch schon gestern abend, daß der Prinz von Toscana es nur auf das Vermögen Gelderns abgesehen hat. Er ist weiter nichts als ein geschickter Ausbaldowerer oder gar der Einbrecher selbst.«
»So, woraus schlossen Sie das, Herr Polizeirat? Ich hatte mir eher gedacht, daß es sich um ein ideales Liebesverhältnis der schönen Rita mit irgend einem armen Teufel handelte, der nun durch die Entführung in den Besitz der jungen Dame gelangen konnte.«
»Aber bester Kollege, Sie lesen mir zu viel amerikanische Detektivromane, da nur lösen sich dunkle Sachen auf romantische Art. Nein, nein, glauben Sie mir, meine Erfahrung hat mich gelehrt, daß es keine Verbrecherromantik mehr gibt. Der angebliche Prinz ist die Seele des Einbruchs in das Geldernsche Gewölbe.«
»Und die Entführung der jungen Dame?«
»Das ist das Satyrspiel – zur Abwechslung aber einmal vor der Tragödie.«
»Wie meinen Sie das, Herr Polizeirat?«
»Nun, warum soll der als Prinz von Toscana auftretende Gauner nicht auch Freude an einem hübschen Mädchen haben? Zuerst brauchte er Ritas Liebe und Gelderns Vertrauen, um die Geheimnisse des Bankgewölbes zu ergründen, dann gefiel er sich in der Rolle des begünstigten Liebhabers der schönen Rita, er entführte sie und kann so immerhin einen nicht unbedeutenden Druck auf den Vater ausüben.«
»Ja, ja, so könnte es sein, aber ich muß Ihnen gestehen, ich sehe noch nicht recht klar in der Sache.«
»Mir ist kein Punkt mehr dunkel. Soll ich Ihnen den Hergang der Unternehmung erzählen?«
»Ich bitte darum, Herr Polizeirat.«
»Eine internationale Verbrecherbande faßte, vielleicht vor einem Jahre den Plan, bei dem Börsenkönig Geldern einzufallen. Der eleganteste unter ihnen, ein verbummelter österreichischer Medizinstudent, der seine Aehnlichkeit mit einem Verwandten des österreichischen Kaiserhauses in bar Geld umzusetzen bestrebt ist, sucht und findet Anschluß an die Familie des Kommerzienrates. Er spielt den Geheimnisvollen, täuscht mit großem Raffinement die ganze Familie, gewinnt die Tochter und damit genaue Einsicht in die Verhältnisse und die Oertlichkeit. Der ursprüngliche Plan, die ganze Familie Geldern nach England zu locken, wird durch irgend ein unvorhergesehenes Ereignis durchkreuzt. Sie werden auf die Erforschung dieses Ereignisses besonderes Gewicht legen.«
»Jawohl, Herr Polizeirat; und welcher Art könnte dies Ereignis sein?«
»Ich habe vorläufig keine Ahnung, vielleicht empfing Geldern einen großen Posten baren Geldes, vielleicht mußte er auch ein großes Depositum auszahlen, so daß der Einbruch vordem bewerkstelligt werden mußte. Denn nur bares Geld kann den Spitzbuben nützen, Obligationen haben für sie den allergeringsten Wert.«
»Warum aber blieb der Prinz von Toscana nicht in Berlin, das wäre doch für die Aktion der Einbrecher ganz gleichgültig gewesen, im Gegenteil, seine Anwesenheit hätte ihnen nur nützen können.«
»Viel offene Fragen! Untersuchen Sie erst die Details des Einbruchs, daraus wird sich manches ergeben. Scheiden Sie alles Unwahrscheinliche aus, kombinieren Sie nüchtern und halten Sie sich frei von Romanideen. Ich werde übrigens bald selbst bei Geldern sein. Aber handeln Sie nicht, ergründen Sie nur. Jeder großen Tat ging eine genaue Ueberlegung voraus. Der Polizist muß von den Wirkungen auf die Ursache, vom Resultat auf die Vorbereitungen schließen, aber logisch schließen, denn jeder logische Bruch führt auf einen falschen Weg.«
Lippe verbeugte sich und ging. Seltsame Gedanken schossen ihm durch den Kopf, Gedanken, die sein Chef als Romanideen gebrandmarkt hätte und die doch so natürlich erschienen. Der falsche Prinz – mußte es denn ein falscher Prinz sein? – Bewahre, dem Polizisten kam lebhaft Erzherzog Johann und seine geliebte Brettlsängerin in den Sinn. Konnte der Toscana die Sache nicht nachgemacht haben? So was steckt an. Herr von Steltmann verbohrte sich in eine Idee, er hielt sich für unfehlbar und den Prinzen von Toscana zu hoch, daß er nicht einmal wagte, genaue Nachrichten über ihn einzuziehen. Alles Unwahrscheinliche ausscheiden, dann bleibt stets die Wahrheit zurück. Rita Geldern ist ein sehr schönes, pikantes Mädchen, warum sollte sich ein Prinz nicht in sie verlieben?! Vielleicht haben wir beide recht. Der Toscana ist vielleicht bloß ein Ausbaldowerer, hat sich aber bei diesem Geschäft in Rita verliebt, hat sie zur heimlichen Ehe verleitet und … damit der Papa nicht kompromittiert wird, bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Verbrecher zu schonen. Aber natürlich, das war der Gang der Sache; daß er auch nicht früher darauf gekommen war?
