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Tun und Vertun

Bald nach dem Staatsstreiche machte Talleyrand Bonaparte darauf aufmerksam, daß Josephine bei zahlreichen Pariser Kaufleuten beträchtlich verschuldet sei und daß das immer lautere Murren der Gläubiger bereits öffentlich gehört werde. Bonaparte war auf Schulden Josephinens gefaßt gewesen und beschloß, sie aus einem Reservefonds zu bezahlen. Um sich in diesen maßlos beschäftigten Tagen die unvermeidliche tränenreiche Szene zu ersparen, schickte er seinen Sekretär Bourrienne zu Josephinen, damit dieser feststelle, wie hoch die Schulden seien. Josephine sagte sogleich, sie fürchte sich viel zu sehr vor Bonaparte, als daß sie die ganze Summe eingestehen könnte: Nie werde sie das Ganze sagen können, das sei ihr unmöglich. Bourrienne möge ihr doch den Dienst leisten, sich an das zu halten, was sie ihm gestehen wolle. »Ich glaube, ich schulde etwa eine Million zweihunderttausend Franken, aber ich will davon nur sechshunderttausend zugestehen. Ich werde keine Schulden mehr machen und werde den Rest nach und nach aus meinen Ersparnissen abzahlen.« Bourrienne entgegnete ihr, daß Bonaparte ihre Schulden auch nicht auf 600 000 veranschlagt habe, so daß es auf den gleichen Zorn hinauskäme, wenn sie gleich die ganze Summe zugäbe. Das wolle und könne sie nie tun, entgegnete sie, sie kenne Bonaparte. Und so blieb es dabei, daß wirklich nur die Hälfte der Schulden bezahlt wurde und wahrscheinlich ebendie Schulden, deren Josephine sich vor allem erinnerte und die sie eher verantworten zu können glaubte. Daß unter den Rechnungen eine über achtunddreißig in einem Monat gelieferte Hüte lautete, deren Josephine sich kaum noch zu besinnen vermochte, gehört wesentlich mit zu diesem Berichte Bourriennes, einem der ersten dieser Art, dem dann zahllose gleichartige, von den verschiedenartigsten Berichterstattern aufgezeichnet, folgen. Sie alle enthalten ungeheuerliche Schuldziffern als Ausgaben, deren die Schuldnerin sich größtenteils kaum mehr zu erinnern vermochte; sie erzählen alle von Josephinens Angst, die ganzen Schulden einzugestehen, von ihren Vorsätzen, nie wieder Schulden zu machen und den Rest aus ihren Ersparnissen zu bezahlen. Und das ging so durch die Jahre weiter, nur daß in wunderlicher Proportion zu den immer gewaltigeren Josephinen zu Gebote stehenden Jahrgeldern auch die Schulden anwuchsen und daß Josephinens Tempo des Ausgebens immer schneller und ihr Gedächtnis immer schlechter wurde; so vergaß sie nicht nur, daß sie noch nie im Leben zwei Sous Ersparnisse gemacht hatte, und redete immer wieder vom Ersparen, sondern es entfielen ihr auch schließlich beinahe von einem Tag auf den anderen sowohl die aufgewendeten Summen als auch das dafür Erstandene. Daß diese Gedächtnislosigkeit von allen Lieferanten auszunützen versucht worden ist, kann nicht wundernehmen. Führt man hier vorgreifend an, daß Josephine später in sechs Jahren gering geschätzt fünfundzwanzig Millionen Franken, und zwar wirkliche Franken von hoher Kaufkraft, ausgegeben hat, so muß das schon eine Vorstellung davon geben, wie zentral wichtig das Geldausgeben an sich in ihrem Leben geworden ist. In einem Briefe eines französischen Schriftstellers findet sich die Bemerkung, daß für den auf Gelderwerb gestellten Menschen das Nichtstun doppelt gefährlich sei, indem er einerseits in untätigen Zeiten nichts erwerbe, andrerseits aber viel mehr ausgebe als in beschäftigten Zeiten. Und daß schließlich dieses Mehrausgeben wieder Zeit in Anspruch nehme, welche anderem Tun verloren sei. Auf Josephine angewandt (die mit Gelderwerben zusammenzubringen lächeln machen muß) hat dieser Ausspruch in seiner Umkehrung seinen Sinn: indem nämlich tatsächlich ihre Zeit immer mehr vom Geldausgeben an sich, vom Erfinden von Vorwänden dazu, vom flüchtigen Spiel mit dem durch all die Ausgaben Erworbenen und endlich von den Sorgen über die dabei angewachsenen Schulden ausgefüllt war. So muß von den Spielarten dieser Zeitfüllsel hier um so mehr einiges berichtet werden, als sich darin wesenoffenbarend so vieles Tun Josephinens abspielte. Zahlen und Tatsachen in den folgenden Ausführungen sind zum Teil von Masson entlehnt, der insbesondere im dritten Bande seines Werkes über Josephine (Josephine, Impératrice et Reine) auf Hunderten von Seiten eine Statistik all der »Spielereien einer Kaiserin« zusammengestellt hat.

