Sir John Retcliffe
Nena Sahib
Sir John Retcliffe

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Ein Duell in San Franzisko

Der Maharadschah, dessen Eintritt der feierlichen Ankündigung des Tigerjägers Mac Scott auf dem Fuße folgte, hatte nicht im entferntesten etwas, was an seine indische Heimat, an den Rajah erinnerte.

Der Eintretende schien direkt aus den fashionablen Salons von London, Paris oder St. Petersburg zu kommen.

Es war ein junger Mann von etwa 27 bis 28 Jahren, von mittlerer Größe und jenem feinen, anscheinend fast weichlichen Wuchs, den man bei den meisten Stämmen und Klassen der Hindus findet.

Die Persönlichkeit des jungen Maharadschah von Bithoor war eine so ganz unerwartete, daß auch nach seinem Eintritt das Schweigen der zahlreichen Versammlung dasselbe blieb.

Einen Augenblick stand der indische Prinz still und sein ruhiges, mattes Auge schien die Reihe der Anwesenden zu überblicken; diese kurze Zeit aber hatte vollkommen genügt, ihn zu orientieren, und er schritt sogleich weiter und gerade auf den Grafen zu.

»Monseigneur,« sagte er im geläufigen Französisch, »ich bitte Sie um die Erlaubnis, mich Ihnen vorstellen zu dürfen, und bedaure sehr, daß dies erst an dieser Stelle geschieht, da ich leider bis jetzt verhindert war, dem berühmten Ritter und Verteidiger der Legitimität meinen Besuch zu machen.«

Der Graf war so erstaunt und überrascht durch diese ungezwungene Höflichkeit, die sich gerierte, als befände er sich allein mit ihm in seinem Salon der Faubourg St. Germain.

»Mein Herr, Ihre Höflichkeit ehrt mich, ich möchte Sie jedoch bitten, wenn Ihnen die englische Sprache geläufig ist, sich dieser bedienen zu wollen, da die meisten dieser Herren in unserer Nähe dieselbe als ihre Muttersprache anerkennen.«

»Dieser Wunsch,« erwiderte der Indier auf der Stelle mit gleicher Geläufigkeit in dem besten Englisch, »gibt mir Gelegenheit, hier öffentlich mein Bedauern auszusprechen, daß von irgend einem niedrigen Menschen mein Name und meine Aufforderung gemißbraucht worden ist, um Sie, Herr Graf, zu beleidigen und das wichtige und kühne Unternehmen zu verdächtigen, dessen Gelingen der Name eines so berühmten Soldaten, wie Sie als Führer, allein vor jedem Zweifel an dem Erfolge beschützen mußte, und dem ich meine besten Wünsche widme.«

»Es wäre unwürdig,« sagte weit höflicher der Graf, »von meiner Seite das geringste Mißtrauen in Ihre Versicherung setzen zu wollen, mein Prinz. Ich kenne aus Europa zu wohl das aufdringliche Natterngezücht der Journalisten, um nicht zu wissen, daß sie sich unberufen in alles mischen. Da ich mich jedoch verpflichtet habe, ihm auf meine Weise Genugtuung oder Gelegenheit zu geben, so muß ich diese Verpflichtung lösen und an Sie, mein Prinz, die Bitte richten, mir das Mittel dazu zu gewähren.«

Der Srinath Bahadur antwortete nicht; – seine matten Augen waren auf eine Stelle zur Seite des Redners starr gerichtet und eine seltsame Veränderung begann sich in ihnen zu zeigen.

Die Stelle, auf die sich das Auge richtete, war die, auf welcher Margarete O'Sullivan stand.

»Ich habe Sie gefragt, mein Herr,« wiederholte der Graf scharf und ungeduldig, »ob Sie die Güte haben wollen, das Tier, das Sie als Aushängeschild benutzen, uns für das morgende Schauspiel zu leihen, oder vielmehr herzugeben.«

»Striped Bob? Er ist mir nicht feil.«

»Aber ich muß ihn haben, Sir,« sagte heftig der Graf. »Wollen Sie mir Ihr Tier überlassen, oder nicht?«

»Mit Vergnügen, Herr Graf – daran konnte überhaupt kein Zweifel sein.«

»So danke ich Ihnen aufrichtig und stehe zu jedem Gegendienst bereit.« Er reichte dem Indier die Hand. »Wir wollen das Schauspiel auf morgen Abend sechs Uhr festsetzen.«

»Ich werde den Käfig schon vorher in den Zirkus schaffen lassen,« sagte der Indier.

