Sir John Retcliffe
Nena Sahib
Sir John Retcliffe

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Die Tiger-Vertilgungs-Gesellschaft.

Die Laternen vor den Spielhäusern waren bereits angezündet – aus den geöffneten Türen der langen Reihe von Gebäuden des großen Platzes strömten Helle und Glanz, tönte Musik und ein infernalischer Lärm in das Helldunkel der Sommernacht.

Aus den Felsenschluchten der Aveninnen hat uns der Gang unserer Erzählung an den grünen Golf von Kalifornien versetzt, nach San Francisco – dem Smyrna der neuen Welt.

Drei mächtige Anreizungen vereinen in dieser durch den Schlag des allmächtigen Zauberstabes entstandenen Stadt die bunteste Gesellschaft vielleicht der ganzen Welt: die ungezügeltste Freiheit und Ungebundenheit, frei von jeder Schranke des Gesetzes, der Sitte und des Herkommens, nur von der Macht des Stärkern gebändigt; – der Golddurst und Goldgewinn; – und die Romantik der wildesten Abenteuer.

Spanier – Engländer – Irländer – Franzosen – Deutsche – der Mohr und der Tahitiner – die ganze Welt scheint ihre Rassen und Geschlechter hier ausgestellt zu haben.

Drei Spielhäuser zeichnen sich vor allen aus. Sie liegen nebeneinander, nur durch kurze Zwischenräume getrennt – das mittlere, größeste, scheint gleichsam die Parteien zu scheiden, der neutrale Boden zu sein, auf welchem sich die Werbearmee für die großen Unternehmungen des Tages tummelt.

Vor dem linken Hause flatterte ein mächtiaes Banner. Eine Grafenkrone, darunter ein in viele Felder geteiltes Wappen, von zwei wilden Männern als Schildhalter getragen, von drei bunten Turnierhelmen überragt, ist darauf in lebbaften Farben gemalt.

Ein großes Transparent über dem Eingang des Zeltes gibt die Erklärung dieses Wappens, und die Inschrift lautete in französischer und englischer Sprache:

Hauptquartier
von
Horace Aimée, Grafen van Raousset Boulbon,
Marquis de Tremblan,
aus dem fürstlichen Hause Lusignan,
General en chef
der Expedition nach Sonora und dem geheimen Schatz der Azteken
am Rio Gila.
Kurs der Aktien 187½.

Riesige gedruckte Plakate belehrten das Publikum, daß hier »noch eine geringe Anzahl von Aktien« des großen Unternehmens zur Zeichnung reserviert würden. Andere Affichen zeigten die Abbildung einer vollkommenen kleinen Armee, mit Reiterei und Kanonen, begriffen im Kampf mit einer flüchtenden Indianerhorde, dahinter fabelhafte Ruinen mit der Überschrift: »Eingang zu dem geheimen Schatzgewölbe Itze-Cate-Cäulaz, Enkel Montezumas, des letzten Aztekenfürsten.«

Anders zeigte sich die anlockende Ausstattung des Zeltes zur Rechten. Wie bei seinem Rivalen, flatterte ein großes Banner über dem Haupteingang, der ungleich reicher und prächtiger mit großen Teppichen behangen und verziert war. Auf dem Banner war ein großer indischer Tiger abgebildet, der mit einem Manne rang und von diesem eben einen Stoß mit dem Kriß in den geöffneten blutigen Rachen erhielt, der ihn zu Boden warf. Hier auch verkündete ein großes Transparent die Bedeutung der seltsamen Ausstaffierung mit der Inschrift:

Tiger-Vertilgungs-Gesellschaft
(San Francisco Tiger-Killing-Company)
Seiner Hoheit
des Maharadscha!»Srinath-Bahadur,
genannt
Nena Sahib,
Sohn des
Bazie Rû, Peischwa van Bithoor in Indien.
Handgeld für die Tapferen: Vierzig GoldrupienDie beiden Gesellschaften sind nicht etwa Phantastegebilde, sondern Tatsachen..