Ihr menschlicher Spielraum und seine Atemluft kamen freilich dem maßlosen Emporwuchern dieser Neigungen Josephinens sehr entgegen. Bonaparte hatte nach der Versöhnung zu gut verstanden, eine wie starke Waffe Josephinens schlechtes Gewissen ihm in die Hand gab und daß diese um so stärker bliebe, je weniger er mit ihr drohte. So hatte er zu all der Strenge, mit der er Ehrbarkeit und dem neuen Stande gemäße Lebensführung forderte, stets ebensoviel Nachsicht bereit; um so mehr, da dieser Stand mit seiner Macht und seinen Ehren ihm selber ja nur allzu neu war und, weil er täglich an der Vergrößerung dieser Macht arbeitete, eine Zeitlang auch neu blieb. In dieses Wissen um des Gatten Langmut, das sich mit der Furcht mischte, redete ihr schnell und verführerisch hinein, daß sie ja jetzt im großen zu repräsentieren habe. Und so wenig sie in den Konsulatsjahren das Ausmaß dessen verstand, was sie zu repräsentieren habe, so sehr ließ sie sich von der Bonaparte umgebenden Atmosphäre des Glücksspielers, der täglich größere Gewinne heimbringt oder heimbringen kann, in die Maßlosigkeit verlocken. Und dahin trieben Josephine ja auch ihre eigenen inneren Bedingungen: die immerhin vielfach Maß und Gemessenheit fordernde Ehe mit ihrem Verzicht auf lange geübte Spiele; dann ihr nie recht gesättigt gewesener Auftrieb, einmal die Rolle in der Gesellschaft zu spielen, und endlich, daß sie nicht allein zu sein verstand und alle ihre Interessen Personen galten, und Sachen nur insoferne, als sie ihre eigene Person schmückten oder geselligen Wert besitzen konnten. Daß dann die nie sehr bedeutsam gewesene Mutterrolle, da Hortense und hernach auch Eugène heirateten und meist ferne waren, kaum noch recht als Sentimentalitätsventil ausreichen wollte und die »große Liebe« zu Bonaparte (der in zehn Jahren nur etwas über neunhundert Tage in Paris war) nur in peinlichen Umwandlungen einen Inhalt geben wollte, trug ein übriges mit dazu bei, Josephine in dieser objektlosen Süchtigkeit zu bestärken. Mit dieser Auflockerung des inneren Lebens ging aber eine in lateinisch-gallischem Erbteil, in gesellschaftlichem Ehrgeiz und endlich in der Macht großer Umstände bedingte Straffung der äußeren Formen einher, soweit sie gesellschaftlich sichtbar waren, – und das beschleunigte diesen inneren Prozeß nur noch, bis allmählich alle Konzentrationsfähigkeit zerfasert und aufgebraucht war. So hören wir immer ungläubiger von Josephinens »seelenhafter Anmut« und ähnlichen legendengerühmten Eigenschaften berichten, wozu auch neuerdings ihre Frömmigkeit hervorgehoben wird; die wurde ihr besonders von ihrem aristokratischen Umgange und etlichen Emigranten zugeschrieben – wie ja überhaupt die Emigranten, deren viele ihr die Rückkehrerlaubnis verdankten, wissentlich an der Josephinelegende mitgearbeitet haben, teils aus Begeisterung darüber, eine »Frau von ihrer Art« an der Seite dieses Bonaparte zu finden, teils, um sich weniger vergeben zu haben, da sie sich von ihr hatten helfen lassen. Von dieser gerühmten Religiosität muß aber in der Umreißung von Josephinens nunmehriger Lebensbühne doch noch ein Wort gesagt werden. Es ist in keiner ihrer Äußerungen, noch auch in den Berichten über sie, trotz der einstigen Todesnähe im Kerker, ein Aufklingen aus wahrer Lebenstiefe zu empfinden, nichts von Gebetsstille noch von frommer Erhebung. Was mit den besten der sich gleichfalls oberflächlich gebenden Weltleute rings um sie, und besonders mit etlichen der besten Royalisten, versöhnen mag, fehlt bei ihr völlig: diese gelegentliche Dies-irae-Stimmung, die Exerzitienversenkung der Rohan und anderer, die um die österliche Zeit das Kleid des Dritten Ordens, in dem sie begraben werden würden, anlegten und sich weltvergessen auf die Sakramente vorbereiteten. Josephinen war der Katholizismus ein Standeskleid und ebenso eine Zutat dessen, was sie unter vornehmem Leben verstand, wie ihr kindlich törichter Royalismus, mit dem sie sich als die Gattin des größten Revolutionsgewinners zu zieren pflegte. Und so erfreulich ihr dann das politisch kluge Konkordat Bonapartes in dieses sonderbare Standesgefühl eingegangen sein mag, so wenig Kopf- und Herzzerbrechen hat sie sich hernach über die Gefangensetzung des Papstes durch Napoleon gemacht und sich in ihren vornehm-traurigen Äußerungen dazu wohl mit dem Gedanken getröstet, daß das eben Politik und Männertun sei, wovon Frauen nichts verstehen.