»Gut. Zur gleichen Zeit wird der amerikanische Stier zur Stelle sein. Diese Herren werden vielleicht die Güte haben, sich mit der Bestimmung der Waffen und der Art des Kampfes zu beschäftigen und mich dann das Nötige wissen zu lassen.«

»Somit wären die Präliminarien beseitigt,« sagte höflich der Chef der Sonora-Kompagnie. »Und da ich nichts weiter hier zu schaffen habe, so erlauben Sie mir, Prinz, mich Ihnen zu empfehlen.«

»Sie sind so gütig, mein Herr,« sprach der Indier, »daß ich es dennoch wagen möchte, die Bitte an Sie zu richten, nach Ihrem Belieben in meiner Wohnung eine Tasse indischen Tee oder ein anderes passendes Nachtgetränk nehmen zu wollen, indes diese Herren hier das Weitere des morgenden Festes beraten. Herr Mac Scott ist meinerseits zu jeder Anordnung bevollmächtigt.«

»Und ich bestimme die Herren Delavigne und O'Sullivan zu meinen Adjutanten und meiner Vertretung. Ich nehme Ihre Einladung an, meine indische Hoheit, und bin bereit, Sie zu begleiten. Das Resultat Ihrer Beratung, Eduard, werden Sie uns alsbald nach der Behausung des Herrn Maharadschah bringen.«

Der Graf nahm den Arm des Indiers. »Adieu, meine Herren, und vergessen sie nicht, erstens uns morgen Ihre Gegenwart zu schenken, und zweitens, daß die Aktien der Sonora-Expedition auf dem Kurs von 187 ½ bleiben müssen.«

Die Indier am Eingang hoben den Türvorhang und die beiden Gegner verließen in bester Eintracht die Spielboutique.

Wir überlassen die Bankhalter ihren Bemühungen, das gestörte Spiel an den einzelnen Tafeln wieder in Gang zu bringen, und die Gesellschaft, um die beiden Tigerjäger und die erwählten Sekundanten des Grafen versammelt, dem lärmenden Disput über die Art und Weise, in welcher das seltsame Stiergefecht ausgefochten werden sollte – und folgen dem Indier und dem französischen Abenteurer in das Zelt des ersteren.

Das Gemach, in welches der junge Maharadschah seinen Gast geführt hatte, war mit allem Luxus ausgestattet, ganz entgegengesetzt der einfach eleganten Erscheinung seines Herrn.

Auf die Einladung Srinath Bahadurs hatte der Graf Platz genommen. Ihm gegenüber saß der Indier, und zwei Diener brachten auf goldenen Platten in kleinen Schalen jenen kostbaren, duftigen Trank aus den ersten Knospen des Teebaumes.

Beide Männer plauderten lange hin- und herschweifend über Pferde, Jagd, indische und europäische Sitten und die politischen Ereignisse der letzten Jahre, und der Graf hatte vielfach Gelegenheit, nicht allein die Bildung und das ruhige und scharfsichtige Urteil seines Wirtes, sondern auch seine genaue Kenntnis der europäischen Verhältnisse zu bewundern.

»Ich habe viel von Indien gehört,« sagte der Franzose, »und hätte es gern besucht, wenn es nicht eben unter der Botmäßigkeit der Engländer stände, die ich nicht besonders liebe, und wenn das Schicksal mich nicht in anderen Zonen gefesselt hätte. Aufrichtig – ich bedaure, daß ich verhindert bin, an Ihrem Tigervertilgungskrieg in Singapore mich zu beteiligen.«

»Und was hindert Sie daran, Monseigneur?«

»Ei, die Sonora-Expedition, auf die ich alle meine Hoffnungen gesetzt habe. Europa ist keine Heimat mehr für mich, ich muß mir hier eine neue schaffen, würdig meines Namens, und dies kann nur ein Fürstentum oder ein Königreich sein.«

»Wann glauben Sie, Ihre Expedition anzutreten?«

»Das hängt von den Umständen ab, Prinz – zunächst von dem, ob mich morgen Ihr Striped Bob, der ein ganz stattlicher Gegner ist, auffressen wird, oder ich ihn.«

Das Auge des Maharadschah begann sich wieder zu beleben, es leuchtete diesmal listig und berechnend. »Monseigneur,« sagte er, »wie lange Zeit würden Sie brauchen, um eine neue Ausrüstung zustande zu bringen?«