Die angehefteten Plakate und Blätter des »California Chronicle« erzählten, daß der reiche und vornehme Radschah, Nena Sahib, in Begleitung der zwei berühmtesten und gewandtesten Tigersänger Indiens, der Herren Mac-Scott und Harry Gibson, von Kalkutta vor kaum acht Tagen herübergekommen sei, um eine Gesellschaft der berühmten Jäger und Trapper der Felsgebirge für die Tigerjagd in Indien zu engagieren. Die Bedingungen waren verlockend genug. Bei einer Verpflichtung von fünf Jahren in seinem persönlichen Dienst vierzig Gold-Mohurs Handgeld, ein Jahrgehalt von zweihundert Silberrupien bei freier Station, und für das Fell jedes getöteten Tigers außerdem dreißig Rupien.

Überdies schien es nicht leicht, den Kontrakt abzuschließen und der indische Radschah sehr wählerisch zu sein. Denn obschon niemand wußte, wer von den Bewerbern wirklich angenommen worden sei, und die es waren, nach den Bedingungen des eingegangenen Vertrages, ein strenges Schweigen darüber beobachteten, so war doch so viel bekannt geworden, daß es erst wenigen gelungen, und die ganze Zahl der Gesellschaft überhaupt auf dreißig Jäger bestimmt sei.

Wir führen den Leser in das mittlere große Zelt, von dem wir bereits gesagt haben, daß es als neutraler Boden zwischen den beiden großen Konkurrenzen des Tages angesehen werden konnte.

Im Innern, neben dem Eingange, befanden sich rechts und links die Schankstätten, auf der einen Seite eine Konditorei mit Glühwein und feinen Likören, auf der andern der Ausschank der Spirituosen. Ein dampfender Teekessel von kolossaler Dimension zeigte den massenhaften Verbrauch des üieblingsgetränkes: Grogk.

Man trat eine Stufe vom »tap« hinunter in den Saal und übersah daher von ersterem Orte aus vollkommen den großen als Oblongum sich hinstreckenden Raum, in dem sich eine ansehnliche Menschenzahl bewegte.

In dem Saal standen mindestens zehn größere und kleinere Tische, an denen allerlei Hasardspiele, von dem Pharo und Roulette bis herunter zum gewöhnlichsten Würfelspiel, getrieben wurden. Um zwei der Haupttafeln, wo große Banken mit Haufen von Dublonen, Dollars und Banknoten vor dem Bankhalter aufgehäuft lagen, drängte sich vorzüglich die Menge. Neben dem Bankhalter lagen ein Paar gespannte Pistolen und eine kleine Wage, die dazu diente, das Gold zu wägen, das häufig von den Spielern im Naturzustand, wie sie es durch die mühevollste Arbeit in den Placers des San Ioaquin, des Sacramento und seiner unzähligen Nebenflüsse gewaschen, auf die Karten gesetzt wurde.

An den Tischen fand, wie erwähnt, das Spiel in den verschiedensten Abstufungen statt, jedes Mitglied der so sehr gemischten Gesellschaft fand für seinen Geschmack und den Zustand seiner Börse die geeignete Gelegenheit.

»Master Gibson – wie viele heute?« fragte ein reduziert aussehendes Individuum.

»Nur zwei, Ehrwürden Slong,« erwiderte der Tigerjäger, der mit dem Genannten an dem Schenktisch stand und ein mächtiges Glas Brandy trank. »Der Radschah ist verteufelt mäklig, und das Zwinkern eines Auges kann ihm die Person verleiden. Gesindel gibt es genug in San Francisco, aber wir brauchen erfahrene Jäger und Pfadfinder, die in den verteufelten Dschungeln nötigenfalls allein ihren Mann stehen.«

»Was meint Ihr zu Ralph, dem Bärenjäger?« fragte der Methodist.