Josephine hatte an der Seite dieses, von ihr unbekannten Dingen besessenen und dann immer öfter auch räumlich fernen Mannes alsbald begonnen, die Spalten und Ritzen ihres Lebensraumes, durch die die große Öde hereindrängte, eifrig zuzustopfen. Erst ließ sich solches Tun höchst pflichtgemäß und löblich an, und der aufgewandte etwas heftige gute Geschmack brachte so viel laute Bewunderung ein, daß sogar Bonaparte, der in seiner Eleganz-Unerfahrenheit erst zu lernen hatte, was schöne Dinge kosten durften, darüber die großen Aufwände vergaß. Die früheste und nachhaltigste unter Josephinens kostspieligen Liebhabereien war das Einrichten. So wenig Erfahrungsmitgift im Wohnen sie auch aus der zigeunerisch adaptierten Zuckersiederei, die der Jugendwohnsitz in Trois-Ilets gewesen war, mitgebracht haben mochte, so sehr hatte sie sich in den mannigfaltigen Wohnungen seither im Einrichten und mehr noch im Wünschen geübt. In ihr schon recht kostspieliges Gehilfenstück, das Haus in der Rue de la Victoire, war ihr zwar von Bonaparte ein wenig dareingepfuscht worden. Aber das Schicksal hatte ihr noch genugsam Wohnungen zugedacht, an denen sie sich immer großartiger und ausgiebiger im Einrichten vervollkommnen konnte. Während sie zögernd Malmaison in Angriff nahm, dessen Einrichtungsgeschichte ein ganzes amüsantes kultur- und kunstgeschichtliches Buch füllen könnte, lernte sie am Bewohnbarmachen der nunmehrigen Amtswohnung des Ersten Konsuls die Meisterschaft, die Leute zu finden, die ihren eigenen unbestimmten Ideen eine Form gaben. Diese neue Amtswohnung bestand in weitläufigen erst kaum notdürftig möblierten Räumlichkeiten im Luxembourg-Palast, das kaum sieben Jahre vorher Alexandre Beauharnais' erstes Gefängnis gewesen war.

Vom Ergebnis dieser Übung ist nur zu sagen, daß von Josephinens ersten Empfängen im Luxembourg an es als ein gesellschaftliches Axiom galt, daß sie eine Frau von Geschmack sei. Zwar waren die Leute der alten Gesellschaft, die sie ins Haus zu ziehen begann, mit ihren gewagten Neuerungen noch wenig einverstanden, etwa mit dem prächtigen Teetisch für zwanzig Personen oder der Säule aus vergoldetem Holze auf einem Marmorsockel, die kostbare fremdartige Blumen trug. Doch das nach Art der noch recht kunterbunten Gesellschaft allzu laut geäußerte Entzücken über diese Empfangsräume bestärkte Bonaparte darin, Josephinen immer mehr mit einer Art privaten Ministeriums für Geschmack und Schönheit zu betrauen. Nicht daß er selber unempfänglich und interesselos für ästhetische Fragen gewesen wäre; er war nur ungeschult und hatte die herrische Unsicherheit der Traditionslosen, die alles selber produzieren müssen. So hielt er es mit den Dingen des Geschmackes anfänglich wie die arbeitbesessenen Männer der jungen Plutokratien, etwa die jüdische und amerikanische im 19. Jahrhundert, die ihre Frauen alles, was sie Geist, Kunst und Schönheit nannten, verwalten ließen. Daß sich im übrigen ein neuer Geschmack zu bilden begann, empfand Bonaparte, ohne vorerst noch zu ahnen, wie sehr er selber an dessen Wachstum teil hatte und noch teilhaben würde. Schon schienen dieser schnellebigen Zeit die von David ausgedachten öffentlichen Feierlichkeiten des Konvents barbarisch wild; schon waren die Feste des Directoire in das Kläglich-Lächerliche des zu heftigen Geschmacks von vorgestern untergesunken – jene Feste, bei deren einem »Direktoren und Gesetzgeber zwischen griechischen und römischen Gottheiten nach dem Marsfelde zogen und der Sonnenwagen des Phöbus, von Jahreszeiten und Horen umtanzt, im Moraste stecken blieb, ehe er noch seinen hölzernen Tierkreis erreichte«. Jakob Burckhardt, Die Allegorien des Directoire. Seit mit der Jahrhundertwende die Wesensverwandlung der Revolution einem neuen Lebensstile Raum gegeben hatte, reifte aus der kurzen