Joseph Roth
Tarabas
Joseph Roth

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III

Es hatte in der Nacht geregnet. Der Morgen war frisch, die Pflastersteine waren noch naß. Sie trockneten aber schnell im herben, beständigen Morgenwind. Schon ratterte der Spritzwagen durch die Straßen und netzte das Pflaster aufs neue.

Tarabas beschloß, sich dem ersten Polizisten auszuliefern, der ihm begegnen würde. Da aber vorläufig keiner kam, überlegte Tarabas, daß es günstiger wäre, erst den dritten anzusprechen – und zwar der Zahl Drei wegen, die ihm immer Glück gebracht hatte. Ob der Wirt tot war oder am Leben, hing höchstwahrscheinlich davon ab.

Der erste Polizist überholte Tarabas. Es war eigentlich keine Begegnung. Jene, die ihm Angesicht in Angesicht entgegenkamen, waren für Tarabas Begegnungen. Nun kam einer, schlenkernd mit dem Gummiknüppel, morgenmüd und gähnend: der erste also. Um die Begegnung mit dem zweiten so lange wie möglich hinauszuschieben, bog Tarabas in die nächste Seitengasse. Aber hier stieß er auf einen andern, der munter und jugendlich aussah, als hätte er soeben erst den Dienst angetreten. Tarabas lächelte ihm zu und kehrte sofort um. Nicht vor dem Gesetz, das ihn bereits verfolgen mochte, fürchtete er sich, sondern davor, daß die Prophezeiung schneller erfüllt werden könnte, als er gedacht hatte. Nun bleibt mir noch der letzte, dachte Tarabas, und dann ist alles in Gottes Hand!

Auf der Hauptstraße aber, in die er zurückgekehrt war, zeigte sich wohl eine halbe Stunde lang kein Polizist mehr. Schon begann Tarabas, sich geradezu nach einem dritten zu sehnen. In dem Augenblick aber, in dem einer auftauchte, am äußersten Ende der breiten Straße und in deren Mitte – und der schwarze Helm ragte gegen das tiefe Grün des Parks, der die Straße abschloß –, in diesem Augenblick erscholl die helle Stimme eines der ersten Zeitungsjungen von New York.

»Krieg zwischen Österreich und Rußland!« schmetterte die Stimme des Jungen. – »Krieg zwischen Österreich und Rußland!« – »Krieg zwischen Österreich und Rußland!«

Der Polizist kam heran und blickte in die morgenfrische Zeitung, Tarabas über die Schulter.

»Es ist Krieg«, sagte Tarabas zum Polizisten, »und ich werde in diesen Krieg gehn!«

»Dann kommen Sie auch lebendig zurück!« sagte der Polizist, hob die Hand an den Helm und entfernte sich.

Tarabas lief ihm nach und fragte, wie man am raschesten zur russischen Botschaft komme. Hierauf, nachdem ihm Auskunft zuteil geworden, rannte er, mit langen Schritten, der Botschaft entgegen, dem Krieg entgegen. Und Katharina, der Wirt und seine Missetat waren ausgelöscht und vergessen.


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