»Er wäre eine prächtige Erwerbung; aber er ist, denk' ich, bei Eurem Unternehmen angeworben?«

»Ich habe die Notion. Und Joaquin Alamos, der Pfadfinder? Ihr könntet keinen besseren Spürhund auf die Fährten eines Wiesels setzen, das sich in hundert Löcher verkriecht.«

»Gott verdamm Eure Augen, Ihr psalmplärrender Narr,« sagte der Tigerjäger unwillig, »was nennt Ihr mir die besten, wenn sie nicht mehr zu haben sind!«

»Wer weiß,« meinte der Methodist gelassen, indem er sorgfältig sein Glas dem Schankmädchen hinhielt. »Auch Adlerblick, der französische Kanadier, wäre nicht zu verachten. Ich versichere Euch, er hat eine Büchse, welche nie fehlt.«

»Und was meinen Sie zu Eduard O'Sullivan und seiner Schwester, Miß Margareta, die der Herr nicht bloß mit jenen Gaben gesegnet, die Versuchungen sind für die Augen des Fleisches?«

»Wollt Ihr Euer Spiel mit mir treiben?« sagte der Tigerjäger finster. »Alle, die Ihr genannt, sind Mitglieder der Expedition dieses französischen Windbeutels, den Gott verdammen möge, und Männer brechen ihr Wort nicht.«

Der Yankeeprediger kniff ein Auge zu und sah ihn mit dem andern listig von der Seite an. »Was meint Ihr zu meiner unwürdigen und demütigen Person für die Tiger-Killing-Company?«

»Seid Ihr verrückt, Master Slong? Glaubt Ihr etwa, ein Tiger, wie unser Bob, werde mit seinem Sprung auf Euern miserablen Leichnam so lange warten, bis Ihr eine Eurer langweiligen Predigten gehalten? Da seid Ihr stark im Irrtum. Überdies habe ich ja Euren eigenen Namen in der Liste des französischen Grafen gefunden.«

»Ich kalkuliere,« sagte der Schwarze höchst philosophisch, »man wird mich dort entbehren können, wenn Seine Hoheit, der Radschah, mich nur anwerben will. Doch, was ich Euch sagen wollte, ich habe eine Notion, daß bei uns drüben nicht alles mehr ist, wie es sein sollte,« er wies mit dem Daumen über die Achsel nach dem andern Zelt. »Es dauert manchem so lange, und der bare Sold, den Euer Radschah angeboten, macht vielen den Kopf warm. Der Tiger vor Eurer Tür ist außerordentlich nach dem Geschmack unserer Jäger, und bei den anderen hat der Artikel in dem »California Chronicle« grausam viel gewirkt.«

»Wie meint Ihr das, Hesekia Slong?«

»Seine Gnaden, der Graf, sind teuflisch erbittert über das Geschreibsel, und ich möchte nicht in der Haut von Master Hillmann, dem Redakteur des Chronicle, stecken, der dort so ruhig mit Eurem Freunde am Spieltisch des spanischen Betrügers steht!«

»Was wollt Ihr damit sagen? Ist Gefahr für den Mann, weil er einen Artikel gegen Euer unsinniges Unternehmen geschrieben hat?«

Der Methodist sah sich vorsichtig um. »Unsere Aktien sind mächtig gesunken seit zwei Tagen. Ich wiederhole Euch, der Graf ist wütend und behauptet, er habe im Solde der Tiger-Killing-Company die Artikel gegen ihn, geschrieben. Die Aktionäre und die Teilnehmer sind aufsässig, und er muß etwas tun, um sich wieder in Furcht und Respekt zu setzen. Bemerkt Ihr nicht, daß keiner von unseren Leuten heute abend hier anwesend ist?«

»Ihr habt Recht – bis auf Euch ist keiner hier.«

»Es kommt, es kommt, Master Gibson! Ich wartete nur, um Euch einen kleinen Wink zu geben, damit Ihr ein gutes Wort bei dem Nabob für mich einlegt.« Sein Auge hatte während der ganzen Unterhaltung den Spieltisch des Amerikaners häufig gestreift, vor dem jetzt eben eine ziemlich ansehnliche Summe von Gold und Banknoten aufgehäuft lag.