barbarischen Antike der Revolutionshöhe und dem antikischen Barock der Directoirezeit mit wunderbarer Schnelligkeit die Klassik jenes Stils heran, der aus Bonapartes nun schnell sich formender Schöpfung seinen Namen hat. Und wenn Josephine an seinem Wachstume auch wahrlich nicht den Anteil hat, der ihr da und dort zugeschrieben werden möchte, so hatte sie doch mit der Feinnervigkeit der natürlich eleganten und stets auf die Wetterzeichen der Mode achtenden Frau allen Phasen dieser Stilbildung in ihrer Umwelt um so mehr Ausdruck geben können, als sie bald nicht nur die reichste und verschwenderischste Frau ihres Zeitalters, sondern auch noch die Gattin des großen Diktators war, an dessen Diktatur sich die Seelen bis ins Kunstwollen hinein formten.

Schon in den müßigen Tagen, da Josephine mit Charles durch das Besitztum Malmaison zu flanieren pflegte, von dem damals noch kein Zipfel bezahlt war, hatte sie von den Umgestaltungen phantasiert, deren das Haus und der Park so sehr bedürften. Nun Bonaparte indessen den Kaufpreis ausgezahlt hatte, war die notwendige Adaptation an seine Bedürfnisse der willkommene erste Vorwand für Josephine, mit dem Umgestalten dieses auf eine bescheiden-wohlhäbige bürgerliche Lebensform zugeschnittenen Besitzes zu beginnen, das ihr bei aller Rücksicht auf den Gatten hier ihr Haus schaffen sollte: und das es in der Tat so sehr schuf, daß Josephine, die dann in den Tuilerien und in Versailles, in St. Cloud und Fontainebleau und anderen wunderbaren Schlössern mehr oder minder Hausherrin gewesen ist, doch immer in Malmaison gedacht wird: in diesem Malmaison, das endlich in all dem unablässigen Umgestalten etwas von ihren Wesenszügen angenommen hatte. Gleich die ersten Adaptationen bestanden in so gründlichem Verändern der ganzen innern Anlage des Hauses, daß von all dem Durchbrechen, Gemächervereinigen und dergleichen die alten Mauern müde und haltlos wurden und gestürzt wären, hätte man sie nicht von außen mit Pfeilern gestützt. Sechzehn Gastwohnungen wurden für den Anfang eingerichtet, Ställe und Remisen zugefügt und ausgebaut und alldem von dem Modearchitekten Fontaine so viel schmückendes Beiwerk an Vasen und Statuen, Friesen und Malereien gegeben, als sich nur irgend erträglich unterbringen ließ. Dann ging es über den schönen alten Park her, der von nun ab beinahe vierzehn Jahre lang etwas von der Unrast und Wechselfreudigkeit seiner Herrin zu fühlen bekommen hat. Vor allem sollte es hier ganz englisch aussehen, »recht gewunden, bewegt, vielgestaltig, mit Abgründen, Bächen und Tempeln«. Das Ergebnis beim ersten kurzen Einhalten all der Arbeit war, daß weit über 600 000 Franken, also schon mehr als das Doppelte des Kaufpreises, für diese Umgestaltungen ausgegeben worden waren, zu deren angeblich endgültiger Durchführung noch die gleiche Summe erforderlich sein würde. Und nun beginnen erst die nicht mehr endenden Kleinigkeiten, die Aufträge an die Maler, Bildhauer, Holzschnitzer und Kunsthandwerker, beginnt das glücklicherweise kostenlose Ausplündern der staatlichen Depots von Kunstwerken, die Statuen, Stelen und Vasen liefern müssen, bis Bonaparte endlich befriedigt Malmaison als eingerichtet erklärte. Hätte er geahnt, was die noch zu tuenden Kleinigkeiten sein würden, von denen ihm Josephine sprach, da er ihr das schöne Haus pries, er hätte vermutlich verboten, daß je noch irgendeine Arbeit auf dem Besitze vorgenommen würde. Erst erklärte Josephine Spielplätze aller Art für notwendig, dann ein transportables Theater und andere kostspielige Zutaten für die Vergnügungen der Gäste. Und daß Bonaparte allmählich die Lust an dem unruhigen Landsitze verlor und das Schloß von St-Cloud für sich adaptieren ließ, gab Josephinen erst völlig das Gefühl, daß Malmaison nun ganz und gar ihr Haus sei – und so verfuhr sie