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6.
Eine Kapelle und ein Himmelreich dazu.

Am andern Morgen machte sich Erich auf den Weg nach Schloß Weilburg, um dem Grafen seine Aufwartung zu machen. Dieser empfing ihn freundlicher, als das erste Mal. Erich gestand ihm seine Ueberraschung, er wisse, sagte er, im Grunde nicht, wie er zu der Bevorzugung komme, die der Graf ihm gewähre. Dieser entgegnete, er habe schon seit einiger Zeit die Absicht gehabt, die Kapelle der alten Weilburg herstellen zulassen, jetzt aber, da er einen Bekannten seines Hauses hier in der Nähe wisse, den er nicht nur als Künstler, sondern auch als Menschen habe schätzen lernen, habe sich dieser Entschluß bei ihm fixirt, und er bitte ihn, seinen Antrag nicht ablehnen zu wollen.

Erich erstaunte, diese Sprache aus dem Munde des Grafen zu hören, der doch so selten über die Gränzen der kalten Förmlichkeit hinaus ging, er sah nur zu wohl den Einfluß Corona's. Er überreichte dem Grafen einige Blätter, auf welche er Baupläne verzeichnet hatte, dieser aber schob sie zurück, er gebe die Ausführung, fügte er, ganz seinem Geschmack und Gutdünken anheim. Die nötigen Summen und Materialien wurden darauf besprochen, die Anzahl der Arbeiter bestimmt, der Graf erklärte sich mit Allem einverstanden, und Erich befreundete sich immer mehr mit der Sache, ja er freute sich endlich sogar, hier selbstständig ein Werk schaffen zu können.

In wenigen Tagen schon sollte der Bau begonnen werden. Der Graf ließ seinen Verwalter rufen, stellte ihm den jungen Baumeister vor, mit dem Auftrage, allen seinen Forderungen Genüge zu leisten. Die Wohnung im Schlosse aber, die ihm für die Zeit des Baues angeboten wurde, schlug Erich mit Entschiedenheit aus. Er hatte beschlossen im Wirtshause zu Heimbach sich ein Zimmer zu miethen für besondere Fälle, seine eigentliche Wohnung aber sollte das Haus seines Schwagers in der Stadt bleiben. Der Graf lud ihn ein, recht oft sein Gast zu sein, worauf sich Erich empfahl. Corona hatte sich heut nicht blicken lassen.

Kaum aber hatte Erich das Zimmer verlassen, als der Graf ihn noch einmal zurück rief.

»Verzeihen Sie,« sagte er mit etwas leiserer Stimme, »ich muß Ihnen noch eine spezielle Bitte ans Herz legen. Es befand sich früher in der Kapelle ein Bild, welches, als ein altes Familienerbstück, Wert für mich hatte. Es stellt die Opferung der Tochter Jephta's vor und ist von einem bedeutenden Meister des sechzehnten Jahrhunderts gemalt. Das Bild ist verschwunden. Man sagt mir, das Bild sei bei dem Brande der Kapelle ein Raub der Flammen geworden. Dieses aber ist aus zweierlei Gründen nicht möglich. Erstens ist damals nicht die ganze Kapelle abgebrannt, ja sogar ist die Wand, an welcher das Bild befestigt war, nicht einmal von Rauch geschwärzt worden, man sieht noch die Umrisse an derselben, welche Staub und Alter um das Gemälde gebildet haben, und die hellere Stelle, auf welcher es hing. Ferner aber war das Bild nicht auf Leinwand, sondern auf eine starke Kupferplatte gemalt, es konnte also nicht so schnell verbrennen, oder man müßte doch, im Fall es wirklich in die Flamme geraten sein sollte, noch die Metallschlacken geschmolzen im Schutte gefunden haben. Dieses Letztere ist nicht der Fall gewesen, ich glaube also mit Bestimmtheit annehmen zu dürfen, daß das Bild entwendet worden ist. Es befinden sich unterhalb der Burg auch noch einige alte Felsengewölbe, man hat mir von diesen Mancherlei erzählt, ich selbst habe ein par Mal versucht hineinzudringen, der aufgehäufte Schutt aber machte es mir unmöglich, meine Forschungen zum Ziele zu führen. Das abergläubische Bauernvolk schrieb dem Bilde böse Einwirkungen zu, es ist nicht unmöglich, daß man das Bild, um es zu beseitigen, beim Braute gestohlen und vielleicht irgendwo verborgen habe. Es bleibe dies vor der Hand unter uns, ich bitte Sie aber inständig, stellen Sie einige Untersuchungen in dem Gemäuer an, Sie werden dies in Ihrer Funktion als Vorsteher des Baues, ohne Aufsehen zu erregen, thun können. Es liegt mir viel an diesem Bilde,« .fuhr der Graf fort, indem er Erichs Hand ergriff, »und können Sie mir mit der Zeit Auskunft geben über das Schicksal desselben, so werden Sie sich mir mehr als verbindlich machen. Darf ich inzwischen auf Ihre Diskretion rechnen?«