Als er das Bankhaus Geldern erreicht hatte, blieb er eine ganze Zeit lang davor stehen. Er mischte sich unter die Menge, die sich neugierig hin und her schob und den interessanten Fall lebhaft diskutierte. Hier außen war zurzeit nichts zu machen, denn die leisen Spuren, die selbst der gewiegteste Einbrecher zu hinterlassen pflegt, waren hier wie von einer Ochsenherde zertrampelt.
Lippe ging also ins Haus, um sich dem Chef vorzustellen und aufs genaueste den Ort der Tat zu studieren. Das Gewölbe lag im Souterrain und war nur wenige Quadratmeter groß. Es beherbergte drei große eiserne Geldschränke, die in die Wände aus behauenen Sandsteinen eingemauert waren. Ein einziger eiserner Schrank stand in der Ecke. Der Fußboden war mit schweren Marmorfliesen bedeckt. Von diesen Marmorquadraten waren zwei tadellos ausgeschnitten und ein breites Loch ging hinunter in den Keller.
Die Spitzbuben hatten eine beispiellose Arbeit verrichtet. Sie hatten durch das mächtige Deckengewölbe des Kellers vier Löcher gebohrt und mit dem Fuchsschwanz, einer grimmen Säge, zu vieren von verschiedenen Seiten das Gewölbe mitsamt den Fliesen kunstgerecht durchsägt. Das konnte in einer knappen halben Stunde geschehen sein. Dann waren die Gauner ins Gewölbe gedrungen, hatten den eisernen Schrank von der Seitenwand her zerstört und ausgeräumt. Diese Arbeit mußte sie länger aufgehalten haben, denn sie hatten an keinem der eingemauerten auch nur einen schwachen Einbruchsversuch gemacht. Warum?
Herr Kommerzienrat Geldern kam, dem jungen Polizisten das Rätsel zu lösen.
»Wie schlau diese Burschen waren,« sagte er, »oder wie genau sie Bescheid wußten. In diesem Spind hatte ich bis gestern eine Million in bar liegen zu einem großen Geschäft. Gestern habe ich das Geld weggegeben und Aktien dafür in den Geldschrank gelegt.«
»Aha, das Ereignis, von dem der Polizeirat sprach,« dachte Lippe.
»Wer hatte Kenntnis von dem Umtausch des baren Geldes in Papier?«
»Niemand als mein erster Prokurist und mein ältester Kassenbote, der im Souterrain wohnt.«
»Der ist aber ehrlich?«
»Ueber jeden Zweifel erhaben.«
»Aber sagen Sie mir, Herr Kommerzienrat, von der Existenz des baren Geldes und seinem Aufbewahrungsort wußten auch nur die beiden Genannten, oder noch andere Personen?«
»Gott, lieber Kommissarius, das wußte mein halbes Personal.«
»Lange vorher?«
»Ein oder zwei Wochen.«
»So! Nun will ich mich auch einmal der genauen Durchforschung des Platzes widmen.«
Lippe kniete in der Nähe des Loches nieder und untersuchte genau die Fliesen, mit einer scharfen Lupe und einer grellen Laterne. Er rutschte hin und her, bald zum Geldspind, bald von dort wieder zum Einbruchsschacht.
Plötzlich sagte er zu dem verwundert zuschauenden Geldern:
»Es waren fünf Menschen im Gewölbe, einschließlich Ihnen?«
»Doch nicht, Herr Lippe, außer mir der Kassenbote, der erste Prokurist und mein Kassierer, der die Nummern der Obligationen feststellen mußte.«
»Ich möchte die Herren sehen.«
»Sofort, ich rufe sie.«
Lippe untersuchte indessen genau das zerstörte Geldspind. Er nahm seine Lupe und pruste aufs allereingehendste jeden Quadratzentimeter der übriggebliebenen Stahlplatte.