»Ein halbes Jahr – mindestens drei Monate.«

»Nun wohl, ich will Ihnen einen Vorschlag machen. Verkaufen Sie mir Ihre Expedition auf ein halbes oder ein Vierteljahr? Verständigen wir uns, Monseigneur. Mein Wunsch ist, mir von Ihrer kleinen Armee von kühnen Männern zwanzig der Tapfersten auszulesen und sie an mich fesseln zu dürfen. Dies ist nur möglich, wenn Sie im allgemeinen die Expedition verschieben und daher die eingegangenen Verpflichtungen lösen. Binnen wenig Monaten werden Sie eben so viele und eben so kühne neue Teilnehmer gefunden haben. Das Aktien-Kapital Ihrer Unternehmung beträgt fünfzigtausend Dollar – ich biete Ihnen hunderttausend für drei Monate!«

»Ihr Vorschlag, Prinz,« sagte der Graf, »würde eine Beleidigung sein, wenn Sie Ihren Grund nicht so aufrichtig angeführt hätten.«

»Es ist keine Beleidigung, Monseigneur, sondern eine Bitte von meiner Seite.«

»Überlassen Sie die Erfüllung Ihrem Bob,« sagte der Graf nach einigem Nachdenken. »Es ist leicht möglich, daß er Sie mit einem Schlage seiner gewaltigen Tatzen von der ganzen Sonora-Expedition befreit. Nur mein Tod könnte vor den Leuten die Verzögerung oder Aufgabe der Unternehmung rechtfertigen.«

Einer der indischen Diener führte Mac Scott und Delavigne herein. Sie kamen, um anzuzeigen, man habe sich dahin geeinigt, daß jeder der beiden Kämpfer beliebig zu Pferde oder zu Fuß den Kampf ausfechten und mit einer Büchse und einer Machete, oder sonst einer kurzen blanken Waffe, gerüstet sein solle, und daß jeder von einem Sekundanten begleitet werden dürfe, dessen Ausrüstung beliebig sein möge, und der nur in dem Fall der höchsten Lebensgefahr oder des Versagens des Gewehres zu Hilfe kommen dürfe.

»Wen werden Sie zu Ihrem Sekundanten wählen, Monseigneur?« fragte der Indier.

Eduard O'Sullivan trat sogleich näher. »Mylord, ich fordere diese Ehre für mich, weil ich der jüngste Ihrer Gesellschaft, und deshalb beweisen muß, daß ich Ihrer Freundschaft nicht unwürdig bin.«

»Gut denn,« sagte der Graf, indem er ihm die Hand reichte, »ich bin es zufrieden, aber sorgen Sie dafür, daß die schöne Miß Margaret, Ihre Schwester, mich nicht anklagt, wenn ein Unglück geschieht; ich habe Sie nicht gewählt.«

»Und nun, meine Herren, glaub ich, ist es Zeit, daß wir uns trennen. Leben Sie wohl, mein Prinz, und nehmen Sie meinen Dank, bis der morgende Tag entscheidet, ob Sie die Aktien der Sonora-Kompagnie für einen billigeren Preis haben können, als Sie dafür zahlen wollten.«

Er verbeugte sich und verließ, von dem indischen Fürsten bis zum Eingang begleitet, das Zelt, ohne im Vorübergehen seinem furchtbaren Gegner für den nächsten Tag auch nur einen Blick zu schenken.

 

Die Nachricht von dem seltsamen Zweikampf hatte sich wie ein Lauffeuer durch San Franzisko verbreitet, und ehe noch die Mittagsstunde geschlagen, waren alle Kaffeehäuser und Schenken der Stadt und die öffentlichen Plätze gefüllt mit Personen, um das Schauspiel mit anzusehen.

Obschon der Beginn des Stiergefechts erst auf 6 Uhr abends verkündet war, strömten doch mehrere Stunden vorher die Zuschauer in die Arena, um sich, trotz der glühenden Mittagshitze, die besten Plätze zu sichern.

Der Graf hatte noch am Abend den Stier gekauft, den er ausersehen, die Gefahren der Prärie zu repräsentieren.

Der junge Bulle befand sich mit zwei anderen, zum Vorspiel des Kampfes bestimmten Tieren in den Ställen unter der Loge des Grafen.

Zahllose Wetten von jedem Betrage waren bereits unter der Menge über den Ausgang des Kampfes geschlossen worden und steigerten sich mit jedem Augenblick.

Plötzlich, ein Viertel vor sechs Uhr, donnerten von zwei in der Bai ankernden französischen Schiffen drei Salutschüsse. Die Franzosen begrüßten ihren tapferen Landsmann, der soeben die Stadt verließ.