Erich versprach dies. Der Graf, der ihn mit einem Blicke der Besorgniß und des Kummers angesehn hatte, drückte ihm die Hand nochmals und Erich empfahl sich. Seine Neugier war in Betreff des Bildes, von dem er nun schon einige Mal in unbestimmter Weise hatte reden hören, im höchsten Grade rege gemacht, er ahnte, daß die Familie Weilburg in vielleicht wichtigerer Beziehung dazu stünde, und beschloß seine Forschungen so bald als möglich zu beginnen.

Nachdem er noch eine Stunde bei Johannes zugebracht hatte, machte er sich auf den Heimweg. Beate freute sich, den Bruder nun noch über die früher bestimmte Zeit hinaus besitzen zu dürfen, auch Ulrich war durchaus damit einverstanden, daß Erich auf das Anerbieten des Grafen eingegangen sei

Bernhard hatte kaum davon gehört, als er ausrief:

»Ich melde mich auch bei dem alten Goldfuchs, er muß mich die Kapelle mit Fresken ausmalen lassen.«

Man lachte erst darüber, dann aber, als man sah, Bernhard wolle damit Ernst machen, entgegnete Erich:

»Du traust dir da zu viel zu, Bernhard. Du hast, meines Wissens, dich niemals in Fresken versucht, du hast ein par Genrebilder gemalt, sonst aber nur Porträts. Zur Freskenmalerei gehört eine größere Ausbildung –«

»Das findet sich, wie's Griechische!« warf der Maler unwillig ein.

»Allerdings,« sagte Erich, »wie das Griechische findet es sich, d. h., es erfordert ein ebenso tüchtiges Studium. Studien aber hast du nie gemacht, du bist zu unruhig. Was dir nicht auf dem ersten Wurf gelingt, wirfst du als langweilig bei Seile.«

»Ich soll wol mein Leben versitzen, wie ein Philister? Bilde dir doch nur nicht ein, daß du mich jemals zu deinem Standpunkte bekehren werdest. Allerdings werfe ich als langweilig bei Seite, was nicht auf den ersten Wurf gelingt, denn eben das, was ein Talent nicht mit einem Male trifft, ist nicht wert, daß der Künstler es in Betracht ziehe, also langweilig!«

»Deine Logik ist köstlich!« sagte Erich lachend. »Was aber dein Talent betrifft, so kann ich dir nicht verhehlen, daß ich es für verloren erachte. Du hast ein Talent gehabt, aber kein bedeutendes, doch hättest du es immerhin zu etwas bringen können, hättest du studirt und wärst du in der Uebung geblieben.«

Der Maler lachte überlaut auf, man merkte ihm aber den inneren Grimm an.

»Lache nur,« fuhr Erich fort, »ich aber halte es für meine Pflicht, gegen dich aufrichtig zu sein. Jetzt nun verdirbst du dich gar noch durch dein albernes Karrikaturenzeichnen. Es dient nur dazu, deine Mängel zu verbergen. Und nun willst du dich gar in Fresken versuchen? Es wäre nicht auffallend, wenn dir deine Neigung zur Karrikatur dabei einen Streich spielte.«

»Ich habe dich nicht zu meinem Hofmeister bestellt!«

»Gott bewahre mich auch vor diesem unfruchtbaren Amte! Ich wollte dir nur als Freund aufrichtig entgegen treten.«

»Ich kenne das schon. Nun aber werde ich erst recht dem Grafen meine Aufwartung machen und mich zu den Fresken melden.«

»Das bleibt dir unbenommen. Uebrigens muß ich dir auch da raten vorsichtig zu sein, denn der Alte ist sehr stolz und läßt sich durch Extravaganzen durchaus nicht imponiren. Wenn du dir also einen unangenehmen Auftritt ersparen willst, so unterlaß deinen Antrag lieber.«

