Peter Rosegger
Das Sünderglöckel
Peter Rosegger

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Übermut.

An einen sehr vielfältigen Menschen will ich eine sehr einfältige Geschichte knüpfen. Der vielfältige Mensch ist Herr von Gadelborn mit den fünf Millionen Gulden. Dieses Schwergewichtes halber hatte er ein kompliziertes und unbequemes Leben mit sich zu schleppen. Den Vater, der ihm die Reichtümer erworben, hatte er gehabt, zum Sohne, der sie ihm wieder verschwendet hätte, konnte er's nicht bringen. Natürlich trieb er Pferdesport, Jagdsport, Rudersport, Protektionssport, Wohltätigkeitssport, Kunstsport, Reisesport und Weibersport. Er reiste im eigenen Wagen, von dem die Pferde, um das gleich zu sagen, ihm selbstverständlich immer viel näher standen, als der Kutscher. Das Verhältnis zu den ersteren war zeitweise ein herzliches, das Verhältnis zu letzterem ein – man möchte sagen – mechanisches. Er reiste auf Luxuszügen stets in einem eigenen Salonwagen weit umher, schnell umher, daß er nicht irgendwo etwas versäume. Gelegentlich zog er sich auf eines seiner Schlösser zurück und trieb Einsamkeitssport, ja zeitweilig sogar Sittlichkeitssport. Doch fand er, daß die Sittlichkeit, wenn sie zu lange dauert, sättlich wird.

Weil aber die Unsittlichkeit auf die Länge noch sättlicher wird, ja ganz abscheulich ekelhaft, so kam er endlich auf den großen philosophischen Standpunkt: die Welt ist lumpig. Es kommt zu nichts Ordentlichem. Was die Ganzklugen da auch entdecken und erfinden mögen: kann der Mensch fliegen? Kann er die Wolken kompakt machen, daß man darauf herumzuspazieren vermöchte wie auf schönen Gletschern, und dann wohl auch einmal freien Fußes in den Himmel hinein? Kann er auf der Spitze des Großglockners oder des Montblanc Springbrunnen machen, so hoch, daß man in ganz Europa sein Funkeln sieht? Kann man Berge mit einem Schlage in die Luft sprengen oder eine Feuersbrunst zustande bringen, daß sie dabei auf der ganzen nächtlichen Halbkugel zum Kartenspielen sehen? Nein, weder schaffen noch zerstören kann der Mensch im großen. Wenn man die Zeitungen liest: Schiffsexplosionen mit fünfhundert Toten, Fürstenattentat mit kaum einem; Eisenbahnkatastrophe mit mehr Verwundeten als Toten, Völkerschlachten mit kaum hunderttausend Toten, das sind schon die höchsten Späße der Zeitchronik. – Das waren so seine Lieblingsgedanken. Er ging wirklich mit der Idee um, zur Ergötzung einmal zwei schwere Eisenbahnzüge in schnellster Fahrt zusammenstoßen zu lassen. Er baute eine kleine Eisenbahnstrecke, er kaufte die Züge, da machten die löblichen Behörden ihre Mätzchen, sie wollten die Katastrophe nicht gestatten. So konnte er sich und seinen Freunden das Schauspiel nicht bieten, wie zwei Ungeheuer aneinander prallen, unter Feuer und Rauch hoch in die Luft springen und dann weitum in tausend Scherben zur Erde fallen. Um der Beobachtungsanstalt für Geisteskranke zu entgehen, enthielt er sich ferner solcher Unternehmungen, doch konnte er die Bevormundung durchaus nicht einsehen. Kann ein freier Mensch mit seinem Vermögen nicht schalten und walten nach Belieben?

Nun kennen wir ihn nahezu und mögen zur kleinen, einfältigen Geschichte schreiten.

Eine Eigenheit solcher Leute, die sich die Zeit nicht zu vertreiben wissen, ist die, daß sie – für nichts Zeit haben. Sie eilen und hasten immer. Da sie nie etwas erreicht, das sie wirklich befriedigt hätte, so glauben sie es immer zu versäumen. Auch ist es die Langeweile, die sie jagt, und die Ungeduld, endlich irgendwie aus dem inhaltsleeren Zustande herauszukommen. Sie finden an sich etwas sehr nicht in Ordnung, sie wollen besseres finden, darum rennen sie so.

Diesmal fuhr ihm der Wagen zu langsam.

»Schneller, Franz, schneller, wir kommen zu spät!« drängte er, lebhaft vorgebeugt in seinem Jagdwagen, der, von zwei feurigen Hengsten gezogen, rasch und leicht die Straße dahinglitt. Der livrierte Kutscher stramte schärfer an.