Der Graf ritt mit seinen beiden erwählten Adjutanten, dem Kapitän Delavigne und Master O'Sullivan, voran. Er glich einem alten Turnierritter, die in die Schranken reiten, als er mit leichtem Schenkeldruck den Schimmel, der ihn trug, sich heben und durch den Eingang in den Zirkus setzen ließ, wo er unter den donnernden Cheeres und Hurras der Menge vom Pferde stieg und mit französischer Galanterie Margarete O'Sullivan nach den Sitzen geleitete, die Slong für ihn und sein Gefolge reserviert hatte.

Sie hatten kaum ihre Plätze eingenommen, als der rollende Donner einer Salve von acht Karonaden von der »Sarah Elise« verkündete, daß auch der Zug des Maharadschah von dem Tor San Dolores her unterwegs sei, und aller Augen wandten sich nach der Straße und dem Eingang des Zirkus.

Zwölf Matrosen der »Sarah Elise«, mit ihrem Kapitän, eröffneten den Zug in der reichen Tracht der indischen Seeleute, dann kam, begleitet von seinen beiden Speer- und Pfeifenträgern, der Maharadschah selbst.

Der künftige Peischwa von Bithoor trug die volle Kampfrüstung des Mahrattenfürsten.

Der Maharadschah ritt ein schwarzes, arabisches Pferd vom Nedjid-Blut, mit weißer Mähne und weißem Schweif.

Hinter ihm kamen zu Fuß Master Gibson und Mac Scott, die beiden Tigerjäger, und ihnen folgte, von seinen deutschen und englischen Anhängern umgeben, mit seinen Sekundanten zu Pferde der erste Kämpfer in dem großen Drama des Tages, Master Hillmann, der Redakteur des California Chronicle.

Nachdem die Neuangekommenen ihre Plätze eingenommen, wurden die Schranken des Zirkus geschlossen, und das am Eingang postierte Orchester begann einige spanische Tänze und Polkas zu spielen.

Master Slong nahte mit einer tiefen Verbeugung der Tribüne, auf welcher der Alkade neben dem Grafen saß, und bat um die Erlaubnis, das Spiel zu beginnen, worauf der Beamte mit seinem Taschentuch das Zeichen gab und nach spanischer Sitte die Schlüssel zum Toril hinabwarf.

Der Maharadschah erhob sich, verließ seinen Sitz und schritt nach der Loge seines Rivalen, der sich mit französischer Höflichkeit erhob, ihn zu begrüßen.

»Möge der Schatten des königlichen Kriegers von Frangistan lange dauern,« sagte der Indier, mit dem Gewand seines Volkes auch ganz die Sitten und die bilderreiche Sprache desselben annehmend. »Srinath Bahadur kommt, an der Seite eines Freundes Platz zu nehmen, damit keine Zunge Böses zwischen ihnen rede und keine Seele denke, daß Feindschaft zwischen ihnen sei wegen der törichten Worte eines Paria.«

»Seien Sie willkommen, Prinz,« sagte laut und seiner ganzen Umgebung verständlich der Graf, »und wie Gott auch über mich bestimmen möge, so wünsche ich doch, daß jedermann erfahre, daß ich Sie als Mann von Ehre schätze und Ihnen Dank weiß.« Seine Handbewegung lud den Maharadschah ein, neben ihm Platz zu nehmen.

Auf der anderen Seite des Grafen befand sich Margarete O'Sullivan.

Der Indier saß kaum, als er sich zum Ohr des Grafen neigte. »Haben Sie überlegt, Monseigneur? Ich beschwöre Sie, Ihr Leben nicht der Gefahr auszusetzen. In diesem Portefeuille befinden sich hunderttausend Dollar in englischen Banknoten, und wenn Sie einwilligen, ist das Mittel bereits gefunden, die Sonora-Expedition aufzuschieben.«

»Die Ehre eines französischen Edelmannes, Prinz, ist verpfändet, sie muß gelöst werden, ehe wir weiter sprechen.«

Der Maharadschah lehnte zurück, und nicht die geringste Bewegung verriet seine Teilnahme an der nachfolgenden Szene.

Während des kurzen Gesprächs hatte Hillmann mit seinem Sekundanten und seinen Freunden die Arena betreten. Sein Gesicht war etwas bleich, zeigte aber Entschlossenheit, und die Art, wie er sein Pferd die Runde kurbettieren ließ, bewies, daß er fest und sicher im Sattel sei. Die Hörner gaben das Zeichen, die Arena zu räumen, und alle Fremden, mit Ausnahme Antonios, der seine Stellung im Außengange nahm, entfernten sich.