Der Methodist ging langsam nach dem Spieltisch und setzte eine schmutzige, zu einem kleinen Viereck zusammengefaltete Banknote auf die Carreau-Dame.

Mehrere um den Tisch herumstehende Männer lachten mit unverhehltem Spott bei dem Verfahren des Sektierers. »Hesekia muß eine ganz absonderliche Vorliebe für schmutzige Cincinnati-Noten haben,« sagte der eine. »Er setzt nie ein blankes Stück Geld, obschon er sie regelmäßig, wenn er verliert, mit solchem wieder einlöst!«

»Euer Spiel, ihr Herren!« sagte der Bankier, »die Taille beginnt.«

Dollars, Goldstücke und Banknoten flogen auf die Quadrate. Beim dritten Abzug fiel die Dame links, zugunsten des Bankiers, und der Croupier strich die auf dem Felde stehenden Beträge, darunter die Note Slongs, mit ein.

Der Methodist zog aus seinem alten Geldbeutel fünf Silberdollar, und schob sie dem Kentuckier hin, wofür ihm dieser die alte Note wiedergab, ohne sie weiter anzusehen.

Plötzlich entstand am Eingang des Saales eine große Bewegung, und man sah eine zahlreiche Gesellschaft eintreten.

Voran schritt ein großer Mann, der Graf Raousset Boulbon, einer der berüchtigtsten und kühnsten französischen Abenteurer der Neuzeit, der wenige Monate später der mexikanischen Regierung so bedeutend zu schaffen machen sollte. Wie man vielfach munkelte, war er bei seinen abenteuerlichen Unternehmungen nicht ohne Verbindung mit der neuen französischen Regierung.

Die Gesellschaft bestand aus den Hauptmitgliedern seiner Expedition, von denen vorhin der Methodist schon verschiedene näher bezeichnet hatte, und zählte ungefähr zwanzig Personen.

Der Graf schritt langsam, von seiner Begleitung gefolgt, durch den Saal nach den Spieltischen, in deren Umgebung die Aufmerksamkeit jetzt zwischen den Ankommenden und der eben begonnenen Taille geteilt war.

Diesen Augenblick wahrscheinlich hatte der Methodist benutzt, um aufs neue die schmutzige, zusammengebogene Banknote auf die Dame zu setzen.

Der Bankier fuhr im Abwerfen fort.

»Le Roi perd!«

»Dix gagne!«

»Doppelt, alter Bursche!« sagte ein alter Schiffskapitän, indem er den gewonnenen Dollar stehen ließ.

»Sept perd!«

»Dame gagne!«

Der Croupier schob dem einen der Spieler, der mit auf die Dame gesetzt, zwei Souvereigns zu und dem Master Slong seine fünf Dollars.

»Einen Augenblick, John, mein Junge,« sagte dieser. »Ich kalkuliere, Ihr irrt Euch. Ich bekomme tausend Dollars.«

Die originelle Forderung machte im Augenblick das Spiel stocken, und der Bankier blickte erstaunt auf den Spieler.

»Macht die Note nur auf,« sagte derselbe mit großer Seelenruhe. »Es muß eine Tausenddollarnote sein, wenn mir recht ist, wenigstens wollte ich damit mein Heil versuchen!«

Der Bankhalter hatte die Note genommen und sie geöffnet. Jeder konnte sich überzeugen, es war richtig eine Note über tausend Dollars der Bank von Ohio, die in ihrem Aussehen den Fünfdollarnoten des Staates Cincinnati sehr ähnlich sind.

Jedermann erkannte im Augenblick den hier gespielten Betrug, aber ebenso auch das Recht des Spielers, und die ganze Gesellschaft, ohnehin bei jeder Gelegenheit Partei gegen die Bank nehmend, brach in ein schallendes Gelächter aus. »Wenn das eine Tausenddollarnote war, Ihr psalmplärrender Betrüger,« schrie der Bankhalter, »dann hätte ich sie schon zehnmal von Euch gewonnen. Jeder dieser Herren weiß, daß Ihr sie immer nur mit fünf Dollars ausgelöst habt.«

»Ich bin gestern noch Zeuge gewesen,« sagte eine andere Stimme aus dem Kreise, der, durch den Lärm herbeigelockt, sich jetzt um den Tisch drängte. Es war der Mann, den Slong vorher gegen den Tigerjäger als den Redakteur des »California Chronicle« bezeichnet hatte.

