Peter Rosegger
Das Sünderglöckel
Peter Rosegger

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Unsers Herrgotts Keller.

Josef! Um zwei Uhr werden die Herrschaften von der Rennbahn da sein. Bereite ein zweites Gabelfrühstück mit Kaviar und Austern. Auch ein paar Flaschen Sekt einkühlen.«

»Zu dienen, Exzellenz!«

Hierauf machte der alte Exzellenzherr seinen Spaziergang, um das erste Gabelfrühstück noch knapp vor dem zweiten zu verdauen. Man muß auch seiner Gesundheit etwas zuliebe tun. Es war ein heißer Julitag, der Herr schritt langsam und behäbig die Straße entlang, trug in der einen Hand den Hut, in der anderen den seidenen Sonnenschirm, dachte an seine Pferde, an seine Tugenden und an seine Jagdhunde, womit er morgen eine Probe anstellen will.

Ein fahrender Geselle begegnete ihm, zog vor dem Herrn seine Mütze und grüßte höflich.

»Gu'n Tag, gu'n Tag!« rief der Exzellenzherr leutselig, denn er war immer sehr wohlwollend, besonders wenn er gut verdaute.

»Warm heut, Euer Gnaden, sehr warm heut!« näselte der fahrende Geselle, wischte sich mit einem zusammengeballten roten Sacktuch den staubigen Schweiß vom braunen Gesicht und dachte: Vielleicht gibt er mir doch ein Zwanzighellerstück auf ein Glas Bier. Da die Exzellenz aber in anderen Gedanken versunken zu sein schien, so rief der Geselle überlaut: »Wenn bei so 'ner Hitze nur dieser verdammte Durst nicht wär'!«

»Durst haben Sie!« schnarrte der Herr, »na, denn gehen Sie gerade aus, nachher links um die Scheune, dort steht unsers Herrgotts Keller, der Brunnen. Just einmal den Eimer heraufziehen. Na, gehaben Sie sich!«

»Vergelt's Gott!« antwortete der Handwerksbursch und bei sich: Alter Filz. Wasser finde ich auch selber, wenn ich mag. Und ging dem Brunnen zu.

Die Exzellenz schritt fürbaß und war zufrieden mit dem erziehlichen Rate, den sie gegeben. Alles hat Durst heutzutage. Alles will Bier, Wein und weiß der Himmel was! Nicht übel, wenn sie manchmal an des lieben Herrgotts Keller erinnert werden. Wer Durst hat, für den ist frisches Wasser das allerbeste. Ein bißchen mehr Frugalität, meine Herren Landstreicher! – Da der Geselle dahin war, blieb er stehen, klemmte den Schirm zwischen die Beine und brannte sich eine feine Regalitas an.

Um zwei Uhr saß er wieder bei den jungen Herrschaften im Gartensalon. Nachdem der erste Durst mit einigen Flaschen Tafelbier gelöscht war und man wohlgemut den Pasteten und Krebsen zusprach, winkte der Exzellenzherr dem Josef, daß er den Sekt bringe. Da der Diener aber ein zweites Mal in Sicht kam, ohne eine Silberköpfige mitzuhaben, wurde der Herr ungeduldig.

»Sofort, Euer Gnaden, sofort«, versprach der Josef.

»Saperlot, ist es denn so weit in den Keller?«

»Ich habe die Flaschen eingekühlt, Exzellenzherr, im Brunneneimer. Und wie ich sie jetzt hervorholen will, sind sie weg. Putz weg!«

– – So! – – So! – Na, dann werden sie einen Liebhaber gefunden haben.« – Daß dich der Satan! – Aber zum schlechten Spiel gute Miene. – »Josef, spute dich! Hole andere Flaschen!«

Der fahrende Gesell war nicht schlecht zu sprechen auf unsern Herrgott, der in seinem Weinkeller neuzeit auch Sekt hält. Leider nur ausnahmsweise.

 


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