Als Geldern mit den drei verlangten Herren zurückkam, betrachtete der Kommissar nur flüchtig ihre Stiefel, nahm dann einen Zollstock aus der Tasche und maß auf den Steinfliesen hin und her. Dann sagte er:
»Der Einbrecher, denn nur einer war im Gewölbe, ist etwa 5½ Fuß groß, hager und trägt einen ganz kurz gehaltenen blonden Vollbart, er war mit einem schwarzen Kammgarnanzug bekleidet, der Rock in Schwalbenschwanzform gearbeitet. Füße lang und schmal, Hände ebenso, Gesichtsfarbe blaß, Augen blau.«
Der Kommerzienrat sah den Polizisten ganz entsetzt an, dann lächelte er ironisch:
»Wollen Sie mir nicht auch sagen, was der Herr Einbrecher für Wäsche trägt?«
»Wenn Sie Interesse dafür haben, warum nicht. Der Spitzbube trägt Umlegekragen und Manschetten mit Kettenknöpfen.«
»Wenn Sie nicht ein königlicher Beamter wären, würde ich sagen, Sie machen sich einen Witz mit mir.«
In diesem Augenblick trat Polizeirat von Steltmann ein. Er hatte noch die letzten Worte gehört.
»Aha, mein lieber Kommerzienrat, Ihnen wird bange vor der heiligen Hermandad. Aber lassen Sie sich nicht ängstigen. Es geht alles mit rechten Dingen zu. Unser Lippe ist ein gar scharfer Beobachter und kühner Kombinator, seine Zuverlässigkeit ist geradezu unheimlich, lassen Sie ihn nur gewähren.«
»Ich muß gestehen, ich bin verblüfft über die Menge Details, die der Herr Kommissar in so kurzer Zeit herbeigebracht hat, das klang ja genau wie ein Steckbrief.«
»Aber damit Sie sich weiter nicht um Ihre Aktien ängstigen, hier sind sie, ein Bahnarbeiter hat sie heute in aller Frühe am Damm der Ringbahn zwischen Nixdorf und Tempelhof gefunden.«
»Das ist schön, ich bin Ihnen sehr dankbar!« rief der Kommerzienrat erfreut aus.
»Also hat der Prinz von Toscana mit dem Einbruch nichts weiter zu tun?« erklärte Lippe im ruhigsten Tone von der Welt.
»Wieso?«
»Nun, der Prinz konnte doch nur in Aktion treten, wenn es sich darum handelte, den Raub zu verschärfen; als Fräulein Ritas Gemahl hatte er einiges Gewicht bei dem Vater. Er hätte blos zu schreiben brauchen: ›Lieber Kommerzienrat, ich bin die Triebfeder des ganzen Einbruchs, es sind uns nur Papiere in die Hände gefallen, wir wollen sie Ihnen aber zu fünfzig Prozent des Nennwertes verkaufen; wenn Sie nicht darauf eingehen, ist Ihre Tochter kompromittiert als die Geliebte eines Verbrechers, denn unsere Ehe war ein Scheinmanöver.‹«
»Entsetzlich! Glauben Sie, daß etwas Derartiges vorkommt?«
»Lassen Sie sich nicht beunruhigen, Freund Lippe erzählt Ihnen eine Szene aus einem amerikanischen Detektiv-Roman.«
»Die Sache klingt aber doch äußerst wahrscheinlich!«
»Ja, ja, für einen Roman, aber nicht für die Wirklichkeit. Ich bin übrigens derselben Ansicht wie Lippe, der Prinz steckt nicht hinter dem Einbruch. Offen gestanden, wäre mir die andere Lösung lieber gewesen, der Einfachheit wegen, so wird die Sache verflucht kompliziert. Uebrigens, lieber Kollege, lassen Sie den Einbruch dem Kommissar Grün …«
»Der heißt auch mehr Kommissar wegen des Kommiß!«
»Na ja, aber die Geschichte hier ist jetzt so weit gefördert, daß er sie zu Ende führen kann. Geben Sie ihm Direktiven, setzen Sie ihn auf die Spur und dann mag er jagen.«
»Wie der Herr Polizeirat befehlen. Der Kreis ist verhältnismäßig eng, denn der Einbruch richtete sich nur gegen einen Geldschrank, von dem die Spitzbuben wußten, daß eine Million Bargeld darin aufgehoben sei. Diese Kenntnis mußten sie notwendig von einem Beamten des Geldernschen Bureaus haben. Die Beamten aber, die von dem Umwerten des Bargeldes in Papier wußten, scheiden natürlich aus, denn …«
»Nun ja, die genaue Ortskenntnis kann auch nur aus einer Quelle stammen.«
»Möchten Sie nicht, lieber Polizeirat, mir einen persönlichen Gefallen tun?« sagte Geldern jetzt.