»Wann geht der Zug?«

»Um zehn Uhr fünfzehn, Euer Gnaden,« berichtete der Kutscher ehrerbietig vom Bocke zurück.

»Genau?«

»Genau, Euer Gnaden.«

Der Herr warf einen Blick auf seine kleine goldene Uhr. »Weißt du, daß es zehn Uhr ist?«

»Es geht noch, es geht noch.«

»Sind die Pferde einwaggoniert?«

»Alles in Ordnung, Euer Gnaden.«

»Gut – avanti, avanti!«

In flottem Trabe ging's dahin auf der weißen Straße zwischen den Pappeln. Die Sache war sehr wichtig. Herr von Gadelborn wollte mit dem Kurierzug in die Stadt fahren zum Wettrennen. Wenn er zu spät käme! Nicht auszudenken, wie unangenehm! Alle Kavaliere beisammen, der ganze Adel am Start. In allen Gliedern zuckte es ihm. Und wie gleichgültig er dasaß, der blöde Bursche! Am liebsten den Riemen aus der Hand reißen möchte er ihm – verstünde er sich nur besser auf die Bestien, die erst seit wenigen Tagen in seinem Besitze standen. Es schwindelte ihm, er sah nichts als den weiten Rennplatz, die schnaubenden Tiere und die listigen Renner. Den Bahnhof sah er noch nicht, der Zeiger auf der kleinen Uhr glitt unerbittlich weiter.

Endlich auf der Brücke über dem Flusse. Das Wasser floß trüb und träge dahin, im Gebirge war Nachts zuvor schwerer Regen niedergegangen. Etliche Krähen kreuzten auf dem Fluß und tauchten manchmal nieder. Am lehmigen Ufer wateten Kinder mit hochaufgeschürzten Kleidchen, die Steige versuchend, auf denen sie sonst trockenen Fußes wandeln konnten. Plötzlich riß der Kutscher die trappelnden Pferde zurück.

»Was ist's?« rief Herr von Gadelborn. Der Kutscher war schon abgesprungen und lief ans Ufer hinab. Der Herr fing abscheulich an zu poltern, er zerriß den Kutscher mit zornigsten Flüchen und er dachte im Augenblick, der Bursche sei wahnsinnig geworden und wolle sich ersäufen. Er versuchte es mit dem Leitriemen, brachte das Gefährte in Verwirrung und sah es nicht, was unten am Flusse vorging. Der Franz schwamm auf dem Flusse einem Kinderköpfchen nach, das wie eine Kugel dahinrann und zeitweise verschwand, zeitweise mit einem Arm oder einem Bein wieder auftauchte.

Herr von Gadelborn schoß mit Roß und Wagen auf der Straße im Zickzack hin und her, das eine Mal prallte er an den Randstein, das andere Mal lief er Gefahr, in den Graben zu fahren. Nein, diesen Tag des »Rennens« hatte er sich anders gedacht. Endlich war er im Orte, bog um die Kirchenecke dem Bahnhof zu – der Kurierzug dampfte eben davon.

Eines so lähmenden Zornes als diesmal hatte der reiche Mann sich schon lange nicht mehr zu entsinnen gehabt. Er wütete nicht einmal. Die Arme ließ er hinabhängen. So viel Geistesgegenwart hatte er noch gehabt, um die Pferde dem Portier zu übergeben. Er selbst stand nur so da – völlig stumm. Ein einzigmal hauchte er, und mit weinerlich zärtlicher Stimme das Wort »Kanaille!« Dann faßte er sich und verhandelte mit dem Beamten wegen eines Extrazuges. Der konnte nicht beigestellt werden. Plötzlich begann der Herr zu rasen darüber, daß sich alles gegen ihn verschworen. Wozu es überhaupt Eisenbahnen gäbe, wenn man um gutes Geld keine Extrazüge haben könne! Das sei eine unglaubliche Wirtschaft – aber er werde es sich zur Notiz nehmen. Der Extrazug konnte trotzdem nicht beigestellt werden. Der Herr machte mit dem Arm mehrmals die Bewegung, als haue er mit der Reitpeitsche drein. Es war wirklich nicht zur günstigen Zeit, als Franz jetzt daherkam in durchnäßtem Gewand, und mit glückstrahlenden Augen seinem Herrn schon von ferne zurief: »Es ist gelungen, Euer Gnaden, es ist gelungen!«