Auf das Zeichen des Alkaden öffnete sich das dritte Gitter – ein Sprung, und der Stier, den der Graf zum blutigen Kampf gewählt, stürzte heraus.

Der Bulle blieb stehen und sah wie verwundert umher, als plötzlich ihm zur Seite das Brüllen des Tigers ertönte und der Stier erschreckt und wild zur Seite sprang. Er warf den Schwanz in die Höhe, und von dem jetzt von allen Seiten her tönenden Geschrei der Zuschauer wild gemacht, galoppierte er die Arena entlang.

Hillmann hielt an deren Ende und setzte sein Pferd in Galopp, als der Stier näher kam, der jetzt erst den Gegner bemerkte und sofort die Verfolgung aufnahm. Das Spiel dauerte einige Minuten, Hillmann, durch den Zuruf seiner Partei ermutigt und angespornt, suchte dabei dem Stier in den Rücken und zur Seite zu kommen, um ihm einen Schuß ins Herz beizubringen, da er auf die Stirn nicht zu halten wagte. Wirklich gelang es ihm auch, durch eine geschickte Volte an die Flanke des Tieres zu kommen, das so rasch sich nicht zu wenden vermochte; er galoppierte eine Strecke weit, fast Seite an Seite, mit ihm fort. Dadurch verfehlte er jedoch den günstigen Augenblick, und als er seine Büchse in der tödlichen Nähe auf seinen wilden Feind richtete und abdrückte, fuhr der Schuß in die Mähne, und brachte dem Tier zwar eine schmerzende, doch keineswegs tödliche Wunde bei.

Es war ein Glück, daß Hillmann sofort, nachdem er losgedrückt, anhielt und sein Pferd wandte, denn der Büffel schoß nur noch wenige Schritte vorwärts und kehrte sich dann, von dem Schmerz und dem strömenden Blute wild gemacht, um, seinen Feind zu suchen. Im nächsten Augenblick war er ihm auf den Fersen und jagte ihn dreimal um den ganzen Zirkus, daß es aller Reitergeschicklichkeit des ehemaligen Kavalleristen bedurfte, um nicht eingeholt und überrannt zu werden. Die Teilnahme an dem Ausgang des Kampfes war jetzt allgemein, und mit Angst sah alles auf den Reiter, der die Geistesgegenwart verloren zu haben schien. Sein Gesicht war bleich, sein langes Haar flog im Luftzug und halb atemlos keuchte er zweimal im Vorbeisprengen an seinem Sekundanten: »die Büchse! die Büchse!«

Doch der Mexikaner war entweder in Zweifel darüber, ob er nach den festgesetzten Regeln des Kampfes seinem Mandanten das eigene Gewehr reichen dürfe, und erst beim drittenmal, als der flehende Blick des Geängsteten ihn traf und sein heiserer Ton nach dem Gewehr rief, entschloß er sich, ihm im Vorübersprengen seine Waffe hinzureichen, aber es war zu spät, denn obschon der Deutsche noch die Zeit und Gelegenheit hatte, das Gewehr zu ergreifen und den Hahn zu spannen, vermochte er doch nicht mehr, sein Pferd und seine Person in Sicherheit zu bringen; der wütende Büffel stürzte bereits mit gesenkten Nüstern auf ihn ein. An die Wand gedrängt, hob sein Spornstich das edle Pferd zum Sprunge, während er selbst, über den Hals vorgebeugt, das Gewehr auf den anstürmenden Gegner anschlug und abdrückte. Der Schuß krachte, im nächsten Augenblick aber stürzten Pferd und Reiter zusammen, denn ein Hornstoß des wütenden Tieres hatte die Weichen des armen Pferdes aufgerissen, daß die Eingeweide herausquollen. Während das Roß auf dem um Hilfe rufenden Reiter lag, stieß und sprang der wütende Stier blind auf seine Feinde los. Die Szene und das laute Geschrei der Zuschauer rief Antonio Perez zum Beistand. Diesem schien in der Tat endlich der Augenblick gekommen zu sein, handelnd aufzutreten. Er sprang über die Mauer und eilte, den roten Mantel schwingend, auf den Stier zu.