»Ladies und Gentlemen,« erhob Slong mit näselndem Ton seine Stimme, »ich fordere Sie auf, sich selbst zu überzeugen,« er öffnete seinen schmutzigen Beutel, »daß ich zwei Noten besessen habe, eine von fünf, die andere von tausend Dollars.«

»Sie werden diesem Manne seinen vollen Gewinn auszahlen, Messieurs!« sagte eine volle Stimme mit dem Ausdruck des Befehls. »Master Slong steht unter meinem Schutz, und ich werde nicht dulden, daß ihm ein Penny von dem vorenthalten wird, was ihm nach dem Recht des Spiels zukommt.«

Der Sprecher war der Graf Raousset Boulbon, der jetzt dicht am Tisch stand und mit der Reitgerte spielte.

»Mylord,« entgegnete der Bankhalter höflich, »Sie werden mir keine Ungerechtigkeit zufügen wollen, weil der Mann hier, den wir alle hinreichend kennen, sich bei Ihrer Expedition eingezeichnet hat. Master Hillmann und zehn andere können mir bezeugen, daß dieser Mensch seit acht Tagen systematisch den Betrug vorbereitet hat.«

»So ist es, Herr Graf,« bekräftigte Hillmann, ein Deutscher von Geburt, der drei Jahre vorher als politischer Flüchtling sein Vaterland verlassen hatte und jetzt an der Spitze des ultraliberalen Organs stand, und somit auch der Führer dieser Partei in San Francisco war. »Master Slong ist ein schlauer Fuchs, der, wenn seine Note verloren gewesen wäre, sie sicher unbesehen mit fünf Dollars eingelöst hätte. Es ist billig, daß die Bank für ihre Unvorsichtigkeit eine Strafe zahlt, aber Sie werden selbst nicht wollen, daß sie durch eine Gaunerei ruiniert werde.«

Der Graf sah den Redner hochmütig an. »Wagen Sie es, mit mir zu sprechen, Sir?« fragte er wegwerfend in beleidigendem Ton.

Der Deutsche wurde dunkelrot. »Gewiß, Herr,« sagte er heftig, »mit wem sonst? Wir sind in dem freien Amerika, wo nur der Rang eines Gentleman gilt, und als solcher sage ich Ihnen ungeniert meine Meinung.«

Aller Augen waren auf den Chef der Sonora-Expedition gerichtet, seine Gestalt richtete sich straff empor, als er jetzt das Wort nahm. »Was diese beiden Schurken betrifft, so will ich sie von meinen Leuten an der Tür dieses Hauses am längst verdienten Strick aufhängen lassen, wenn sie nicht binnen fünf Minuten diesem Manne unverkürzt seinen Gewinn ausgezahlt haben. Was aber diesen sogenannten Gentleman angeht, so will ich meine Rechnung gleich auf der Stelle ihm quittieren!« Und rasch wie der Blitz flog die Reitpeische des Franzosen über den Tisch und zog mit kräftigem Hieb einen im Nu dunkel anlaufenden Streifen quer über das ganze Gesicht des unglücklichen Redakteurs.

Hillmann wollte auf seinen Gegner losspringen, ward aber von einigen seiner Freunde zurückgehalten, unter denen sich auch die beiden Tigerjäger befanden. Alle Deutschen und die Engländer hatten sich um ihn gesammelt, die Franzosen und Amerikaner drängten sich um den Grafen.

Nach einer kurzen, heftigen Beratung sah man Mac Scott, den ersten Geschäftsträger und Jäger des Radschah, von dem Kreise um den Beleidigten sich trennen und auf den Grafen zukommen.