»Aha, pfeift der Wind daher? Du beneidest mich schon im Voraus. Du bist deiner Stellung selber noch nicht sicher, und fürchtest schon, ich könne dich im Hause des Grafen beeinträchtigen!«

Erich warf dem Maler einen Blick der Verachtung zu und führte die Unterhaltung nicht fort. Auch der Familienkreis war von Bernhards Benehmen wenig erbaut, wenngleich man auch wünschte, Erich wäre schonender zu Werke gegangen. Dieser aber hatte absichtlich dem Maler in Gegenwart Andrer die Wahrheit sagen wollen, er hoffte immer noch ihn für ein regeres Studium gewinnen zu können, und wollte ihn eben dadurch anspornen. Auf der andern Seite aber war es auch seine Absicht, die Anmaßung dieses jungen Menschen, die bei jeder Gelegenheit hervortrat, einmal etwas zu dämpfen. –

Der Tag war festgesetzt, an welchem Erich nach Heimbach übersiedeln sollte. Beim Lammwirt hatte Johannes ein Zimmer einrichten lassen. Johannes war erfreut, den Freund nun so in der Nähe zu haben.

Es war Sonnabend Abend, Sonntag früh wollte Erich nach Heimbach wandern. Ihm war's, als könne er doch noch nicht recht freudig an's Werk gehen, als wäre noch ganz ein aparter Jemand da, von dem er Abschied nehmen müsse. Der Regenwurm konnte dieser Aparte nicht sein, die Hambutte wol auch nicht, also mußte es ein Andrer sein. Erich ging am Hause des Weinbauern vorbei, mit ihm hatte er sich schon wieder versöhnt, aber er ging vorbei und warf nur einen verstohlenen Blick nach einem Giebelfenster. Er ging weiter.

Es war dunkel geworden. Jetzt stand er auf einem Platze in der Nähe der alten gothischen Kirche des Städtchens, unter dem Schatten einiger alten Bäume. Gegenüber lag das Haus des Organisten, dessen Tochter Helene mit Sabinen befreundet war. Er ging einige Mal auf und ab unter den Bäumen, plötzlich fühlte er sich am Arme gezupft. Rasch wendete er sich, und vor ihm stand ein Mädchen, das er trotz der Dunkelheit, als Helenen erkannte.

»Kommen Sie schnell,« sagte das Mädchen.

»Wohin?«

»Fragen Sie doch nicht so! Sie handeln recht unrecht – aber kommen Sie schnell.«

»Aber wohin denn?«

»Nun das müssen Sie doch wissen, zur Sabine.«

»Zu ihr, sie läßt mich rufen?«

»Fragen Sie doch nicht so dumm! Die Sabine wird Sie rufen lassen! Ja da kennen Sie sie schön! Bei mir im Garten sitzt das arme Mädchen und will sich todt weinen. Mich jammert das gute Herz, da bin ich heimlich weggelaufen und habe mir gelobt nicht eher zu ihr zurückzugehen, bis ich Sie gefunden habe. Jetzt kommen Sie, Sie müssen mit!«

»Aber, Mädchen, wie kann ich –«

»Gott, Sie sind auch wie ein Stock! Ein Andrer würde weniger Umstände machen, aber einen Andern würd' ich auch nicht geholt haben.«

»Aber was soll ich denn bei Sabinen?«

»Nu das geht ins Weite! Du lieber Gott, ist mir so eine Frage vorgekommen! Trösten sollen Sie sie, daß sie nicht stirbt vor übergroßer Liebe zu Ihnen. Wie kann man so ein feiner Bursch' sein und dabei so unverständig! Jetzt ohne Umständ', fort!« –

Helene faßte ihn bei der Hand und zog ihn mit sich fort. Erichs Herz schlug hörbar, als er ihr folgte, er war halb verwirrt, halb wunderbar erregt. Seine energische Führerin zog ihn durch einen Garten, bis vor eine Laube, dann lief sie davon und stellte sich als Schildwacht an die Gartenthür.

In der Laube saß Sabine, ein leiser Schrei entflog ihrem Munde, als sie Erich vor sich stehen sah. Beide waren verwirrt und Keines konnte das erste Wort finden. Das Mädchen faßte sich zuerst. –

»Wie kommen Sie hierher, Herr Erich?« fragte es, noch immer bebend.