Der Bulle, der seine Rache gesättigt hatte und den neuen Gegner sogleich bemerkte, wandte sich gegen diesen, senkte die von Blut triefenden Hörner und stürzte auf ihn los. Dieser hatte gegen die gewöhnliche Sitte des Kampfes den roten Mantel auf die Erde geworfen und war allein noch mit einem scharfen, schmalen, aber starken Dolchmesser bewaffnet.

Mit unglaublicher Kaltblütigkeit hatte er im letzten Augenblick den rechten Fuß dem Stier mitten zwischen die Hörner gesetzt, und als die Blicke der Menge seine Gestalt wieder erfassen konnten, saß er rittlings auf dem Nacken des Tieres, das, erschreckt durch die ungewohnte Last, weiterstürzte. Als er sich das zweite Mal der Stelle näherte, wo der Verwundete mit dem getöteten Pferde lag, stieß er ihm zwischen den Fingern den schmalen Stahl bis ans Heft ins Genick.

Wie von einem Blitzstrahl getroffen stürzte das mächtige Tier auf der Stelle zusammen und war tot; kein Glied zuckte mehr, so vollständig und rasch war jede Lebenskraft abgeschnitten. Der Mexikaner war auf diesen Sturz vorbereitet gewesen, kam auf die Füße zu stehen und sprang gewandt zur Seite, triumphierend die Hand schwingend. Ein wahnsinniges Beifallstoben belohnte das gefährliche und ebenso großen Mut wie Gewandtheit erfordernde Kunststück.

Jetzt eilten die Freunde Hillmanns in die Arena, um nach dem Gefallenen zu sehen, und auch sein würdiger Sekundant widmete ihm jetzt die ersten Zeichen von Teilnahme. Der Deutsche lag bewußtlos unter dem Pferde, – sein rechtes Bein hatte einen furchtbaren Bruch erlitten, daß die Splitter der Knochen durch das Fleisch gedrungen waren; außerdem war seine rechte Brust und Schulter entsetzlich von einem Hornstoß des wütenden Tieres zerfleischt. Ein mit herbeigekommener Arzt erklärte jedoch, daß Lebensrettung bei sorgfältiger Pflege noch möglich sei, obschon der Unglückliche wahrscheinlich ein Krüppel bleiben würde.

Das Geläut der Glöckchen verkündete alsbald die Maultiere mit ihrem Arriero, die eintraten, um die Leichen des Stiers und des Pferdes aus dem Zirkus zu schleifen.

Aller Augen richteten sich jetzt nach dem Platz des Grafen, auf dessen Befehl Kapitän Delavigne zu dem Verwundeten geeilt und, so viel es anging, bemüht gewesen war, mit Rat und Tat zu helfen. – Der Platz, den der Graf bisher eingenommen, war leer.

Zugleich verkündeten die Hornsignale am Eingang und der Ruf des Scherifs und seiner Gehilfen, daß die Arena zu räumen sei. In dem Gang zwischen der äußeren und inneren Barriere galoppierte bereits Eduard O'Sullivan auf einem schönen Halbblutpferde umher. Er trug einen Hirschfänger an der Seite und eine schöne Jagdflinte in der Hand und kurbettierte mit seinem Pferde unter dem Sitz seiner Schwester, die zitternd neben dem Maharadschah saß.

Jetzt trieben Mac Scott und Gibson mit den Dienern des Scherifs halb mit Gewalt die Zögernden aus der Arena, und die Tore derselben wurden geschlossen.

Man erblickte in der Mitte des Zirkus die hohe Gestalt des Grafen zu Fuß, auf seine französische Büchse gestützt.

Während Gibson an der Tür des Käfigs die Krampen lockerte, trat Mac Scott zu dem Grafen, um seine letzten Befehle in Empfang zu nehmen.

Das Auge des Grafen war ruhig und fest, seine Haltung so leicht und unbefangen, als befände er sich mitten in der gleichgültigen Unterhaltung eines Salons.

»Sind Sie mit Ihren Vorbereitungen zu Ende, Herr Mac Scott?«

»Ja, Mylord – sobald Sie es wünschen ...«

»Bitte – so geben Sie Ihrem Gefährten das Zeichen und bringen Sie sich in Sicherheit. Wir dürfen die Neugier dieser Herren nicht länger auf die Folter spannen.«

Der Maharadschah grüßte mit einer leichten Verneigung hinüber nach dem Grafen – dann hob er die Hand und machte eine horizontale Bewegung.

Das eiserne Gitter, das den Käfig verschloß, rasselte unter den kräftigen Händen Mac Scotts und seines Gefährten in die Höhe.

Mit einem gewaltigen Sprung schoß der Königstiger in die Arena. – – –


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