»Mylord,« sagte er in englischer Sprache, um von allen verstanden zu werden, »mein Name ist Fergus Mac Scott, und meine Familie gehört dem schottischen Adel an. Ich habe Master Hillmann, den Sie soeben beleidigt, meine Dienste angeboten, und komme in seinem Auftrage, von Ihnen Genugtuung zu fordern.«

»Ich habe durchaus nichts gegen Ihre Person, Herr Mac Scott,« sagte der Graf hochmütig, »obschon der Adel in Ihrem Vaterland so gewöhnlich zu sein scheint wie die Disteln. Ich will mich auch herablassen, dem Burschen, den ich soeben für seine Unverschämtheit gezüchtigt, die verlangte Genugtuung zu geben, jedoch nur auf meine Bedingungen.«

»Welche sind dies, Mylord?«

Der Graf sah ihn einen Augenblick fest an. »Sie sind Jäger, Herr Mac Scott?«

»Seit fünfzehn Jahren, Mylord.«

»Kennen Sie die Büffel der amerikanischen Prärieen?«

»Mylord, es ist das erste Mal, daß ich mich in Amerika befinde!«

»Wohl. Sie werden vielleicht wissen, daß für morgen ein Stiergefecht angekündigt ist?«

»Ich habe von der Spielerei gehört, Mylord.«

»Sie haben ja wohl eine Probe Ihrer indischen Jagd, einen Tiger, bei sich?«

»Ja, Mylord, es ist ein Königstiger von der Mündung des Ganges.«

»Einen Augenblick Geduld, Herr Mac Scott. Da der Herr dort sich zum Verfechter ihrer Gesellschaft aufgeworfen hat, so will ich ihm die Ehre einer anderen Art Duell antun, bei der ich meine Hand nicht mit dem Blute eines Elenden zu besudeln brauche. Ich verlange, daß er morgen in den Schranken die Rolle des Matadors gegen den Büffel der Sonora übernimmt, den ich ihm stellen werde, zu Fuß oder zu Pferde, mit beliebigen Waffen, und ich verpflichte mich, in denselben Schranken allein gegen den Tiger zu kämpfen, den der Radscha oder Peischwa, ihr Herr, als Aushängeschild mitgebracht hat.«

Der ganz unerwartete Vorschlag fesselte zuerst alle Zungen in Erstaunen; dann aber brach ein lautes »Hört! Hört!« und ein stürmisches Bravo los, in das beide Parteien einstimmten.

Der arme Hillmann versuchte vergeblich gegen die Nächststehenden zu erklären, daß er kein Jäger oder Toreador sei, und in seinem Leben noch keinem zahmen, viel weniger einem wilden Stier gegenüber gestanden habe.

»Soll mich der Henker holen, Mylord,« sagte der Schotte rauh, »der Gedanke ist nicht übel. Ich muß jedoch zuvor den Maharadschah davon in Kenntnis setzen und seinen Willen einholen.«

»Tun Sie das, Herr, und sagen Sie ihrem Indier, daß ich, der Graf Raousset Boulbon, jeden seiner Helfershelfer, und nötigenfalls ihn selbst, ebenso behandeln werde, der es wagt, die Sonora-Company zu verdächtigen.«

Mac Scott besprach sich mit seiner Partei, sowie einige Augenblicke mit seinem Gefährten Gibson und verließ dann das Zelt.

Plötzlich gab sich am Eingang des Saales eine neue Bewegung kund. Zwei reich gekleidete Schwarze traten ein; sie blieben, die Arme über die Brust gekreuzt, an beiden Seiten des Einganges stehen, Mac Scott, dem Jäger, Platz machend, der einige Schritte vortrat.

Eine plötzliche, allgemeine Stille herrschte im ganzen Saal. »Gentlemen,« sagte der Schotte mit lauter Stimme, »Seine Hoheit, der Maharadschah Srinath-Bahadur wünscht hier in ihrer Gesellschaft zu erscheinen und seine Antwort persönlich zu bringen.«

Die beiden Schwarzen zogen auf seinen Wink die Vorhänge des Einganges zurück, und Nena Sahib trat ein.


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