auch damit. Die nächsten Ausgaben betrugen für die »Verbesserungen« schon 260 000 Franken, und das war auch nur ein Anfang. Denn nun hatte Josephine ihre eigenen Leute aufgenommen, Architekten, Gartensachverständige und dergleichen, und sich zugleich auch entschlossen, den Besitz möglichst so zu vergrößern, daß er bis St-Cloud reichte. So wurden Wälder, Felder und unbrauchbares Land dazugekauft, gekauft, gekauft; da wurde gebaut, dort gerodet; es wurden Bäche durchgeführt, die nicht weiterfließen wollten oder Überschwemmungen verursachten, ein kleiner See wurde angelegt, der immer wieder in den Boden verschwand, und romantische Brückchen und Felsgruppen aufgerichtet und da ein Tempel, dort Säulenreste aufgebaut. Und es war kein Halten abzusehen. Dabei wuchs nicht nur die Dienerschaft an, sondern zu Josephinens hochbezahlten Malmaison-Verbesserern kamen noch immer andere Angestellte mit ansehnlichen Salären, wie der höchst überflüssige Bibliothekar, der Seelsorger und andere. Das Dienstpersonal bestand in etwa zwanzig Personen, zu denen, wenn Josephine wieder flüchtig Geschmack an irgendwelchen Neuerungen fand, jeweils noch besondere Leute aufgenommen wurden. Wie etwa, da sie aus ihr geschenkten und dann reichlich dazugekauften Tieren eine Menagerie zu gestalten begann, Tierwärter aufgenommen wurden, die dann so lange blieben, bis sich die getroffenen Einrichtungen für die Mehrzahl der Tiere als ungeeignet erwiesen und Josephine plötzlich die Lust verlor und die »schwierigeren« Pfleglinge dem Jardin des Plantes schenkte. Immerhin blieben auch hernach noch genug geringerer Pflege bedürftige Tiere, Säuger sowohl wie Vögel vieler Arten, im Malmaisoner Park wohnen, und Hirsche wie Schwäne und fremdartige Enten gehörten von da ab mit zum Aufputz der so unwillentlich putzsüchtig gewordenen Natur von Malmaison.

Unter die Beschäftigungen, die Josephine hier eine Zeitlang mit einer wahren Besessenheit getrieben hat, gehört eine, die in den Namen von ein paar schönen Blumen weiterlebend eine besondere Legende in der Josephinenlegende geworden ist: die Gartenkultur. Josephinens Kenntnisse von Namen und Eigenschaften von Pflanzen stammten von der Heimatinsel her, aus dem Streifen durch die Urwälder, der Lust, sich mit Blumen zu schmücken, aus dem bißchen Botanikunterricht im Kloster und mehr noch aus der magischen und symbolsuchenden Pflanzenkunde der Negerinnen. Aber sie hatte Blumen immer weiter geliebt, sich mit ihnen umgeben und auch noch in den entbehrungsreichsten Revolutionstagen die Sträuße in ihren Vasen als lebensnotwendig betrachtet. Derweil war sie mit der französischen Flora bekannter geworden, als sie mit der ihrer fernen Insel gewesen. Aber aus der Jugendintensität des Erlebens duftete und glühte es zuweilen noch in ihr auf, als ob das dort die wirklichen Blumen gewesen wären. Und da sie jetzt so viel schöne Erde, Treibhäuser und Orangerien und die Mittel hatte, deren mehr und mehr zu bauen, begann ihre Blumenfreudigkeit mit einem Male ganz tropisch zu blühen – und so lange das währte, war Josephine heftiger und glücklicher ausgefüllt als von all ihren anderen Liebhabereien und Spielen zusammen. Der Anstoß zur Schaffung ihres botanischen Gartens kam von einem Pflanzenliebhaber ihrer Bekanntschaft. Und als sie für dieses Unternehmen keine Kosten scheute und der Ruf davon, wie alles, was mit dem Namen Bonaparte zusammenhing, sich geflügelt verbreitete, kamen von allen Seiten und aus immer ferneren Ländern Pflanzensendungen als Geschenke, neu entdeckten Pflanzen wurde ein ihr schmeichelnder Name gegeben, – und so wurde Josephine zu einer Art Schutzheiligen der Blumen und blieb es im Gedächtnisse der Menschen; auch noch, als aus ihrer vorübergehenden Gartenleidenschaft wieder nur mehr die alte kleine Liebe für blühendes Wachstum