»Nun? … Natürlich, aber mit Vergnügen.«
»So lassen Sie Herrn Kommissarius Lippe den Fall zu Ende führen, ich habe soviel Vertrauen zu ihm, ich möchte gerne die beiden Affären, die mein Haus so eng berühren, in einer Hand wissen.«
»Gewiß, wenn es Ihnen eine Beruhigung ist …«
»Eine große, lieber Polizeirat.«
»Also, Lippe, Sie hören den Wunsch des Herrn Kommerzienrats. Verfolgen Sie die beiden Fälle, vielleicht gehören sie doch zusammen. Ich kann mich nicht von dem Gedanken losmachen, daß uns da noch irgendwo eine unangenehme Ueberraschung bevorstände.«.
Nach diesen Worten verabschiedete sich der Polizeirat, während Lippe nach dem Keller hinunterstieg, um die weiteren Spuren des Einbruchs zu studieren. Er fand hier keinen individuellen Zug mehr, der auf irgendwelche Originalität der Verbrecher schließen ließ. Es lag ein ganz gewöhnlicher Einbruch vor, der allerdings keinen ausgesprochenen Berliner Stil trug.
Das sagte er auch dem Kommerzienrat. Dieser aber hatte nur daran Interesse, den beteiligten Angestellten seines Hauses zu ermitteln. Das allein, meinte er, sei ihm von unschätzbarem Werte.
»Das kann ich mir denken,« antwortete Lippe. »Die Spitzbuben sind ohne jede Schwierigkeit eingedrungen. Sie haben die Kellertür aufgeschlossen und zwar mit dem richtigen Schlüssel, sie sind dann ohne zu zögern oder stehen zu bleiben nach der Stelle gegangen, die unter dem Gewölbe lag, haben durchgebohrt und sind eingestiegen. Alles das läßt auf eine todsichere Kenntnis der Situation schließen, eine Tatsache, die uns den Fang wesentlich erleichtert, denn es sind doch nicht sehr viel Menschen, die in dem Keller Ihres Hauses so genau Bescheid wissen.«
»Aber alle, die genau Bescheid wissen, sind treu wie Gold und seit vielen Jahren erprobt.«
»Das kann uns nicht abhalten, jeden zu verdächtigen, die erprobtesten Leute werden im entscheidenden Augenblick zu Verbrechern.«
»Nun, mein Kassenbote, ich meine den, der im Souterrain wohnt, fällt schon aus, denn er wußte, daß in dem Geldspind kein Bargeld mehr war.«
»Wie heißt der Kassenbote?«
»Klose.«
»Hat dieser Klose Verwandte in Berlin?«
»Eine alte Schwester, eine Kutscherswitwe, die von den Zinsen eines kleinen Kapitals schlecht und recht lebt, ich glaube, sie vermietet Zimmer.«
»Vermietet Zimmer!« Der Geheimpolizist sprach dies leise und nachdenklich vor sich hin. »Sonst hat Klose keine Verwandten?«
»Einen Sohn, der aber seit zehn Jahren verschollen ist. Er war ein kleiner Taugenichts, und da hat ihn der Vater aus dem Hause gejagt. In Amerika, glaube ich, ist er, wenn er überhaupt noch lebt.«
»So, so, dieser Klose also ist ehrlich.«
»Ja, für den alten Mann verbürge ich mich. Er lebt nur für das Geschäft. Auch die Affäre mit dem Sohn beweist, wie sehr er am Geschäft hängt.«
»Wieso?«
»Nun, der Junge machte schlechte Streiche, schon als er noch auf das Gymnasium ging. Er bandelte mit meiner damals noch nicht fünfzehnjährigen Tochter ein Liebesverhältnis an und lauter so 'ne Sachen. Da jagte ihn der Alte kurzerhand aus dem Haus, weil er seine Stellung mit einem solchen Sohn für unvereinbar hielt. Es hat ihm weh genug getan. Soll ein talentvoller und forscher Bengel gewesen sein.«
»Sie kannten ihn nicht?«
»Flüchtig, wie man einen Schuljungen mal sieht.«
»Wohnte er nicht im Haus?«
»Jawohl. Aber Sie glauben doch nicht etwa, daß der eingebrochen hat – –?«
»Warum nicht?«
»Das Gewölbe ist erst vor acht Jahren gebaut und seit zehn Jahren ist der Bengel in Amerika.«
»Die Schwester Ihres Kassenboten heißt – –?«
»Ich weiß es nicht … Klose, Klose, kommen Sie doch einmal her.«
Der alte Mann trat heran.
»Wie heißt doch Ihre Schwester, Klose?«
»Meine Schwester … ach so, die Johanne … Koch. Sie wohnt in Schöneberg in so'n kleines Häuschen neben die Millionenbauern.«
»Es ist gut.«
Klose ging wieder an seine Arbeit und Lippe ersuchte den Kommerzienrat, nunmehr Keller und Gewölbe gut zu verschließen, damit niemand die Räume in den nächsten vierundzwanzig Stunden betreten könne. Die Spuren sollten vor allen Dingen unverwischt bleiben, um den Einbrechern sofort und sicher ihre Schuld nachweisen zu können.