»Ich weiß selber nicht, Sabine, Sie müssen mir auch verzeihen, wenn ich mich so ungeschickt als möglich benehme. Die Helene hat mich hergeführt – und mir ist allerdings schon seit vielen Tagen, als müßt' ich Ihnen meine innersten Gedanken bekennen – liebe Sabine, wenn Sie mir nicht helfen, so stehe ich wie ein Schulknabe vor Ihnen. Sabine, wenn ich mir alles Schöne, Liebe und Gute auf der Welt zusammendenke, so wird doch nur immer Ein Gedanke daraus –«

»Sie waren es, der mir die schöne Blume neulich Abends auf's Fenster gesetzt hat, nicht wahr, Erich?«

»Ja, Sabine, ich glaubte die Blume habe Ihnen gefallen, und wollte Ihnen eine Freude machen.«

»Ach, das haben Sie gethan! Ich wußte es ja gleich, Sie sind so gut, Erich –«

»Nun, Sabine, Du bist viel besser als ich!«

Es entstand eine Pause, Beide athmeten tief auf und sahen einander in die Augen. Sabinens Busen hob sich, sie schien einen Augenblick mit sich zu kämpfen, dann rief sie: »Erich, Du guter, lieber Erich, ich kann Dir nichts dafür geben, als meine ganze, ganze Liebe! Ach sie ist so groß –!«

Sabine lag an Erichs Brust, er preßte sie an sich, küßte ihr die Worte von den Lippen, sein Herz wollte springen vor übermäßigem Klopfen, er rang selbst nach Worten. –

»Sabine, der Himmel mache mich Deines Geschenkes würdig!« sagte er dann mit innigster Hingebung.

In diesem Augenblicke erst fühlte er, daß er Sabinen unaussprechlich liebe, es schien ihm, als fielen überall dumpfe Hüllen von ihm herunter, als sehe sein Auge plötzlich heller, als werde sein ganzer Körper leichter, er kam sich wie ein ganz neuer Mensch vor. Vergangenheit und Zukunft zerrannen vor seinen Blicken, er empfand nur der Gegenwart vollblühendes Leben, er fühlte das Herz der Geliebten an dem seinigen pochen. Innig umschlungen standen die beiden jugendlichen Gestalten da, stumm sahen sie einander tief in die Augen, als begriffen sie sich selber noch nicht, als wollten sie aus dem tiefsten Grunde der Sele einander die Gedanken herauslesen, bis sich die Lippen immer wieder im Kusse begegneten.

»Erich, Du darfst mich drum nicht verachten,« sagte Sabine ernst und feierlich, »daß ich Dir all' meine Liebe 'gestanden habe. Meine Liebe ist noch ganz und Eins, Dir schenke ich sie und Keinem wieder. Du hast sie nun, sie ist mein Alles, sie darf Dir nicht zu gering sein.«

»Sie ist einen Himmel wert, meine Sabine! Ich weiß, was Du mir giebst durch Dein Bekenntniß, ich gebe Dir ein gleiches, Sabine, ich liebe Dich ewig, heiß und von ganzer Sele, niemals, niemals werde ich aufhören Dich zu lieben, niemals werde ich mich von Dir trennen. Du bist ein Engel, Sabine –«

»Ich bin ein Mädchen, Erich, und ein recht ungelehrtes Mädchen, aber kein Engel. Ich will auch kein Engel werden, sondern will denken lernen wie Du, wir wollen zwei Menschen bleiben und Du sollst mich lehren, was schön und herrlich ist auf der Welt. Als wir damals unter der Eiche saßen, Erich, und die drei Erdbeerlein theilten, die Du gefunden hattest, da war mir mit einem Male, als wär' ich gar nicht in der Welt. Ich sah lauter blauen Himmel und sonst nichts, gar nichts, und Johannes hatte zwei Flügel, aber ich konnte ihn nicht erkennen. Da sah ich Dich plötzlich wieder, Du zeigtest auf den Wald und führtest mich bei der Hand zur Erde, und wie ich dann wieder bemerkte, daß ich gar nicht fortgekommen war von der Erde, hattest Du noch meine Hand in der Deinen. Ich mußte sie Dir rasch wegziehen, aber dem Johannes ließ ich meine Hand, es kam mir gar nicht in den Sinn, daß das Etwas auf sich habe. Aber – Erich, Du wirst gar nicht verstehen, wie ich's meine, ich bin noch gar nicht gescheid genug für Dich! Doch sag' mir nur, wie ich denken und sprechen soll, dann will ich sehn, ob's mir möglich ist.«