Das bombenschwere Schimpfwort, das ihm vermeint gewesen, konnte nicht heraus, der Zorn engte dem Herrn zu sehr die Gurgel. Arglos und fast atemlos erzählte der Bursche: »Unterwegs im Laufen – da hab' ich ein Vaterunser gebetet für meinen Vater – daß er mir das Schwimmen hat lernen lassen. Nur noch ein kleines Randerl, und zu spät wär's gewesen. Den Wegmacherleuten gehört's.«

»Was gehört den Wegmacherleuten?«

»Das Kind, Euer Gnaden.«

Der Herr stellte sich nun einmal knapp vor den Kutscher hin, am Rücken die beiden Fäuste. Und nun begann's: »Ist das Luder so boshaft oder so dumm! Der Zug ist davon, hörst du's, Franz? Der Zug ist ab! Und du stehst da und gaffst drein. Ein solches Ungeheuer ist mir noch nicht vorgekommen. Du – du!« Und nun wurde der wutbrennende Edelmann eine einzige kompakte Beleidigung. Aus seinem Munde begannen so wahnwitzige Beschimpfungen und so grausige Drohungen zu sprühen, daß der Franz betäubt dastand und vergaß, den Mund, der von seiner frohen Botschaft her noch offen stand, wieder zuzumachen. Aus dem ganzen Sturme schien ihm hervorzugehen, daß er entlassen sei. Und so ging er sachte davon. Gegen das Wegmacherhaus ging er hinüber, zu sehen, was das Kind mache. Vor der Tür lagen in einem schwammigen Häuflein die verschlammten Kleidchen. Das Mädchen lag drinnen auf einem rotgestreiften Kissen und schlummerte. Der Arzt saß daneben und beruhigte die Mutter. »In ein paar Tagen springt die Kleine wieder auf der Wiese um,« sagte er, »aber hier – deinem Kindesvater könntest du ein trockenes Gewand leihen. Er schweppert ja.« Freilich »schwepperte« er, der ihrem Liebling nun das Leben gegeben hatte. Es fröstelte ihn aber weniger wegen der feuchten Kleider, als vor dem Zorne seines Herrn. Das Wegmacherweib brachte einige Kleider ihres verstorbenen Mannes. Als er drin stak, sagte er: »Weil ich schon einmal in diesem Futteral stecke, so könntest du mich eigentlich gleich dabehalten. Ich bin zu haben.« Er lachte, damit sie wisse, daß es nicht etwa gar ein ernstlicher Antrag sein sollte. Es war nur Spaß. Da sie ihn mit Befangenheit anschaute, setzte er rasch bei: »Wenn wir uns gleichwohl von der Schulbank her kennen, Agatha Reslerin – sieh, wie ich deinen Namen weiß, siehst du, wie ich ihn noch weiß! Ich bin eh auch nicht auf dem Kutschbock oben geboren. So – na, was habe ich denn sagen wollen? Ja so, daß ich lieber wieder fortgehen will. Sonst könntest du glauben, für die Kleine, die ich gebracht habe, wollt' ich die Große haben.«

»Wär' das ein Unglück!« rief sie schalkhaft aus.

»Wenn's auch,« meinte der Franz, während er die weite Wegmachersjoppe zunestelte über seiner Brust, »und wenn's auch just kein Unglück wäre. Erst will ich einmal meinen Herrn gut machen. Der ist schrecklich wild auf mich, wegen was, das weiß ich nicht. Und wenn mein Herr, so lange er mein Herr ist, auf mich böse sein tut, das hab' ich nicht gern, da schmeckt mir kein Essen und kein Schlafen. So mit Verdruß auseinandergehen, das heißt nichts auf der Welt.«

»Hat's leicht einen Verdruß gegeben mit deinem Herrn?«

»Mir ist's so vorgekommen.«

»Ja, Franzl, wegen was denn?«

»Ich will schon noch dahinter kommen,« meinte der Bursch. »Wird halt launisch sein, weil er den Schnellzug versäumt hat. Mein Gott, der Schnellzug ist bald versäumt. Oder ist's sonst was. Sein muß es schon was Ausgiebiges, weil er nicht einmal an meinem Kindel aus dem Wasser fangen eine Freude gehabt hat. – Gelt, Wegmacherin, mein Livreederl hängst mir trocken, morgen komme ich drum, wenn nicht gar noch heute. Das Gewand kannst nachher wieder haben. Wirst eh gewohnt sein, die Hosen zu tragen, noch vom Seligen her. Gelt ja?«

Dann ist er wieder fortgegangen, immer still vergnügt, nur diesmal ein bißchen ungleich, weil er sich nicht recht denken konnte, weshalb sein guter Herr dieses grausliche Wetter gemacht hatte.