geworden war, nun freilich um viele Namen und manche Kenntnis bereichert. Mit ihrem Gedächtnisse ist die »menschenblasse« Rose verbunden, die Souvenir de la Malmaison heißt. Und eines der anmutigsten Zeugnisse aus dieser ihrer Liebhaberei ist jenes Prachtwerk »Jardin de la Malmaison«, das in schönen Gravüren die Wunder ihres Gartens verewigt. Die 130 000 Franken, die dieses Werk sie gekostet hatte, waren die letzte größere Ausgabe für ihre zu Ende gegangene Gartenverliebtheit. Doch unter all den Millionen, die Malmaison verschlungen hat, haben die Bruchteile, die die Gärten gekostet haben, der schmuckfreudigen Josephine die schönste Genugtuung eingetragen: die, Frankreich neuen Schmuck gegeben zu haben. Denn aus Malmaison sind »der Eukalyptus, der Hybiskus, der Phlox, die Kamelie, zahlreiche Spielarten von Heidekraut, von Myrten, Geranien, Mimosen, Kakteen und Rhododendron, gewisse Dahlienarten, gar nicht zu reden von seltenen Tulpen und den gefüllten Hyazinthen«, in die Gärten von Frankreich übergegangen und »180 neue Arten haben in Frankreich in den Glashäusern von Malmaison zum ersten Male geblüht«.

Während also nach dem Verflackern der großen Passion für die Gärten und Glashäuser immerhin die Liebhaberei für alles Blühen in Josephine weiter bestehen blieb und sie zuweilen auch noch, ohne daß Gäste da waren, unter den Blumen Umschau hielt, ließen die Strohfeuer ihrer sonstigen Kaufleidenschaften kaum Erinnerungen in ihr. Als nach der Heimbringung der gewaltigen italienischen Beute an Kunstwerken ein echtes oder modisches Interesse für alte Kunst sich in der Gesellschaft zu rühren begann, verlangte es Josephine alsbald, ihren in Malmaison untergebrachten Anteil an jener Beute zu einer rechten Kunstsammlung auszugestalten. So wurden in ihrem Auftrage planlos Meisterwerke von Namen aufgekauft; es berührt sonderbar, die Kaufsummen zu vergleichen und die uns wirklich großen Namen mit verhältnismäßig geringen Beträgen vermerkt zu lesen, während für zweit- und drittrangige Werke bedeutende Preise bezahlt worden sind. Zu den nahezu hundertdreißig in Italien zusammengetragenen Bildern (unter denen unter andern Werke von Giovanni Bellini, Coreggio, Palma Vecchio, drei Perugino, vier Raphael, vier Tizian aufgeführt werden) fügte Josephine hernach beinahe die gleiche Anzahl flämischer, holländischer und älterer französischer Bilder. Wie viele von diesen Cuip, Metsu, Ostade, Potter, Rembrandt, Rubens, Seghers, Van Dyk, Ruisdael, Claude Lorrain, Poussin, Murillo und so weiter gekauft und wie viele Geschenke waren oder hernach aus deutschen Museen und Kirchen fortgetragen worden sind, geht die Kunsthistoriker an. Hier ist von dieser Sammlung ebenso wie von der auf gleiche Weise entstandenen Antikensammlung vor allem hervorzuheben, daß sie für Josephine selber schnell vergessene Bestandteile von Malmaison geworden sind; sie besann sich ihrer nur noch, wenn Geschenke die Kollektionen vermehrten, wenn Gäste kamen, die im Rufe der Kunstliebhaberei standen, oder wenn ihr irgendwelche Kunstwerke zum Kauf angeboten wurden. Wenn dann nicht eben ein Berater zur Hand war, kaufte sie auf Treu und Glauben wertlose Machwerke oder Kopien als das, wofür sie angepriesen wurden, ja mehrmals, ohne die Gegenstände auch nur zu sehen: einfach, weil es ihr mehr und mehr nur noch ums Kaufen ging und sie endlich auch den absurdesten Anerbietungen nicht mehr widerstehen konnte. Statt vieler Beispiele mag hier nur noch aufgeführt werden, daß sie aus Gott weiß welchem Grunde eines Tages ihr Herz für die Mineralogie entdeckte. Dann wurde eifrigst für sie nach einer möglichst schönen Mineraliensammlung gefahndet. Als eine solche aus vielen tausend Stücken bestehende gefunden war, wurde sie dem Besitzer gegen eine hohe Lebensrente abgekauft; allerdings wurden die zahlreichen