Joseph Roth
Tarabas
Joseph Roth

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XXVIII

In der Zelle des Bruders Eustachius, in dessen Bett, lag Nikolaus Tarabas. Er wartete. Auf dem steinernen Fußboden, neben dem Bett, brannte ein Feuer, damit es den Kranken wärme. Ein Bruder saß an der anderen Seite des Bettes.

Eustachius trat ein, und Tarabas setzte sich im Bett gerade auf.

»Er verzeiht!« sagte Eustachius.

»Haben Sie ihn selbst gesprochen?«

»Selbst gesprochen!« antwortete Eustachius.

»Wie ist er? Kann er noch gescheit sein, gescheit reden?«

»Er ist sehr gescheit!« sagte Eustachius. »Er hat alles genau verstanden. Er ist klüger, als man glaubt!«

»So, so. Und sein Sohn?«

»Von seinem Sohn hat er nichts gesagt!«

»Schade!« sagte Tarabas und legte sich wieder in die Kissen.

»Ich möchte«, sagte er dann, »in Koropta begraben werden. Vater und Mutter und Schwester soll man verständigen und auch den General Lakubeit.«

Das waren Tarabas' letzte Worte. Er starb am Abend, während die Sonne unterging. Sie warf durch das vergitterte Fenster der Zelle noch acht rotgoldene Vierecke auf die Bettdecke, über die noch ein sanftes Zittern ging, in der letzten Sekunde.

Man begrub den Obersten Nikolaus Tarabas in Koropta, mit allen militärischen Ehren, die einem Obersten gebührten. Es gab Musik und Schüsse. Die Juden von Koropta gingen auf den Friedhof mit.

Den Vater, der auf seinen zwei edlen Ebenholzstöcken zum Grabe humpelte, begleiteten die verschleierte Frau Tarabas und der alte Knecht Andrej.

Nach dem Begräbnis bestiegen die Eltern die schwarze Kalesche. Andrej lenkte sie. Keiner von den Anwesenden hatte eine Träne in den Augen der alten Tarabas gesehn.

Die Kalesche überholte unterwegs die Kompanie, die mit klingendem Spiel in die Kaserne zurückkehrte.

Der Bruder Eustachius bestellte einen Stein für den Toten, einen schönen Stein aus schwarzem Marmor. Eustachius wußte nichts mehr von Tarabas als die Daten: geboren, gestorben. Er hätte, wäre es möglich gewesen, eingravieren lassen: Ein Narr, der den Himmel verdiente. Aber diese Inschrift paßte nicht. Der Bruder Eustachius sann also über eine passende Inschrift nach.


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