Herr von Gadelborn war vom Bahnhof weg ins Straßenwirtshaus geeilt, um einen Knecht zu werben. Da drin widerhallte es teils dumpfig und teils grell in richtiger Wirtshausresonnanz von allerlei Stimmen. Zecher schrien durcheinander, jeder so laut er konnte pries die Heldentat und sagte seine Meinung, wie sie von der Regierung müßte belohnt werden. »Fünfundzwanzig Gulden für ein Menschenleben, das ist ein Schimpf! Bringst einen um, so kriegst fünfundzwanzig Jahr'; wie stimmt denn das?« »Aber ein Scheiberl!« »Die Rettungsmedaille ist nur fünfzig Kreuzer wert!« »Das ist dumm gerechnet. Ich liefere Menschenleben um den Selbstkostenpreis.« »Eine Staatsanstellung muß er kriegen.« »Nix da! Der wird euch vom Herrschaftswagen herabsteigen! Hinten und vorn mögen sie ihm die Rettungsmedaillen hinaufhängen, so geht's ihm nit so gut, wie jetzt auf dem Kutschbock oben.« »Aber eine Ehr' müssen wir ihm ja doch antun.« »In der Schul' sollt' man ihn aufzeigen: schauts, Kinder, das ist ein braver Mann!« »Nix das; die Schul' tun wir ihm nit an. Einen Rausch trinken wir uns an, ehrenhalber.«

Erst nach einer Weile kam Herr von Gadelborn darauf, daß von seinem Kutscher die Rede war und daß sein Franz mit eigener Lebensgefahr ein Kind aus dem Wasser gezogen habe. Jetzt griff sich der Herr an den Kopf. Am Ende hängt das mit der dummen Geschichte zusammen. Wie er auf der Brücke abgesprungen ist. Und nachher – hat er nicht was von einem Kinde gesagt? Und war er nicht naß wie ein Pudel? Aber, weshalb hat der Kerl denn nicht deutsch geredet! Der Herr wollte es sich nicht zugestehen, daß er schon am Bahnhof beiläufig wußte, um was es sich handele. Die Wut hatte ihm damals alle Besinnung entrissen. Jetzt ging er ins Freie. Auf dem Kirchhof war niemand, und er wollte allein sein, so schritt er um die Kirche herum – etwa an zehn Mal. Er schämte sich so sehr, daß er hinter die Mauer duckte, so oft jemand dort über den Platz ging. Er schämte sich vor sich selbst, und davor konnte er sich nicht verstecken. Mit dem weißen Seidentuche wischte er sich immer die Gluthitze von Stirn und Wangen. Dann war er müde und setzte sich auf einen Schragen. Er dachte gar nicht daran, daß es der Schragen war, auf dem man die Särge zu Grabe trägt. So sehr war er mit seinem Innern beschäftigt. Was ist denn, so fragte er plötzlich ganz stramm sich selbst, was ist denn unsereiner im Grunde für eine Bestie? Er sprang auf und rüttelte am Schragen und setzte sich wieder hin. Wir in unserer Genußgier! In unserem Hochmut! Ein tolles Wettrennen nach Lust – über sterbende Menschen hin. Halbbesoffene Bauern müssen dir's sagen, was das heißt, ein Menschenleben. So tief steckest du in deiner vornehmen Niedertracht. Pfui Teufel! Am Ende – am Ende ist die Rettung eines armen Kindes mehr wert als das siegreichste Rennen! Es wäre zu dumm! . . .

Aber er mußte sich doch nach seinem Wagen umsehen, mußte nach der Stadt depeschieren. Wie, was nur? Mancher Tag ist durch und durch faul. Und er klebt, man bringt ihn nicht los vor dem Abend. Die Dorfstraße entlang kam der Franz. Als er seinen Herrn erkannte, ging er langsamer; als er ihm an zehn Schritte nahe gekommen war, stand er still, zog den Hut – es war nicht der Zylinder mit der Kokarde –, neigte den Kopf seitlings, faltete die Hände und sagte mit gar biegsamer Stimme: »Euer Gnaden, ich bitt' um Verzeihung!«

»Wofür!« herrschte ihn der Herr an.