Kisten dann erst auf Betreiben des Verkäufers nach Monaten abgeholt – und nie geöffnet. Immerhin lag all diesen Käufen noch etwas wie eine wenn auch noch so flüchtige Liebhaberei zugrunde, und für die aufgewandten Summen waren Besitztümer von Wert erworben worden. Und mochte Josephine auch wenig und immer weniger Lust an dem haben, was sie schon besaß: all diese Ausgaben ließen sich mit einiger Mühe vor dem Gatten rechtfertigen, sogar die ungeheuerlichen Summen, die zum Ankaufe von Schmuckgegenständen aller und jeglicher Art aufgewendet wurden. Zwar besaß Josephine endlich eine Schatzkammer von etlichen Millionen Wert, die nach Genre, Stilen, Materialien jedes wünschbare, ja nur vorstellbare Schmuckding enthielt. Über Josephinens Schmuck schreibt Masson: »Sie besitzt nach dem Schätzungswerte, der ein Drittel unter dem Kaufwerte ist, für 4 354 255 Franken Juwelen von Bedeutung, Perlen, Diamanten und farbige Steine; aber wer könnte sagen, welcher Preis für die Tausende von Gegenständen in ihren Behältnissen bezahlt worden ist, die sie vielleicht einmal oder gar nicht getragen hat: die Hunderte von Ringen, Armbändern, Gürtelschnallen, Halsbändern aus allen polierbaren Materialien und allen aufreihbaren Kugeln, Schmuck aus Achat, aus Silber und Goldperlen, gravierten Steinen, aus Türkis, Malachit, Skarabäen, geschnittenen Korallen, aus Korallen mit Perlen ... eine Menge davon sind lediglich Kuriositäten, teuer gekaufte Gegenstände, die wenig oder gar keinen Verkaufswert besitzen. Und dann läßt Josephine unaufhörlich die Fassungen verändern oder modernisieren; sie handelt, tauscht, verkauft, kauft und nimmt für ein so hergegebenes Schmuckstück zehn andere ... Von diesen Schmucksachen, deren manche sie an so viele Dinge erinnern müßten, an Ereignisse, an Ruhm, an geschätzte oder liebe Wesen, an den ständigen Aufstieg ihres Glückes, von diesen Schmuckstücken, die Lösegelder von Städten, Fürsten und Republiken waren, Gaben von Päpsten und Königen, Neujahrsgeschenke, Unterpfänder einer Liebe, deren aufeinanderfolgende Zeichen sie hätte wohl bewahren müssen, von all diesen Schmuckstücken bleibt auch nicht eines unberührt, so wie sie es empfangen hatte. Sie entstellt sie, verwandelt sie, macht aus einem Halsband einen Gürtel, aus Ohrringen Anhänger, sie schickt Gold und Silber zum Einschmelzen, ordnet die Steine nach ihrer Laune und bewahrt keiner dieser Schmucksachen die daran haftende Erinnerung. Wo ist das kleine Medaillon aus Filigran hin, das einstige Geschenk des Vendémiairegenerals an die Vicomtesse de Beauharnais? Was hat sie mit diesem kostbarsten und seltensten unter ihren Schmuckstücken gemacht? Oh, das ist nichts wert, das glitzert nicht: sie hat es mit einer Handvoll anderer Dinge für einen modischen Stein hingegeben.« Aber wie sehr sie auch die meisten ihrer Neuerwerbungen überzahlte, es blieb doch etwas dafür da, Gold, Steine, Arbeit, Gegenstände, die irgendeinen Wert aus der Augenblickslaune retteten, wie abstrus und närrisch sie auch gelegentlich sein mochten. Und Bonapartes Toben angesichts der zu zahlenden Summen ließ sich immer wieder von Josephinens Tränen, ihrer kindlichen Fassungslosigkeit schnell versöhnen, wenn ihm irgend etwas von einigem Werte und Bestand vorgewiesen wurde. Er hatte wahrhaftig nichts vom blinden Spartrieb seiner Mutter, nichts vom Geiz seines Oheims Fesch an sich, aber er war elend arm gewesen und hatte noch die lateinische Sachvernunft im Wesen, die das Übervorteiltwerden als Schande empfindet. Daß er endlich selber mehr und blinder übervorteilt worden ist denn die meisten Mächtigen der Welt, und daß er in der steigenden Verblendung der Selbstherrlichkeit jene Aequitas mentis in sich zerstörend die ungeheuerlichsten Kaufpreise für Unerwerbbares bezahlt hat, sei hier nur nebenbei angemerkt.