Erich hatte sie wol verstanden, aber mit eisigen Händen griff die Erinnerung an Johannes plötzlich in sein Herz. Ein Schauder überflog ihn, das hohläugige Gespenst – die Schuld, regte sich in seinem Bewußtsein: Verrat! Verrat am Freunde! schrie sie ihm fürchterlich drohend zu. Er wußte, daß Johannes Sabinen liebe, er hatte ihm einst versprochen, ihm die Gewißheit ihrer Gegenliebe zu bringen, und nun – Gott! er hatte sie ihm geraubt, ohne es zu wissen, ohne es zu wollen! Ein Schreckensbild nach dem andern drängte sich vor seine Sele, denn ist erst ein Nachtgedanke herausgeflogen aus seinen finstern Tiefen, so flattern die übrigen in grausigen Scharen nach, und wehe dem, der das Bannwort verloren hat, das all die finstern Vögel zurückruft. Sie umgarnen ihn, reißen ihn in den Abgrund ewiger Nacht.

Erich schien überwältigt von seinem Schmerz.

Sabine fuhr ihm mit der Hand über die Stirn und fragte:

»Erich, wie wird Dir?«

Er sagte ihr Alles.

»Erich,« erwiederte sie, »ich weiß, daß Johannes mich liebt, er hat es mir selber gestanden. Ich aber kann ihn nicht so lieben, wie ich Dich liebe, nicht so, daß ich mein ganzes Leben ihm geben könnte. Ach, ich habe Mitleid mit dem armen Johannes, aber ich kann ihm nicht helfen! Er kommt mir zuweilen vor, wie ein verklärter Engel, dem man Alles vertrauen könnte, nur nicht das, was die Menschen im tiefsten Herzen empfinden. Einmal aber habe ich mich vor ihm gefürchtet, das war in Hohenfichten, wo er mich küssen wollte, da brannte in seinen Augen ein schreckliches Feuer und ich meinte, er und ich müßten daran zu Grunde gehen, wenn ich mich vor ihm nicht flüchtete. Sei ruhig, Erich, das Schicksal hat den Johannes und mich nicht für einander bestimmt. Dich aber hat es für mich gebildet, mich für Dich, wir Beide werden nicht von einander lassen. Sorge nicht, daß Du sein Herz brechen werdest, er wird überwinden, und Du kannst ja nichts für Deine Liebe. Daß Du ihm aber ein Leid zufügest, das mußt Du ertragen, darum ist die Liebe so groß und schön, daß sie auch das Leiden auf sich nehmen könne. Was hätte sie für einen Ruhm, wenn sie so ohne alles Ueberwinden dastünde?«

So sprach Sabine. Erich hielt sie mit stummen Erstaunen umschlossen, wie groß, wie erhaben stand das einfache Kind der Natur vor ihm!

»Wohl, Sabine,« sagte er nach einer Pause, »Du lehrst mich, daß auch des Menschen stillste Regungen zur That treiben, die das Leben männlich vertreten wissen will, wenn das Herz nicht ein Spielwerk des ewigen Vernichtungssturmes werden soll. Ja ich will vertreten, was ich gethan, ich will die Folgen ertragen, und wird mir einst wirr und bange zu Sinne, so wehe Du mir mit Deinem holden Frieden Linderung zu. Mag nun kommen, was da will, ich verlange nicht mehr, daß das Leben mir jeden Schritt leicht mache, im Kampfe will ich die Blüte mir erhalten, die das Glück mir leicht entgegengebracht hat. Jetzt erst weiß ich, wie ich Dich liebe, mein schlankes Reh, meine liebe, schöne Sabine!«

»Ich wußte das schon viel länger, Erich,« entgegnete das Mädchen, indem es seine Arme um Erichs Nacken schlang, und so an ihm hangend, zu ihm hinaufsah.

Es gehen viel mehr Gedanken auf eine Stunde, als Worte. Was die Glücklichen weiter sprachen, waren nur einzelne aufblitzende Tropfen aus dem Meere der Seligkeit, die in ihren Herzen wogte. Lassen wir sie glücklich sein.

*


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