»Für – für. Gnädiger Herr, halt deswegen, weil – das heißt, ich weiß es nicht ganz genau!«

»Weil du ein Kind vor dem Ertrinken gerettet hast!« rief der Herr zornig. – Mir sollst du verzeihen, daß ich ungerecht war! Er wollte es sagen, wollte es sehr gern gesagt haben – aber er konnte nicht. Es war ein zu hartes Wort für eine Herrenkehle, dieses Selbstbekenntnis. Nein, vor einem Untergebenen sich so zu demütigen, das kann nicht verlangt werden. So dachte er und sagte:

»Nun Franz, das eine Mal soll's vergessen sein. Hast mir ja gerade keine Schande gemacht. Hättest jedoch bedenken sollen, daß, während du dem fremden Kind nachläufst, dein armer Herr sehr leicht hätte verunglücken können mit diesen wilden Bestien. Daß es nicht wieder vorkommt, Franz!«

»Nein, gnädiger Herr, wird nicht wieder vorkommen, gewiß nicht. Denn weil – weil ich aufkündige.«

So hat er auf offener Straße seinen Dienst gekündigt. Jetzt hatte der Herr neuerdings zu tun, um seine Wut zu bemeistern, denn es tat ihm leid um den Burschen. Weil dieser gern sofort frei gewesen wäre, so stellte er sich gar demütig und bat, die vierzehn Tage noch bleiben zu dürfen.

»Also du kündigst mir!« sagte Herr von Gadelborn, »du kündigst mir? Nein, mein Lieber, ich kündige. Du bleibst nicht eine Stunde.«

Somit hatte es der schlaue Bursche erreicht. Er ging nun wieder in die Wegmachershütte zurück, um zu fragen, ob seine Livree schon trocken sei. Er müsse sie zurückgeben. Und da, nun sagte er es nicht mehr zum Spaß, da er schon einmal in Wegmachersgewand stecke, so wolle er drin stecken bleiben – justament.

Drei Wochen später hörte Herr von Gadelborn, daß im Dorfe beim Straßenwirt eine große und besonders feierliche Hochzeit sei. Jetzt merkte er, daß sein »entlaufener« Kutscher ihm immer noch nachging. War schließlich ja ein prächtiger Junge gewesen, soweit. Von seinen Mucken abgesehen. Sein neuer Kutscher, ein langer, hagerer Kroate. Na, er soll einmal die Pferde dressieren. Wir fahren aus. – Im Dorfe am Lattenzaun ließ er ein bißchen halten und guckte über die Latten und durch die Büsche auf die lustige Hochzeitsgesellschaft hin, die im Garten tafelte bei klingendem Spiele. Der Franz und die junge Wegmacherswitwe. Ein hübsches, schmuckes Paar. Dazwischen im weißen Kleidchen und ein grünes Kränzlein auf dem falben Haar das kleine Mädel – das aus dem Wasser gezogene Forellchen. Da drinnen so lustig. Und hier auf staubiger Straße so öde. Einen Augenblick war's ihm gewesen, als hätte er antichambriert bei seinem Diener. Rasch ließ er den Wagen weiter rollen. Doch damit war's nicht abgetan. Der Franz ging ihm immer nach, jetzt gleich mit der ganzen Sippe. Die müssen abgefertigt werden. Diese Leute belästigten ihn. Sie müssen abgefertigt werden. Noch an demselben Abend hat der Schloßherr ein versiegeltes Paket in die Wegmacherhütte geschickt mit der Weisung, es nur in die Hände des Franz Krober abzugeben.

Aber am dritten Tage kam dasselbe Paket, wenngleich nicht so kundig gesiegelt, wieder zurück. Die Wegmacherin selber brachte es, lief aber, ohne auch nur ein Wort zu sagen, ganz fluchtartig davon, als das Ding in seiner Hand war. »Na nu,« dachte Herr von Gadelborn und öffnete das Paket. »Das wäre mir auch etwas Neues!«

Bei den Wertpapieren, ganz obenan und hübsch extra in einem rötlichen Umschlag lag ein Schreiben vom Franz:

»Euer Gnaden!

Kann wohl nicht genug danken für die gute Meinung. Aber für uns ist das halt nichts. Wegen diesem Vermögen haben wir gestritten, mein Weib und ich. Sie will fürs Geld das Mädel in die Stadt geben zu einer Mamsell, zum Bildunglernen. Ich herentgegen will damit unser Häusel größer bauen. Und weil wir uns nicht einigen können, so hab' ich gesagt, wir geben's wieder zurück. Wird das Beste sein. Bei uns ist alles so eingerichtet, was wir brauchen, das verdienen wir. Sonst ist kein Segen dabei. Wir bedanken uns tausend Mal und bin Euer Gnaden gehorsamer Diener

Franz.«

 


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