Daß aber Napoleon, der Spender dieses unablässig rinnenden Geldstromes, der dann aus Josephinens Händen unverfolgbar zerrann, immer wieder vollends die Lust an Freigebigkeit und endlich immer mehr die Geduld verlor, lag an der von Jahr zu Jahr unverhüllteren Unverhältnismäßigkeit zwischen Josephinens Ausgaben und dem, was dabei eingehandelt wurde. Wie diese Kauflust endlich zu manischem Zwang wurde, wie die Stundenlaune sich nur noch in Minutenglimmen von etwas auflöste, was kaum mehr Wünschen zu nennen ist, wie ein haltlos kindisches Greifen nach allen dargebotenen glitzernden Dingen der Welt schließlich Josephine mit einer gehetzten, lustlosen Gier erfüllte, ist hier an ein paar willkürlich aus der unübersehbaren Fülle herausgegriffenen Beispielen dargetan worden. Die eigentliche Zusammenfassung, auf die dieses Kapitel vorbereiten will, wird bald ihren besonderen Raum haben.

Die Berichte schwelgen in den Aufzählungen all der Gegenstände, die Josephinen nicht nur von Händlern und Handwerkern aller Art, sondern auch von bastelnden Dilettanten, Erfindern mechanischen Spielzeugs und Verfertigern komplizierter bunter Sinnlosigkeiten zugetragen und ohne Frage nach dem Preise erworben worden sind. In den überfüllten Vorzimmern, in die Josephine nach Beendigung ihrer Toilette zu kommen pflegte, mag es ausgesehen haben wie in den Tagen der Märchenkalifen, wenn die Händler Zutritt hatten: vielleicht noch bunter, weil nicht nur der Ruf von Josephinens freigebiger Kauflust die Handelsfreudigen anlockte, die Kostbarkeiten darzubieten hatten, sondern weil diesem Ruf allmählich etwas beigemischt war, das nicht nur die skrupellosen Überbieter, sondern auch die Halbnarren, die irgendwo in kleinen Städten aus großen Schimären kleine Spieldinge machten, zum Feilbieten ihrer oft einzigen Ware lockte. Wenn dann Josephine »einen künstlichen Orangenbaum, einen geigespielenden Affen oder einen Blumenstrauch mit singenden Vögeln« und hundert andere Dinge dieser Art für vieles Geld erstanden hatte – und für um so mehr Geld, als die Kaufpreise meist erst eingefordert wurden, wenn die Gegenstände längst verschwunden waren –, dann hielt sie das Erworbene ein paar Minuten in den hübschen Händen mit den rosigen, spitz zulaufenden Fingern oder führte es wohl auch den Nächstbesten vor. Und wenn sie diese kostbaren Spielzeuge dann nicht in eine Kommodenlade tat und vergaß, wurden sie an Kinder verschenkt, und nicht nur an die reichen, verwöhnten Kinder ihrer Umgebung; oft auch soll es geschehen sein, daß irgendeine arme Bittstellerin, die mit ihrem Kinde gekommen war, solch ein köstlich unnützes Ding statt der erhofften Gnadengabe davontrug. Nach den vielen Hunderttausenden, die Bonaparte alljährlich Josephinens Jahrgeldern hinzugefügt hatte, kam dann als ein Versuch, wenigstens diesen Lockungen und Ausbeutungen im Hause ein Ende zu machen, der folgende Erlaß: Es sei der ganzen Umgebung Josephinens zu verbieten, in ihren Gemächern Möbel, Bilder, Schmucksachen und andere Gegenstände von Händlern oder Privatpersonen zuzulassen, und die Darbieter sowie die auf welchem Wege immer ankommenden Gegenstände seien an den Intendanten zu verweisen.

Doch ehe das im übrigen unschwer zu erratende Ergebnis dieses und ähnlicher Versuche noch seine letzte Erwähnung findet, muß nun der neue prunkende Rahmen um Josephinens Bildnis gelegt werden, der, in den die Goldströme, die menschenerfüllten Vorzimmer, der Intendant und noch vieles mehr hineingehören.


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